KRIEG DER RELIGIONEN

Politik, Glaube und Terror

im Zeichen der Apokalypse

 

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REZENSIONEN – 12


Dieser Artikel wurde 2006 von dem Journalisten Teja Fiedler im Auftrag des Magazins Stern verfasst, wurde aber auf der Redaktionskonferenz wegen eines angeblich aktuelleren Beitrags zurückgezogen.

 

APOKALYPSE

 

Sie sprengen stets auf einem majestätischen weißen Pferd heran, um die Welt des Bösen in einem Meer von Blut zu ertränken. Der apokalyptische Jesus aus der „Geheimen Offenbarung“ des Evangelisten Johannes sitzt auf einem Schimmel, der sunnitische Mahdi bei seinem Entscheidungskampf gegen den Teufel ebenso wie der übermenschliche Zwölfte Imam der Schiiten. Auch die östlichen Religionen  kennen den todbringenden Erlöser hoch zu Ross.  Kalki, der endzeitliche Würger im Hinduismus ist Schimmelreiter und auch Rudra Chakrin,  der  im Buddhismus für das große Aufräumen vor dem  Goldenen Zeitalter  sorgt.

 

Diese weiße Kavallerie  der Apokalypse würde man gerne  als stereotypes  Versatzstück globaler Doomsday-Visionen belächeln. Das kann man nicht. Denn in allen großen Glaubensgemeinschaften gewinnen spätestens seit dem 11. September 2001 jene an Boden,  für die nicht nur  der anachronistische Rächer auf dem Schimmel Realität ist. Viel schlimmer, auch der von ihm eingeleitete Endkampf zwischen Gut und Böse mit seinen namenlosen Gräueln steht für sie kurz bevor.

 

„Es gibt eine Ökumene des Schreckens,“ sagen Victoria und Victor Trimondi. Die beiden Kulturwissenschaftler haben in dem Buch „Krieg der Religionen“  das Vordringen apokalyptischer Vorstellungen überzeugend analysiert. Danach nimmt diese Internationale des Weltuntergangs jeden Satz ihrer jeweiligen heiligen Schriften über das baldige Ende der Welt für bare Münze. Das Schlimme daran: Die Verfechter der Apopkalypse sind nicht mehr auf Sektierer-Zirkel beschränkt.  Sie machen mit ihrem Katastrophen-Szenario globale Politik.

Insgesamt 65 Millionen Auflage haben allein die  Doomsday-Thriller des amerikanischen Fundamentalisten Tim LaHaye erreicht, des erfolgreichsten Autors aus der großen Schar  der christlichen Untergangs-Literaten. In „Countdown zum Finale der Welt“ zeichnet er minutiös mit Hilfe von Schaubildern und Tabellen seine Version der Endzeit nach. LaHays Hauptquelle: die „Geheime Offenbarung“ des  Evangelisten Johannes, die düsterste Schrift des Neuen Testaments.  Dort werden Weltende und Jüngstes Gericht als eine Orgie von  Katastrophen, Plagen, Blut  und  Vernichtung gezeichnet, die mit der ewigen Verdammnis der Sünder in einen Feuersee ihren Abschluss findet. Die Guten hingegen erwartet nach Johannes die immerwährende Glückseligkeit im paradiesischen „Neuen Jerusalem“.

 

Kaum weniger grausam und gewalttätig geht es im Islam vor dem Ende aller Tage zu. Die Krieger des Guten, angeführt vom Mahdi bzw. von  Jesus, der im Islam nicht der Sohn Gottes sondern ein Prophet ist, werden die Heere des    Bösen besiegen. Erdbeben  zerstören alle Gebäude. Die Himmel schmelzen.  Sonne, Mond und Sterne stürzen ins Meer. Die „Posaune der Prüfung“ ertönt so laut, dass alle Lebewesen sterben.  Dann richtet Allah.

 

Die Gottlosen erwarten  entsetzliche Qualen. Schon die mildeste hört sich ausgesprochen ungut an:  „Die leichteste der Höllenstrafen trifft den, der Schuhe aus Feuer tragen muss, so dass ihm das Hirn im Schädel kocht wie das Wasser in einem Kupferkessel auf dem Herd.“ Die Gottgefälligen hingegen gehen ins Paradies ein, den Ort ewiger, sinnlicher Lust mit den berühmten „schwarzäugigen Jungfrauen“ als Klimax.

 

Die dritte der monotheistischen Religionen hat ihre Endzeit-Vision lokalisiert.  Im Judentum errichtet der Messias ein Groß-Israel als neuen Garten Eden: „Und es wohnt der Wolf mit dem Lamme und der Tiger lagert neben dem Böcklein.“  Zuvor muss und wird er die Amalekiter, die Erb-Feinde des von Gott erwählten Volks, vertreiben, wie es schon König Saul auf Befehl des Propheten Samuel tat: „Gehe nunmehr und schlage Amalek und erbarme dich sein nicht sondern töte von Mann bis Weib, von Kind bis Säugling, von Ochs bis Lamm, von Kamel bis Esel.“ In der religiösen Rechten des heutigen Israel werden die Palästinenser mit dem biblische Erbfeind Amalek gleichgesetzt. 

 

Für die Doomsday-Propheten stehen die Zeichen der Zeit auf Endzeit. Denn die Welt von heute ist in ihren Augen wirr, schlecht und gottlos – gerade so, wie sie im Vorfeld des Jüngsten Gerichts laut aller Prophezeiungen zu sein hat: Naturkatastrophen, Kriege, widernatürliche Unzucht, Gotteslästerung,  kurz eine Welt aus den Fugen.   Je nach Konfession decken  heute Homo-Ehe, Tsunami,  AIDS, Irak-Krieg, Elfter September oder Mohammed-Karrikaturen diese angekündigten Desaster ab.

 

„In all diesen Eschatologien gilt das Gesetz: das kommende Reich der Glückseligkeit muss mit Feuer und Schwert, mit Zorn und Hass, mit Menschenverachtung und Menschenvernichtung  herbeigekämpft werden“, schreiben die Trimondis in ihrem Buch. ( Eschatologie = Endzeit-Lehre). Der gütige, verzeihende, Menschen liebende Gott, der die großen Religionen groß macht,  hat darin keinen Platz.  Die Gottheit der Apokalypse ist archaisch, unbarmherzig und rachsüchtig. Sie merzt aus, was sich ihr verweigert. Wer nicht für sie ist, ist gegen sie.

 

Und da in den Augen der Apokalyptiker die Zeit drängt, muss man sich heute auf und für die richtige Seite schlagen. Als Lohn winkt dann das Paradies.  Nach den Prophezeiungen sind die letzten Tage der sündigen Menschheit unausweichlich und unvorstellbar grausam.  In den Delirien des Johannes wimmelt es von todbringenden Reitern,   dämonischen Heuschrecken, Blutseen, Feuersbrünsten sowie Seuchen und Qualen aller Art. Sogar eine scheinbar so friedliebende Religion wie der tibetanische Buddhismus schwelgt  in apokalyptischen Vernichtungs-Phantasien. Im Kalaschakra-Tantra, einem seiner Haupttexte, verfügt der Endzeit-König Rudra Chakrin für die Entscheidungsschlacht über Maschinen, die  Angreifer in Stücke schneiden, über fliegende Flammenwerfer und UFO-ähnliche Flugkörper.

 

Wer sich  an diesem dieses Horror-Szenario  orientiert,  mit dem die Menschheitsgeschichte endet, hat kaum Bedenken jede, aber auch jede Waffe einzusetzen. Und so sind die Apokalyptiker  aller Konfessionen fasziniert von Atomraketen,  Todesstrahlen, bakteriellen oder chemischen Massenvernichtungsmitteln und Wunderwaffen aller Art. Und von deren Anwendung. „Technologie und religiöser Fundamentalismus sind kein Widerspruch“, sagt Victor Trimondi, „denn nur mit  modernsten Waffen lassen sich die Vernichtungsvisionen der Doomsday-Gläubigen  verwirklichen.“

 

Wenn die US-Regierung sich die Option  offen hält, Iran auch mit Nuklearwaffen anzugreifen, umgekehrt der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad wider alle Vernunft an seinen Atomplänen festhält, ist das nicht nur sekuläre Drohkulisse. Es ist auch Ausfluss einer Endzeit-Ideologie, für die der Weltuntergang kein Tabu mehr darstellt, weil er nach Gottes Willen sowieso kommt und den Sieg der Gerechten bedeutet.

 

Amerikanische Präsidenten aus dem rechten Lager waren schon immer anfällig für die Apokalpse. Ronald Reagan etwa   vertraute seiner Umgebung an: „Wir könnten die Generation sein, die Armageddon sieht.“ (Armageddon ist im Christentum der Ort der Entscheidungsschlacht zwischen den Heerscharen des Guten und des Bösen.)  Vom wiedergeborenen Christen  George W. Bush weiß man, dass er die Welt ins schwarz-weiß sieht: Gut und Böse, Gotteswerk und Teufelswerk. In seiner nächsten Umgebung wimmelt es von endzeitbewegten Figuren. Wie etwa seinem engen Freund,  Ex-Justizminister  John Ashcroft, der kurz nach den Abschlägen vom 11. September 2001 sagte:  „Die Vereinigten Staaten sind Gottes auserwählte Nation, die sich in einem gerechten Krieg gegen das Böse befinden. Genau aus dem Buch der Offenbarung ist zu entnehmen, dass die Agonie, die wir ertragen müssen, die Geburtswehen sind, die das Kommen des Messias ankündigen.“

 

Auch Israels religiöse Parteien erwarten den Messias, ebenso Irans schiitischer Präsident Ahmadenidschad die baldige Wiederkunft des Zwölften Iman. Für sunnitische Fundamentalisten trägt Osama bin Laden die Züge des Mahdi, der in der Endzeit „die Erde der Herrschaft der Familie Mohammeds unterwerfen wird.“ Bin Laden ist jedes Mittel  recht, den Satan aus dieser Welt zu vertreiben, bis hin zur Atombombe.

 

Ironie der Apokalypse-Apostel: Die Anhänger Anhänger des Satans, die dem Jüngsten Gericht zum Opfer fallen werde, sind zwar auch die verstockten Sünder der eigenen  Religion. Noch mehr aber sind es die Apokalyptiker der anderen. Seite, die sich genau so engstirnig und unerbittlich ins Paradies kämpfen wollen  wie man selbst.  „Satan Amerika“ und „Satan Israel“ sind die gängigsten Versatzstücke der islamischen Welt, die Vernichtung Israels  ist geradezu eine Vorbedingung für das Erscheinen des Mahdi. 

 

Für die militante christliche  Rechte in Amerika  war Mohammed ein „Terrorist“ und ihr Kampf  gegen islamische   Fundamentalisten ist  schlussendlich ein Kampf gegen den Teufel.  „Der gegenwärtige Krieg ist ein spiritueller Krieg gegen die Kräfte Satans. Dieser hat den Islam hervorgebracht und mit Macht ausgestattet, um einen letzten Versuch zu machen, die Welt zu erobern. Der Islam wird diese Schlacht  verlieren, denn das Wort Gottes sagt, dass derjenige, der das Schwert zieht, durch das Schwert umkommt“, so der populäre Prediger David R. Reagan.

 

Sogar die Endzeit-Schriften des Hinduismus und Buddhismus haben für die Entscheidungsschlacht ihrer Helden Kalkri und Rudra Chakrin Erzfeinde parat: Juden, Christen, Muslime, die Gläubigen der drei großen monotheistischen Religionen. Auf diesem Hintergrund ist jenseits aller strategischen Motive die fast sakrale  Haltung des hinduistischen Indiens und des muslimischen Pakistans zu ihren Atomwaffen-Programmen eher verständlich  Es ist ein besonderes Verdienst  des lesenswerten Buchs von Victoria und Victor Trimondi zu zeigen, wie bei den Doomsday-Propheten Schwarz zu Weiß und Weiß zu Schwarz wird, je nachdem ob Allah, Jahwe, Buddha ode der Christen-Gott Herr des Untergangs sind.

 

Victor und Victoria Trimondi: Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse. 597 Seiten, Fink-Verlag München 2006 

 

©  Teja Fiedler

 

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