Der Katechismus der Samurai: Das Hagakure
    Ein
    literarischer Klassiker der japanischen Samurai Kultur ist der im 18. Jh.
    von Tsunetomo Yamamoto verfasste Krieger-Katechismus Hagakure. Auch wenn in dem Text viel von „Ehre und Treue“ die Rede ist, so wimmelt es darin von morbiden
    Zitaten, die von der Selbstzerstückelung bis hin zum ritualisierten
    Selbstmord (Harakiri) reichen: „Nichts ist befriedigender, als in einer
    Schlacht getötet zu werden.“ – „Wenn
    es dazu kommt, einen anderen zu erschlagen, dann stelle keine rationalen
    Überlegungen an.“ Eine morbide, zynische Todesmystik gilt hier als hohe
    Religiosität und Tugend: „Stell dir
    jeden Morgen aufs neue vor, dass du bereits tot bist.“ Das Hagakure
    verlangt zudem, „die eigene Frau
    [zu] erschlagen, wenn sie Ehebruch
    begeht.“ Die philosophische Essenz 
    des Hagakure wird in dem folgenden Satz zusammengefasst: „entschlossenes Handeln am Rande des
    Wahnsinns“.
     
    Kein
    Wunder dass diese Krieger-Philosophie eine große Faszination auf den
    Shinto-Faschismus ausübte. Die berüchtigten Exzesse der japanischen Armee
    während des zweiten Weltkrieges zogen nicht zuletzt ihre Legitimation aus
    der Samurai-Tradition. Dazu rechnen unter anderem auch die Kamikaze
    Einsätze 16jähriger Flugpiloten. Professor Takao Mukoh, der das Hagakure ins Englische übersetzte,
    schreibt: „Kein Buch wurde in Japan
    seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr verdammt als das Hagakure, weil
    es als Mittel missbraucht worden sein soll, die japanische Jugend zu
    ermutigen, sich in der verzweifelten Endphase des Krieges blind in den Tod
    zu stürzen, und zwar durch die klassische Stelle: ‚Bushido – der Weg des
    Samurai, so habe ich herausgefunden, liegt im Sterben.’“ 
     
    Samurai Kult, Zen-Buddhismus und Faschismus
    Kaum
    bekannt im Westen ist die enge Verknüpfung des Zen-Buddhismus mit der
    Bushido-Philosophie. Die Samurai waren Zen-Buddhisten, die mit dem Schwert
    kämpften. Alle Sekten des japanischen Zen-Buddhisten haben sich zu ihrem
    faschistischen Staat bekannt. „Krieger
    Zen“ - „Die Einheit von Zen und
    Schwert“ - „Buddhismus des
    kaiserlichen Weges“ - „Reichs Zen“
    - „Soldaten Zen“ - „Samurai Zen“ – galten als
    Schlagworte der 30er und 40er Jahre. 
     
    So  betonte der Altmeister der
    Zen-Philosophie, Daisetz Tetaro Suzuki, damals ein Ideologe des
    Militärfaschismus, dass im Bushido alle moralischen Regelsysteme
    zerbrechen: „Diese Kräfte können manchmal teuflisch sein;
    jedenfalls aber gehen sie über das hinaus, was man gemeinhin für
    menschenmöglich hält, und wirken Wunder.“ Aus dem geistigen
    Zusammenwirken von „Priestertum“ und „Kriegertum“ entstehe die spezifische
    „Soldatenmystik“ der Samurai: „Das Soldatische, verbunden mit Mystik und
    dem Erhabensein über weltliche Belange, ist etwas, das Menschen von starker
    Willenskraft liegt. Hier entspricht das Zen dem Geist des Bushido.“
    Auch Suzuki propagierte  einen
    mystischen Schwertkult. „Das Schwert
    ist die Seele des Samurai“. 
     
    Die SS: Himmlers Samurai
    Absolute
    Treue bis zum Tod gegenüber dem Lehnsherrn oder dem Tenno, galt als die
    höchste Pflicht eines Samurai, so wie es höchste Pflicht und Ehre eines
    SS-Mannes war, dem „Führer“ bis
    in den Tod hinein die Treue zu halten. Mit großer Faszination blickten
    nationalsozialistische Japanologen, Künstler, Intellektuelle und Militärs
    auf die Kriegerkultur des fernöstlichen Landes. Das Dritte Reich wurde
    überschwemmt von Samurai -Büchern -Filmen -Bühnenstücken und -Vorträgen.
     
    Was
    faszinierte die Nazis an den Samurai? 
    Zu nennen sind unter anderem: „absolute Gefühlskontrolle, kompromisslose
    Härte und Kaltblütigkeit“, „blinder Gehorsam und Treue“, „Ehrenkodex
    und Standesethos“,  „Krieg als
    Selbstzweck“,   „Verachtung
    des Lebens, Verherrlichung des Todes“ - „Harakiri“. Morbide
    Sprüche aus schon damals übersetzten Samurai-Handbüchern wirkten wie
    Losungen für den Schwarzen Orden: „Wenn euer Schwert in einer Schlacht
    zerbricht, kämpft mit euren Armen; wenn eure Arme abgeschlagen werden, ringt
    euren Gegner mit euren Schultern nieder; wenn eure Schultern verletzt sind,
    könnt ihr immer noch mit euren Zähnen kämpfen.“ 
     
    Auch
    der Massenmörder Heinrich Himmler war von dem Samurai Kultur der Japaner fasziniert
    und eröffnete darüber eine Debatte in der SS. Rudolf Jacobsen,
    Regimentskommandeur der Waffen-SS, erinnerte sich, dass der Reichsführer
    immer wieder „die japanische Tradition der Samurai“ hervorhob, wenn
    er auf die Ausbildung der SS-Elite zu sprechen kam. 
     
    Unter
    der Samurai-Literatur des Dritten Reichs ist vor allem ein „Büchlein“ mit
    dem Titel Die Samurai, Ritter des Reiches in Ehre und Treue zu
    nennen, dass Himmler mit 52.000 Exemplaren an seine SS-Männer verteilen
    ließ und wozu er ein Vorwort verfasste. In dem Text wird der
    „Ordenscharakter“ der japanischen „Kriegerkaste“ betont und, kombiniert mit
    der „Rassentheorie“  und dem
    „Führerprinzip“, als ein gesellschaftliches Vorbild für die Deutschen
    herausgestellt.
     
    Im
    Zentrum des damaligen Samurai-Kultes thronte der von den Göttern stammende
    „Tenno“, Kaiser Hirohito (1901 – 1989); im Mittelpunkt des NS-Regimes stand
    der vom Volk gewählte „Führer“, Adolf Hitler. Der Unterschied zwischen
    beiden ist im Dritten Reich thematisiert und debattiert worden. Aber man
    hat keineswegs nur die Differenz betont, sondern auch im Vergleich mit dem
    theokratischen Tenno-System die „Sakralisierung“ des Nationalsozialismus
    und die „Vergöttlichung“  des
    „Führers“ gefordert. Die Sakralisierung von Krieg und Krieger war ein
    Primäranliegen Himmlers: „Für die Vereinigung von Führer- und
    Priesteramt in einer Person verwies [er] wiederholt auf das Beispiel des japanischen Kaisertums, wie
    ja überhaupt das Vorbild Japans und besonders des Samurai-Ordens bei ihm
    eine große Rolle spielte.“ - erinnert sich SS-Kommandeur Rudolf
    Jacobsen. 1942 überreichte die Vereinigung Tokioer Reservisten anlässlich
    der Wiener Ausstellung „Krieg und Kunst“ 
    dem „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler eine „Samurairüstung“
    als Ehrengabe.
     
    Es
    zeigt die Naivität, wie heute östliche „Weisheitslehren“ importiert werden,
    wenn der Piper-Verlag im Jahre 2000 das Hagakure
    als Taschenbuch publiziert und auf dem Klappentext als „spirituellen Leitfaden für den
    beruflichen und privaten Erfolg auch in der heutigen Welt“ anpreist.
    Der Herausgeber Guido Keller schwärmt davon, dass der Geist des japanischen
    Krieger-Katechismus an die „unbedingte Kampfeswut“ der Berserker in der
    nordischen Mythologie erinnere: „Ich
    meine ja auch, Germanen und Wikinger und wie sie alle in unserer Nähe
    hießen, sie hatten etwas, was Europäern heute weitgehend zu fehlen scheint
    – extremen Kampfgeist.“ – sagt Keller.
     
    Im
    Zen-Buddhismus insbesondere aber in der Samurai-Philosophie, gibt es
    genügend  Elemente, die sich als
    Bausteine für eine totalitäre Kriegerideologie eignen und die sich
    historisch schon „bewährt“ haben. Mit ihrem Märtyrergeist, ihrer
    Selbstmordphilosophie, ihrer Brutalität und ihrer religiösen Absegnung
    könnte sich die Samurai-Haltung als eine ost-westliche Alternative zur militaristischen
    Djihad-Philosophie des Islams entwickeln. In Hollywoods Film Fabrik wird
    eine solche Entwicklung schon vorbereitet.