In der auflagenstarken
kulturpolitischen Zeitschrift von ver.di Kunst + Kultur (Nr.
3 - 1. März 2006, Seite 7 und 8)
erschien ein Artikel von uns mit dem folgenden Titel: „Jesus
inmitten der Endzeitraserei -
Bertelsmann, der neue Kulturkampf-Heros des christlichen Fundamentalismus?“
Hier ist die Originaltitel der
etwas längeren Fassung lautet:
Bertelsmann: Neuer Herold
des Endzeit-Wahns?
Der Mega-Konzern setzt immer mehr auf
Publikationen der Christlichen Rechten
von Victor und
Victoria Trimondi
Zum ersten Januar 2006
übernahm die Verlagsgruppe Random
House (Bertelsmann-Konzern), vorbehaltlich der Zustimmung des
Kartellamtes, den christlich orientierten Verlag Gerth Medien (Asslar bei Wetzlar).
Damit endet erst einmal eine Geschichte der Superlative, die in der
Öffentlichkeit kaum registriert wurde. Alles begann als Random House im Jahre 2002 mit dem
amerikanischen Baptistenpfarrer und Televangelisten
Tim LaHaye einen, wie es heißt, 42 Millionen
Dollar Deal für eine noch nicht geschriebene Fiction-Buchreihe mit dem
Titel Babylon Rising
(„Babylon steht auf“) unterzeichnete. Mit diesem stolzen Preis wurde, wie
die FAZ konstatierte, LaHaye zum „teuersten Autor
der Welt“. Wer ist dieser Superstar am Bestseller-Himmel, von dem bisher in
Europa nur wenige etwas gehört haben? Für seine Anhänger wie für seine Gegner
gilt LaHaye als der „mächtigste [christliche]
Fundamentalist im heutigen Amerika“. Säkular eingestellte Kulturkritiker
bezeichneten ihn sogar als den „gefährlichsten lebenden Menschen“, weil er
viele Millionen von Amerikanern dazu getrieben habe, sich
christlich-fundamentalistischen Ideen anzuschließen, einem militanten
Messianismus zu folgen und einem apokalyptischen Endzeit-Wahn zu verfallen.
Auf jeden Fall zählt der bald 80 jährige
Tim LaHaye neben dem wortgewaltigen und von der
Republikanischen Partei ebenso hoch geschätzten wie gefürchteten Reverend Jerry Falwell und
dem Medienmogul Pat Robertson zu den Galionsfiguren der Christlichen Rechten. 1950
promovierte er an der evangelikalen Bob
Jones University in South Carolina. Er war Trainer der ultra-konservativen
John Birch-Society, die selbst den
konservativen Präsidenten Dwight Eisenhower als Kommunistenfreund
denunzierte. 1979 gründete LaHaye zusammen mit
seiner Frau die anti-feministische Protestorganisation Concerned Women for America. 1980 war er
mit Jerry Falwell im Führungsgremium von Moral Majority,
der wohl bedeutendsten Vereinigung im Politisierungsprozess der Christlichen Rechten. 1981 stand er
als der erste Präsident dem Council for National Policy (CNP)
vor, einer Dachorganisation ultra-konservativer Politiker, die bis heute
eine theokratische Agenda für die Zukunft Amerikas verfolgen. 1982 gehörte
er dem Council on Revival an,
eine fundamentalistische Gruppe, die forderte, das amerikanische
Gesetzsystem aus der Bibel
abzuleiten. 1983 startete er mit der Coalition for Traditional Values (ACTV), um
Kandidaten der Christlichen Rechten
bei ihrer Wahl zu unterstützen. Er bezeichnete Präsident Ronald Reagan als
seinen Freund und erklärte in einem Interview, dass dessen Wiederwahl durch
Gott arrangiert worden sei. Politische Gegner untersuchten in den 80er
seine Vergangenheit und fanden unter anderem heraus, dass er die Juden für
den Tod Jesu Christi verantwortlich gemacht und Papst Paul VI als den
„Erzpriester Satans“ bezeichnet hatte. Er geriet ins Gerede, weil er von
dem koreanischen Guru Sun Myung Moon Gelder annahm. Dies und weitere
Skandale führten dazu, dass sich LaHaye aus dem
politischen Rampenlicht zurückzog und von nun an als der Hintergrundspieler
der Christlichen Rechten agierte.
In seinen verschiedenen Schriften verherrlicht und propagiert LaHaye alle extremistischen Zielsetzungen eines
aggressiven, christlichen Fundamentalismus, darunter auch die Idee, die
Vereinigten Staaten von Amerika in einen christlichen Gottesstaat zu transformieren.
Hauptgrund für seine
Berühmtheit und sein kulturpolitisches Gewicht ist jedoch die von ihm
zusammen mit dem Schriftsteller Jerry B. Jenkins publizierte Doomsday-Serie mit dem Titel Left Behind. Darin wird ein berauschender Mix aus Religion, Politik,
Endzeit-Prophezeiung und knallharten Actionszenen zusammengebraut.
Mittlerweile sind alle 12 Bände dieses Machwerks publiziert und mehr als 65
Millionen (!) Exemplare davon wurden verkauft. Das übersteigt die
Seller-Quoten von Stephen King, John Grisham und anderen Topautoren. LaHaye hat dazu populärtheologische Bücher in
zweistelliger Millionenzahl auf den Markt geworfen und ist deswegen einer
der erfolgreichsten Autoren des 20. Jahrhunderts.
Die Handlungsabläufe des
Religionsthrillers spielen in der Endzeit, in der sich eine Handvoll
entschlossener Christen in einer militanten Untergrundorganisation (Tribulation-Force) zusammentun, um
die Armee des weltbeherrschenden Anti-Christen
herauszufordern. Gespickt mit zahlreichen Bibel-Zitaten und mit drastischen
Kampfszenen, werden die Heldentaten der Tribulation-Force
gegen „Gottes Widersacher“ geschildert. Die Serie endet mit der Erscheinung
eines militanten Rächer-Christus, der alle Andersgläubigen erbarmungslos
vernichtet.
LaHayes
Doomsday-Spektakel ist keinesfalls originell,
sondern es basiert auf einer mit Verschwörungstheorien und Kinoeffekten
aufgepeppten Eschatologie, die, ausgehend von der Offenbarung des Johannes, aus dem 19. Jahrhundert stammt.
Schöpfer dieser Lehre ist der irische Wanderprediger John Nelson Darby
(1800 – 1882). Seine fundamentalistische Bibelinterpretation trägt den
Namen Dispensationalismus
und schildert die verschiedenen Etappen (dispensations) des
Endzeit-Geschehens. Dazu rechnen unter anderem der zunehmende moralische, soziale,
politische und ökonomische Verfall der säkularen Welt verknüpft mit dem
unaufhaltsamen Aufstieg des Anti-Christen.
Schreckliche Kriege zwischen der „Achse des Guten“ und der „Achse des
Bösen“ brechen aus und kulminieren im Nahen Osten, in der Schlacht von
Armageddon. Der wiedergekehrte, zum gnadenlosen Feldherrn mutierte Christus
sammelt die wenigen Überlebenden in einer Tausend Jahre andauernden
Theokratie, die sich über den ganzen Erdkreis erstreckt. Ein erster höchst
erfolgreicher Versuch, diese Endzeit-Theologie zu popularisieren, wurde
schon von dem amerikanischen Teleprediger Hal Lindsey mit seinem Buch The Late
Planet Earth (1977) gemacht. Er soll davon schon 32 Millionen Exemplare
verkauft haben.
Dann kam Tim La Haye, der „Neue Prophet der Offenbarung“, wie er auf
einem Newsweek-Titel bezeichnet
wurde, und brach mit seinen 65 Millionen verkauften Left Behind Büchern alle Rekorde. Über die Suggestionskraft seiner
Religionsthriller liegen Statistiken vor. Gemäß einer Umfrage des Barna Research Poll Institut glauben 80 %
der Left Behind Leser, dass die in
dem zwölfbändigen Thriller beschriebenen Horror-Szenarien irgendwann in der
Zukunft passieren könnten. 59 % aller Amerikaner sind nach einer Enquete
von Time Magazine davon überzeugt, die in der Johannesapokalypse
offenbarten Ereignisse vom Untergang der Welt seien schon angelaufen.
Unterstellt man die Richtigkeit dieser Zahlen, dann ist die Hälfte aller
US-Bürger mehr oder weniger von einem christlichen Doomsday-Wahn
befallen. Last not least zählt
Tim LaHaye auch den amerikanischen Präsidenten zu
seinen Fans. Der als „Bücher-Muffel“ bekannte George W. Bush liest Bände
aus der Left Behind Serie. Newsweek
beschreibt die Beziehung der beiden mit den Worten: „Bande, die binden:
Bush und LaHaye haben eine Geschichte und teilen
das Gespür für eine Mission“.
Natürlich gibt es in der
Science-Fiction-Literatur zahlreiche ebenso phantasmatische
Bücher wie die Left Behind Serie, doch der wesentliche Unterschied besteht darin, dass
Millionen von LaHaye-Leser
dessen Fiktionen nicht als literarische Phantasie konsumieren, sondern als
die Vorhersage von kurz bevorstehenden Endzeit-Ereignissen. „Viele Leute
lesen die Left Behind Bücher nicht als Romane, sie lesen
sie als die Tageszeitung von Morgen.“ - warnt Time Magazine. Mittlerweile ist eine solche eschatologische
Sicht von Geschichte, Gegenwart und Zukunft zu einem Element der
amerikanischen Kultur geworden. Mehr als ein Drittel aller US-Bürger sollen
sich Gedanken darüber machen, wie aktuelle politische Nachrichten im Sinne
endzeitlichen Bibel-Prophezeiungen zu verstehen seien – ermittelten TIME
und CNN.
Der in LaHayes
Doomsday-Thriller propagierte militante
Messianismus dient deswegen einem Millionenpublikum als Polit-Orientierung
und als Moralkodex. Sie sind „mehr als ein spiritueller Führer: sie sind
für sie eine politische Agenda.“ - berichtet Time Magazine. Ihr Wahlverhalten, ihre Beurteilung in Fragen
der Auf- und Abrüstung, ihre Bewertung des Anti-Terrorkampfes und des
Irak-Krieges werden durch fundamentalistische Argumente aus LaHayes Serie beeinflusst. Dies gilt an erster Stelle
für die Ereignisse im Nahen Osten: „Sie helfen mir, die Nachrichten über
die Ereignisse in Israel und Palästina einzuschätzen, welche die Endzeit
einleiten, und das ist sehr aufregend für mich.“ – bekennt Kelly Sellers,
ein Fan der Serie. Das bedeutet konkret: Viele Left Behind Leser plädieren für die Verhinderung der Road Map
für den Frieden, für die Vertreibung oder sogar Vernichtung der
Palästinenser, für die Schaffung eines Großisraels vom Nil bis zum Euphrat,
für die Errichtung eines jüdischen Gottesstaates usw. Ganz bewusst schürt LaHaye auch die Europa- und UNO-Feindlichkeit der USA.
Die europäische Union und die Vereinten Nationen gelten in seinen
Prophezeiungen als die zwei wichtigsten Sprungbretter im unaufhaltsamen
Aufstieg des Anti-Christen und tragen deswegen jetzt schon das Kainsmal von dessen kommender Weltenherrschaft an sich.
Sie sind korrupt, verschlagen, sündig und machtbesessen.
Unisono mit vielen Tausenden
von fundamentalistisch eingestellten Pfarrern propagiert LaHaye ein aggressives und militantes Christentum.
„Wenn Christus als der gerechte Kriegsheld kommt, wird ihm keiner
standhalten. Er wird alle vor ihm Befindlichen vernichten – alle, die sich
ihm entgegenstellen. Jeder Mensch wird sich ihm unterwerfen müssen. Dies
wird der erste, eindeutig gerechte Krieg in der Geschichte der Menschheit
sein.“ - predigt der Endzeit-Autor. Sein Terminator-Christus muss nur ein
paar Worte aussprechen und „die Körper [seiner Feinde] werden bis zur Mitte
weit auseinandergerissen.“ Weil sie „den Zorn Gottes, die Wut Satans und
das entfesselte Böse im Menschen miteinander vereinen“, lösen die
Armageddon-Kriege ein „Inferno von ungeheuer großem Ausmaß“ aus. Das
hindert LaHaye jedoch nicht daran, enthusiastisch
auszurufen: „Das Ende der Welt! – Ich kann es gar nicht erwarten!“
Im Irak stehen Bücher des Doomsday-Autors ganz oben auf der Leseliste der
US-Soldaten. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Lektüre sich auf die
Mentalität der Armeeangehörigen auswirkt, die jetzt nicht mehr bloß „ihren
Job machen“, sondern sich als „Gotteskrieger“ in einem endzeitlichen
Religionskrieg gegen die „Achse des Bösen“ wähnen. Wie für alle Protagonisten
der Christlichen Rechten so ist
auch für LaHaye das „Böse“ nichts Abstraktes,
sondern schlichtweg der Teufel. Entsprechend steuert Satan auf der
Feindseite die Kriegsereignisse. Eine solche dualistische Sichtweise hat
sich in der US-Armee mittlerweile vom einzelnen Soldaten bis hinauf in die
höchsten Führungsetagen verbreiten können. Ganz im Sinne der LaHaye’schen Kriegslogik denkt zum Beispiel der
einflussreiche drei Sterne-General William Boykin,
der das Programm zum Aufspüren von Top-Terroristen (High Value Target Plan) leitet und der als einer der
Verantwortlichen für die Folterbefehle von Abu Ghraib genannt wird. „Bin
Laden ist nicht der Feind.“ – so Boykin – „Kein
Sterblicher ist der Feind; es ist der Feind, den du nicht sehen kannst. Es ist
der Krieg gegen die Kräfte der Dunkelheit […] Satan will diese Nation
[Amerika] zerstören. Er will uns als Nation zerstören und will uns als
christliche Armee zerstören.“
Der Teufel befiehlt jedoch
nicht nur dem militärischen Feind, sondern auch dem politischen und
kulturellen Gegner. Schon seit mehr als 40 Jahren kämpft Tim LaHaye gegen den „von Satan eingesetzten säkularen
Humanismus“, der zuerst die Vereinigten Staaten von Nordamerika und dann
die ganze Welt in den Abgrund treibe. „Wir befinden uns in einem
Religionskrieg“ – polemisiert der Autor – „und es ist notwendig, sich
aggressiv gegen den säkularen Humanismus zu stellen; diese Leute sind
ebenso religiös motiviert wie wir aber sie sind aufgefüllt mit dem
Teufel.“
Säkulare Politiker, dazu rechnen
Liberale, Sozialisten und Demokraten, sind für ihn die Agenten einer
weltweiten Verschwörung gegen die christlichen Wurzeln und die christliche
Zukunft von God’s own country. „Seit 45 Jahren studiere ich die
satanisch-inspirierte, Jahrhunderte alte Verschwörung, um die Regierung,
die Erziehung und die Medien zu benutzen, um jede Spur des Christentums in
unserer Gesellschaft zu zerstören und eine neue Weltordnung zu etablieren.“
La Haye ist auch einer der wichtigsten Promotoren
der zurzeit in den USA tobenden und inzwischen nach Europa exportierten
Darwin-Intelligent-Design-Debatte. Schon 1974 hatte er behauptet, die
Evolutionslehre bilde die „Plattform für den Sozialismus Kommunismus,
Humanismus, Determinismus und die Eine-Welt-Lehre“, die ohne sie zusammenbrechen würden.
Doch würde das tatsächlich
geschehen, dann geht nach LaHaye der
apokalyptische Horror erst richtig los. In der Washington Post hat
Melani McAlister darauf verwiesen, dass
zahlreiche Szenen aus der Left Behind Serie an die düsteren Phantasien
von Stephen King erinnern und einen „perversen Enthusiasmus für vergossenes
Blut und Millionen von Toten“ zeigen. Schwärme fleischfressender
Heuschrecken schwirren durch die Luft, Aasgeier laben sich an Leichen, Seen
verwandeln sich in Blut, alle Stromquellen versiegen und Geisterreiter, die
Feuer und Schwefel spucken, galoppieren über den Himmel. Einen Adepten der
Endzeit-Thriller-Theologie können deswegen reale Kriegsszenen, wie grausam
diese auch sein mögen, kaum abschrecken: „Das Beste an den Left Behind Bücher ist die Art wie den
Nicht-Christen ihre Eingeweide von Gott herausgerissen wird.“ – begeistert
sich ein 15-jähriger Fan. Der liberale Journalist Joe Bageant
zählt die Left Behind Serie zu den „blutigsten
Hass-Fiction-Büchern, die jemals veröffentlicht wurden“.
Man kann sich in Europa kaum
vorstellen, dass solche Weltuntergangs-Visionen in den Rang universitärer
Lehrinhalte gehoben werden. Aber in Amerika, dem Land der unbegrenzten
Möglichkeiten, ist so etwas möglich! An der fundamentalistischen Kader
Hochschule Liberty University in Lynchburg, die nach
ihrem Gründer Jerry Falwell das Renommee und die
Größe von Harvard herausfordern soll, wurde für Tim LaHaye
ein offizieller „Lehrstuhl für Prophezeiungen“ (school of prophecy)
eingerichtet, der Kurse über die dispensationalistische
Endzeit-Theologie mit einem Abschlussdiplom anbietet. Rektor Falwell erklärte die große Bedeutung der populistischen
Armageddon Literatur seines Glaubensbruders als Köder für seine
fundamentalistische Universität: „Das Left Behind Phänomen hat den Appetit von Millionen von Lesern
angeregt, viele von ihnen sind jetzt hungrig danach zu verstehen, wie die
Bibel die gegenwärtigen und die zukünftigen Ereignisse miteinander
verknüpft.“ Wer sich die Studiengebühr von 10.000 Dollar pro Jahr nicht
leisten kann, der muss LaHayes spezielle
Video-Lehr-Version vom Untergang der Welt für 750 Dollar erwerben.
Das informierte Evangelical Studies Bulletin kommt zu dem
Schluss, dass LaHaye der „einflussreichste
christliche Führer der letzten 25 Jahre“ ist. Er spiele in der radikalen
evangelikalen Bewegung Nordamerikas
mit ihren rund 60 Millionen Anhängern die „strategische Schlüsselrolle“ und
habe jetzt schon die Richtung bestimmt, die der Evangelikalismus in den
„kommenden Jahrzehnten“ einschlagen werde. Die Mainstream-Religionen würden
die Bedeutung La Hayes bei weitem unterschätzen.
Mit Bertelsmann/Random House steht dem mächtigen
Fundamentalisten aus den USA eine ökonomische Power der Spitzenklasse zur
Verfügung und werden ihm zudem noch die Tore nach Europa geöffnet. Zunächst
erschien die deutsche Ausgabe seiner Left Behind Serie unter
den Titeln „Finale 1“, „Finale 2“ bis „Finale 12“ bei Gerth Medien. Insgesamt verkaufte der christliche Verlag davon
ca. 150.000 Exemplare. Dann erwarb der Münchner Blanvalet Verlag - ein weiteres Unternehmen von Random House – die Lizenzen für die Taschenbuchausgabe. Andere
Verlage hätten die fundamentalistische „Final-Reihe […] nicht einmal mit
spitzen Fingern angefasst“, kommentierte Wieland Freund in der Welt. Mit der Gesamtübernahme von Gerth Medien wertet jetzt Random House deutschen Ausgaben des
Endzeit-Thrillers und weitere Bücher LaHayes auf.
Darunter eine Reihe mit dem Titel „Finale für Teens“, also
Armageddon-Literatur für christliche Teenies, sowie einige theologische
Sachbücher des Autors, etwa seine Abhandlung „Leben wir in der Endzeit?“ und einen
christlicher Eheberater „Wie schön ist es mit Dir?“ (bisheriger Verkauf
durch Gerth Medien: 200.000). Mit
„Der Pakt“ (Engl. „The Rising“) liegt eine
Prequel-Serie zur Finale Reihe vor, die noch im Januar erscheinen soll. Der
erste Band der Serie Babylon Rising, für deren englischsprachigen Rechte Random House 42 Millionen Dollar
gezahlt hatte, erscheint im März 2006 ebenfalls bei Gerth Medien. Diese Serie trägt den deutschen Titel: „Das
Geheimnis der ehernen Schlange“. Wie uns Gerth Medien sagte, wurden die deutschen Hauptrechte der LaHaye-Bücher nicht auf Random House übertragen und zuerst will man noch, bis weitere
Entscheidungen gefällt sind, den traditionellen Vertriebsweg über den
christlichen Buchhandel und Mail-Order-Vertrieb beibehalten. In der
Öffentlichkeit jedenfalls wird Random
House einhellig als die neue „Mutter“ für das Gesamtprogramm von
Gerth-Medien angesehen. Der gewichtige Konzern-Name hat die LaHaye Bücher nicht nur in Amerika, sondern jetzt auch
in Deutschland zu einem Segment der Mainstream-Literatur gemacht.
Klaus Gerth (62), der
ehemalige Verleger und Namensgeber von Gerth-Medien,
darf sein Programm innerhalb des
Mega-Konzerns weiter führen. Bei den Verhandlungen legten beide Parteien
großen Wert darauf, das vorhandene Verlagsprofil „zu erhalten, zu stärken
und ihm eine langfristige Perspektive zu verschaffen.“ Gerth erklärte
gegenüber dem christlichen Informationsdienst TOPIC: „Random House habe auf dem US-Markt erfahren, wie gut sich
religiöse Titel im Supermarkt oder in Buchhandelsketten verkaufen ließen.“
Das Geschäft wertete Gerth deswegen als einen Glücksfall, der die
„hervorragende Verbreitung unserer christlichen Botschaft auf dem säkularen
Markt“ garantiere. Einige Kommentatoren aus dem christlichen Milieu sehen
die Übernahme aber durchaus mit gemischten Gefühlen: „Die ganze Szene ist
elektrisiert“ – meint der Liedermacher und Journalist Christoph Zehender – „Branchenriese Bertelsmann kauft Gerth
Medien, einer der größten christliche geprägten Verlage verliert seine
Selbständigkeit! Einerseits eine große Chance für Bücher und CDs mit
christlichen Inhalten. Anderseits gibt es die berechtige Sorge, dass in
einige Jahren nur noch das produziert wird, was sich sehr gut verkauft.“
Dass auf jeden Fall LaHaye mit dem Großteil
seiner Bücher zu den Topsellern zählt, hat er längst bewiesen. Schon im
September ist der religiös ausgerichtete Kösel-Verlag
von der FAZ-Gruppe durch Random
House/Bertelsmann übernommen
worden. Bertelsmann scheint so an seine christlichen Ursprünge
zurückzukehren.
1993 hatte Reinhard Mohn, in
fünfter Generation Mitglied der Gründerfamilie Bertelsmann, 68,8 Prozent
seiner Kapitalanteile an der Bertelsmann AG auf die Bertelsmann Stiftung
übertragen. Damit ist eine gemeinnützige (!) Institution zur größten
Eigentümerin des gesamten Unternehmens geworden, die durch hochkarätige
Veranstaltungen mit der deutschen und internationalen Wirtschafts- und
Politik-Elite ein „bedeutender Reformmotor für die Gesellschaft“ sein will.
In ihren verschiedenen Selbstdarstellungen bekennt sich die Bertelsmann
Stiftung pathetisch zu humanpolitischen Grundwerten wie „Menschlichkeit“,
„Demokratie“, „lebendige Bürgergesellschaft“ „Partnerschaft“,
„Dialogfähigkeit“, „internationale Verständigung“ und so weiter. All dies
sind Wertvorgaben, die vom radikalen Weltbild ihres Millionenschweren
Starautors Tim LaHaye und seiner Millionen
Anhänger entschieden in Frage gestellt werden. Zählt am Ende in der von
Herrn Mohn proklamierten „Unternehmenskultur im Sinne einer
Zukunftsdefinition“ doch nur das blanke Profitmotiv? Noch ist Europa von
dem seit Jahren in Amerika tobenden Kulturkampf zwischen Christlicher Rechten und säkularem
Humanismus weitgehend verschont geblieben. Durch den literarischen
Großimport radikal-christlicher Ideen aus dem fernen Westen mag sich das
bald ändern, zumal der christliche Fundamentalismus insbesondere in den
deutschsprachigen Ländern stetig wächst und Gelder aus den USA in die
Gemeinden fließen, um sie bei ihrem Missionsauftrag zu unterstützen.
Richard Ziegler, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der
evangelischen Kirche in der Pfalz, schätzt die Zahl der Anhänger in
Deutschland auf 250.000. Jedenfalls kann der „mächtigste Fundamentalist im
heutigen Amerika“ wirklich stolz darauf sein, solch einen finanzkräftigen
Partner wie Bertelsmann für die Verbreitung seines Kriegs-Messianismus in
Deutschland, Europa und in der ganzen Welt gefunden zu haben.
Bisher konnten die
Verlagsmacher und Stiftungsvorsitzenden einer öffentlichen Diskussion über
ihren extremistischen Autor und dessen Doomsday-Mission
aus dem Weg gehen. Random House
trägt geschickt zu dieser „Diskretion“ bei. Verharmlosend lesen wir als
Werbetext des Verlages für die deutsche Taschenbuchausgabe der Final Reihe: „Tim LaHaye ist ein ehemaliger Pfarrer. Wenn er in den USA
auf PR-Tournee geht - zusammen mit Jerry B. Jenkins - werden sie umjubelt
wie Popstars.“ Das ist alles, was wir über den Doomsday-Autor
erfahren und Georg Reuchlein, Verlagsleiter von Blanvalet,
spielt bei Nachfrage den „mittelmäßigen“ Erfolg des Endzeit-Thrillers
herunter. Von den ersten sechs Büchern seien pro Band nur zwischen 20 bis
50 Tausend Exemplare verkauft worden. Klaus Eck, Geschäftsführer von
Bertelsmann/Random House, gab
sich auf der Frankfurter-Buchmesse 2004 sogar unwissend und wehrte
entrüstet ab, als wir ihn (schon etwas skeptisch) darauf ansprachen, der
Bertelsmann Konzern werde sich doch hoffentlich nicht auch noch durch die
Veröffentlichung von LaHayes Büchern zum Herold
der Christlichen Rechten in
Europa machen. Dabei war die deutsche Publikation der Finale Taschenbuchreihe bei Blanvalet
(was wir damals noch nicht wussten) schon angelaufen.
Kommt es dennoch zu einer
öffentlichen Debatte, dann könnte dies für das Image des Konzerns peinlich
werden, zumal den „Bertelsmännern“ das Erbe
anhängt, in den dreißiger Jahren mit prominenten NS-Autoren Geld gemacht zu
haben. Die hiesigen Medien, soweit sie nicht dem Superunternehmen
angehören, verschließen noch weitgehend die Augen, insbesondere auch, weil
es deutsche Politiker und Literaturkritiker für unter ihrer Würde halten,
sich mit dem fundamentalistischen „Schund“ der mittlerweile gigantisch
angewachsenen Armageddon-Literatur auseinander zusetzen.
Nur zuweilen schreckt einer auf wie Manuel Gogos
in der NZZ und fragt: „Was um alles in der Welt ist da los, dass
zivilisierte Menschen in einer Art Endzeitraserei diese Ausschlachtungen
der Apokalypse des Johannes verschlingen? Oder ist es ein Zeichen der
Zeit?“
In der Tat, der endzeitliche
Mythos vom militanten Messias grassiert nicht nur im Bewusstsein der
Christlichen Rechten, sondern er wird ebenso von jüdischen, islamischen,
buddhistischen und hinduistischen Fundamentalisten kultiviert. Er bildet
sozusagen die Richtschnur, die alle religiösen Extremisten miteinander
verbindet, auch wenn sie sich als Todfeinde gegenseitig in einem Krieg der
Religionen vernichten wollen. So ist die Apokalyptik fast ungemerkt zu einem „Zeichen der Zeit“ geworden, einem
höchst bedrohlichen Zeichen. Denn wie brisant der militante Messianismus
sein kann, das demonstriert in unseren Tagen am anschaulichsten der
iranische Präsident, der sich zur Aufgabe gemacht hat, den Iran in eine machtvolle
atomare „messianische Gesellschaft“ zu verwandeln. Mahmoud Ahmadinejad schreckt nicht einmal davor zurück, in
seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York das Ende des säkularen
Zeitalters zu proklamieren und die Wiederkehr des schiitischen Endzeit-Erlösers,
des 12. Imam, anzukündigen.
UCHTIPP
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