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Hindutva Fundamentalismus


 

Victor und Victoria Trimondi

 

„Ich nehme all deinen Glanz von Dir

mit meiner Männlichkeit“

 

Die abscheulichen Vergewaltigungen von Frauen in Indien, auf die in den letzten Jahren die internationalen Medien aufmerksam wurden, haben nicht nur soziale sondern auch „metaphysische“ Ursachen. Sie werden in einigen patriarchalen religiösen Texten legitimiert. Ziel sind nicht nur der sexuelle Missbrauch und die Unterdrückung der Frau, sondern auch der Raub der weiblichen Energien zugunsten des Mannes.

 

Indien ist nicht nur ein Märchenland der Magie und des Zaubers, wie es von dem Indologen Heinrich Zimmer beschrieben wurde,  es ist nicht allein das Land von Bollywood und von Software-Giganten, sondern Indien ist auch ein Land, wo es abscheuliche Unterdrückung und Gewalt insbesondere gegen Frauen gibt. Im Gegensatz zu den islamischen Ländern wurde das in der westlichen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Alle 20 Minuten vergewaltigen hier Männer eine Frau. Das ist eine alte und üble Tradition im Subkontinent der „erleuchteten“ Yogis und Swamis. Auf breiter internationaler Ebene bekannt wurde diese Tradition erst, als im Jahre 2013 sechs Männer die 23jährigen Studentin Jyoti Singh Pandey in einem Bus sexuell missbrauchen und so schwer misshandelten, dass sie kurz darauf starb. Gegen die Täter wurde zwar die Todesstrafe ausgesprochen, das aber war eine Ausnahme, ein Resultat der vielen Massenproteste und der Berichte darüber in der Weltöffentlichkeit. 2012 verurteilte man in Indien wegen Vergewaltigung 3500 Männer, doch über 11.000 sprach man frei. Der Frau allein wird die Schuld an den Vergewaltigungen gegeben. Sie hätte sich ja wehren können. Da Mädchen als eine Schande für die Familie gelten und nur Jungen „Glück“ bringen, werden die Töchter des Landes wegen ihres Geschlechts nicht selten abgetrieben (das kennt man auch aus China) und es treten immer wieder Fälle auf, wo sie nach der Geburt getötet werden.

 

Siehe Fotostrecke: Eine Vergewaltigung empört Indien

 

Die westliche Berichterstattung über solche Ereignisse erwähnt niemals, dass die Deklassierung  der Frau eng mit den religiösen Vorstellungen Landes im Zusammenhang steht. Auch wenn wir aus dem Hinduismus das Bild harmonischer Götter-Paare kennen, die den Lauf der Welten bestimmen, so finden sich in allen hinduistischen Schulrichtungen, im Brahmanismus, im Tantrismus im Yogi- und Guru-System, Elemente einer meist offenen Frauenunterdrückung. Auch solch machtvolle Frauengestalten wie die Göttin Kali stehen letztlich im Dienste der patriarchalen Übergötter, für die sie – wie in der Mahabharata – die Dreckarbeit des Tötens übernehmen.  

 

In diesem Zusammenhang ist ein Upanishaden-Text von großem Interesse. Die Brihadaranyaka Upanishad, aus dem das folgende Zitat stammt, ist eine der ältesten Schriften der Hindu-Kultur und mehr als 1000 Jahre vor den Tantra-Texten verfasst worden. Dennoch zeigt der im Folgenden zitierte Passus Elemente, die wir später in der tantrischen Literatur erneut wieder finden. In diesem Fragment wird eindeutig die Vergewaltigung einer Frau legitimiert, der Mann wird zum ursprünglichen Schöpfungsprinzip erklärt, und er bedient sich aus den weiblichen Energien zu Erhöhung des eigenen Glanzes:

 

„Wenn er, darüber hinaus, sein Spiegelbild im Wasser sieht, so lass ihn die folgenden Worte daran richten: Möge Kraft, Männlichkeit, Berühmtheit, Reichtum und Verdienst in mir bleiben.

 

Sicherlich, eine Frau, die ihre Kleider am Ende ihrer Menstruationsperiode gewechselt hat, ist diejenige Frau, die am meisten Glück bringt. Wenn sie ihre Kleider am Ende der Menstruationsperiode gewechselt hat, sollte man sich deswegen dieser wunderbaren Frau nähern und sie einladen, Sex mit einem zu haben. Sollte sie sich weigern, dem zuzustimmen, dann sollte er ihr Geld anbieten. Sollte sie sich dann immer noch weigern, sollte er sie mit einem Stock oder seinen Fäusten schlagen und sie überwältigen indem er sagt: Ich nehme all deinen Glanz von Dir weg mit meiner Männlichkeit und meinem eigenen Glanz.“ Und dann wird sie sicher von ihrem Glanz beraubt sein. Wenn sie andererseits seinen Wünschen entgegenkommt, sollte er sagen: Ich übertrage den Glanz auf dich mit meiner Männlichkeit und meinem Glanz. Dann können beide sicher sein, dass sie voller Glanz sind.

 

Wenn sie ihn lieben will, sollte er seinen Penis in sie gleiten lassen, seinen Mund gegen den ihren pressen und ihre Vagina streicheln, indem er mit sanften Worten rezitiert:

 

Aus meinem Körper kommst du hervor – von jedem Zentimeter

Geboren aus meinem Herzen, bist du das Mark meines Körpers

Mach sie [die Frau] verrückt nach mir, so als wäre sie getroffen worden 

Durch einen Pfeil mit vergifteter Spitze.

 

Wenn er nicht will, dass sie schwanger wird, soll er seinen Penis in sie gleiten lassen, ihren Mund gegen den ihren pressen und den Atem zurückziehen, indem er sagt: Ich nehme den Samen von dir zurück mit meiner Männlichkeit und meinem Samen. Und es ist sicher, dass sie von ihrem Samen beraubt ist.

 

Wenn er will, dass sie schwanger wird, soll er seinen Penis in sie gleiten lassen, ihren Mund gegen den ihren pressen und den Atem zuerst zurückziehen, und ihn dann in ihren Mund blasen indem er sagt: Ich setze meinen Samen in dich mit meiner Männlichkeit und meinem Samen. Und es ist sicher, dass sie schwanger wird. (1)

 

Eine der wenigen westlichen Indologen, die in ihren Schriften auf die Benachteiligung der Frau in der indischen Gesellschaft aufmerksam gemacht haben, ist die US-amerikanische Religionshistorikerin und Sanskritologin Wendy Doniger. 2009 erschien ihr Buch The Hindus. An Alternative History, bei dem angesehenen englischen Verlag Penguin. Die Publikation löste in Indien zahlreiche Proteste aus, weil die Autorin indische Lebensformen mit Hilfe psychoanalytischer Kategorien untersucht hatte. 2014 beugte sich Penguin den Protesten zog den Bestseller zurück und vernichtete die noch vorhandenen Exemplare. Wir zitieren aus dem Buch einen Passus zu Mahatma Gandhi, der zeigt wie der große Pazifist, sich im Alter durch den Körperkontakt mit jungen Mädchen auffrischten wollte:

  

Gandhis „Beharren auf Enthaltsamkeit für seine Schüler verursachte Unbehagen bei einigen von ihnen, als sie von seiner Gewohnheit erfuhren, zwischen Mädchen zu schlafen, die so jung waren, dass man sie in den USA als Minderjährige bezeichnet hätte. Er gab vor, das zu tun, um seine Enthaltsamkeits-Kontrolle zu testen und/oder zu beweisen oder um seinen Willen zu stärken. Aber diese Praxis hat nicht so sehr ihren Ursprung in den asketischen Traditionen der Upanishaden und den vishnuitischen Schulen, welche die Quelle von vielen Praktiken waren, die Gandhi durchführte, sondern in den alten tantrischen Techniken, um Kraftenergien zu internalisieren, in der Tat um magische Kräfte hervorzubringen, indem die sexuellen Energien zuerst aufgewühlt werden und dann der Samenerguss zurückgehalten wird.“ (2)

 

In unserem Buch Der Schatten des Dalai Lama haben wir gezeigt, wie diese sexualmagische Praxis das zentrale Ereignis im tibetischen Buddhismus darstellt.

 


Quellen und englisches Original:

 

(1) Birhadaranyaka Upanisad 6.4.13 (Patrick Olivelle – The early Upanisads – annotated Text and Translation – Oxford, New York 1998. p. 157

If, moreover, he sees his reflection in water, let him address it thus: "May vigor, virility, fame, wealth, and merit remain in me!"

 

Surely, a woman who has changed her clothes at the end of her menstrual period is the most auspicious of women. When she has changed her clothes at the end of her menstrual period, therefore, one should approach that splendid woman and invite her to have sex. Should she refuse to consent, he should bribe her. If she still refuses, he should beat her with a stick or with his fists and overpower her, saying: "I take away the splendor from you with my virility and splendor." And she is sure to become bereft of splendor. 8 If, on the other hand, she accedes to his wish, he should say: "I confer splendor on you with my virility and splendor." And then they are both sure to become full of splendor.

 

If he wants her to love him, he should slip his penis into her, press his mouth against hers, and stroke her vagina as he softly recites:

 

From my body you spring—from every inch!

Born from my heart, you are my body's pith!

Make her crazy about me, as if she's been hit

With a dart carrying a poisoned tip.

 

If he does not want her to become pregnant, he should slip his penis into her, press his mouth against hers, blow into her mouth and suck back the breath, as he says: "I take back the semen from you with my virility and semen." And she is sure to become bereft of semen.

 

If, on the other hand, he wants her to become pregnant, he should slip his penis into her, press his mouth against hers, suck in the breath first, and then blow it back into her mouth, as he says: “I deposit the semen in you with my virility and semen." And she is sure to become pregnant.

 

(2) Wendy Doniger – The Hindus. An Alternative History- New Delhi 2009, p. 477

„Gandhi was a one-man strange bedfellow. His insistence on celibacy for his disciples caused difficulty among some of them, as did his habit of sleeping beside girls young enough to be called jailbait in the United States, to test and/or prove his celibate control or to stiffen his resolve. But this practice drew not so much upon the Upanishadic and Vaishnava ascetic traditions, which were the source of many of Gandhi’s practices, as upon the ancient Tantric techniques of internalizing power, indeed creating magical powers, by first stirring up the sexual energies and then withholding semen.“

 

© Victor & Victoria Trimondi