Leserbrief: Die Ursachen der Finanzkrise

Die Krise an den Finanzmärkten spitzt sich - wie seit etwa einem Jahr vorherzusehen - ständig weiter zu, wobei wir den Höhepunkt noch lange nicht erreicht haben. Kaum jemand stellt sich jedoch die Frage nach den Ursachen dieser Krise, nach den schier unglaublichen Verhältnissen im gesamten Geldsystem:

- Wie kann es sein, dass vor allem in den USA Tausende Milliarden von Krediten vergeben wurden, deren Rückzahlung von Anfang an mehr als unsicher war?
In dieser sog. Subprime-Blase (Immobilienblase) stecken alleine etwa 2.000 Milliarden Dollar fauler Kredite. Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs an faulen Konsumkrediten. Die Krise hat sich bereits seit langem auf die Kreditkarten- und Automobil-Kredite ausgedehnt.

- Wie konnte der gesamte Schuldenberg der USA (aber auch in Europa und in aller Welt) solch astronomische Ausmaße annehmen?
Die Gesamtschulden der USA (Staat plus Wirtschaft plus Haushalte) belaufen sich auf die unvorstellbare Summe von etwa 48.000 Milliarden US$. In 1-Dollar-Scheinen aufgestapelt ergäbe dies einen 4,8 Millionen Kilometer hohen Turm, der 120-mal um den Erdäquator oder mehr als 12-mal zwischen Erde und Mond reichen würde! Oder über die Landfläche der Welt verteilt: mehr als 3 Dollarnoten auf jedem Quadratmeter Erde...

- Wie konnten sich auf der anderen Seite - in den Händen weniger - genauso große Vermögen ansammeln, die nach Anlage- und Spekulationsmöglichkeiten suchen: bis vor kurzem in den Immobilien-, nun in den Lebensmittel - und Rohstoffmärkten. Die Besitzer dieser Vermögen trachten nach ständig größeren Renditen und wollen immer noch reicher werden. Dabei ist bereits ein Vermögen von "nur" einer Milliarde fast unvorstellbar: Beispielsweise kann ein Euro-Milliardär und seine Nachkommen 2.000 Jahre lang täglich fast 1.400 Euro ausgeben, bis die Milliarde aufgebraucht ist - ohne Zinsen! Bei einer Rendite von ca. 15% (durchschnittlicher Jahreszuwachs eines Milliardärs laut Forbes-Magazin) kann er/sie täglich über 400.000 Euro ausgeben, ohne dass das Vermögen kleiner wird! Auch in Österreich haben wir bereits 15 Euro-Milliardäre und 66.000 Millionäre (World Wealth Report), die zusammen etwa zwei Drittel des Gesamtvermögens in Österreich besitzen!

Das Problem bei all diesen Schulden und Vermögen ist ein mathematisches - sie folgen exponentiellen Wachstumskurven: je größer, desto rascher wachsen sie, bis sie faktisch explodieren. Eine Wachstumsrate von 15% bedeutet z.B. eine Verdopplung knapp alle 5 Jahre. Die Vermögen der Millionäre wachsen im Schnitt um 9% pro Jahr - eine Verdopplung alle 8 Jahre. Mit was soll sich dann die "restliche" Bevölkerung (90% aller ÖsterreicherInnen) in 8 Jahren noch begnügen? Etwa alle 60 Jahre muss dieses Wachstum zum Zusammenbruch der Finanzmärkte und der Weltwirtschaft führen.

Zurück zu den USA: Selbst das kurzfristige Auffangen der maroden Banken, Versicherungen etc. in einem Fond von 700 Milliarden US$ würde die Geldmenge und damit die eigentliche Ursache der Probleme weiter erhöhen. Aufgrund der extremen Gesamtverschuldung und der in den USA bereits bestehenden Wirtschaftskrise muss man in nächster Zeit mit viel höheren Kreditausfällen rechnen, die niemals abgefangen werden können. Selbst der langjährige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan und der Präsidentschaftskandidat McCain warnen vor dem größten Börsenkrach in der Menschheitsgeschichte, und sprechen von der "Very Great Depression".

Mit der ständigen Erhöhung der Geldmenge verzögern und verschlimmern die USA den Zusammen­bruch des (Welt-)Finanzsystems nur und lasten - sehr geschickt - ihre Schulden der gesamten Welt auf, da dies eine gewaltige globale Inflation auslöst. Die ständig wachsende Geldmenge und die Verluste im Immobilien- und Aktienmarkt werden die Spekulation in anderen Bereichen anheizen. Beides zusammen wird eine massive Verteuerung von Rohstoffen (vor allem Edelmetalle) und Lebensmitteln und in vielen Ländern der Dritten Welt Hungersnöte und Aufstände auslösen.

Bei uns wird die Inflation die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten beschleunigen. Die offizielle Inflation ist gelinde gesagt "geschönt" (oder kaufen Sie jedes Monat einen Groß­bild­fernseher?). Wer ein Haushaltsbuch führt oder alte Rechnungen aufgehoben hat, kann berechnen, dass die reale Inflation seit Jahren bereits 8-9% beträgt (Beinahe-Verdopplung der Preise seit 2001)! Für 2008 sind reale Inflationsraten von 10-20% zu erwarten.

Aufgrund der großen Geldmengen, die in den USA täglich in Umlauf gebracht werden (die Zahlen werden aus "statistischen" Gründen nicht mehr bekannt gegeben), ist bis Jahresende sehr wahrscheinlich auch mit einem starken Verfall des Dollars zu rechnen (Dollarkurs von 1,80 bis über 2,00 Euro). Selbst die völlige Entwertung des Dollars ist zu befürchten. In den USA munkelt man bereits von einer Währungsreform mit einer massiven Abwertung im Verhältnis 1:2 bis 1:5!

In den USA spricht man analog zum Öl übrigens auch vom "Peak Credit": Die Überschuldung hat einen Punkt überschritten, der für keine Volkswirtschaft der Welt mehr tragbar ist. Lassen wir uns überraschen, wie lange sie/wir das noch durchhalten...

In meinem Buch "Neues Geld - Neue Welt: Die drohende Wirtschaftskrise - Ursachen und Auswege" gehe ich näher auf diese Probleme ein und zeige nicht nur deren Ursachen, sondern auch mögliche Auswege auf, die auch wir, hier in unserer Region umsetzen können. 

Dipl.-Ing. Tobias Plettenbacher
ATTAC Ried, TIMESOZIAL, Experte für komplementäre Währungssysteme
Kontakt: plettenbacher@timesozial.org, 0664/ 5434939