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Nazi-Tibet-Connection


© Victor und Victoria Trimondi

Was interessierte die Nazis an Tibet und am tibetischen Buddhismus?

 

Deutsche Hakenkreuze im Himalaja – Die SS-Tibetexpedition und ihre Protagonisten in 9 Kapiteln (Auszug aus dem Buch „Hitler-Buddha-Krishna – Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute“ – Wien 2002 – Ueberreuter Verlag)


Kapitel 9

 

Peinliche Freundschaften des XIV. Dalai Lama zu den SS-Männern

Nachdem die Nazi-Vergangenheit Harrers 1997 publik geworden war, fand der XIV. Dalai Lama für seinen ehemaligen Tutor und angesichts der von den Nazis begangenen Verbrechen eigenartige Worte der Verteidigung: "Natürlich wusste ich, dass Heinrich Harrer deutscher Abstammung war - und zwar zu einer Zeit, als die Deutschen wegen des zweiten Weltkrieges weltweit als Buhmänner dastanden. Aber wir Tibeter haben traditionsgemäß schon immer für Underdogs Partei ergriffen und meinten deshalb auch, dass die Deutschen gegen Ende der 40er Jahre von den Alliierten genügend bestraft und gedemütigt worden waren. Wir fanden, man sollte sie in Ruhe lassen." (1)

 

Des Weiteren benutzten der XIV Dalai Lama und die tibetische Exilregierung - ohne die geringsten Bedenken - die ehemaligen SS-Männer Beger und Harrer als historische Zeugen, um ihre nationale Unabhängigkeit von China in den 30er und 40er Jahren nachzuweisen. Noch im Jahr 2008 befindet sich im Internet ein Dokument, in dem der Rassenspezialist des SS-Ahnenerbes Bruno Beger bezeugt, Tibet sei damals ein souveräner Staat gewesen. Alle offiziellen Repräsentanten des Landes, die er in Lhasa getroffen habe, seien von dieser Tatsache ausgegangen. Als Beweis für die Souveränität Tibets verweist er unter anderem auf die "moderne" tibetische Armee in Shigatse. "Wahrscheinlich" – so Beger in seinem Statement – "Verdankten wir unsere Einladung der Absicht der Tibeter einen ersten Kontakt mit dem entstehenden 'Deutschen Reich' (German Reich) herzustellen, der dazu beitragen könnte, ihren Unabhängigkeitsstatus zu unterstützen." (2)

 

Harrer hat den XIV. Dalai Lama nach dem zweiten Weltkrieg unzählige Male getroffen. Dank des Millionenerfolges seines Buches Sieben Jahre in Tibet ist es sicher nicht übertrieben, den ehemaligen SS-Mann als den weltweit erfolgreichsten Propagandisten des tibetischen Kirchenfürsten zu bezeichnen. Mindestens fünfmal begegneten sich der Dalai Lama und der wegen Beihilfe zum Massenmord verurteilte ehemalige SS-Rassenfanatiker Bruno Beger (1983, 1984, 1985, 1986, 1994). Diese Treffen waren jedes Mal von großer Herzlichkeit. Auf einem offiziellen Photo (http://www.tibet.com/Status/statement.html) sieht man den Kopf des Dalai Lama zwischen dem von Beger zur Rechten and Heinrich Harrer zur Linken. Den ersten drei Treffen widmete Beger eine kleine Broschüre mit dem Titel Meine Begegnungen mit dem Ozean des Wissens, die 1986 erschien.

 

Diese Rendezvous des Dalai Lama mit Alt-Nazis haben sogar für einige Tibetfreunde etwas Peinliches. So berichtet ein Autor im Tibet Forum über die ehemaligen SS-Männern etwas verunsichert: "Das waren in der Tat Nazis - der eine NSDAP Mitglied, der andere SS-Unterführer - doch hatte ihre Organisationszugehörigkeit nichts mit ihrem Aufenthalt in Tibet zu tun. Die hatten dort keinen wie immer gearteten Auftrag. Auch waren sie keine Fanatiker." (3) Das Tibet Forum lässt immerhin eine gewisse Kritik am Dalai Lama durchblicken, als dessen Audienz für Bruno Begers zur Sprache kommt: "Von einem rechten Umgang zeugt es freilich auch nicht und erst recht nicht von einem guten Beraterstab." (4)

 

Der XIV. Dalai Lama und Bruno Beger

Titelbild von Bruno Begers Buch „Meine Begegnungen mit dem Ozean des Wissens“

 

Von pro-lamaistischer und exiltibetischer Seite wird die SS-Schäferexpedition durchgängig als ein rein naturwissenschaftliches Unternehmen bezeichnet. Die von dem Schweizer Ethnologen Martin Brauen in seinem Buch Traumwelt Tibet – Westliche Trugbilder dargestellten Ereignisse sind typisch hierfür. Schäfer – so der Ethnologe und praktizierende Buddhist -  habe nicht die geringsten Interessen an ideologischen  Fragen gehabt und das SS-Ahnenerbe habe sich sogar von der Schäferexpedition distanziert: "Dies führte dazu, dass weitgehend Schäfer selbst die Forschungsgebiete definierte, so dass sich das Ahnenerbe gezwungen sah, sich vom Unternehmen zu distanzieren, da unter den gegebenen Umständen nicht damit gerechnet werden konnte, dass 'den kulturwissenschaftlichen Absichten des Reichsführers SS' gedient wurde." – lesen wir bei Brauen. (5) Der Autor bezieht sich hier auf einen internen Brief, den Wolfram Sievers an den SS-Brigadeführer Karl Wolff, der für Finanzfragen der gesamten Schutz-Staffel zuständig war, geschrieben hatte, der jedoch keinerlei Konsequenzen hatte. Im Gegenteil – die Teilnehmer der "Tibet Expedition Ernst Schäfer. Unter Schirmherrschaft des Reichsführers-SS Himmler und in Verbindung mit dem Ahnenerbe e. V. Berlin" (offizieller Titel) wurden mit großem Pomp von ihrem Schirmherrn verabschiedet und bei ihrer Rückkehr wurden die "Wikinger der Wissenschaft" noch pompöser von ihm empfangen.

 

Ebenso wird Himmler von Martin Brauen als ein harmloser Laien-Meteorologe, -Zoologe und -Botaniker vorgestellt, den kaum okkulte Motive bewegt hätten: "Himmler erhoffte sich von den unter anderem auch in Tibet durchzuführenden Versuchen einen wesentlichen Beitrag zur sicheren Wettervorhersage, um im Kriegsfalle unabhängig von ausländischen Wetterdiensten zu sein. Er war somit vor allem an wehrwissenschaftlichen Daten interessiert, was sich zum Beispiel darin zeigt, dass Himmler Schäfer den Spezialauftrag gab, ein Super-Steppenpferd für Kriegszwecke zu züchten. Auch wies er das Ahnenerbe an, die während der Tibetexpedition gesammelten Kulturpflanzen zu bearbeiten, unter anderem um unempfindliche Getreidesorten zu züchten, damit Deutschland wirtschaftlich autark werde. Diese Art von Forschung entsprach den Interessen von Schäfer, der sich als angewandter Wissenschaftler sah und sich nie für irgendwelche okkulte Theorien über Tibet erwärmte." (6) Heinrich Himmlers esoterische Interessen an Tibet seien gering, ja "wahrscheinlich nicht existent" gewesen. (7)

 

Eine solch unkorrekte und einseitige "Aufarbeitung" der Nazi-Tibet-Connection  soll verhindern, dass es zu einer öffentlichen Debatte über die Frage kommt, weshalb denn gerade Männer aus Hitlers Schutz Staffel (SS) die tibetische Kultur so faszinierend fanden. Eine solche Debatte hat nicht nur historischen Wert, sie ist brennend aktuell, da sich im okkulten Neofaschismus die Nazi-Tibet-Connection mittlerweile zu einem suggestiven Weltbild verdichtet hat. Im Lehrgebäude des Chilenen Miguel Serrano, Begründer des "Esoterischen Hitlerismus", ist die Verfilzung zwischen religiösem SS-Rassismus und Elementen des tibetischen Buddhismus so undurchdringlich geworden, dass sie nicht mehr auseinanderdividiert werden kann.

 

Zum Abschluss noch ein makabrer Witz: Der XIV. Dalai Lama bekannt und oft gepriesen für seinen unerschöpflichen „Humor“ leistete sich Anfang 2007 ein „humoristische“ Bravourstück sondergleichen. In einem Interview zum Irakkrieg und zum Terrorismus fragte ihn sein Gesprächspartner nach dem autoritativen buddhistischen System in Burma. Überraschenderweise gab der tibetische Religionsführer entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten zu, dass selbst Buddhisten mitunter vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. „In den 30er Jahren wurde ein mongolischer Führer zu einem sehr, sehr brutalen Diktator. Vorher war er ein Mönch, sagte man mir, und dann wurde er ein Revolutionär. Unter dem Einfluss seiner neuen Ideologie, tötete er sogar seinen Lehrer.“ - antwortete der Dalai Lama und fügte hinzu, dass eine buddhistische Familienerziehung bei den Kindern keineswegs vor dem Ausbruch von Gewaltexzessen schützen muss: „Pol Pot’s familiärer Hintergrund war buddhistisch. Ich weiß nicht genau, ob er selber in jungen Jahren ein Buddhist war. Selbst der familiäre Hintergrund des Vorsitzenden Mao war buddhistisch.“ Die beiden unbarmherzigsten Politiker Asiens im 20. Jahrhunderts haben also eine buddhistische Erziehung genossen. Angesichts solch selten kritischer Bekenntnisse zur eigenen Religionsgeschichte sollte man eigentlich dem Dalai Lama dankbar sein, wäre da nicht der anschließende Satz, der einen zum Erstaunen bringt: „So - eines Tages“ – meinte der tibetische Religionsführer von sich selbst – „wenn der Dalai Lama zum Massenmörder wird, wird er der mörderischste aller Massenmörder sein.“ (er lacht) [So one day, if the Dalai Lama becomes a mass murderer, he will become the most deadly of mass murderers. (Laughs)] . (Siehe Interview unter: http://progressive.org/mag_intv0106 ) Eingedenk seiner freundlichen Beziehungen zu ehemaligen SS-Angehörigen mag das makaber klingen.

 

Siehe weiter:

Trübes im Ozean des Wissens - Ein Buch über den Forscher Heinrich Harrer ist auch eine Auseinandersetzung mit Österreichs Vergangenheitsbewältigung und dem Weltbild des Dalai Lama


(1) Playboy (deutsche Ausgabe) 3/1998, 40

(2) Dr Bruno Beger's memoirs of Tibet - (The Status of Tibet in 1938-39 - Dr. Bruno Beger – www.tibet.ca/en/newsroom/wtn/archive/old?y=1994&m=11&p=24-2_1)

(3)  Tibet Forum 2/2000, 6

(4) Ebenda

(5) Brauen, Martin -Traumbild Tibet - westliche Trugbilder - Bern 2000, 79

(6) Ebenda: 80

(7) Ebenda: 65. Den Brief des tibetischen Regenten Reting Rinpoche an den  "trefflichen Herrn Hitler (König) der Deutschen, der erlangt hat die Macht über die weite Erde!" nennt Brauen ein schlichtes "Höflichkeitsschreiben" (80)


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