HITLER - BUDDHA - KRISHNA

Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute

 

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.05.2003, Nr. 115 / Seite 13

 

Wilderer des Reichsheinis
Einfluß fernöstlicher Mystik auf die NS-Weltanschauung?

 

War Adolf Hitler die Inkarnation des indischen Gottes Vishnu oder doch nur ein Besessenheitsmedium tibetanischer Lamas? Solche Fragen werden - wenn man dem hier vorzustellenden Buch trauen darf - in okkulten Kreisen jeglicher Couleur ernsthaft diskutiert. Nachzulesen sind derartige Einsichten in die okkulte Literatur über "Nazi-Mysterien" in dem neuesten Werk des Kulturkritikerpaares Victor und Victoria Trimondi. Hinter diesem Pseudonym verbergen sich der ehemalige "konkret"-Verleger [falsch, richtig: Trikont-Verleger] Herbert Röttgen und seine Frau Mariana.


Wie viele seiner damaligen Mitstreiter aus der Apo-Szene hat Röttgen eine bemerkenswerte Wandlung durchlaufen. Während aber Klaus Rainer Röhl, Rainer Langhans oder Horst Mahler dabei mehr oder weniger weit in den Dunstkreis des Rechtsextremismus abgedriftet sind, wurde aus dem Alt-68er und späteren Spiritualisten Röttgen der engagierte Religionsforscher Trimondi. Zusammen mit seiner Frau hat er vor einigen Jahren eine ebenso kritische wie umstrittene Studie zum tibetanischen Buddhismus vorgelegt, dem sie darin nicht nur eine explizit kriegerische und aggressive Grundhaltung vorwarfen, sondern sogar Weltherrschaftsambitionen attestierten. Um diese zu erlangen, bediene sich der Buddhismus, wie es hieß, der grundsätzlichen Offenheit der westlichen Gesellschaft, um unter Verschleierung des eigentlichen Wesens durch Überbetonung einiger positiver Aspekte wie Friedfertigkeit, Lust und Sinnlichkeit Menschen auf der Suche nach sich selbst zu gewinnen.


Das neue Werk des Autorenpaares setzt diesen Gedankengang nun fort, freilich unter einer anderen Schwerpunktsetzung. Denn diesmal versuchen die Verfasser, den gewaltsamen Charakter von Buddhismus und Hinduismus vor dem Hintergrund eines Vergleichs mit entsprechenden Elementen der nationalsozialistischen Weltanschauung herauszuarbeiten. Ihrer Meinung nach orientierte sich der Nationalsozialismus als eine "religio in statu nascendi", insbesondere in der Himmlerschen Variante, in größerem Ausmaß als bisher angenommen am Buddhismus und Hinduismus. Dabei hätten sich die nationalsozialistischen Rezipienten vornehmlich für solche Aussagen aus buddhistischen und hinduistischen Texten interessiert, die sich mit Faktoren wie Rasse, Kampf, Tod, Ehre und Treue auseinandersetzten. Die Verbindung von nationalsozialistischer Weltanschauung mit der fernöstlichen Mythologie habe, so eine weitere Grundthese, eine hochexplosive ideologische Mischung geschaffen. Zwar konnte sie in der Zeit des "Dritten Reiches" aufgrund der bekannten äußeren Umstände keine Wirkung mehr entfalten, doch überlebte sie das Jahr 1945 im Denken von nationalsozialistischen Mystikern wie Savitri Devi oder Miguel Serrano, die damit zu Vordenkern des weltweiten Neonazismus wurden. Die Kombination von Mystizismus buddhistischer, hinduistischer und neonazistischer Provenienz mit plumper rechtsradikaler Gewaltbereitschaft stellt nach Ansicht der Verfasser heute eine akute Bedrohung der freien Welt dar. Ihr Werk verstehen sie als einen Beitrag zu einer freimütigen und differenzierenden Diskussion über die importierten asiatischen Religionsinhalte.


Der Anspruch des Trimondischen Werkes ist also ebenso einfach wie allumfassend - es will einen Beitrag zur Rettung der Werte der westlichen Zivilisation leisten. Diese wird nach Ansicht seiner Verfasser von einer "Buddhokratie" bedroht. So unterschiedliche Personen wie Robert Thurman, der Vater der bekannten Hollywoodschauspielerin, oder Rainer Langhans, der ehemalige Weggefährte unseres Autors, würden bereits lauthals fordern, eine Glorifizierung entsprechender Werte finde publikumswirksam in Filmen wie "Krieg der Sterne" statt. Laufen wir also tatsächlich Gefahr, in etwa 300 Jahren, wenn Christen- und Judentum als Glaubensbekenntnisse verschwunden sind, von einer "Buddhokratie" vereinnahmt zu werden, nachdem die "Shambala-Krieger" des Buddhismus in einer letzten Entscheidungsschlacht die Mudschahedin des Islam besiegt haben? Darauf weiß der Rezensent keine Antwort - als Historiker kann er jedoch prüfen, ob die Argumentationsbasis der Verfasser tragfähig genug für eine solche These ist.


Und hier scheinen Zweifel angebracht zu sein, auch wenn das Autorenpaar eine durchaus beeindruckende Fülle von Argumenten, gestützt auf eine umfangreiche Literatur- und Quellenbasis und deutlich über 2000 Fußnoten, vor seiner Leserschaft ausbreitet. Doch gerade hierin liegt das Problem. Im ersten Teil ihres Buches arbeiten die Verfasser vermeintliche oder tatsächliche Verbindungen zwischen der nationalsozialistischen Ideologie und den fernöstlichen Mythologien heraus. Als "Kronzeugen" für solche Verbindungen treten auf nationalsozialistischer Seite insgesamt etwa 50 Personen auf, unter denen sich neben dem bekanntermaßen okkulten Dingen gegenüber aufgeschlossenen Heinrich Himmler so unterschiedliche Typen wie der zweifellos ernstzunehmende Indologe Walter Wüst oder der Tibetforscher Ernst Schäfer auch verquaste Spinner wie Karl Maria Willigut (Himmlers "Rasputin") und Friedrich Hielscher befinden. Sie alle erfreuten sich aus verschiedenen Gründen der besonderen Wertschätzung Himmlers und waren im oder im Umfeld des "SS-Ahnenerbes" mit der Suche nach den Ursprüngen der germanischen Rasse befaßt. Daß man in diesem Zusammenhang auch nach Fernost blickte, wo manche die Heimat der Urarier vermuteten, ist keineswegs neu. Schließlich hatten die von der SS geförderten deutschen Tibet-Expeditionen der dreißiger Jahre den ausdrücklichen Auftrag, Nachfahren dieser Urarier aufzustöbern.


Aus Sicht der Ideologen um Himmler ging es also bei der Exegese von fernöstlichen mythologischen Texten ausschließlich darum, nach solchen Versatzstücken zu suchen, die dazu taugten, die eigenen Vorstellungen vom Wesen der nationalsozialistischen Weltanschauung im allgemeinen und vom Ordenscharakter der SS im besonderen zu bestätigen. Daß sie dabei gerade im Buddhismus und Hinduismus erfolgreich "wildern" konnten, bestätigt dieses Buch auf eindrucksvolle Weise, und darin liegt ohne Zweifel sein Verdienst.


Nur schätzen die Autoren die Einflüsse der fernöstlichen Mystik auf die nationalsozialistische Weltanschauung deutlich zu hoch ein, wenn sie den Lesern suggerieren, Nationalsozialismus, Buddhismus und Hinduismus hätten so etwas wie eine gemeinsame Weltverschwörung angestrebt. Anstatt den eklektizistischen Charakter der nationalsozialistischen Ideologie über den Vergleich mit Buddhismus und Hinduismus zu decouvrieren, versehen sie den Nationalsozialismus mit einer mystischen Aura. Damit aber unterstellen sie ihm eine Wirkungsmächtigkeit, die keinem Vergleich mit dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte standhält.


Ähnliches gilt auch für den zweiten Teil des Trimondischen Werkes, in dem die Verfasser nachweisen wollen, daß das in den dreißiger Jahren von nationalsozialistischen Ideologen, Buddhisten und Hinduisten angerührte ideologisch-religiöse Gebräu weiterhin wirksam ist. Das mag für jene okkult-abseitigen Zirkel zutreffen, in denen man Hitler für eine Inkarnation Vishnus oder für ein Besessenheitsmedium tibetanischer Lamas hält, die sich seiner bedienen wollten, um selbst die Weltherrschaft zu erlangen. Daß solche und andere Kreise, die ihr Handeln aus religiös-spirituellen Motiven heraus begründen, eine potentielle Gefahr für die offene Gesellschaft des Westens darstellen können, weiß man spätestens seit dem 11. September 2001. Doch handelt es sich dabei um ein grundsätzliches Problem aus der Pandorabüchse der Globalisierung, keineswegs um ein Privileg jener vermeintlich neonazistisch-buddhistisch-hinduistischen Verschwörung, von deren Existenz dieses Buch den Leser überzeugen möchte.



JÜRGEN ELVERT

© Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.05.2003, Nr. 115 / Seite 13

 

 

 

 

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