Rheinischer Merkur Nr. 36 vom 05. September 2002
Buddhismus/ Was sich hinter dem Kalachakra-Tantra
verbirgt
Äußerst wilde Krieger
Tausende wenden zum Friedensevent
mit dem Dalai Lama in Graz erwartet. Doch die „Glücksreligion“ hat auch
finstere Seiten
Schon seit mehreren Jahren preisen westliche
Medien den tibetischen Buddhismus (Lamaismus) als die
"Trendreligion", als "Bekenntnis zur
Friedfertigkeit" (Spiegel) und als "Glückreligion" (Focus).
Angepeilter Höhepunkt für die aktuelle Lamaismuseuphorie
ist ein großangelegtes Event, das der XIV. Dalai
Lama vom 11. bis zum 23. Oktober 2002 in Graz/Österreich leiten soll, das
"Kalachakra-Tantra-Ritual". 15.000
Tausend Teilnehmer, 140 Medienberichterstatter aus über 60 Nationen,
Hollywood-Prominente werden dabei erwartet. Die österreichische
Bundesregierung mit Vizekanzlerin und FPÖ-Vorsitzende Susanne Riess-Passer, das Land Steiermark und die Stadt Graz sind mit
personellem Engagement, großzügigen Spenden aus Steuergeldern und mit
flotten Werbefeldzügen dabei: "Buddha kommt 2002 nach Graz".
Shambhala Mythos
Es ist ein heiliger Text ("Tantra")
des tibetischen Buddhismus aus dem 10. Jh. n. Chr., das sogenannte Kalachakra-Tantra und der darin enthaltene Shambhala-Mythos, der dieser Performance
zugrunde liegt. "Kalachakra" bedeutet "Rad der Zeit". Das Tantra gilt im Lamaismus als
"der Gipfel aller buddhistischen Systeme". Viele Hunderttausende
hat der XIV. Dalai Lama seit über 25 Jahren in dieses Ritual
"eingeweiht", das einen öffentlichen und einen streng geheimen
Teil aufweist.
Angekündigt wird das Grazer Ereignis als würdiger Beitrag zum Weltenfrieden, zum
interreligiösen und interkulturellen Dialog, als Kulturentwurf für das neue
Millennium. Wer sich jedoch mit der
Originalschriften des Kalachakra-Tantra-Rituals
und seinen traditionellen wie modernen Exegeten auseinandersetzt, gewinnt
ein völlig konträres Bild.
Das Kalachakra ist
keineswegs pazifistisch, sondern es beschwört einen blutigen Religionskrieg
zwischen Buddhisten und Nicht-Buddhisten, der in einer Weltbuddhokratie
endet. In der kommenden "Shambhala-Schlacht" richtet sich die buddhistische
Kriegsführung weder nach den Grundsätzen des Völkerrechts noch nach den friedlichen
Maximen des Ur-Buddhismus, sondern wird "gnadenlos" und
"grausam" sein und "die äußerst wilden (buddhistischen)
Krieger werden die barbarische Horde niederwerfen" und "eliminieren".
(Shri Kalachakra I
163/165) Mit einer befremdlichen Begeisterung fürs Detail schildert das
Tantra die mörderischen Superwaffen, die gegen die "Feinde der
Lehre" zum Einsatz kommen. (Shri Kalachakra I 128-142) Moderne, lamaistische Exegeten
dieser Rüstungsphantasien ergehen sich in spektakulären Vergleichen mit
Atomsprengköpfen und Ufo's. Alle Teilnehmer an
einer Kalachakra-Initiation (auch diejenigen von
Graz) haben das fragwürdige Privileg
als "Shambhala-Krieger" wiedergeboren
zu werden, um in der prophezeiten Endschlacht mit zu kämpfen. Für hohe
Lamas bestimmter Linien sind jetzt schon die Posten im Generalstab vergeben
und nach einer Vision des Lamas Kamtrul Rinpoche soll der reinkarnierte
Dalai Lama selber als "zorniger Raddreher" (Rudra
Chakrin) die buddhistischen Heere anführen,
um "alles Böse im Universum" zu unterwerfen.
Feinde des Dharmas
Die Shambhala-Schlacht gilt als ein "Heiliger
Krieg" und wird, wie der islamische Djihad,
im "Inneren" wie im "Äußeren" ausgefochten. An der
"inneren" Front (d. h. im Geiste) ringt der Shambhala-Krieger
ebenso wie der Mujaheddin mit seinen schlechten Charaktereigenschaften. An
der "äußeren" Front kämpft er gegen die "Feinde des Dharmas" (die buddhistische Lehre). Deswegen kommt
der vom XIV. Dalai Lama designierte Interpret des Kalachakra-Tantras,
Alexander Berzin, zu dem Schluss: "Die Kalachakra
Darstellung des Shambhala Krieges und die
islamische Diskussion über den Djihad zeigen
bemerkenswerte Ähnlichkeiten." Entsprechend zum Märtyrer-Kult
moslemischer "Gotteskrieger" wird auch der während der Shambhala-Schlacht Gefallene mit dem Aufenthalt in
einem buddhistischen Paradies belohnt.
Es gibt im Kalachakra-Tantra
besondere Riten und meditative Praktiken, die den Untergang der Welt
simulieren sollen. "Was ist Kalachakrayana (der
"Weg des Kalachakra)?" - fragt einer
der besten Fachleute auf dem Gebiet der Tantrismus, der Inder Shashi Bhusan Dasgupta und antwortet: "Das Wort Kala bedeutet Zeit, Tod und Zerstörung. Kala-Chakra ist das Rad der Zerstörung."
Im Originaltext kommt der ökumenische Gedanke
mit keinem einzigen Satz zum Ausdruck.
Im Gegenteil, als Feinde des Buddhismus werden explizit die
"Führer" der drei
monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) genannt: "Adam,
Henoch, Abraham, Moses, Jesus, der im weißen
Gewand (Mani), Mohammed und Mathani
(der Mahdi)". Das Tantra bezeichnet sie als "die Familie der
dämonischen Schlangen".
Entgegen dem Prinzip buddhistischer Gewaltlosigkeit beschwört dieser
Text einen globalen Religionskrieg, in dem die Anhänger Mohammeds als
Hauptgegner den buddhistischen Armeen gegenüberstehen. Wir lesen, dass das
"machtvolle, gnadenlose Idol der Barbaren, die dämonische
Inkarnation" in Mekka lebt. (Shri Kalachakra I 154) Da sich das Kalachakra-Tantra
gegen jene Religionen, welche einen semitischen Ursprung haben, richtet,
wurde und wird es von rechtsextremen und antisemitischen Kreisen als
rassistische Propaganda in Dienst gestellt. In der lamaistischen Sekte des
mittlerweile verstorbenen Chögyam Trungpa wird schon
seit Jahren die Kompatibilität von Buddhismus und Krieg durch militaristische
Sprüche und Übungen kultiviert. Militäruniformen, Paraden und Camps
bestimmen den Initiationsweg der "Shambhala-Krieger".
Die im Kalachkara-Tantra
formulierte Staatslehre ist "buddhokratisch".
An der Spitze der Shambhala-Staates
residiert der buddhistische "Chakravartin"
(Weltenherrscher), die direkte "Inkarnation" oder
"Emanation" des Höchsten Buddha (Adi-Buddha). Als
absolutistischer "Gott- und Priesterkönig" vereinigt er die
religiöse, politische, juridische und
militärische Gewalt in Personalunion. Eine "bürgerliche
Gewaltenteilung" ist hier etwas völlig Unbekanntes. Wer die
staatsrechtliche Position der Dalai Lamas im traditionellen Tibet kennt,
der weiß, dass das Amt des tibetischen "Gottkönigs" dem eines Chakravartin en miniature entsprach. Prominente westliche Schüler
der Kalachakra Lehren wie das amerikanische
"Sprachrohr" des Dalai Lama Robert A. Thurman,
Vater der Hollywood Schauspielerin Uma Thurman, fordern öffentlich eine "Buddhokratie" als Alternative zum
"dekadenten" Westen: " Ich liebe es nicht von Theokratie zu
reden, weil dies eine Zuordnung zum Heiligen Römischen Reich herstellt ...
weil es die Konzeption von einem autoritären Gott hat, der das Universum
kontrolliert." - rief er 1996 auf der Tibet Konferenz Bonn.
Grundsätzlich ist
der Lehre nach der Sexualverkehr buddhistischer Mönche verboten. In den
höchsten geheimen Einweihungen des Kalachakra-Tantra
finden jedoch sexualmagische Riten statt, deren Ziel es ist,
"Sexualität" in weltliche und spirituelle Macht zu
transformieren. Die dort "benutzten" realen oder imaginierten
Frauen (beides ist möglich) stellen bestimmte
Energieformen dar, wobei das Alter eine wichtige Rolle spielt. Man beginnt
mit 11-jährigen Mädchen. Ab dem 20. Lebensjahr gelten die Frauen als "Dämoninnen" (Naropa)
Es ist erstaunlich, dass die tantrische Sexualmagie mit Minderjährigen bei
westlichen Vertrauten des XIV. Dalai Lama, wie zum Beispiel dem Münchner
Theologieprofessor Michael von Brück, auf Verständnis stößt: "Wenn in
einigen Tantras die sexuelle Vereinigung mit einer Zwölfjährigen empfohlen
wird, so ist zu bedenken, dass zu jener Zeit in Indien die Mädchen mit 11
oder 12 Jahren im Heiratsalter waren."
Solche Inhalte stehen in krasser
Opposition zum angekündigten Grazer Event "Kalachakra
für den Weltenfrieden" und zu den ökumenischen Beteuerungen des XIV.
Dalai Lama. Beängstigend ist es auch, dass gerade der Shambhala
Mythos extrem aggressive Visionen und megalomanische
Verschwörungstheorien im religiösen Neofaschismus ausgelöst hat.
"Shambhala" wird dort als die Heimat
einer "mythischen SS" angesehen und als ein Reich, aus dem heraus
sich ein neuer Hitler inkarnieren wird, um nach einem mörderischen Dritten
Weltkrieg, das "Vierte Reich" zu errichten. Das Kalachakra-Tantra gilt in rechtsextremen
Milieus als Initiationsritus in einen sakralen Kriegerorden. Schon das
SS-Ahnenerbe, die Ideologieschmiede Heinrich Himmlers, zeigte ein reges
Interesse an diesem Ritual.
Die kritischen
Stimmen gegen das Grazer Ereignis häufen sich. So konterte der Münchner
Psychologe, Sektenforscher und Verfasser einer Dalai Lama Biographie Colin
Goldner: "Der Dalai Lama wird dort das bedeutendste Kultspektakel des Vajrayana-Buddhismus (...) veranstalten, ein Ritual mit
allerlei Geister- und Dämonenbeschwörung, mit dem
er die Buddhisierung Europas vorantreiben
will." Der Schweizer Autor und Theologe Waldvogel-Frei, der in einem
demnächst erscheinenden Buch ("Und der Dalai Lama lächelte ....) das
Tantra kenntnisreich hinterfragt, kommt zu dem Schluss: "Erneut wird
etwas als Ritual der Toleranz, Versöhnung und Mitmenschlichkeit ausgegeben,
was im Kern etwas ganz anderes ist – nämlich das genaue Gegenteil. Und das
beschäftigt mich enorm". Der ehemaliger Buddhist, evangelische Pfarrer
und Autor Martin Kamphuis, regsamer Aktivist gegen das Grazer Event, spricht von einer "Bedrohung
europäischer Werte".
Längst fällige
Debatte
Zu Irritationen
in Graz haben auch mehrere kritischen Artikel in christlichen Zeitschriften
wie "Factum", "Ethos" und "Idea"
geführt. Auch am Ort des Geschehens artikulieren sich skeptische Stimmen.
Die "Evangelische Allianz" Österreichs fordert Aufklärung über
die Inhalte des Kalachakra. Der Grazer Bischof Egon
Kapellari hat in einem Hirtenbrief den Christen seiner Stadt von der
Teilnahme an den Riten nachdrücklich
abgeraten. Zwar seien der Dalai Lama und die Buddhisten als Gäste
willkommen, jedoch im Falle des Kalachakra-Tantra
handele es sich nicht um eine reine Kulturveranstaltung, sondern um die "Initiation"
in ein Religionssystem, das in mehreren Punkten christlichen
Glaubensvorstellungen widerspreche.
Spätestens der 11. Sept.
hat gezeigt wie aggressive und kriegerische Religionshalte in Terror
umschlagen können. Das gilt nicht nur für den islamischen Djihad, sondern auch für den buddhistischen Shambhala-Krieg, der den japanischen Terroristen und
Giftgasguru, Shoko Asahara, für seine Sarin-Anschläge auf die Tokioer
U-Bahn inspirierte. Das Kalachakra-Tantra-Event
in Graz bietet eine Chance, über den immensen und unreflektierten
Kulturimport "östlicher Weisheiten" nachzudenken und darüber eine
längst fällige Debatte zu eröffnen.
Spiritualität und
Kampf
Victor und Victoria Trimondi
haben in ihrem neuen Buch „Hitler-Buddha-Krishna. Eine unheilige Allianz
vom Dritten Reich bis heute“ eine Fülle von Fakten zusammengetragen, die
einen neuen Blick auf die geistige Grundstruktur östlicher Religionen
eröffnet. Das reicht von der Kshatriya-
Philosophie und ihrer engen Verbindung von Krieg uns
Spiritualität bis hin zum Kalachakra-Tantra und
dem Aspekt einer weltweiten „Kriegerreligion“. Wir bringen Kernaussagen des
Buches zum Kalachakra-Tantra.
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