Das Soziale Netz:

Familie, Nachbarschaft, Gemeinde und Soziale Dienstleistung 

- Wer hat welche Aufgaben -  

   Die eigentlichen Probleme unseres Gemeinwesens sind nicht wirtschaftlicher, nicht gesundheitlicher Art, sondern sind soziale Probleme. Die ursprünglichen Netze gegenseitiger Förderung und Unterstützung in der Gemeinde lösen sich auf, Familien sind isoliert auf sich selbst gestellt und können den sozialen Rahmen nicht mehr bieten, die das Aufwachsen von Kindern sowie die Betreuung von älteren Angehörigen benötigen. Soziale Kompetenzen fehlen, die für Schule und Ausbildung sowie die Anforderung eines eigenständigen Lebens nötig sind. Soziale Fähigkeiten des Miteinanders gehen zunehmend verloren.

   Dort, wo noch funktionierende Soziale Systeme existieren, brauchen sie Schutz und Förderung vor Auflösungserscheinungen des modernen Lebens.

   Die Förderung von Nachbarschaften, Familienselbsthilfe und Sozialen Netzen wie auch des Bürgerschaftlichen Engagements hat den meisten Effekt für den Bürger, wenn sie auf der Ebene des Gemeinwesens ansetzt. Gerade in der Gemeinde, am Wohnort, hat dies auch einen nachhaltigen Effekt. Bei Entscheidungen, wo Interventionen ansetzen sollen, um Probleme anzugehen, ist die nächstmögliche Ebene die sinnvollste. Menschen werden direkt dort unterstützt, wo sie leben. Dies erzeugt einen Synergieeffekt auf alle andere Lebensbereiche. Dies betrifft neben der Familie auch Wohnen, Bildung und Arbeit.

   Menschen, die sich am eigenen Wohnort engagieren, fördern zugleich ihr eigenes Soziales Netz. Damit sichern sie sich präventiv die Bereitschaft der Menschen an ihrem Wohnort, auch ihnen beizustehen, wenn sie es einmal nötig haben. Dies dient der sozialen Sicherung der Zukunft. Zugleich dient dies der Entwicklung ihrer gesamten Lebenswelt.

  

Prinzipien einer Förderung der sozialen Grundsicherung 

Die Aufgabe von Familie und Sozialem Netz 

„Familie ist, wo Kinder sind“

Familie sind die Menschen, die im Alltag regelmäßig persönliche Kontakte miteinander pflegen. 

1. Die Grundaufgaben von Betreuung, Pflege und Sorge für Menschen liegt zuallererst bei der Familie.

   Dies ist die soziale Grundsicherung eines jeden Individuums. Daraus ergibt sich die primäre Aufgabe, Familie zu schützen und zu fördern, damit sie ihren Aufgaben gerecht werden kann. Dabei ist wesentlich, was unter Familie verstanden wird und zu erkennen, was Familien brauchen. Die moderne Kleinfamilie mit zwei Erwachsenen ist z. B. alleine nicht in der Lage, den Anforderungen gerecht zu werden. Ihre Aufgabe ist, für den eigenen Lebensunterhalt und die eigene Zukunft zu sorgen, Kinder zu bekommen und zu erziehen und zugleich die eigenen Eltern zu betreuen. Die Kleinfamilie (Kernfamilie) reicht dafür nicht aus. Zu einer lebensfähigen Familie gehören deshalb immer mehr als zwei Erwachsene. Wo der Vater beruflich zu sehr gebunden ist, fühlt sich die Frau alleine zuständig und alleine gelassen.

Es geht nicht an, Familienarbeit zu unterteilen in selbstverständliche Tätigkeiten wie Kinder bekommen und erziehen und bezahlte Tätigkeiten wie die Pflege und Betreuung von alten Menschen.

 

2. Familie ist zu verstehen als Gruppe von Menschen von mindestens drei Generationen.

   Familie stellt mehr dar als das Elternpaar mit Kindern. Zu Familie gehören Großeltern sowie diejenigen Menschen, die in enger Beziehungsarbeit den Alltag miteinander tragen und aktiv gestalten wie z. B. enge Freunde, die sich regelmäßig kümmern, die Kinderbetreuung und Fahrdienste übernehmen. Zur Zeit leben 85% der älteren Menschen mit Hilfe der Familie zu Hause. Zur gegenseitiger Unterstützung braucht es deshalb eine Gruppe von mehreren Personen. Diese Familiengruppe braucht das Engagement und die Zeit ihrer Mitglieder.

 

3. Das Soziales Netz trägt die Familie und ermöglicht ihre Leistungsfähigkeit.

   Familie ist umgeben und eingebunden in ein Soziales Netz. Dies ist bestimmt von ihrem Wohnumfeld, Freunden, Bekannten, weiterer Verwandtschaft, Nachbarschaft. Das Soziale Netz ist zuständig für ein kinderfreundliches Wohnumfeld sowie ein lebenswertes Umfeld im Alter. 

   Wo das Soziale Netz auf Grund von Umzug und Zwang zur Mobilität zerrissen ist, braucht es die Hilfe der örtlichen Gemeinde, es wieder zu knüpfen. Diese Aufgabe hat Vorrang vor dem Angebot professioneller Dienstleistungen. Verlängerung der Zeiten für den Kindergarten oder die Einrichtung einer Ganztagsschule sind nur Ersatzdienste. Momentan sind Menschen froh über die Erleichterungen, auf der anderen Seite verdünnt sich dadurch das eigene Soziale Netz.

   Nur wo die Unterstützung durch ein soziales Netz vorhanden ist, sind Frauen bereit, Kinder zu bekommen. Auch ist es nicht sinnvoll, alte Menschen, die sich nicht alleine versorgen können, in ein Heim zu geben. Eingebunden in einem sozialen Netz haben sie ihren Platz und ihre Anerkennung sowie die nötige Unterstützung.

   Soziale Dienste sind nur dort nötig, wo das soziale Netz nicht mehr funktioniert. Sie sind ein Zeichen von sozialer Not. In vielen Ländern der Erde mit intaktem Dorfleben braucht es keine Beratungsstellen, da die gegenseitige Beratung und Unterstützung noch funktioniert. 

 

Die Aufgabe der örtlichen Gemeinde 

1. Die Gemeinde hat die Aufgabe, den Rahmen zu gewährleisten, damit das persönliche Soziale Netz funktionsfähig bleibt und seine Funktionen erfüllen kann.

   Nur dann ist die Selbständigkeit des Bürgers möglich und kann von ihm Eigenverantwortung für seine Belange erwartet werden. Lücken im Sozialen Netz erkennt die Gemeinde über Gespräche mit ihren Bürgern. Hier werden die entsprechenden Bedürfnisse erfragt und mit engagierten Bürgern Hilfepläne entwickelt. Diese beziehen sich auf die Förderung der normalen Familienselbsthilfe und Nachbarschaftshilfe. Familienbeauftragte sollten zusammen mit den Bürgern soziale Aufgaben formulieren und aktiv angehen.

Soziale Dienste können die Aufgaben des Sozialen Netzes und damit der Gemeinde nicht ersetzen. Soziale Beratung fördert die individuelle Selbsthilfe, aber lässt den Betroffenen in seinem alltäglichen Leben alleine.  Die Betreuung und Erziehung von Kindern betrifft zunächst das Wohnumfeld  und die Möglichkeiten, hier Beziehungen zu knüpfen und Unterstützungsstrukturen zu schaffen. Die sozialen Beziehungen am Ort sind ein absolut nötiges Bindeglied, das nicht von Dienstleistern übernommen werden kann. Die örtliche Gemeinde hat hier eine Aufgabe und Fürsorgepflicht. 

 

2. Die Gemeinde selbst bestimmt die Grenzen von Selbsthilfe und eigenen Möglichkeiten.

   Erst  wenn für den Betroffenen und seine Familie ein über die eigenen Möglichkeiten hinausgehender Bedarf deutlich wird, wird professionelle Pflege und Betreuung zu Rate gezogen. Dies muss der Betroffene klar äußern und wollen. Hier beginnt der Aufgabenbereich der sozialen Dienste. Weiterhin ist jedoch das Ziel, dass der Einzelne seine eigenen Angelegenheiten im Zusammenleben mit seinen Angehörigen und Menschen am Wohnort wieder selbständig klären kann. Die Gemeinde hat weiterhin die Aufgabe, die Möglichkeiten zu schaffen, dass der Einzelne dies in Zukunft wieder selbst übernehmen kann. Sinnvoll ist es, mit Einrichtungen der Sozialen Beratungsstellen zusammenzuarbeiten, um hilfebedürftige Bürger, die sich dort melden, wieder in die Gemeinde zu integrieren. Ähnliche Probleme, die sich am Ort häufen, müssen im Gemeinderat benannt und angegangen werden. 

 

3. Jeder hat seinen Platz. Geben und Nehmen

Als lebendes System hat eine Gemeinde die Fähigkeit alle Bedürfnisse zu organisieren. Dabei werden alle Menschen, die hier wohnen, gebraucht. Prinzip sollte sein, zunächst Angebot an Zeit und Arbeitskraft mit dem örtlichen Bedarf zu verbinden. Diejenigen, die noch keine Aufgabe (Arbeit) gefunden haben, brauchen ein Angebot vor Ort. Schwerpunkt sollte hier bei den Jugendlichen und älteren Menschen liegen.

Tätigkeit hat sich immer mehr zu bezahlter Leistung entwickelt. Alltagsarbeiten in Familie, Haus und Hof, Betreuung und Sorge haben an Wert verloren. Teile davon wurden professionalisiert. Trotzdem bleibt der Teil der unbezahlten Tätigkeit ein Großteil des Lebens. Nur er bringt ein Zusammengehörigkeitsgefühl für die Beteiligten. Das Miteinander tun war früher in Gemeinden Prinzip. Es gab ungeschriebene aber auch geschriebene Gesetze zum Thema Gemeinschaftsarbeiten. Es gab die Allmende, die gemeinsam bewirtschaftet und gepflegt wurde. Auf der ganzen Welt gibt es die Pflicht, sich in der eigenen Gemeinde bei bestimmten Tätigkeiten  zu beteiligen. Die Ausweitung dieses Bereiches könnte dazu führen, dass sogenannte Arbeitslose sich nicht mehr arbeitslos fühlen, dass sie für sich einen Platz und Wertschätzung erfahren.  Die geleistete Zeit müsste in der Gemeinde gutgeschrieben werden. Ähnlich wie bei den Tauschringen könnte die angesparte Zeit in Notzeiten oder im Alter wieder zurückgegeben werden. In Zeiten des Geldmangels sollten sich die Gemeinden bewusst machen, wie viel Zeit und Arbeitskraft in ihrer Gemeinde vorhanden ist und auf Einbindung wartet.

Gemeinsames Tun war immer der Kitt für eine Gemeinschaft. Auf diese Weise entsteht und stabilisiert sich das Soziale Netz. 

 

Das Verhältnis von Selbsthilfe und Dienstleistung 

1. Professionelle Dienste greifen nur, wo das soziale Zusammenleben der Menschen funktioniert.   
 
Familiäre Grundstrukturen gewährleisten soziales Lernen. Dies sind die Grundlagen für einen erfolgreichen Schulbesuch. Das Institut für Frühförderung betont, dass für einen Besuch der Kinderkrippe nötig ist, dass zwischen Mutter und Kind eine enge vertrauensvolle Beziehung existiert. Professionelle Dienste können keine grundlegende Beziehungsarbeit leisten. Sie brauchen Familienarbeit als Rahmen.

 

2. Professionelle Betreuung und Pflege ist in ganz bestimmten Situation angebracht und nötig, sollte jedoch immer dem Subsidiaritätsprinzip unterworfen sein.

   Die Institutionen der Wohlfahrtspflege sind dort zuständig, wo die Gemeinde keine Möglichkeiten bietet und das soziale Netz nicht mehr greift. Daraus sind sie einst entstanden. Sie dürfen nicht zu integralen selbstverständlichen Einrichtungen werden, mit denen der Einzelne rechnet. Institutionen, wie auch professionelle Dienstleistungen ersetzen niemals soziale Beziehungen. Insofern ist das Netz von Familie, Nachbarschaft, Freunden weiter das Wichtigste für den Betroffenen. Gemeinden dürfen ihre Aufgabe, das soziale Netz zu fördern nicht an überregionale Dienstleister abgeben. Sie müssen sich von ihrer Versorgungshaltung verabschieden und die eigenen Fähigkeiten wieder aktivieren.

 

3. Vorrang der Förderung von Selbsthilfestrukturen vor Marktinteressen.

   Es geht nicht an, dass Pflegedienste einen Bedarf schaffen, indem sie den Menschen und ihren Angehörigen die Verantwortung für die eigene Not nehmen.  So entsteht der Seniorenmarkt wie auch das Gesundheitsmanagement. Dienstleister sehen die Chance, aus Hilflosigkeit Profit zu schöpfen.  Ein Leiter einer Sozialstation (Servicewohnen) antwortete auf meine Frage: „Was halten Sie von selbst organisierten Wohnprojekten?“ „Da sehe ich keinen Bedarf. Wenn jemand etwas braucht, übernehmen wir es. Wir machen alles.“  Verantwortliche für Pflegedienste wissen dann schneller als der Betroffene selbst, wo sie Ihre Dienste anbieten können.

   Auf diese Weise werden sie zum Wirtschaftsfaktor und Markt, der den entsprechenden Gesetzen mit ihrer Eigendynamik unterworfen ist. Für eine Unternehmensgründung im Rahmen häuslicher Dienstleistungen erhält der Existenzgründer Geld und Kredite. Eine Familie, die sich bei Geburt eines Kindes zur Vereinbarung von Familie und Beruf um den Aufbau von Unterstützungsstrukturen bemüht, erhält keine Hilfe. Trotzdem wäre es sehr effektiv und würde dem Staat viel Geld sparen, wenn Selbsthilfe gefördert würde. Im ersten Fall wird ein Markt geschaffen, wozu die Familie Geld benötigt, im anderen Fall wird der Geldbedarf reduziert durch Selbsthilfestrukturen, die dann selbständig existieren und eine reibungslose Kinderbetreuung  gewährleisten. Durch die Entscheidung für die Förderung von Marktstrukturen wird Hilflosigkeit gefördert und produziert. Im Bereich Entwicklungshilfe kann dies gut beobachtet werden. Die Institution lebt davon, dass Menschen sich eben nicht helfen können. Sie hat kein Interesse daran, sich überflüssig zu machen. Deshalb sind diese Institutionen nicht geeignet dafür, Selbsthilfe zu fördern.

   Es geht um die Förderung von Selbsthilfe, Familienselbsthilfe, Aufbau von Unterstützungsstrukturen des Sozialen Netzes. Es geht nicht um Dienste, die geleistet werden, sondern darum, Menschen Räume zu geben, wo sie ihre eigenen Selbsthilfefähigkeiten wieder finden können. Die eigentliche Not ist, dass sich Menschen nicht mehr gegenseitig unterstützen, dass der Nächste nicht mehr der Nächste ist. Heute tut Hilfe zur Selbsthilfe Not.

 

4. Selbsthilfeinitiativen können nur in einem partnerschaftlichen Verhältnis zu Institutionen bestehen.

   Die Institutionen können ihres beitragen in Form von Know How, Fortbildung, Unterstützung durch Räumlichkeiten, Materialien, bei der Öffentlichkeitsarbeit. Wo sich Institutionen Bürgerschaftliches Engagement von Einzelnen aneignen, geht der Selbsthilfecharakter verloren. Als Teil einer Institution verkommt bürgerschaftliches Engagement zu kostenloser Dienstleistung nach dem Plan der Institution. Damit verliert es seinen Wert für die Weiterentwicklung des eigenen Gemeinwesens.

 

5. Die Rolle von Ehrenamtlichen, Bürgerschaftliches Engagement.

   Soziale Probleme lösen sich durch die Förderung des persönlichen Sozialen Netzes, nicht durch den Ruf nach Ehrenamtlichen.

   Auf Grund der demographischen Situation machen sich viele Gemeinden Gedanken, wie sie mit dem kommenden Bedarf an Unterstützung älterer Menschen umgehen sollen. Mangels finanziellen Möglichkeiten denken sie daran, Ehrenamtliche zu werben, entwickeln Ideen, wie z.B. Kümmerer einzusetzen.

   Ehrenamtliche gehören nicht zum Sozialen Netz des Betroffenen. Sie bieten ihre Dienste an ähnlich wie bezahlte Kräfte, nur dass sie in der Wahl der Tätigkeit frei sind und rein altruistisch motiviert sind. Möglich ist, dass sich engere Kontakte entwickeln und daraus Beziehungen dauerhaft werden.

   Die Arbeit mit Ehrenamtlichen im Sozialbereich kann eine normale Gemeinde jedoch kaum übernehmen. Menschen, die sich im Sozialbereich für andere ehrenamtlich engagieren, brauchen einen sozialen Rahmen. Ehrenamtliche brauchen professionelle Betreuung, Organisation ihrer Tätigkeit, Fortbildung, Supervision, eine Anbindung an eine Institution, Verwaltung. Dies kostet Arbeit und Geld. Ehrenamtliche können keinen Sozialarbeiter ersetzen. Dies ist vielen Verantwortlichen nicht in dem Maß bewusst. Größere Organisationen, wie die Kirchen,

   In der Gemeinde geht es weniger um ehrenamtliche Dienste für Notleidende, als um gegenseitige Unterstützung und eine Kultur des Miteinander.

 

6. Die Förderung von Selbsthilfe braucht professionelle Planung und Durchführung.

   Wo sich der Staat aus der Finanzierung von Sozialen Diensten zurückzieht, bleibt eine Lücke. Es wird die Eigenverantwortung und Selbsthilfe gefordert. Ohne die Einbindung in ein Soziales Netz ist diese jedoch vom Einzelnen nicht mehr zu leisten. Wo Menschen gewohnt waren, Hilfen zu erhalten, sind sie nicht mehr in der Lage, dies selber zu übernehmen. Ohne Hilfe zur Selbsthilfe finden Menschen nicht mehr zu ihren ursprünglichen Fähigkeiten zurück. Wo das Soziale Netz zerrissen ist, braucht es Hilfe, Beziehungen wieder zu knüpfen und aufzubauen. Dafür gibt es professionelle Konzepte der Gemeinwesenarbeit und Sozialplanung.   

 

Möglichkeiten der Förderung Sozialer Netze 

1. Bürgerschaftliches Engagement hat seinen ureigensten Ort im eigenen Sozialen Netz.

   Die Pflicht zur Eigenverantwortung beinhaltet, dass sich jeder Bürger für seine Belange einsetzt und zunächst eigene Ressourcen aktiviert. Diese sind das Wissen und die Kenntnisse seines persönlichen Sozialen Netzes. Auf diese Weise könnten viele Fragen im Vorhinein gelöst werden. Die Bereitschaft, sich Zeit zu nehmen, die Angelegenheiten des anderen ernst zu nehmen, könnte Not und Probleme im Vorhinein vermeiden. Oft handelt es sich um selbstverständliche Tätigkeiten wie nachbarschaftliche Aufmerksamkeit und ein Angebot zur rechten Zeit. In früherer Zeit gab es dafür Orte der Kommunikation, wie den Dorfladen. Geschichtlich gab es Gemeinschaftsaufgaben und –Arbeiten, bei denen die ganze Gemeinde miteinbezogen war.

   Die eigene Tätigkeit, die der Pflege und Aufrechterhaltung des eigenen Sozialen Netzes dient, braucht den Schutz des Staates. Die Möglichkeit dies zu tun gehört zum Grundrecht jedes Menschen. Dies ist keine Arbeit im Sinne von Arbeitsamt oder Finanzamt, die stundenmäßig begrenzt werden kann. Dies ist keine ehrenamtliche Aufgabe im Sinn einer freiwilligen Tätigkeit speziell für andere. Diese Tätigkeit schafft die Grundlagen dafür, selber im Alltag genügend Unterstützung zu erhalten, um selbständig leben zu können. Im Gegenteil ist es rechtswidrig, wenn Familien gezwungen sind, ihre ureigenen Aufgaben zurückzustellen zugunsten von Fremdarbeit. Soziale Arbeit im Sinne von Gemeinwesenarbeit ist die Pflicht jedes Menschen.

 

2. Die Lebenswelt in einer Gemeinde beinhaltet viele Bereiche des Lebens und der Erfahrung.
    Hier haben Menschen viele Möglichkeiten sich zu betätigen und Kontakte zu pflegen (Vereine, Kirchen). Wo sich Menschen sinnvoll fühlen, haben sie keinen Grund krank und pflegebedürftig zu werden (Salutogenese). Bürgerschaftliches Engagement trägt hier bei zu ganzheitlichem Leben und dient allen Altersgruppen. Der Bürger einer aktiven Gemeinde: „Wir haben ein aktives Gemeindeleben. Bei uns helfen wir, wo es gebraucht wird. Es gibt da keine Probleme.“ Jugendliche haben hier einen Raum, soziale Kompetenzen zu erwerben und eine Grundbildung für eine berufliche Tätigkeit zu erhalten.

 

3. Strukturen des Bürgerschaftlichen Engagements

   Lebendige Kommunikation ist ein Ziel, das immer wieder neue Formen benötigt. Der Agendaprozess ermöglichte seit 1992 eine Vielzahl von Aktivitäten und Vernetzung. 

   Bürgerschaftliches Engagement hat ihren ursprünglichen Platz in der Familie, Nachbarschaft und Gemeinde. Viele Kirchengemeinden leben nach diesem Prinzip. Formulieren der eigenen Probleme und Entwicklung von Lösungswegen muss immer am Ort und von den Betroffenen selbst geschehen. Alle Initiativen, die auf diese Weise entstehen, fördern die Entwicklung des Gemeinwesens. Dazu gehören Nachbarschaftsprojekte, Tauschringe, Wohnprojekte, Solidargemeinschaften.

   Bürgerschaftliches Engagement hat seinen absoluten Vorrang in der eigenen Lebenswelt und im eigenen sozialen Netz. Deshalb können solche Prozesse nicht verordnet und organisiert werden von oben herab oder von Institutionen.

   Die Wiege des Bürgerschaftliches Engagements ist die Gemeinde. Hier kann Eigenaktivität Wurzeln schlagen und sich Beziehungen gestalten zu funktionsfähigen Strukturen des Miteinander.

 

4. Die soziale Struktur einer lebendigen Gemeinde ist so beschaffen, dass sie auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lebensalter organisch reagiert.

   Es  müssen keine weiteren künstlichen Institutionen (Altenheime) errichten werden. Dabei kann langfristig auf in jedem Gemeinwesen vorhandene Ressourcen zurückgegriffen werden wie arbeitslose Menschen, Rentner, Frauen, nach der Familienphase. Voraussetzung ist ein aktives Gemeindeleben und Räume für alle Altersgruppen, sich zu beteiligen. Eine Kultur des Miteinanders entwickelt sich, die für jeden, der möchte, Platz hat.