Die Entwicklung des "Fördervereins Bürgernetz Schwindegg e.V."

erzählt von Bertram Gebauer

Die Gründung des "Fördervereins Bürgernetz Schwindegg e.V." wurde von mit, der ich (für deutsche Verhältnisse) sehr früh im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit mit dem Internet in Berührung kam, initiiert und vorangetrieben. Später zeigte ich mehreren Bekannten und Verwandten die Vielzahl der Möglichkeiten, die das Netz schon in den Jahren 1993/94 bot. Die sich daraus bildende Interessensgruppe schloß sich sehr schnell einem Providerdienst, der damals lediglich E-Mail-Dienste anbot, an. Ferner wählte sie sich von Schwindegg und Umgebung aus regelmäßig in das Free-Net Erlangen-Nürnberg (FEN) ein, um von dort aus über Telnet-Verbindungen Kontakte in alle Welt aufzunehmen.

Als einer der aktivsten Nutzer des FEN und im Rahmen meiner Tätigkeit beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst erfuhr ich sehr früh von den Planungen der Bayerischen Staatsregierung, einen Teil der Erlöse aus der Privatisierung von Staatsunternehmen in die Förderung von Telekommunikationsprojekten zu investieren. Das Hochschulinstitut, an dem das FEN betrieben wurde (FIM-Psychologie), brachte in dieses Projekt, das später den Titel "Bayern Online" erhielt, das "Bayerische Innovationsnetz" und mit ihm das Free-Net-Konzept ein. Aufgrund der Bestrebungen des FIM sah dann "Bayern Online" die Schaffung von fünf Einwahlknoten in ein bayernweites Netzwerk vor, das über die Hochschulen an das Internet angeschlossen werden sollte.

Unglücklicherweise lagen diese fünf Einwahlknoten allesamt an nordbayerischen Universitätsstandorten. Daher überlegte ich mir, ob und wie es machbar sei, auch in ländlichen Gebieten Einwahlknoten zu finanzieren. Um mir ein Bild vom Umfang dessen zu verschaffen, was mir nach meinen Erfahrungen mit dem Free-Net so vorschwebte, flog ich im April 1995 zum "Vater der Free-Nets", Tom Grundner, nach Cleveland/Ohio. Dieser leitete dort eine gemeinnützige Zentralorganisation der Free-Nets namens National Public Telecomputing Network, kurz NPTN.

Dort lernte ich u.a. Vertreter des ersten Free-Nets an der Universität von Cleveland kennen, später traf ich noch mit Betreibern des Youngstown-Free-Net zusammen. Alles in allem waren die Eindrücke, die ich gewann, eher ernüchternd. So stellte sich z.B. heraus, daß sich die Free-Nets zum weit überwiegenden Teil an Universitäten und Einrichtungen von Hochschulen etabliert hatten und dort die Gerätschaften der Hochschulen nutzen konnten. Für die Hochschulen waren die Free-Nets Prestige- und Marketingobjekte, was verständlich wird, wenn man sich die sehr eigenständige Finanzierung der amerikanischen Hochschulen betrachtet.

Mir war sehr rasch klar, daß auf dieser Grundlage Free-Nets eher die Ausnahme als die Regel an bayerischen Hochschulen sein würden, von den ländlichen Regionen ganz zu schweigen.

Den Aufenthalt in Cleveland habe ich sehr genossen, ich war bei einer Mitarbeiterin von Tom Grundner untergebracht und kam auf diesem Wege auch zu sehr vielen privaten Kontakten zum NPTN-Kollegium. Eines schönen Abends saßen wir also gemütlich beisammen, als meine Gastgeberin einen Satz aussprach, der den mir angeborenen Trotz geweckt hat. Sie sagte: "Das Internet ist eine wirklich tolle Sache, aber Du wirst es nie schaffen, daß der Supermarkt an der Ecke, die Bäckerei nebenan online gehen. Das ist alles viel zu schwierig für die ganz normalen Leute".

Die Geschichte der Bürgernetze begann vermutlich in diesem Augenblick. Ich fragte sie nämlich: "Why not?".