REZENSIONEN
– 2
Sonntagsblatt
Publik Forum
Evangelischer Kirchenbote
Ausgabe: 07 -
vom: 12.02.2006
Mahdi, Jesus, Messias
Wie endzeitliche Prophetien
die Nahostpolitik prägen
Von Helmut
Frank
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad leugnet
den Holocaust, ruft zur Vernichtung Israels auf und beschwört die Rückkehr
eines militanten muslimischen Messias. Einflussreiche amerikanische
Christen bejubeln den Schlaganfall Ariel Scharons und werten den Sieg der
radikal-islamischen Hamas in Palästina als notwendiges Zeichen der Endzeit.
Wird die Nahost-Politik zunehmend von Apokalyptikern beeinflusst?
Israel reagierte, und warf Robertson aus einem
lukrativen »Jesus-Park-Projekt«, das die Regierung zusammen mit
evangelikalen US-Christen am See Genezareth realisieren will. Auch
Robertsons nachgeschobenes Bedauern konnte daran nichts mehr ändern. Die
Frage blieb, was den 75-jährigen Medien-Mogul zum christlichen Hassprediger
werden ließ. Die Antwort liegt in seiner apokalyptisch geprägten Theologie.
Robertson glaubt fest daran, dass die territoriale Unversehrtheit
Groß-Israels Vorbedingung für die Wiederkunft Jesu sei.
Wie diese Wiederkehr aussehen soll, präzisiert Hal
Lindsey, ein anderer Vertreter der christlichen Rechten in den USA. Er
prophezeit in seiner Stellungnahme zum Hamas-Sieg, abgeleitet aus
Bibelzitaten, es werde in den nächsten Jahren eine islamische Großarmee
unter der Führung Russlands und Persiens (Irans) gegen Israel antreten und
das Land beinahe total zerstören. Dann erscheine in letzter Minute Jesus
Christus als übermächtiger Feldherr, um nach der Armageddon-Schlacht die
Juden vor der völligen Vernichtung zu retten. Nicht erwähnt wird dabei die
Prophezeiung, dass die überlebenden Kinder Israels zum Christentum konvertieren
müssen oder andernfalls getötet werden.
Auch Lindsey glaubt, Gott habe sich an Scharon
gerächt, weil er gegen den göttlichen Willen die »road map«, den aktuellen
Friedensplan, unterstützte. Lindsey wertet dies als Gebetserhörung. Während
des Abzugs aus dem Gaza-Streifen hätten Hunderttausende von Juden und
Christen zu Gott gefleht, um ihn zu einer Intervention zu bewegen. »Es
scheint so, dass diese Gebete auf dramatische Art und Weise beantwortet
wurden«, schreibt Lindsey.
Scharon gilt als »Verräter«, der die endzeitlichen
Pläne Gottes für den Nahen Osten durchkreuzen wollte. Dabei hat er als
Likud-Chef lange Jahre selbst seine Siedlungspolitik aus der Bibel
abgeleitet und so die Stimmen der Rechten gesichert. Erst im Oktober 2004
änderte er seine Strategie und sagte den Siedlern: »Ihr seid wunderbare
Pioniere, Erbauer Israels, Siedler auf dürftigem Boden, im Regen und im
Winter, durch alle Schwierigkeiten hindurch. Aber ihr habt unter euch einen
messianischen Komplex entwickelt.« Damit hatte Scharon den endzeitlichen
Kern des jüdischen Fundamentalismus in Frage gestellt, der durch die
Vertreibung der Palästinenser und durch die Souveränität über »Groß-Israel«
die Ankunft des Messias beschleunigen will.
Wie stark sich Apokalyptik und Messianismus weltweit
in allen Glaubensrichtungen ausbreiten, zeigen die Religionsforscher Victor
und Victoria Trimondi in ihrem neuen Buch »Krieg der Religionen«. Die
Endzeit-Ideologien aller Fundamentalisten weisen dieselben apokalyptischen
Grundmuster auf, so die These der beiden Autoren. Wobei der Gott des einen
der Teufel des anderen ist, und umgekehrt. Apokalyptik, warnen die beiden,
ist keine fromme Spinnerei, sondern »höchst gefährlich«, weil sie zu
grausamen Religionskriegen führen könne. Apokalyptiker glauben fest, dass
durch die Zerstörung der bestehenden bösen und sündigen Welt eine neue gute
und paradiesische Weltordnung geschaffen werden könne.
Gibt es einen
»Krieg der Religionen«?
Viel spricht momentan dafür, dass sich auch die
radikal-islamische Hamas diesem Irrglauben verschrieben hat, nachdem sie
die Anerkennung Israels und eine Abkehr von der Gewalt kategorisch
ausschließt. Ein Blick in die Grundsatzerklärung der Hamas von 1988 erklärt
warum. In Artikel 6 heißt es da zum Beispiel: »Das Land von Palästina ist
heiliges, islamisches Besitztum, das für zukünftige muslimische
Generationen bis zum Jüngsten Tag (!) bestimmt ist. Keiner kann darauf
verzichten, auch nicht auf einen Teil davon, oder es abtreten, auch nicht
einen Teil davon.« Ein endzeitlicher Bezug findet sich auch in Artikel 34
der Charta. Dort ist festgeschrieben, dass die Organisation den Heiligen
Krieg (Dschihad) bis zum Jüngsten Tag fortsetzen wird. Von Mohammed ist die
Prophezeihung überliefert, die Bewohner Syriens und Palästinas würden sich
im Dschihad befinden bis zum Tage der Auferstehung.
Der populäre Hamas-Scheich Ibrahim Madhi, Imam in
Gaza-Stadt, predigte wiederholt: »Die Juden erwarten den falschen jüdischen
Messias, während wir, mit Allahs Hilfe, den Mahdi und Jesus, Friede sei mit
ihnen, erwarten. Mit reinen Händen wird (der islamische) Jesus den falschen
jüdischen Messias töten.« Vom Hamas-Scheich Bassam Jirrar stammt das Zitat,
dass der Islam in Mekka beginne und in Jerusalem ende. In seinem Bestseller
»Das Ende Israels im Jahr 2022« wird der Untergang des Staates in 16 Jahren
prophezeit. Wegen solcher und vieler anderer Statements kommt der
amerikanische Religionswissenschaftler David Cook zu dem Schluss, bei der
Hamas handle es sich eindeutig um eine apokalyptische Gruppe.
Auch Artikel 7 der Hamas-Charta macht endzeitliche
Andeutungen. Dort wird ein Prophetenwort zitiert, das die Vernichtung der
Juden zur Bedingung macht, damit die Endzeit-Ereignisse überhaupt eintreten
können. Eine Islamisierung der gesamten Region und die Vernichtung Israels
gilt deswegen bei islamischen Fundamentalisten als erste Stufe auf dem Weg
zu einer muslimischen Weltherrschaft. Deswegen sind auch die iranischen
Ayatollahs so auf die Heilige Stadt Jerusalem fixiert. Der »Jerusalem Tag«
1978 von Ayatollah Khomeini eingeführt, dient als religiös-politischer
Feiertag, an dem zum Ende des Fastenmonats Ramadan die Vernichtung Israels
propagiert wird. Am Jerusalem Tag 2005 sprach der iranische Präsident
Mahmud Ahmadinedschad auf einer Konferenz mit dem Titel »Eine Welt ohne
Zionismus«. Er gab sich zuversichtlich, dass »eines Tages die Mitte der
islamischen Welt von dem Schandfleck Israel gesäubert sein wird.«
»Sie waren alle wie
erstarrt«
Wie sein Vorbild Khomeini pflegt auch Ahmadinedschad
einen bescheidenen Lebensstil. Der Sohn eines armen Schmiedes fährt einen
Peugeot Jahrgang 1977, lebte als Bürgermeister Teherans in einer
Arbeiterwohnung, kleidet sich mit abgetragenen Anzügen und verabscheut
Krawatten. Im Wahlkampf 2005 nannte er sich den »kleinen Straßenfeger des
Volkes«.
In seiner spirituellen Selbsteinschätzung ist der
49-Jährige dagegen weniger bescheiden. »Es war Mahdi, der verborgene Imam,
der mich dazu berufen hat«, sagt er über seine überraschende Wahl zum
Staatspräsidenten. Seitdem fragt er den Imam regelmäßig um Rat, zum
Beispiel vor seiner Antrittsrede vor der UNO im September. Außerhalb des
Saals habe ihn kaum jemand wahrgenommen, berichtete er. »Da kam mir der
verborgene Imam zu Hilfe. In dem Augenblick, als ich den Saal betrat, umgab
mich plötzlich ein Heiligenschein. All die Staatshäupter, die da saßen,
erstarrten vor Erstaunen. Ich redete eine halbe Stunde lang, und während
der ganzen Zeit hörten mir alle gebannt zu, nicht ein einziger zuckte mit der
Wimper. Sie waren alle wie erstarrt.«
Am Schluss seiner Rede beschwor er die Wiederkunft des
muslimischen Welterlösers, des schiitischen Messias »Imam-Mahdi«, der
angeblich zurückkehren und eine apokalyptische Revolution der Unterdrückten
gegen die Mächte der Ungerechtigkeit anführen wird. Oberstes Ziel des
iranischen Präsidenten ist, die Rückkehr des Imam Mahdi zu beschleunigen,
wobei die iranische Revolution nur die erste Station einer schiitischen
Welterlösung darstellt. Ahmadinedschad folgt damit dem Gesetz, denn diese
Form des Messianismus ist in der iranischen Verfassung verankert.
Irrationales
Messiasfieber
Als Ahmadinedschad Bürgermeister von Teheran war, ließ
er einen Hauptboulevard renovieren, weil der Mahdi bei seiner Rückkehr darüber
einmarschieren werde. Der Dschamkaran-Moschee schenkte er 13 Millionen
Euro, weil dort ein Brunnen ist, der im Volksglauben als »Briefkasten« des
Zwölften Imam bezeichnet wird. Man kann ihm Botschaften zukommen lassen,
indem man sie dort ins Wasser wirft. Ein im Internet kursierendes Gerücht
besagt, Ahmadinedschad habe seine Minister verpflichtet, einen Brief an den
Imam zu schreiben und in den Brunnen zu werfen. Inhalt: Man wolle alles
tun, um seine schnelle Rückkehr zu ermöglichen.
Das irrationale Messiasfieber greift mehr und mehr auf
die ganze iranische Gesellschaft über. Amir Mohebian, Chefredakteur der
konservativen Zeitung Resalat, empfiehlt eine kompromisslose Politik der
Härte: »Ich glaube der Mahdi wird in zwei, drei oder vier Jahren kommen,
weshalb sollte ich denn nachgiebig bleiben? Jetzt ist es an der Zeit, stark
dazustehen und hart zu sein.« Es gibt auch Gegenstimmen: Groß-Ayatollah
Hossein Ali Motazari zum Beispiel kritisiert die Regierung, sie missbrauche
den Mahdi-Kult für ihre politischen Interessen.
Christliche Fundamentalisten haben dem iranischen
Präsidenten bereits seine Rolle im apokalyptischen Welttheater zugewiesen:
Die Funktion des Anti-Christen, die Saddam Hussein bisher spielen musste,
wird jetzt auf Ahmadinedschad übertragen. Die Hauptbühne ist wie gehabt der
Nahe Osten, im Fokus Israel, das Finale in Jerusalem. Will er dafür die
Atombombe?
Quellen: epd, idea, www.trimondi.de
, »Krieg der Religionen« von V. und V. Trimondi
http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2006_07_01_01.htm
© Sonntagsblatt
VICTOR UND VICTORIA TRIMONDI
|
Krieg der Religionen
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Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse
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Dieses Buch war Buch des Monats in Publik-Forum 1/2006.
Norbert Copray rezensierte wie
folgt:
Ohne kritische Christen
wächst der Fanatismus
Diese Seite der Weltreligionen wird gern verdrängt: Es gibt
fundamentalistische, apokalyptische, militante, fanatische wie destruktive
Strömungen und Bewegungen in den Religionen. Kaum jemand in Europa möchte
wahrhaben, dass militante, terroristische und fanatische Gläubige in den
»heiligen« Schriften Rechtfertigungen für ihr Verhalten finden. Aber so
ist es. Sie finden darin sogar Antreiber dazu. Die Gruppen der zur
Militanz neigenden Gläubigen nehmen in allen Religionen weltweit zu oder
verschaffen sich wachsenden Einfluss auf die regionale Politik und die
Globalisierungskonflikte. Diesen Sachverhalt erschließt das Autoren- und
Ehepaar Victor und Victoria Trimondi kritisch.
Über den
Fundamentalismus in einzelnen Religionen kann man jeweils einzelne Bücher
lesen. Trimondi gelingt es erstmalig, den Fundamentalismus in drei
Weltreligionen auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen. Sie finden sie
im apokalyptischen, endzeitlichen und militanten Messianismus. Jede
Religion hat ihre Tradition, auf die sich die heutigen Krieger Gottes
berufen können. Der Koran hat seine Endzeit-Spekulationen und seine
Aufrufe zum Endkampf gegen die Ungläubigen. Das Christentum hat mit der
Johannesoffenbarung, auch Apokalypse genannt, ein schwer verständliches,
aber für endzeitlich gesonnene Christen gut brauchbares Werk. Es erfreut
sich besonders im US-amerikanischen fundamentalistischen und
evangelikalen Christentum höchster Wertschätzung. Und das Judentum
verfügt mit seiner Tradition über viele Ansätze für einen militant und
endzeitlich verstandenen religiösen Zionismus. So führen die
Apokalyptiker in den Religionen den »Krieg der Religionen« gegeneinander
und – wo es Vorteile verschafft – auch miteinander. Und es sind nicht nur
die Fundamentalisten, die gegeneinander kämpfen und alle Gesellschaften
mit einbeziehen wollen. Es sind auch die destruktiven Inhalte der
Religionen, die bislang nicht ausreichend integriert, aufgeklärt und
entschärft wurden, die Menschen gegeneinander motivieren.
Victoria und
Victor Trimondi, die im bürgerlichen Leben Röttgen heißen und sich
gemeinsam kulturkritischer Arbeit verschrieben haben, liefern zu jeder
fundamentalistischen Spielart eine ausführliche und eingehende Studie. In
den großen Linien und in den Folgerungen ist jede Studie meisterlich,
auch wenn man nicht jeder Argumentation und Bewertung folgen mag und
mancherlei Fakten kritischer geprüft wissen möchte. Gelegentlich kommt es
im Buch zu Wiederholungsschleifen, die aber dem weniger geübten Leser
angesichts der immensen Stofffülle gut tun werden. Man merkt dem Buch an,
dass verschiedene Teile zu unterschiedlichen Zeiten entstanden und dann
in eine Komposition eingefügt worden sind. Gleichwohl: Der
Erkenntnisertrag dieses Werkes ist erheblich.
Das Buch wird
seine Gegner finden und braucht Auseinandersetzung. Das weiß niemand
besser als Victor Trimondi, ehemals Herbert Röttgen, der als Alt-68er
alle Metamorphosen von Aufklärung, antiautoritärer Kritik, Therapie und
Ganzheitlichkeitsspekulationen mitgemacht hat. Also endet das Buch nicht
ohne eine Auseinandersetzung mit den liberalen und linken Ansätzen vor
allem im Christentum. Die Kritik allerdings gegenüber Hans Küng trifft
nicht zu, sein Weltethos-Projekt lasse die Selbstkritik der Religionen
außer Acht. Hans Küng gehörte schon in den 1960er Jahren zu den Pionieren
der Kritik eines christlichen Fundamentalismus. Und die im Projekt
Weltethos Engagierten sind nicht blind für die Balken im Auge der eigenen
Religion. Also kein »Krieg der Religionen«, sondern von Gruppen in den
Religionen. Insofern Einverständnis mit dem Urteil Trimondis, dass die
apokalyptische Signatur der Religionen eine Gefahr des
21. Jahrhunderts ist und durch kritische Aufklärung überwunden
werden muss. Aber ohne kritische Christen, die das konstruktive Erbe des
Christentums mit der Aufklärung zu verbinden wissen, wird es auch nicht
gehen. Und das gilt – entsprechend – für alle Religionen.
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Preis: € 39,90; Verlag: Wilhelm Fink Verlag;
597 Seiten; Bestell-Nr: 7268
http://www.publik-forum.de/shop/default.asp?cPage=&catSelect=15%2C2&searchText=&sesID=14395-6135
© Publik Forum
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Nr. 8, 19. Februar
2006
Endzeit-Prophetie prägt
Nahostpolitik
Trimondi:
Ideologien aller Fundamentalistengruppen weisen dieselben apokalyptischen
Grundmuster auf
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad leugnet den
Holocaust, ruft zur Vernichtung Israels auf und beschwört die Rückkehr
eines militanten muslimischen Messias. Einflussreiche amerikanische
Christen bejubeln den Schlaganfall Ariel Scharons und werten den Sieg der
radikal-islamischen Hamas in Palästina als Zeichen der Endzeit. Wird die
Nahostpolitik zunehmend von Apokalyptikern beeinflusst?
Als die Israelis aller politischen Lager um das Leben ihres schwer
kranken Premiers Ariel Scharon bangten, meldete sich eine Stimme aus
Amerika. Der Schlaganfall des israelischen Ministerpräsidenten sei eine
Strafe Gottes, urteilte der einflussreiche US-Fernsehprediger Pat
Robertson. Die von Scharon angeordnete Räumung des Gaza-Streifens habe
Gottes Land geteilt, wetterte er in seinem Fernsehsender. Seine
apokalyptisch geprägte Theologie ließ den 75-jährigen Medienmogul zum
christlichen Hassprediger werden. Robertson glaubt fest daran, dass die
territoriale Unversehrtheit Groß-Israels Vorbedingung für die Wiederkunft
Jesu sei.
Die Rache Gottes an Scharon
Wie diese Wiederkehr aussehen soll, präzisiert Hal Lindsey, ein
anderer Vertreter der christlichen Rechten in den USA. Er prophezeit zum
Hamas-Sieg, abgeleitet aus Bibelzitaten, es werde in den nächsten Jahren
eine islamische Großarmee unter der Führung Russlands und Persiens (Irans)
gegen Israel antreten und das Land beinahe total zerstören. Dann erscheine
in letzter Minute Jesus Christus als übermächtiger Feldherr, um nach der
Armageddon-Schlacht die Juden vor der völligen Vernichtung zu retten.
Auch Lindsey glaubt, Gott habe sich an Scharon gerächt, weil er
gegen den göttlichen Willen die „road map“, den aktuellen Friedensplan,
unterstützte. Lindsey wertet dies als Gebetserhörung. Während des Abzugs
aus dem Gaza-Streifen hätten Hunderttausende von Juden und Christen zu Gott
gefleht, um ihn zu einer Intervention zu bewegen.
Scharon gilt als „Verräter“, der die endzeitlichen Pläne Gottes
für den Nahen Osten durchkreuzen wollte. Dabei hat er als Likud-Chef lange
Jahre selbst seine Siedlungspolitik aus der Bibel abgeleitet und so die
Stimmen der Rechten gesichert. Erst im Oktober 2004 änderte er seine
Strategie und sagte den Siedlern: „Ihr seid wunderbare Pioniere, Erbauer
Israels, Siedler auf dürftigem Boden, im Regen und im Winter, durch alle
Schwierigkeiten hindurch. Aber ihr habt unter euch einen messianischen
Komplex entwickelt.“ Damit hatte Scharon den endzeitlichen Kern des
jüdischen Fundamentalismus infrage gestellt, der durch die Vertreibung der
Palästinenser und durch die Souveränität über „Groß-Israel“ die Ankunft des
Messias beschleunigen will.
Wie stark sich Apokalyptik und Messianismus weltweit in allen
Glaubensrichtungen ausbreiten, zeigen die Religionsforscher Victor und
Victoria Trimondi in ihrem neuen Buch „Krieg der Religionen“. Die
Endzeit-Ideologien aller Fundamentalisten weisen dieselben apokalyptischen
Grundmuster auf, so die These der beiden Autoren. Wobei der Gott des einen
der Teufel des anderen ist. Apokalyptik, warnen sie, ist keine fromme
Spinnerei, sondern „höchst gefährlich“, weil sie zu grausamen
Religionskriegen führen könne. Apokalyptiker glauben fest, dass durch die
Zerstörung der bestehenden bösen und sündigen Welt eine neue gute und
paradiesische Weltordnung geschaffen werden könne.
Viel spricht dafür, dass sich auch die radikal-islamische Hamas
diesem Irrglauben verschrieben hat, nachdem sie die Anerkennung Israels und
eine Abkehr von der Gewalt kategorisch ausschließt. In Artikel 6 der
Grundsatzerklärung der Hamas von 1988 heißt es zum Beispiel: „Das Land von
Palästina ist heiliges, islamisches Besitztum, das für zukünftige
muslimische Generationen bis zum Jüngsten Tag bestimmt ist. Keiner kann
darauf verzichten, auch nicht auf einen Teil davon, oder es abtreten, auch
nicht einen Teil davon.“ Ein endzeitlicher Bezug findet sich auch in
Artikel 34. Dort ist festgeschrieben, dass die Organisation den Heiligen Krieg
(Dschihad) bis zum Jüngsten Tag fortsetzen wird. Von Mohammed ist die
Prophezeiung überliefert, die Bewohner Syriens und Palästinas würden sich
im Dschihad befinden bis zum Tage der Auferstehung.
Der populäre Hamas-Scheich Ibrahim Madhi, Imam in Gaza-Stadt,
predigte wiederholt: „Die Juden erwarten den falschen jüdischen Messias,
während wir, mit Allahs Hilfe, den Mahdi und Jesus, Friede sei mit ihnen,
erwarten. Mit reinen Händen wird (der islamische) Jesus den falschen
jüdischen Messias töten.“ In seinem Bestseller „Das Ende Israels im Jahr
2022“ prophezeit Hamas-Scheich Bassam Jirrar den Untergang des Staates in
16 Jahren. Aus solchen und vielen anderen Statements schließt der
amerikanische Religionswissenschaftler David Cook, bei der Hamas handle es
sich eindeutig um eine apokalyptische Gruppe. Artikel 7 der Hamas-Charta
zitiert ein Prophetenwort, das die Vernichtung der Juden zur Bedingung
macht, damit die Endzeit-Ereignisse überhaupt eintreten können. Eine
Islamisierung der gesamten Region und die Vernichtung Israels gilt deswegen
bei islamischen Fundamentalisten als erste Stufe auf dem Weg zu einer
muslimischen Weltherrschaft. Deswegen sind auch die iranischen Ayatollahs
so auf die Heilige Stadt Jerusalem fixiert.
Vom Heiligenschein umgeben
Der „Jerusalem Tag“, 1978 von Ayatollah Khomeini eingeführt, dient
als religiös-politischer Feiertag, an dem zum Ende des Fastenmonats Ramadan
die Vernichtung Israels propagiert wird. Am „Jerusalem Tag“ 2005 gab sich
der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf einer Konferenz mit dem
Titel „Eine Welt ohne Zionismus“ zuversichtlich, dass „eines Tages die
Mitte der islamischen Welt von dem Schandfleck Israel gesäubert sein wird“.
Wie sein Vorbild Khomeini pflegt auch Ahmadinedschad einen
bescheidenen Lebensstil. Der Sohn eines armen Schmiedes fährt einen Peugeot
Jahrgang 1977, lebte als Bürgermeister Teherans in einer Arbeiterwohnung,
kleidet sich mit abgetragenen Anzügen und verabscheut Krawatten. In seiner
spirituellen Selbsteinschätzung ist der 49-Jährige dagegen weniger
bescheiden. „Es war Mahdi, der verborgene Imam, der mich dazu berufen hat“,
sagt er über seine überraschende Wahl zum Staatspräsidenten.
Seitdem fragt er den Imam regelmäßig um Rat, zum Beispiel vor
seiner Antrittsrede vor der Uno im September. Außerhalb des Saals habe ihn
kaum jemand wahrgenommen, berichtete er. „Da kam mir der verborgene Imam zu
Hilfe. In dem Augenblick, als ich den Saal betrat, umgab mich plötzlich ein
Heiligenschein. All die Staatshäupter, die da saßen, erstarrten vor Erstaunen.
Ich redete eine halbe Stunde lang, und während der ganzen Zeit hörten mir
alle gebannt zu, nicht ein Einziger zuckte mit der Wimper. Sie waren alle
wie erstarrt.“ Am Schluss seiner Rede beschwor er die Wiederkunft des
muslimischen Welterlösers, des schiitischen Messias „Imam-Mahdi“, der
angeblich zurückkehren und eine apokalyptische Revolution der Unterdrückten
gegen die Mächte der Ungerechtigkeit anführen wird. Oberstes Ziel des
iranischen Präsidenten ist, die Rückkehr des Imam Mahdi zu beschleunigen. Ahmadinedschad
folgt damit dem Gesetz, denn diese Form des Messianismus ist in der
iranischen Verfassung verankert.
Christliche Fundamentalisten haben dem iranischen Präsidenten
bereits seine Rolle im apokalyptischen Welttheater zugewiesen: Die Funktion
des Anti-Christen, die Saddam Hussein bisher spielen musste, wird jetzt auf
Ahmadinedschad übertragen. Hauptbühne ist der Nahe Osten, im Fokus Israel,
das Finale in Jerusalem. Will er dafür die Atombombe? - Helmut Frank
Buchtipp: Trimondi, Victor und Victoria:
Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse.
München, Fink-Verlag 2006, 597 Seiten, 39,90 Euro.
© Copyright Evangelischer Kirchenbote 2006
http://www.evpfalz.de/presse/index_kibo06-08_lp2.htm
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