Der Schatten des Dalai Lama

Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus

 

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MEDIEN (10)

Geseko v. Lüpke - Sender Freies Berlin - Redaktion Kirchenfunk

Ein Idol mit Schattenseiten

Die kritische Auseinandersetzung mit dem Dalai Lama und dem tibetischen Buddhismus

ZUSPIELUNG (1): Gesang buddhist. Mönche (darüber)

SPRECHER: Tibet - das ist ein Phänomen! Die Rede ist von einem Land hoch oben im Himalaja, Heimat einer uralten Kultur, Quelle einer schwer zu verstehenden Schule des Buddhismus. Die Rede ist von einem Land, dass seit 50 Jahren Opfer einer brutalen chinesischen Besatzungsmacht ist und dessen kulturelle Traditionen vom Untergang bedroht sind. Die Rede ist von einem Land, dass hier kaum jemand kennt, aber über das fast jeder spricht. Dass schwer zu bereisen und vom Nebel des Geheimnisvollen umweht ist. Ein Land, dass scheinbar ganz anders ist: unberührt wild statt gezähmt, natürlich statt geordnet, ein Hort des Friedens, der Ruhe und Spiritualität statt der hiesigen Gewalt, der alltäglichen Hektik und des gnadenlosen Materialismus. Und schließlich noch die Heimat eines Königs, der wie ein Gott ist, in Gestalt eines Friedensfürsten, untadelig, jenseits der Kritik und mit den höchsten Auszeichnungen geadelt. Eines Königs aber, der vertrieben wurde aus seinem mystischen Zauberland und seitdem kämpft wie David gegen Goliath. Nicht aber mit Waffen sondern mit Lächeln, Liebe, Mitgefühl. Das ist ein Stoff, aus dem Träume und Märchen sind.

ZUSPIELUNG (1): Musik (wieder kurz hoch)

SPRECHER: Gäbe es Tibet und den Dalai Lama nicht, Walt Disney hätte sie erfunden. Hollywoods Entdeckung dieses Themas war unvermeidlich und führte im vergangenen Jahr schließlich zu den internationalen Filmerfolgen "Sieben Jahre in Tibet" und "Kundun", die das westliche Tibetbild noch mehr verklärten und verkitschten, als es ohnehin schon war. Der "Kundun" selbst, seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama, religiöses und politisches Oberhaupt der Tibeter, war damit - 60 Jahre nach seiner Inthronisierung, 50 Jahre nach der ersten Invasion der Chinesen, 40 Jahre nach seiner Flucht vom "Dach der Welt" und 10 Jahre nach der Verleihung des Nobelpreises an ihn - auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Politisch ein Nobody, medial ein Superstar. Ohne weltliche Macht, aber verehrt wie ein Heiliger. Das Jahr 1999 war auf dem besten Weg, zum Tibet-Jahr zu werden und mit ihm Tenzin Gyaltso, der 14. Dalai Lama, zum Mann des Jahres. Doch wer so hoch ins Licht gehalten wird, wirft lange Schatten.

ZUSPIELUNG (1): Mönchsgesang (bricht ab wie beim Stromausfall)

SPRECHER: Nach dem Publicity-Erfolg des Vorjahres schlug das Pendel der öffentlichen Meinung nun in die ganz andere Richtung aus. Denn statt Lob und Solidarität für sein unterdrücktes Volk und sich selbst zu ernten, steht der Dalai Lama plötzlich im Zentrum der Kritik. Gleich mehrere Autoren haben sich daran gemacht, das lebende Denkmal vom Sockel zu stoßen. Unter dem Pseudonym Victor und Victoria Trimondi haben die Publizisten Herbert und Marianne Röttgen ein 800-Seiten Buch vorgelegt, das den Mythos vom Gottkönig und seinem Zauberreich zerschlagen will. Die Vorwürfe stellen das aktuelle Tibetbild auf den Kopf. Aus dem friedliebenden Lama, der für sein Engagement für Menschenrechte, Ökologie, Gleichberechtigung und religiöse Toleranz berühmt war, wird - folgt man den Autoren - plötzlich ein zwielichtiger und chamäleonartiger Oberpriester eines sexistischen, magischen und obskuren Kultes, der die westliche Naivität ausnutzt, die öffentliche Meinung manipuliert und nach der Weltherrschaft strebt. Der Autor Herbert Röttgen, früher selbst ein Verehrer des Dalai Lama:

ZUSPIELUNG (2)

V. TRIMONDI: Der Dalai Lama ist nicht nur das, was er nach außen vorgibt zu sein, sondern er hat auch seine Schattenseiten. Ebenso wie seine Religion seine Schattenseiten hat. Die Kernpunkte sind, dass die Rituale, das eigentliche Ritualwesen, des tibetischen Buddhismus Dinge und Praktiken vollzieht, die mit unserem europäischen Wertekodex nicht übereinstimmen. Der zweite Kernpunkt ist, das die Tibeter nach außen hin eine Geschichte ihres Volkes und ihres Klerus repräsentieren, die so nicht war, sondern - ähnlich wie in der europäischen Geschichte - ihre blutigen Kapitel hat.

SPRECHER: Doch es kommt noch dicker. Colin Goldner, Münchner Psychologe und Sektenexperte, der seit Jahren vor einer Koalition aus schwärmerischer Esoterik und rechtsradikalem Gedankengut warnt, lässt in seinem jüngsten Buchprojekt "Der Dalai Lama. Eine Biographie", kein gutes Haar an dieser Lichtgestalt der Moderne.

ZUSPIELUNG (3)

COLIN GOLDNER: Mir sind keine Lichtseiten des tibetischen Buddhismus bekannt. Ich halte den tibetischen Buddhismus sowohl historisch als auch aktuell für ein zutiefst frauenfeindlichen, rassistischen und faschistoiden Komplex. Ich halte die Äußerungen des Dalai Lama im Hinblick auf angestrebte demokratische Reformen, im Hinblick auf ökologischen Umbau für eine Propaganda-Farce, für die er natürlich hier im Westen viele Stimmen einfährt, für die er vor allem hier im Westen auch enorme Spendengelder einsacken kann. Ich halte es für eine Farce. Es lässt sich am tibetischen Buddhismus nichts reformieren. Der tibetische Buddhismus in seiner jetzigen Organisationsform, in der Form des Lamaismus, in dieser hierarchischen Strukturierung, mit einem Gottkönig vorn dran unter vollkommener Abwesenheit auch nur des leichtesten Hauches eine demokratischen Legitimierung, lässt sich - so wie er dasteht - nicht reformieren, sondern nur abschaffen.

SPRECHER: Westliche Arroganz und Besserwisserei oder berechtigte Kritik? Überfällige Analyse einer exotischen Religion oder eurozentrisches Missverständnis? Die Öffentlichkeit reagiert auf die Vorwürfe mit einer Mischung aus Unglauben und Neugierde. Doch die Kritik, die sofort von den verschiedensten Medien aufgegriffen worden ist, kam nicht ganz überraschend. Schon Ende vergangenen Jahres hatte das Magazin Panorama in einem Beitrag behauptet, dass die tibetische Exilregierung die Religionsfreiheit ihres eigenen Volkes beschränke, kurz darauf hatten drei Ritual-Morde am indischen Sitz der Exilregierung die Weltöffentlichkeit aufgeschreckt. Das Bild vom buddhistisch heilen Dach der Welt hatte erste Risse bekommen. Risse, die aber längst überfällig waren, sagt der Münchner Religionswissenschaftler und Vertraute des Dalai Lamas, Michael v. Brück. Der Streit um Tibet und in Tibet ist ihm nichts neues.

ZUSPIELUNG (4)

MICHAEL VON BRÜCK: Man hat in der europäischen Geschichte, also seit dem 16. Jahrhundert, Tibet entweder überzogen positiv oder überzogen negativ gesehen. Für die einen war es die Projektionsfläche für alle Sehnsüchte und Phantasien und Hoffnungen einer heilen Welt, einer spirituellen geprägten Gesellschaft, besonders dann für die Theosophen und all die neuen spirituellen Bewegungen und für die anderen war Tibet der Hort des Aberglaubens und der unsäglichen Rückständigkeit, kulturell und religiös. Beide Tibetbilder haben mit dem wirklichen Tibet wenig zu tun, sondern sind Projektionsflächen für abendländische Phantasien einerseits oder Ängste andererseits. Die Tibetologie oder Religionswissenschaft hat natürlich schon lange ein ganz anderes Bild als das, was heute in der Öffentlichkeit hollywoodartig verbreitet wird. Insofern ist das, was jetzt zum Teil über die Politik, über die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Schulen in der tibetischen Geschichte geschrieben wird, für einen Wissenschaftler überhaupt nichts Neues. Das also jetzt gleichzeitig eine Korrektur oder eine Gegenreaktion dieses verzuckerten und auch verkitschten Tibetbildes stattfindet - auch in der Öffentlichkeit - das war zu erwarteten. Das es aber mit solch einer zum Teil völlig unsachlichen und nicht aus einem wissenschaftlich adäquaten Quellenstudium betriebenen Informationsdichte geschieht, wie das sein müsste, das ist bedauerlich. Aber das eine Korrektur des öffentlichen Tibetbildes sinnvoll und letzten Endes hilfreich ist, für die Sache Tibets auch, das steht außer Zweifel.

SPRECHER: Während die Ankläger den tibetischen Buddhismus und seinen obersten Repräsentanten angreifen, spricht der Religionswissenschaftler v. Brück von der notwendigen Korrektur des westlichen Tibetbildes. Sind die Angriffe auf den Friedensnobelpreisträger und Religionsführer also Ausdruck einer gestörten Wahrnehmung der einen Kultur von der anderen und wieder nur eine der vielen Projektionen, mit denen der Okzident den Orient eingedeckt hat? Oder hat die Kritik ihre Berechtigung? Gilt beides? Aufklärung über die Hintergründe des tibetischen Buddhismus tut allemal Not. Bis zu 500.000 Menschen fühlen sich hierzulande dem Glauben des Dalai Lama nahe, 12.000 Pilger kamen zu seiner jüngsten Belehrung ins norddeutsche Schneverdingen. Prominenz aus Politik und Kultur steht Schlange, wenn der lächelnde Lama aus dem Flugzeug steigt. Die Kritiker behaupten, der Westen erliege dabei einem charismatischen Guru, der nach dem Tod von Mutter Theresa und der Scheidung von Nelson Mandela als letzte weltweite Identifikationsfigur und "Pop-Ikone der esoterischen Klientel" übrig geblieben sei. Wer sich aber zu ihm bekenne, so meint das Autorenpaar Trimondi alias Röttgen, kaufe ungesehen ein ganzes Pantheon von gewalttätigen Göttern und Dämonen ein und verschreibe sich einer archaischen magischen Religion, die auf gewalttätigen Mythen aufbaue.

ZUSPIELUNG (5)

V. TRIMONDI: Das kriegerische Element in der tibetischen Religion ist im Laufe der Jahrhunderte nie aufgehoben worden. Es gibt dort eine ganze Anzahl von Kriegsgöttern, die bei politischen Auseinandersetzungen, die dieses Land zu durchstehen hat, immer wieder aktiviert werden, die angebetet werden und die auch aufgerufen werden. Die Dharmapalas - die sogenannten Schutzgötter - stammen aus der kriegerischen und sehr aggressiven vorbuddhistischen Vergangenheit des tibetischen Volkes. Sie wurden in das System integriert, aber nicht transformiert. Ich verweise zum Beispiel auf die Schutzgöttin des Dalai Lama, die Palden Lhamo. Es handelt sich hier um ein blutrünstiges Weib, das seinen eigenen Sohn getötet hat, weil dieser die buddhistische Lehre nicht annehmen wollte. Und das seine Haut dann als Sattel auf ihrem Maultier benutzt. Das sind Bilder, sehr starke aggressive Bilder, auf die wir immer in diesem System stoßen und die der bekannte Psychoanalytiker Fokke Sierksma in den 60er Jahren verglichen hat mit Bildern aus der Kultur der Azteken. Viel entscheidender ist für uns jedoch die politische Aggressivität, die sich in dem sogenannten Shambala-Mythos ausdrückt. Der Shambala-Mythos ist entstanden in einer Zeit, in der die buddhistische Community sehr bedrängt wurde durch den Islam und einen Mythos angenommen hat, der als Gegenzug einen buddhistischen Djihad proklamierte, um siegreich gegen die Invasion der islamischen Heere anzugehen. Und dieser Mythos spielt heute in sehr vielen Variationen wieder eine eminent wichtige Rolle und hat eine weltweite Verbreitung gefunden, wobei die Interpretation alle möglichen Varianten aufweist.

SPRECHER: Nach Ansicht der Autoren, die sich selbst als Mythenforscher verstehen, handelt es sich beim tibetischen Buddhismus um eine irregeleitete Schule, die nur wenig mit dem eigentlichen Buddhismus zu tun habe. Während gegen die friedliebenden, mitfühlenden und moralisch vorbildlichen Denkschulen des Mahayana-Buddhismus nur wenig einzuwenden sei, verberge sich hinter den vier Schulen des tibetischen Buddhismus eine primitive, magische, machtbesessene, aggressive und frauenverachtende Mythologie. Anders formuliert: Hinter der friedliebenden Maske des Schafes verbirgt sich der mythologische Wolf, hinter dem guten Dalai Lama entsprechend der magische Buddhokrat. Dieser Kernpunkt der Kritik verweist auf eine tieferliegende und noch ungeklärte Frage in der Geschichts- und Religionswissenschaft: Kann man von der gewalttätigen und kriegerischen aber uralten Mythologie einer Kultur auf ihre Absichten in der Gegenwart schließen? Ein derartiger Ansatz ist nicht neu, aber umstritten. Hatte nicht auch - so fragten sich Kulturforscher - der Mythos einer Johannes-Apokalypse Einfluss auf Kreuzzüge und Religionskriege? Das Autorenpaar Trimondi alias Röttgen verweist deshalb auf die blutrünstige Symbolik, die ein Museumsbesucher auf jedem tibetischen Thangka entdecken kann, zitiert die apokalyptisch-kriegerischen Endzeitvisionen des 1000 Jahre alten Shambhala-Mythos und erinnert daran, dass die Zeremonien dieses Inhaltes auch heute noch vom Dalai Lama als "Kalachakra-Ritual" rund um die Welt praktiziert werden.

ZUSPIELUNG (6)


 

 

 

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