Nazi-Tibet-Connection
© Victor und Victoria Trimondi
Was interessierte die Nazis an Tibet
und am tibetischen Buddhismus?
Deutsche Hakenkreuze im Himalaja – Die SS-Tibetexpedition
und ihre Protagonisten in 9 Kapiteln (Auszug aus dem Buch „Hitler-Buddha-Krishna
– Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute“ – Wien 2002 –
Ueberreuter Verlag)
Kapitel 6
Der SS-Film Geheimnis Tibet –
"Die furchtbar geschundenen Herren des Leichenfeldes"
Die vier
Charaktermerkmale (Interesse am Okkulten, am Militarismus, am Rassismus und
am Morbiden), die spezifisch für die SS-Männer der Tibetexpedition waren,
sollten durch den Film Geheimnis Tibet eine spektakuläre Verbreitung
in ganz Nazi-Deutschland erhalten, denn Schäfer legte in seiner
Erfolgsdokumentation großen Wert darauf, die tibetische Gesellschaft als
magisch-mystisch, militaristisch, rassistisch und morbid darzustellen und das keineswegs mit einem
negativen Vorzeichen. Geheimnis Tibet beginnt mit den kriegerischen
Aspekten der tibetischen Kultur und endet mit diesen. Schon zu Anfang wird
der Zuschauer durch den "Kriegstanz" des blutrünstigen
Schutzgottes Mahakala, des "furchtbaren Herrn des Todes und des
Schreckens" in die rechte, aufgeputschte Kampfstimmung versetzt. "Ihm
[Mahakala] huldigen die besten der adeligen Krieger. Ihrem Kriegsgott
beweisen sie die höchste Kraft, Härte und Zucht." – ist im Drehbuch zu
lesen. (1) Auch in der Sequenz "Taschilhünpo [Tashi Lunpho] und
Schigatse", wo Schäfer die tibetische Armee vorstellt, erhalten wir
Einblick in das militaristische Land: "So wird die Kriegsflagge zum
Symbol der Zentralgewalt." – heißt es vom Entschluss des XIII. Dalai
Lama, ein ständiges Heer zu schaffen.
(2) Ebenfalls martialisch geht es bei der Sequenz "Das
Neujahrsfest" zu: "Das ist das alte heldische Tibet." – ruft
der Sprecher begeistert aus – "Inmitten des Kirchenfestes hat es sich
wiedergefunden, mannhaft und zäh, fern jeder klösterlichen
Verweichlichung." (3) Alles endet
mit einer Militärparade, welche die Besucher immer wieder an die
Heere des Dschinghis Khan erinnert: "Scharfe Waffen! – meldet der
erste. – Gute Sättel! – meldet der Zweite. – Schnelle Pferde! – der Dritte
– Tapfere Krieger! – So reiten sie wieder dahin, woher sie gekommen –
hinaus auf die Steppen und Öden." (4)
Im so genannten "Totenkomplex" des Films
werden die von uns schon geschilderten Szenen der Leichenzerstückelung und Verzehrung
(durch Geier, als "fliegende Särge" bezeichnet) gezeigt:
"Der heiligste Lama der alten Rotmützensekte [....] führt den Totenzauber durch. Er
hat mir auch diese Bitte nicht abgeschlagen, nachdem er mir vor vier Jahren
in Osttibet geholfen hatte. Der Geisterdolch ist sein Werkzeug und der
Donnerkeil das Zeichen seiner Macht." – erzählt Schäfer. Ein Bild
dieses Zauberlamas schmückte denn auch die Einladungskarte für die
Filmpremiere im Münchner Kino "Marmorhaus". (5)

Als
Einladungskarte zur Filmpremiere von Geheimnis
Tibet diente
eine Photographie des berühmten Dolch-
Meisters
(Phurba Master) der tibetischen Nyingma
Tradition,
Ling-tsang Gyalpo, als Vorlage. Er galt als
eine
Inkarnation des Kriegshalbgottes Gesar von Ling.

Später kann der Zuschauer in
der Darstellung von Kult-Tänzen "die furchtbar geschundenen Herren des
Leichenfeldes" genießen. (6) Weitere Sequenzen zeigen das
"dämonisch-magische" Tibet. Sehr beeindruckend sind die Bilder
vom "Netschung-Lama", dem tibetischen Staatsorakel, eine
Institution, die auch heute noch ihr Amt ausübt und die politischen
Entscheidungen des XIV. Dalai Lama wesentlich mitbestimmt. "Ein
lebender Dämon voll ungeheurer Macht." – schreibt Schäfer – "In
ihm verkörpert sich die alte Gottheit Tibets, die vor den Lamas war. Er
trägt die Riesenmütze der alten Zauberpriester." (7) Die rassistische
Ausrichtung des Films wird durch Begers Schädelmessungen und –abformungen
ausführlich dokumentiert.
Obgleich er ein anderes Land
und eine andere Kultur darstellt, ist Geheimnis Tibet von demselben
Geist durchdrungen, der damals das nazistischen Deutschland in Stimmung
versetzte: Beschwörung des Krieges und Leichenfelder. Diese Affinitäten
zwischen den beiden Kulturen sind von den Verantwortlichen genau so
wahrgenommen worden, denn ansonsten hätte der Film nicht einen solch hohen
Propagandawert erhalten. Himmler, der den Tibetfilm gerne erst nach dem
Krieg gezeigt hätte, zögert bis 1942 ihn für die Öffentlichkeit
freizugeben. Dann aber sah er darin ein machtvolles Mittel, die
Kriegsbegeisterung der Deutschen zu steigern und anzuheizen.
"Richtlinien für die Propaganda" begleiteten die Aufführungen des
Kunstwerkes, der die drei höchsten Auszeichnungen erhielt, die der NS-Staat
für Filme zu vergeben hatte: "staatspolitisch wertvoll",
"künstlerisch wertvoll" und "kulturell wertvoll". (8)
Die Premieren fanden in den "einzelnen Gauhauptstädten [....] in
engste Verbindung mit den SS-Dienststellen" statt. (9) Schäfer selber
war anwesend in Berlin, Hamburg, Dresden, Halle, Weimar, Frankfurt a. M.,
Düsseldorf, Köln, Heidelberg, Strassburg, Stuttgart, Augsburg Salzburg,
Linz, Wien, Klagenfurt, Innsbruck.
In mehr als 400
Publikationsorganen wurde der Film durch Artikel, die nach dem damaligen
propagandistischen Medienverständnis
fast alle vorher verfasst und dann an die Presseorgane verteilt worden
waren, besprochen. Einige der Titelüberschriften lauteten:
"Geheimnisvolles Tibet" ~ "Hohelied einer Expedition" –
"Geheimnis Tibet" ~ "Wikinger der Wissenschaft" ~ "Wir reiten in die verbotene Stadt
des Dalai Lama" ~ "Im Schatten der Götterburg" ~ "Mit
der Kamera im verbotenen Land" ~ "Geheimnis Tibet
entschleiert" ~ "Fünf Deutsche auf dem Dach der Welt" ~
"Mit der Kamera in der Burg der Götter" ~ "Laaloo –
die Götter wollen es" ~ "Ein Hannoveraner in Tibet, dem dunklen
Herzen Asiens" ~ "Kamerawallfahrt nach Lhasa" ~ "Die
Burg eines Gottkönigs" ~ "Im Tal der ersten Menschen" ~
"Das entschleierte Tibet" ~ "Geheimnis Tibet" –
"Großkulturfilm der Ufa" ~ "Tibet – Land der
Geheimnisse" ~ "Der Gottkönig empfängt uns" ~ "Deutsche
in der verbotenen Stadt" ~ "Die Wunder Tibets" ~ "Wo
Tag und Nacht die Gebetsmühlen surren" ~ "Deutsche Forscher im
Kleinod der Welt" ~ Münchens Universität jubiliert" ~
"Funkelnder Kriegstanz der Götter" ~ "Im Lande des Dalai
Lama" ~ "Om Mani Padme Hum" ~ "'Großartig, wunderbar!'
– sagte Sven Hedin" ~ "SS-Männer – Wissenschaftler –
Pioniere" ~ "Die großen Rätsel Zentralasiens sind gelöst" ~
"Im Land der Götter und Dämonen" ~ "Auf den Spuren Sven
Hedins" ~ "Der gefundene Weg ins Unbekannte" ~ "Im
Banne der Dämonen" ~ "Rassenkundliches aus Tibet" ~
"Blick ins Unbekannte". (10) Mitten im Zweiten Krieg fiel
Deutschland in einen "Tibetrausch". Erst wieder Ende der 90er
Jahren gewinnen zwei Filme über den XIV. Dalai Lama (Kundun und Sieben
Jahre Tibet) ein ähnlich breites Interesse. Sieben Jahre Tibet
ist die beschönigende Geschichte des SS-Mannes Heinrich Harrer, der zum
"Lehrer" des jungen Dalai Lama wurde und mit dem wir uns noch
beschäftigen werden.
Geheimnis Tibet war
mehr als ein Kulturvergleich, es sollte ein Epos für die "ganzen
Kerle" sein, die in Himmlers "Schwarzen Orden" ihren Dienst
machten: "Aus dem Pioniergeist und dem Tatendrang der jungen
Ordensgemeinschaft der SS heraus war diese Expedition geplant worden und von
einer Handvoll von Männern mit wenig Aufwand und nur mit den notwendigsten
Mitteln in die Wirklichkeit umgesetzt worden." – schrieb die Zeitschrift Der Freiheitskampf.(11)
Schon im Jahre 1933 hatte Schäfer seine Expeditionsbücher als Modelle zur
nationalistischen Jugenderziehung angepriesen: "Gewidmet sei das Buch
meinen Kameraden und jedem echten deutschen Jungen, in dem alte Wanderlust
und Tatendrang noch wach sind. Mögen sie ihre Fittische entfalten, um uns
Kolonien, Weltgeltung und den 'Platz an der Sonne' wieder zu sichern."
– lesen wir als Widmung in seinem Frühwerk Berge Buddhas und Bären.
(12) Schäfer und Beger wurden somit zu "Typen", an denen sich
jeder "normale" SS-Mann und Hitlerjunge orientieren durfte:
Abenteuerlustig, draufgängerisch, zynisch, nekrophil, fanatisch,
rassistisch, überheblich, extrem ehrgeizig, diszipliniert und unterwürfig.
Dass sie diese Eigenschaften mit wissenschaftlichen Qualifikationen
verknüpften, war kein Widerspruch, sondern geradezu ein weiteres
Charakteristikum der SS-Typologie für die höheren Ränge. Nach allem, was
wir vermuten können, standen die Tibetforscher den Okkultisten im
SS-Ahnenerbe zuerst mit duldender Distanziertheit gegenüber. In Tibet
scheint jedoch ihr Interesse an okkulten Phänomenen gestiegen zu sein.
Jedenfalls glaubten sie dort etwas entdeckt zu haben, was Heinrich Himmler
gegenüber Sven Hedin als
"Sensation" bezeichnete, mit der er erst nach dem Kriege an die
Öffentlichkeit treten wollte. Dabei dürfte es sich kaum um reine
Erkenntnisse der Naturwissenschaft gehandelt haben. Hierbei ging es,
daraufhin deuten alle Umstände, um den "Nachweis", dass im
Himalaja einstens eine arische Hochkultur und Religion verbreitet war und
dass die Lamas ein ursprünglich "arisches" Wissen verwalteten.
(1) Bundesarchiv Berlin:
R – 135 / 30 – "Lha – sa – lo – Geheimnis Tibet – Ein Filmdokument der
Deutschen Tibet-Expedition E. Schäfer" ff.
(8)
Leipziger Neueste Nachrichten
– 18. Jan. 1943
(9) Bundesarchiv Berlin:
R 135 / 76 – 166351
(11) Der
Freiheitskampf vom 13. Dez. 1942
(12) Ernst Schäfer – Berge
Buddhas und Bären – Forschung und Jagd im geheimnisvollen Tibet –
Berlin 1933, Widmung
Kapitel 7
Einsatz der Tibetologen für den Nachweis
einer verschollenen ur-arischen Hochkultur in Tibet
Index: Die Nazi-Tibet-Connection
|