Kriege, Endzeitschlachten und
Weltuntergänge im Lamaismus
Der Dalai Lama und die CIA
Der Dalai Lama und seine Beziehung zur CIA, das ist ein
längst bekanntes Thema. Es ist seit Jahren präsent im Internet, mehrere
Videos und eine ganze Anzahl von Büchern wurden hierzu veröffentlicht. (1)
Deswegen war es schon erstaunlich, als im Juni 2012 die großen Medien
Deutschlands darüber berichteten und das Ganze als Sensation präsentierten.
Zudem geschah das mit einer Ungeschminktheit, welche die westliche
Öffentlichkeit im Fall des Dalai Lama überhaupt nicht gewohnt ist. Allein
die Artikelüberschriften mussten bei einem Publikum Erstaunen auslösen, dem
bisher der Religionsführer aus Tibet, (um nur einige Preisungen aus dem
„kritischen“ Magazin Der Spiegel zu zitieren), als „Gott zum Anfassen“, als
„spiritueller Tröster“, als „Buddha unserer Zeit“, als „Menschenfischer“,
als „Jesus der Neuzeit“, als „ein spiritueller Sechser im Lotto“
vorgestellt wurde: „Flecken auf dem Lebenslauf – Der Dalai Lama und die Nähe zur CIA“ –
hieß es in der Financial Times. „Dalai Lama auf CIA-Gehaltsliste“
(Standard). Sogar Der Spiegel sah die ganze Angelegenheit als ein Dilemma:
„CIA-Ausbilder in Tibet - Dilemma auf dem Dach der Welt“ (Spiegel –
Online).
Auslöser der kritischen Berichterstattung waren ein
Artikel in der Süddeutschen Zeitung und eine Sendung von Panorama (ARD-TV).
Beide brachten die Information mit gepfefferten Kommentaren: „Heiliger
Schein - Der Dalai Lama, höchster Repräsentant des reinen Pazifismus,
wusste wohl doch mehr vom Treiben der CIA in Tibet, als er bisher zugegeben
hat. Nun fallen gewaltige Schatten auf den Gottkönig.“ – schrieb
Deutschlands größte Tageszeitung (Süddeutsche) und Panorama verwies im
Internet mit folgenden Worten auf seine Sendung: „Der Dalai Lama und die
CIA - Pazifist mit Schattenseiten: Panorama wirft einen Blick auf einen
wenig geliebten Teil der tibetischen Geschichte und fragt: Was ist wirklich
dran am Image des Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama?“
Auch
nach Italien ist die Kritikwelle übergeschwappt. La Republica, il
Messagiore und andere große Zeitungen haben über die CIA-Connection
berichtet. In Holland titelte ein Boulevard-Blatt: „Dalai Lama
scheinheilig – Nobelpreisträger war CIA-Agent und Guerilla-Führer“ (Telegraaf)
Man mag viele Gründe
anführen, weshalb eine Kooperation des tibetischen Religionsführers mit der
CIA gegen die chinesischen Kommunisten politisch sinnvoll war. Aber das
Problem in diesem Fall liegt darin, dass der Dalai Lama der Dalai Lama ist,
das heißt eine weltweit anerkannte Ikone, die symbolisch für absoluten
Frieden und Gewaltlosigkeit steht. Dieses Bild wird durch die Beziehung zum
amerikanischen Geheimdienst und zur tibetischen Guerilla erheblich
verunstaltet und die enttäuschten Reaktionen sind nicht nur in der Presse,
sondern auch in buddhistischen Diskussionsgruppen spürbar. Es sieht so aus,
dass die peinlichen Apotheosen des „Gottkönigs“, die seit Jahren die
westliche Medienlandschaft prägten, in ihr Gegenteil umschlagen könnten.
Mit „Dalai Rambo“ betitelte keine Regenbogen-Presse sondern die Frankfurter
Allgemeine Zeitung die C.I.A. – Story.
Die österreichischen Medien,
die noch im Mai den Dalai Lama bei seinem 10tägigen Besuch in den „Himmel
gehoben“ hatten, versuchten jetzt zu beschwichtigen. „Der Dalai-Lama ist
weder Rambo noch Jesus, und auch kein Betrüger“ versichert die Tageszeitung
Die Presse ihre Leser und Leserinnen. Der deutsche Spiegel, der schon seit
10 Jahren eine Art Hofberichterstattung für den Dalai Lama betreibt, war
verwirrt endet aber – in einem Akt von Selbstsuggestion – seinen halbherzig
kritischen Artikel mit dem Satz: Die Fakten „widerlegen
nicht die Tatsache, dass der Dalai Lama seit Jahrzehnten einen
pazifistischen Weg eingeschlagen hat.“
Dieser Satz wäre nur richtig,
wenn er lautete, dass der Dalai Lama seit Jahrzehnten einen pazifistischen
Weg „gepredigt“ hat. Zwischen „Predigen“ und „Einschlagen“ ist jedoch ein
großer Unterschied. Jeder der die Materie kennt, weiß, dass der tibetische
Buddhismus nicht friedlich ist, dass die tibetische Geschichte und
Gesellschaft nicht friedlich waren, dass die Beziehungen der Exil-Tibeter
untereinander nicht friedlich sind, dass die Zukunftsvision des tibetischen
Buddhismus in einem apokalyptischen Endzeitkrieg endet. Als Mahatma Gandhi
dem XIII. Dalai Lama in einem Brief erklärte, er freue sich, dass das
tibetische Volk sich am edlen Konzept der „Nicht-Gewalt“ (Ahimsa)
orientiere, wusste dieser nicht, worüber Gandhi überhaupt sprach.
Es ist nachweislich falsch, und Deutschlands Vorzeigemagazin Der
Spiegel weiß das genau, dass der Religionsführer als politisches Oberhaupt
der Exiltibeter die CIA Aktivitäten nicht abgesegnet haben soll. Der
japanische freie Journalist und ehemalige Herausgeber des „Japan Times
Weekly“ Yoichi Shimatsu hierzu: „Die Guerilla Aktivitäten wurden durch die
Exilregierung in Dharamsala gebilligt, deswegen wurden sie auch später in
die indische Armee als ‚Special Frontier Forces’ integriert, die auch als
‚Tibetische Armee’ bekannt war. Während die Agency die Guerilla Operationen
plante, unterstützte und durchführte, legten die höher gestellten
amerikanischen Beamten jede wichtigere Entscheidung der Regierung in Dharamsala
zur Genehmigung vor. In meinem Karmapa-Video, habe ich eine Aufnahme von
der Front der Pokhara Hotels gemacht, wo die CIA und die tibetische
Exilregierung ihre Meetings abhielten, um ihre Pläne für den Guerilla Krieg
zu diskutieren. Als Oberhaupt der Exilregierung trug der Dalai Lama die
direkte Verantwortung für all diese Entscheidungen.“ (2)

Der Dalai Lama und Maj. Gen. Uban
inspizieren die Special Frontier Force (SFF),
die aus den ehemaligen von CIA
ausgebildeten Guerilleros besteht
(Chakrata - June 1972)
Erst als die CIA-Aktivitäten
1974 endgültig eingestellt wurden, ging der Dalai Lama zu seinen Guerillas
in Distanz. Die Widerstandsarmee unter Colonel Wangdu wurde nicht nur
aufgelöst, sondern Wangdu selber, der Held der tibetischen Guerilla, wurde
ermordet und das, wie einige seiner Mitstreiter heute behaupten durch einen
„Tibetan Sniper“, einen tibetischen Heckenschützen.
Gewalt und Lösung von
Konflikten durch Krieg sind dem tibetischen Buddhismus inhärent. Nicht nur
in der Geschichte, sondern im religiösen Kern (3), insbesondere auch im so
genannten Kalachakra Tantra (Die Apokalypse des
Dalai Lama) einem Geheimritual, das vom Dalai Lama zwar öffentlich als
Friedensinitiation präsentiert wird, das aber voll ist mit Kriegs-Visionen
und misogynen Inhalten. Schlimmer noch, es wurde von Nazis, Faschisten,
Bolschewisten (Rotes_Shambhala),
Neo-Faschisten, Neo-Nazis und buddhistischen Terroristen wie den
japanischen Sektenführer Shoko Asahara
dazu benutzt, um ihrer aggressiven Politik eine metaphysische Dimension und
Weihe zu verleihen.
In einem Bericht
(4) wird die Geschichte des Chushi Gangdrung, der Organisation tibetischer
Guerilla-Kämpfer, in den 50er Jahren erzählt. Das Dokument zeigt nicht nur,
dass die buddhistischen Tibeter kriegerische Aktivitäten durchgeführt
haben, sondern dass sie hierfür vom XIV. Dalai Lama den Segen des
Kalachakra-Tantra erhielten. Hier ein Auszug aus dem besagten Text:
„1957 versammelten
sich viele Befreiungskämpfer aus den östlichen Teilen unseres Landes um Lhasa, der Hauptstadt Tibets. Die
Khampas [tibetischer Nomadenstamm aus dem die meisten Guerilla-Kämpfer
stammten] erkannten die Notwendigkeit, ihre Kräfte gemeinsam zu sammeln, um gegen die
kommunistische chinesische Aggression antreten zu können.
Nun galt es ja nicht
die Aufmerksamkeit der Chinesen auf sich zu lenken, sondern eine
Überwachung unserer Aktivitäten zu vermeiden und auch die verschiedenen
Gruppierungen von Befreiungskämpfern von Angesicht zu Angesicht treffen
können. Andruk Gonpo Tashi aus Lithang und andere Führer taten dies unter
dem Schleier der Erbringung von religiösen Gaben nach Lhasa. Es fanden dank
der Einwilligung der Tibetischen Regierung die Vorbereitungen zur, heute
berühmten, Feier des Goldenen Throns der Chushi Gangdrug für seine
Heiligkeit, den 14. Dalai Lama,
statt. Die Führer baten seine Heiligkeit, bei der Kalachakra- Einweihung den Segen zu erteilen und seine
Heiligkeit nahm freundlichst an. Amdo Jimpa Gyatso hatte eine ähnliche
Anfrage in der Vergangenheit auch bereits gemacht. So kam es bei der
zweiten Kalachakra-Segnung
1957 zu einer Zusammenarbeit der beiden Gruppen. Die Khampas führten ein
großes Tenshuk durch, um die Langlebigkeit seiner Heiligkeit zu feiern. Die
Tenshuk-Gabe auf dem neuen goldenen Thron symbolisierte die Ernennung
seiner Heiligkeit zum Führer über ganz Tibet und sein Dasein als
Heiligkeit.“ (4)

Tibetische Guerilla, die den Dalai Lama auf seiner Flucht
begleiteten. Darunter zwei vom CIA
ausgebildete Kämpfer. Die sitzende zentrale Figur im dunklen
Umhang ist der XIV. Dalai Lama
Die Kritik-Welle zum Thema
„Dalai Lama und CIA“ ist nicht zu Ende. Es wird noch einige Monate dauern,
bis der großspurig angekündigte Dokumentar-Film hierzu von Lisa Cathey
erscheint. (www.ciaintibet.com) Bis dahin wird weiter recherchiert und
berichtet werden. Etwa über den ehemaligen SS’ler Heinrich Harrer, der als
Emissär des Dalai Lama den Kontakt zur CIA hergestellt haben soll. (Trübes im Ozean des Wissens)
Harrer hat in diesem Jahr (post mortem) seinen 100. Geburtstag.
Aber man sollte vorsichtig
sein! Das jetzt vorgelegte Material und die Interviews von alten
CIA-Kämpfern müssen nicht per se der Aufklärung dienen: Lisa Cathy,
professionelle Dokumentarfilmerin, ist die Tochter des CIA-Geheimoffiziers
Clay Cathey, einer der Verantwortlichen der Geheimoperationen in Tibet. Es
kann durchaus sein, dass sich Kreise aus der Agency erneut auf militante
Aktionen in Tibet vorbereiten, wobei ihr das weltweite Image vom
tibetischen Buddhismus als einer absolut friedlichen Religion im Wege
steht. Deswegen ist ihnen wohlmöglich eine Doppelstrategie eingefallen.
Einerseits wird gezeigt, dass es auch einen militanten und aggressiven
Buddhismus gibt, der zwischen Freund und Feind klar unterscheidet und der
sich gegen die chinesische Unterdrückung zur Wehr setzt. In der Panorama
Sendung kommt beispielsweise ein tibetischer Guerilla-Führer mit dem
folgendem Satz zu Wort: „Da die Chinesen Feinde des Buddhismus waren, hatten
wir nie das Gefühl, dass es eine Sünde ist, sie zu töten. Tatsächlich waren
wir froh, so viele wie möglich zu töten. Wenn wir Tiere töten, sprechen wir
ein Gebet, aber wenn wir die Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über die
Lippen.“ Westliche Buddhisten zeigen sich angesichts solcher Aussagen
schockiert, doch die Militarisierung des tibetischen Buddhismus war
historisch gesehen keineswegs eine Randerscheinung, sondern eher die Regel,
nur dass sie sich meist in Kleinkriegen zwischen den verschiedenen
lamaistischen Gruppen austobte. Auch mit den aktuellen Selbstmordritualen,
die das Martyrium als heilige Handlung preisen, könnte ein solcher Schritt
in Richtung Militanz intendiert sein. Selbstmorde und Märtyreraktionen sind
dem Buddhismus ursprünglich ebenso fremd wie Gewalt gegen andere, zählen
aber zur Grundausstattung eines „Heiligen Kriegers“ in allen Religionen. Im
„Shambhala-Warrior“ des oben erwähnten Kalachakra-Tantra ist diese
Typologie vorgeprägt.
Anderseits darf der Dalai
Lama, die mächtige Ikone des Friedens, von einem solchen militanten
Buddhismus nicht befleckt werden. Es muss also ein Gegensatz zwischen ihm
und einer (vom CIA unterstützen) tibetischen Guerilla suggeriert werden.
Das ist auch die Intention der Lisa Cathy, die auf ihrem Blog (kefiblog.com) die deutsche
Berichterstattung über die CIA-Kontakte des Dalai Lama, insbesondere die
Sendung Panorama als „Tabloid Trash“ heruntermacht und sehr „fury“ war. „Es
wurde berichtet,“ – so die Dokumentarfilmerin – „dass [mein Project] CIA in Tibet eine neue Dokumentation ist, die eine Art
Befleckung des Dalai Lama aufdecken will. Nichts kann weiter von der
Wahrheit entfernt sein Sie scheinen
die Tatsache zu verdrehen: Weil der Dalai Lama von der CIA finanzielle
Mittel erhielt, die Teil ihres allgemeinen Unterstützungsfonds in den
frühen 70er waren, sei er direkt in ‚Verbrechen’ involviert.“ (5)
Aber die Berichterstattung
der Süddeutschen und von Panorama hat Recht. Zahlreiche Zeugnisse, und
selbst diejenigen, die Lisa Cathey vorlegt, beweisen, dass der XIV. Dalai
Lama zuerst fest hinter seiner Guerilla stand, bis dann Nixon nach einem
Treffen mit Mao Tse Tung alle Feindseligkeiten mit China einstellte und die
CIA-Operationen zurückrief. (1974).
Fussnoten:
(1) Folgende Bücher wurden schon zum Thema “Dalai Lama und die CIA”
veröffentlicht: Into Tibet: The CIA’s
First Atomic Spy and His Secret Expedition to Lhasa (2003), Buddha’s Warriors: The Story of the
CIA-Backed Tibetan Freedom Fighters, the Chinese Communist Invasion, and
the Ultimate Fall of Tibet (2004), Arrested Histories: Tibet, the CIA, and Memories of a Forgotten War (2010), The CIA’s Secret War in Tibet (2011).
(2) Zahlreiche
Originaldokumente findet man auf: http://www.westernshugdensociety.org/
Dort in die Suchmaske Dalai Lama and CIA eingeben
(3) Siehe hierzu: David A. Gray, "Compassionate Violence? On
the Ethical Implications of Tantric Buddhist Ritual,” Journal of Buddhist
Ethics 14 (2007): 240-271
(4) Quelle 2012: http://www.chushigangdrug.ch/pdf/geschichte.pdf
(5) Engl. Original: “It was reported that CIA in Tibet is a new documentary that
will reveal some sort of stain on the Dalai Lama. Nothing could be further
from the truth. They seem to twist the fact that since the CIA gave funds
to the Dalai Lama, which was part of their overall support until the early
70s, that it implies the Dalai Lama was directly involved in ‘wrongdoing’.”
(http://kefiblog.com/2012/06/11/regarding-irresponsible-reporting/#more-1321)
© Victor und Victoria
Trimondi
Presseüberblick
zu „Der Dalai Lama und die CIA“
Das Erste – Panorama – Sendung vom 07. Juni 2012 –
Der Dalai
Lama und die CIA
Von Hanno Burmester, John Goetz, Jasmin Klofta, Anne
Ruprecht
Stets friedliebend und gewaltfrei - mit diesem
Tibet-Image beeindruckt der Dalai Lama die Welt. Doch es ist ein geschöntes
Bild: Über 20 Jahre lang kämpften die Tibeter auch mit Waffengewalt für
ihre Unabhängigkeit. Der heimliche Unterstützer der tibetischen Guerilla:
die CIA. Auch der Dalai Lama erhielt Geld aus der Schatulle des
amerikanischen Geheimdienstes. Pazifist mit Schattenseiten: Panorama wirft
einen Blick auf einen wenig geliebten Teil der tibetischen Geschichte und
fragt: Was ist wirklich dran am Image des Friedensnobelpreisträgers Dalai
Lama?
http://daserste.ndr.de:80/panorama/archiv/2012/dalailama111.html
http://www.youtube.com/watch?v=qmL9CDIo8QI
Kommentar:
Das in Panorama verwendete Material findet sich schon seit längerer
Zeit im Netz. Die Sendung macht klar, dass der Dalai Lama über die
Aktivitäten der CIA informiert war. Es wird aber auch die Aussage des CIA
Agenten John Kenneth Knaus zitiert, der junge Religionsführer habe sich ihm
gegenüber bei seiner ersten Begegnung sehr abweisend gezeigt, da der
Buddhismus gewaltsame Aktionen nicht zulasse. „Ich trat also
unterwürfig auf ihn zu“, so Knaus. Es sei einer „der kühlsten Empfänge, die
ich jemals erlebt habe.“
Von einer pazifistischen Grundhaltung ist jedoch in einem
detaillierten Bericht, den Knaus über die Ereignisse gemacht hat und der im
Journal of Cold War Studies veröffentlicht wurde, überhaupt nicht die Rede.
(1) Auch zahlreiche andere Dokumente beweisen, dass der Dalai Lama die
militärischen CIA-Operationen und die tibetische Guerilla voll billigte. Er
hatte unter anderem das ehemalige SS-Mitglied Heinrich Harrer als
Unterhändler zu den Amerikanern nach Indien geschickt. „Sie alle waren bald
mit dem State Department und CIA-Offizieren in Kontakt.“ – schreibt Knaus.
Der CIA-Agent besuchte 1995 zusammen mit seiner Frau den Dalai Lama in
Dharamsala. Das offizielle Photo zeigt diesen wie immer lächelnd und
keineswegs kritisch und abweisend gegenüber dem Kriegsveteranen Knaus.

Fussnoten:
(1) John Kenneth Knaus – „Official Policies and Covert Programs: The
U.S.
States Department, the CIA, and the Tibetan Resistance” – in: Journal of
Cold War Studies, Volume 5, Number 3, 2003: 54-79.
Financial Times Deutschland – Net-Ausgabe – 08.06.2012
Flecken auf den Lebenslauf – Der Dalai Lama und die Nähe zur CIA
Von Friederike Böge
Er gilt als Inbegriff von
Weisheit und Sanftmut. Aber offenbar wusste der Dalai Lama mehr über die
Unterstützung des gewaltsamen Widerstands in Tibet durch den
US-Geheimdienst, als er bislang zugegeben hat. Sogar an ihn persönlich soll
Geld geflossen sein.
Der Dalai Lama, das geistige
Oberhaupt der Tibeter, pflegt seit Jahrzehnten das Image einer moralischen
Instanz in der Welt. Doch das Bild des Pazifisten droht nun einzustürzen.
Denn ein neuer amerikanischer Dokumentarfilm über die CIA in Tibet zeigt,
dass der oberste Tibeter offenbar mehr über die Unterstützung des
amerikanischen Geheimdienstes für den gewaltsamen Widerstandskampf der
Tibeter in China wusste, als er bislang zugegeben hat.
So hat die Filmemacherin Lisa
Cathey einen CIA-Veteranen interviewt, der über ein Treffen mit dem Dalai
Lama im Jahr 1964 berichtet. Der Film, der sich insgesamt auf Gespräche mit
30 Ex-Geheimdienstlern stützt, soll erst in einigen Monaten erscheinen.
Teile daraus sind jedoch bereits auf der Internetseite Kefiblog.com
veröffentlicht. Nach Berichten der "Süddeutschen Zeitung" und des
TV-Magazin "Panorama" belegen zudem Dokumente der amerikanischen
Regierung, dass der Friedensnobelpreisträger der CIA deutlich näher stand
als bislang bekannt.
Der chinesischen Regierung
dürfte der Wirbel um die CIA-Verbindungen des Dalai Lama mehr als recht
sein. Peking ist die Faszination, die weltweit von dem obersten Tibeter
ausgeht, schon lange ein Dorn im Auge.
Die Journalisten stützen sich
auf Dokumente der amerikanischen Regierung, die vor einigen Jahren
freigegeben wurden, aber bislang nicht medial ausgewertet wurden. Demnach
basiert das Tibet-Programm der CIA auf Vereinbarungen der US-Regierung mit
dem Dalai Lama aus den Jahren 1951 und 1965. Der erste Kontakt sei von
Vertretern des Dalai Lama über die US-Botschaft in der indischen Hauptstadt
Neu-Delhi und das US-Konsulat in Kalkutta eingeleitet worden.
Auch ein Bruder des Dalai
Lama habe damals bei der US-Regierung vorgesprochen. Bei den Kontakten sei
es explizit auch um militärische Hilfe gegangen. Laut "Süddeutscher
Zeitung" war der Dalai Lama spätestens 1958 über die paramilitärische
Ausbildung tibetischer Kämpfer durch die CIA informiert. Dies gehe aus
einem Interview hervor, dass der Religionsführer einer Reporterin vor gut
einem Jahrzehnt gegeben habe.
Ganz neu sind die Vorwürfe
nicht. Bereits bekannt ist auch, dass die Unterstützung der CIA für die
militanten Tibeter bereits Anfang der 70er-Jahre beendet wurde, nachdem die
Regierung Nixon diplomatische Beziehungen zu China aufgenommen hatte.
Bereits Ende der 90er-Jahre hatten einige Bücher und Filme die Verbindungen
zwischen der CIA und dem Dalai Lama durchleuchtet. In seiner Autobiografie
von 1991 hatte er über die Kontakte seiner Brüder zur CIA geschrieben:
"Meine Brüder hielten es für weise, diese Informationen von mir
fernzuhalten."
1998 hatte ein Sprecher der
tibetischen Exilregierung gegenüber der Zeitung "New York Times"
zugegeben, dass sie in den 60er-Jahren jährlich 1,7 Mio. Dollar von der CIA
erhalten habe. Mit dem Geld sei die Ausbildung von Guerillakämpfern und die
Durchführung militärischer Operationen finanziert worden. Berichte, der
Dalai Lama persönlich habe 180.000 Dollar jährlich bekommen, wies der
Sprecher damals aber zurück. Die "Süddeutsche Zeitung" stieß bei
ihren Recherchen aber auf CIA-Unterlagen, die Transfers über diese Summe
als "Geldhilfe für den Dalai Lama" deklarieren.
http://www.ftd.de/politik/international/:flecken-auf-den-lebenslauf-der-dalai-lama-und-die-naehe-zur-cia/70047817.html
Kommentar:
Die Hochfinanz dürfte kein Interesse an einer kriegerischen
Auseinandersetzung zwischen der VR China und den USA haben, denn der
globale Kapitalismus hat alles miteinander so verflochten, dass es für ihn
keine Nationalstaaten mehr gibt. Deswegen hat die Rolle des Dalai Lama als
moralische Powerkarte gegen Beijing in der Finanzwelt keinen allzu großen
Wert. Zurzeit erweist sich die Tibetfrage sogar als hinderlich, da die
westliche Wirtschaft auf die Kooperation der Chinesen angewiesen ist -
und umgekehrt. Es besteht also
durchaus ein Interesse der Finanzwelt daran, den Dalai Lama fallen zu
lassen und dieser scheint das zu wissen, da er in der letzten Zeit das
kapitalistische System und seine Manager mehrfach öffentlich kritisiert und
so mit dem Applaus der Massen rechnen kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung – Net-Ausgabe 10.06.2012
Dalai-Rambo
Der Dalai Lama, Ikone des
Pazifismus, habe durchaus, so plaudern pensionierte CIA-Leute in einem
Dokumentarfilm, auf bewaffneten Widerstand gegen Chinesen gesetzt.
Von
Christian Geyer
Die Zwei-Schwerter-Lehre hat
nicht nur im Christentum, sondern auch im Buddhismus Tradition. Geistliches
und weltliches Schwert sollen zusammenwirken, um die Welt in Ordnung zu
bringen, sprich: vom Kommunismus zu befreien. Papst Johannes Paul II.
pflegte connections zur CIA, ohne die der Ostblock nicht so sang-
und klanglos zerfallen wäre. Die geheimdienstliche Unterstützung für die
polnische Gewerkschaft Solidarnosc ist ein offenes Geheimnis und wurde
zuletzt in Karl Bernsteins Buch „Seine Heiligkeit“ beschrieben.
Die andere Heiligkeit, der Dalai Lama, nahm
in seiner Frühzeit ebenfalls die Hilfe der CIA in Anspruch, wie die
Dokumentarfilmerin Lisa Cathey in Erinnerung ruft; Ausschnitte ihres
demnächst anlaufenden Dokumentarfilms „CIA in Tibet“ sind jetzt unter kefiblog.com zu sehen. In dem Film plaudern
pensionierte CIA-Beamte auf Golfplätzen und in Lehnsesseln über die alten
Zeiten: Wie es war, damals, in den Fünfzigern und Sechzigern, als in Lagern
in Colorado tibetische Widerstandskämpfer in Waffenkunde, Funktechnik und
Guerilla-Strategie ausbildet wurden, um hernach im chinesisch besetzten
Tibet Chinesen zu töten. Beim Töten von Tieren habe man gebetet, nicht aber
beim Töten von Chinesen, erklärt im Film ein früherer Widerstandskämpfer.
Heute steht fest: Der Dalai Lama, Ikone des
Pazifismus, setzte - gewiss widerstrebend - auf den bewaffneten Widerstand,
solange dieser von den Amerikanern gesponsert wurde. Mit Billigung des
religiösen Oberhauptes kämpfte eine tibetische Spezialeinheit der indischen
Armee 1971 gegen das heutige Bangladesch. Ein Jahr später nahm der Dalai
Lama als Ehrengast einer militärischen Zeremonie in Indien teil, wo den
kämpfenden Tibetern Tapferkeitsmedaillen verliehen wurden. Die
waffenstarrenden Fotos, die bei diesem Anlass vom Dalai Lama gemacht
wurden, könnte man heute für Titelblätter der „Titanic“ halten. Zwei seiner
Brüder waren die Kontaktleute zum CIA und wussten um die Einzelheiten des
tibetischen Guerillakampfes. „Meine Brüder hielten es für weise, diese
Informationen von mir fernzuhalten“, heißt es in der Autobiographie des
Dalai Lama, was wiederum als weise Selbstauskunft eines Friedfertigen
gelten kann, der nach Gewaltspuren in zweischneidiger Frühzeit gefragt
wird.
Kommentar:
Die FAZ geht scharf ins Gericht und das mit Recht. Es mag
vielleicht etwas brachial klingen, den Dalai Lama als „Rambo“ zu
bezeichnen. Aber der Religionsführer hat Jahrzehnte lang das Privileg
gehabt, mit Titeln größter Heiligkeit gepriesen zu werden. Der Umschlag ins
Gegenteil ist in solchen Fällen vorgegeben.
Süddeutsche Zeitung – Print-Ausgabe – 08.06.2012
Heiliger Schein
Von John
Goetz, Hans Leyendecker und Bastian
Obermayer
Der Dalai Lama, höchster
Repräsentant des reinen Pazifismus, wusste wohl doch mehr vom Treiben der
CIA in Tibet, als er bisher zugegeben hat. Nun fallen gewaltige Schatten
auf den Gottkönig.
Auszüge:
„Eine unantastbare höchste
moralische Instanz wie der Dalai Lama könnte solche Verbindungen [zu CIA]
nur schwer erklären. So einer lebt doch, was er lehrt. Zu groß war und ist
der Widerspruch zwischen einem von der dreckigen CIA finanzierten und
organisierten Guerillakrieg und der sanften Botschaft des Dalai Lama vom
gewaltlosen Widerstand. Der Friedensnobelpreisträger, tibetische
Guerillakämpfer und die CIA – das klingt fast so seltsam wie: der
Papst, seine Frau und sein Porsche. Aber manchmal ist die Welt eben
seltsam.“
„Recherchen der Süddeutschen
Zeitung und des TV-Magazins „Panorama“ lassen nun den Schluss zu, dass
er der CIA deutlich nähergestanden und erheblich mehr gewusst haben muss,
als er zugeben mag. Darauf deuten nicht nur die zum Teil sehr freimütigen
Bekenntnisse der Veteranen hin, sondern auch ehemals streng vertrauliche
Dokumente der amerikanischen Regierung, die vor einigen Jahren freigegeben
wurden – ohne bislang große Beachtung gefunden zu haben. Der
Dalai Lama hat zwar nicht nachweisbar gelogen, aber auch nie die ganze
Wahrheit gesagt. Seine Rolle ist undurchsichtig, sein Umgang mit dem Thema
scheint nicht aufrichtig. Und bei einem Erleuchteten sollte die Wahrheit
nicht im Plural vorkommen.“
„Der 14. Dalai Lama, der nach
dem Glauben vieler Buddhisten erstmals 1391 auf die Welt gekommen ist und
im Kreislauf der Wiedergeburten im Juli 1935 als Bauernsohn wiederkehrte,
er wird von seinen Anhängern als „Gottkönig“, „Buddha des Mitgefühls“,
„Ozean der Weisheit“, „Herr des Weißen Lotus“, „Unvergleichlicher Meister“,
„Das wunscherfüllende Juwel“ verehrt. Der Träger von etwa 95 hohen und
allerhöchsten Auszeichnungen, der zigfache Dr. h.c., dessen offizielle
Anrede – wie sonst nur noch beim Papst – Seine Heiligkeit
ist, sagte zwar einmal, er versuche, „für jeden das zu sein, was der andere
will“, aber als Schachfigur der CIA im Kalten Krieg will ihn die Welt,
Peking einmal ausgenommen, wohl nicht sehen. Eine direkte CIA-Connection
würde nicht zu seiner hohen moralischen Autorität passen.“
Kommentar:
Der Artikel in der Süddeutschen ist der ausführlichste. Er wurde
groß auf der Eingangseite angekündigt und auf Seite 3 gebracht. Der Spiegel
wirft dem Autor vor, dass er schon längst bekanntes Material präsentiere.
Das ist richtig, aber bisher hat keines der großen Medien, insbesondere
nicht der Spiegel darüber berichtet. Es ist also das Verdienst der
Süddeutschen und von Panorama, das Thema einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich gemacht zu haben. Das zweite Verdienst ist, dass die Verantwortung
des Dalai Lama für die Guerilla- und CIA-Aktivitäten in Tibet in dem
Artikel klar herausgestellt wird. Das musste natürlich zu heftigen
Gegenreaktionen führen. So in einem abgedruckten Leserkommentar vom 19. 06.
2012: „Unverhohlene Häme – Der Dalai
Lama und der Kampf der Tibeter gegen China im Kalten Krieg - gar nicht
scheinheilig. Der Titel des Artikels ‚Heiliger Schein’ (8. Juni)
suggeriert, hier würden Fakten präsentiert, die den Dalai Lama als
scheinheilig entlarven. Tatsächlich erweist sich der Artikel als
Mogelpackung mit sehr wenig Dalai Lama darin. Im Heldenkostüm des
kritischen Journalismus wurde ein Artikel zusammengenagelt, dessen Mängel
hinsichtlich Genauigkeit - wozu sich die Namen der Brüder des Dalai Lama
merken, es sind ja so viele - und Präsentation verblüffen.“ – so der
Kritiker.
Der Philosoph und Kulturkritiker Slavoj Žižek hat in einem scharfsinnigen Essay darauf aufmerksam gemacht,
dass es für den Lamaismus typisch ist, zwischen mehreren Ebenen zu
oszillieren. So kann der Dalai Lama blitzschnell die Rollen wechseln vom
„Gottkönig“ zum „einfachen Mönch“, vom Politiker zum Meditationsyogi, vom
Linksliberalen zum Erzkonservativen mit NS-Freunden. Dieselbe Kunst findet
sich auch bei seinen Apologeten. Natürlich kann man für die Zeit des Kalten
Krieges Argumente anführen, weshalb es politisch opportun gewesen sei, eine
Guerilla-Resistance in Tibet aufzubauen. Aber man kann dann nicht mehr
einer Person, die so handelt, die Aura des „größten Friedensfürsten unserer
Zeit“, der absoluten Gewaltlosigkeit, der Ahimsa-Politik, des buddhistische
Tötungsverbot zugestehen. Das aber sind die Ideen, die den Dalai Lama im
Westen groß gemacht haben. „Eine
direkte CIA-Connection würde nicht zu seiner hohen moralischen Autorität
passen.“ – meint die Süddeutsche.
Der Artikel ist aus dem Archiv der Süddeutschen
abrufbar: http://www.sueddeutsche.de/
Spiegel Online – 09. Juni 2012 - Auszüge
CIA-Ausbilder in Tibet - Dilemma auf dem Dach der
Welt
Von Andreas Lorenz, Peking
Es ist ein fast vergessenes
Kapitel tibetischer Geschichte: In den fünfziger und sechziger Jahren
bildete der US-Geheimdienst CIA Bauern, Mönche und Nomaden zu
Widerstandskämpfern aus. Ein Dokumentarfilm erinnert nun an die
Gebirgs-Guerilla - und an das Dilemma des Dalai Lama.
[…]
Die "Süddeutsche
Zeitung" und das ARD-Magazin "Panorama" haben jetzt darüber
berichtet. Es falle ein "gewaltiger Schatten auf den Gottkönig",
der als "höchster Repräsentant des reinen Pazifismus" stets
Gewaltlosigkeit predige, befand die "SZ". Und das TV-Magazin
"Panorama" fragte: "Was ist wirklich dran am Image des
Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama?"
CIA-Aktivitäten auf dem Dach der Welt
Tatsächlich scheint die Verbindung
des friedliebenden Dalai Lama mit den Berufskillern der CIA nicht
zusammenzupassen. Neu allerdings ist diese Allianz nicht. Die
CIA-Aktivitäten auf dem Dach der Welt sind eine lange bekannte Tatsache,
die in vielen Geschichtsbüchern dokumentiert wird.
Selbst die Interviews mit den
Veteranen sind so exklusiv nicht: Sie wurden schon Anfang des vorigen
Jahres teilweise in der Hongkonger "South China Morning Post"
veröffentlicht. Die belgische Autorin Birgit van Wijer hat bereits 2007 die
Erinnerungen von 48 ehemaligen Kämpfern festgehalten. Der Dalai Lama hat
aus diesem schwierigen Abschnitt seines Landes und seinen Kontakten zur CIA
keinen Hehl gemacht.
Widerlegt die Geschichte das
seit den siebziger Jahren vom Dalai Lama immer wieder verkündete Bekenntnis
zur Gewaltlosigkeit auf dem Weg zu einem freien Tibet? Ist der Buddhist gar
ein Heuchler, wie "SZ" und "Panorama" insinuieren, eine
"Schachfigur der CIA"?
Keineswegs. Die Dokumentation
lässt den damaligen Chef der CIA-Operation John Kenneth Knaus zu Wort
kommen, der von einer Begegnung mit dem Dalai Lama berichtet. Es war,
erinnert er sich, "einer der kühlsten Empfänge, die ich jemals erlebt
habe. Sehr formell, sehr korrekt." Tatsache ist auch, dass die CIA in
den fünfziger Jahren lange Zeit vergeblich versucht hatte, zum Dalai Lama
vorzudringen, um grünes Licht für den bewaffneten Widerstand zu erhalten -
vergeblich.
Kriegerische Zeiten in Tibet
[…]
Obwohl die Khampas auf ein
Wort der Unterstützung des damals jungen und unerfahrenen Dalai Lama
warteten - es kam nie, berichtet der tibetische Historiker Tsering Shakya.
Er hielt den Aufstand angesichts der Überlegenheit der chinesischen Armee
für selbstmörderisch und nicht vereinbar mit seiner Religion.
[…]
Kein klares Wort des Dalai Lama gegen den CIA-Einsatz
Tausende von tibetischen
CIA-Guerilleros starteten später vom halb-autonomen Himalaja-Reich Mustang
ihre Einsätze. Unklar ist bis heute, wie viele von ihnen in Tibet ihr Leben
ließen und wie viele chinesische Soldaten starben. Fest steht: Ein klares
Wort gegen den Einsatz äußerte der Dalai Lama öffentlich nie, aber auch nie
dafür. 1967 begann die CIA, die Operation zurückzuschrauben, 1974
appellierte der Dalai Lama an die letzten Kämpfer, die Waffen
niederzulegen.
Seither plädiert er für den
so genannten "Mittelweg": Keine Gewalt und keine Unabhängigkeit
Tibets will er, dafür mehr religiöse und kulturelle Autonomie auch
außerhalb der Grenzen der Autonomen Region Tibet. Unter jungen
Exil-Tibetern ist dies umstritten. Viele sind bereit, wie ihre Väter und
Großväter zu den Waffen zu greifen.
"Schatten auf dem
Gottkönig"? Wohl kaum. Der Dalai Lama hat die CIA-Aktion 1993 in einem
Interview mit der "New York Times" als "nicht sehr
gesund" kritisiert, weil sie nur politisch motiviert gewesen und nicht
aus "genuiner Sympathie" für das tibetische Volk geboren worden
sei.
Die Aussagen der Tibeter und
der Amerikaner helfen, den Konflikt zwischen Tibetern und der Pekinger
Regierung besser zu verstehen. Sie widerlegen nicht die Tatsache, dass der
Dalai Lama seit Jahrzehnten einen pazifistischen Weg eingeschlagen hat.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/dokumentation-cia-bildete-widerstandkaempfer-in-tibet-aus-a-837756.html
Kommentar:
Seit Jahren betreibt der Spiegel eine Hofberichterstattung zum
Dalai Lama. Das „kritische“ Magazin ist unter dem Einfluss von Erich
Follath, Verfasser eines Buches mit dem bezeichnenden Titel „Das
Vermächtnis des Dalai Lama – Ein Gott zum Anfassen“ geradezu in eine Dalai
Lama Trance gefallen. Es ist völlig absurd, dass der Religionsführer als
politisches Oberhaupt der Exiltibeter, die CIA Aktivitäten nicht abgesegnet
haben soll. (Siehe oben)
Der Standard – 14. 06. 2012
Dalai Lama auf CIA-Gehaltliste
TV-Doku: Tibeterchef erhielt
in 1950er und 1960er Jahren 180.000 Dollar jährlich
Dharamsala - Noch vor wenigen
Wochen bei seinem Besuch in Österreich beinahe in den Himmel gehoben, muss
sich der Dalai Lama nun gegen Vorwürfe wehren, er sei jahrelang auf der
Gehaltsliste des US-Geheimdienstes CIA gestanden. Das behaupten zumindest
einige Zeugen, die in einem Film über Tibet auftreten.
Die in Washington ansässige
Dokumentarfilmerin Lisa Cathey sprach mit tibetischen Ex-Guerrilleros und
ehemaligen CIA-Agenten für ihre Doku "CIA in Tibet". Der Film
soll in den nächsten Monaten veröffentlicht werden. Darin geht es um die
Aktivitäten des US-Dienstes in und um Tibet in den 1950er und 1960er
Jahren.
Mit der Operation "ST
Circus" versuchten die Amerikaner, die beinahe panische Angst vor
einer kommunistischen Ansteckungsgefahr in Asien hatten, in dieser Zeit den
Einfluss der Chinesen am Himalaya zurückzuhalten. Nach der Eroberung Tibets
durch die Volksarmee (1951) und der Flucht des Dalai Lama nach Indien
(1959) überwiesen sie den Exiltibetern deshalb pro Jahr 1,7 Millionen
Dollar für ihre Aktivitäten. Der Dalai Lama selbst soll 180.000 Dollar
jährlich erhalten haben.
Ganz neu sind die Vorwürfe
allerdings nicht. Eine Hongkonger Zeitung etwa berichtete bereits vor
längerer Zeit darüber, und auch der Dalai Lama selbst hat den Draht aus
seinem Umfeld in die USA - seine Brüder stellten den Kontakt her - nicht
verschwiegen. Der New York
Times sagte er 1993: Die CIA-Operation sei "nicht gesund"
gewesen, weil sie nur machtpolitisch ausgerichtet gewesen sei.
http://derstandard.at/1338559537799/Dalai-Lama-auf-CIA-Gehaltliste
Kommentar:
Während der
Dalai Lama Besuches in Österreich im Mai 2012 gehörte auch der Standard zu
den Zeitungen, die den Kirchenfürsten „in den Himmel gehoben“ haben. Das
war 2002 anders, als der Religionsführer in Graz das so genannte
Kalachakra-Tantra-Ritual veranstaltete. Damals berichtete der Standard
ausführlich mit einem kritischen Artikel darüber. (Ein Kriegsritus beim
Dalai Lama: Das Kalachakra) Die zahlreichen und heftigen Proteste von
buddhistischer Seite gegenüber dieser mutigen Entscheidung, hat die
Redakteure wohl eingeschüchtert, so dass sie jetzt, zehn Jahre danach, zu
zahmen Lämmern geworden sind. Entsprechend mager fällt auch der Artikel
über die CIA-Connection des Dalai Lama aus.
Die Presse – Print-Ausgabe vom 12.06.2012
Der Dalai-Lama ist weder Rambo noch Jesus, und
auch kein Betrüger
Von Anne-Catherine Simon
Der demnächst erscheinende Dokumentarfilm
„CIA in Tibet“ zeigt die Verbindungen des Dalai-Lama zum US-Geheimdienst.
Doch diese waren durchaus kühl.
„Wenn wir ein Tier töten,
sprechen wir ein Gebet. Als wir Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über
die Lippen.“ Wie verträgt sich diese Äußerung mit der absoluten
Gewaltfreiheit, die der Dalai-Lama im Westen verkündet? Tibeter wie der
soeben zitierte kämpften in den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit Wissen
des jungen Dalai-Lama gegen die Chinesen.
Und wurden von der CIA
unterstützt. Das zeigt US-Filmemacherin Lisa Cathey im Dokumentarfilm „CIA
in Tibet“, der heuer erscheinen soll (noch unklar ist, wie und wo). Zu
sehen ist etwa ein Dokument von 1951, in dem ein Repräsentant des
Dalai-Lama die USA um Militärhilfe und Kredite ersucht. Die CIA lieferte
nicht nur Geld und Waffen, sie bildete auch tibetische Guerillakämpfer aus.
„Dalai-Rambo“ titelt nun ein
als seriös geltendes deutsches Blatt, und Internet-Kommentatoren fühlen
sich in der Überzeugung bestätigt, dass der Dalai-Lama ein Betrüger sei.
Dabei ist an den „Enthüllungen“ so gut wie nichts neu. Schon Ende der
Neunzigerjahre informierte eine BBC-Doku über dieses CIA-Projekt.
Der Dalai-Lama habe ein
ambivalentes Verhältnis zur Gewalt, lautet ein zentrales Argument seiner
Kritiker. Manche wollen ihm allein schon aus seiner Vorliebe für Bildbände
aus dem Zweiten Weltkrieg einen Strick drehen (er finde viele der
„Gewaltmaschinen“ darin sehr attraktiv, gestand er einmal der „New York
Times“). Oft wird er einfach für die teils gewaltsame Geschichte des
(tibetischen) Buddhismus haftbar gemacht. Viele sind aber auch irritiert,
weil er, zu konkreten Konflikten befragt, unterschiedlich argumentiert. Den
Irak-Krieg fand er irgendwie gerechtfertigt. Mal hat er Verständnis für
Gewalt als nationale Verteidigung, dann wieder nur, wenn es um die Rettung
von Menschenleben geht.
Aber niemals hat er Gewalt
gutgeheißen, anders als etwa der in den USA lehrende tibetische Lama Gehlek
Rinpoche. Der sieht die Tötung von Terroristen als ethische Verpflichtung,
um sie vor schlechtem Karma zu retten – islamische Extremisten denken,
mittelalterliche Inquisitoren dachten schon ähnlich.
In der Doku „CIA in Tibet“
erinnert sich der einstige CIA-Einsatzleiter an den einzigen direkten
Kontakt mit dem Dalai-Lama, der offenbar erst nach langem Widerstreben des
Tibeters stattfand: „Es war einer der kühlsten Empfänge, die ich je erlebt
habe.“ Für seinen Gastgeber sei er offenbar ein Repräsentant der ihm so
verhassten Gewalt gewesen. Zu den Details des tibetischen Guerillakampfes
schreibt der Dalai-Lama in seiner Autobiografie: „Meine Brüder hielten es
für weise, diese Informationen von mir fernzuhalten.“ In den 1970er-Jahren
appellierte er dann an die Guerilleros, die Waffen niederzulegen.
Betrachtet man seine lange
Biografie, wird man es schwer haben, in der Weltgeschichte einen
gewaltärmeren politischen Führer als den Dalai-Lama zu finden. Irritierend
ist sein Verhalten nur für jene, die diese schwierige Doppelexistenz aus
geistlichem und politischem Führer für eine Art Jesus halten.
Kommentar:
Die Presse war
neben den Salzburger Nachrichten (Das
Dauerlächeln bringt den Tibetern wenig) wohl die einzige
österreichische Zeitung, die während des Dalai Lama Besuches etwas
Kritisches brachte, nämlich ein Interview mit dem zum Katholizismus
konvertierten ehemaligen Buddhisten Paul Williams. (Der-Buddhismus-ist-hoffnungslos
) Insider behaupten, dass Williams, wenn auch inoffiziell, die Position des
Vatikans vertritt.
Bezeichnend ist,
dass Anne-Catherine Simon ihren Artikel mit dem verkürzten Zitat eines
tibetischen Guerillero beginnt: „Wenn wir ein Tier töten, sprechen wir ein
Gebet. Als wir Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über die Lippen.“ Das
Original lautet jedoch: „Da die Chinesen Feinde des Buddhismus waren, hatten
wir nie das Gefühl, dass es eine Sünde ist, sie zu töten. Tatsächlich waren
wir froh, so viele wie möglich zu töten. Wenn wir Tiere töten, sprechen wir
ein Gebet, aber wenn wir die Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über die
Lippen.“ Es ist tatsächlich eine im tibetischen Buddhismus tief verankerte
Doktrin, dass „Feinde des Buddhismus“ getötet werden dürfen, wenn das für
das Dharma (die buddhistische Lehre) förderlich ist.
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Die englische
Version des Buches “Der Schatten des Dalai Lama“ finden Sie unter:
The
Shadow of the Dalai Lama – Sexuality, Magic and Politics in Tibetan
Buddhism
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