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     MEDIEN (03) 
     1.
    - DIE PRESSE - 27. März 1999 - "Magie, Ritual und Politik" - Hans
    Kronspiess 
    2. -
    DIE WOCHE - 19. März 1999 - "Angriff auf eine Legende" - Mark
    Spörrle und Torsten Engelhardt 
    
     
     
    DIE PRESSE - 27. März 1999 - "Magie, Ritual und
    Politik" - Hans Kronspiess 
    Magie, Ritual und
    Politik 
    Sexualität wird im
    tibetischen Buddhismus über den Weg der Mystik in Macht transformiert. So
    die Hauptthese von Victoria und Victor Trimondi in ihrem Buch "Der
    Schatten des Dalai Lama". Das Erleuchtungsversprechen des
    "Gottkönigs" diene nur dazu, die religionspolitischen Ziele des
    Mönchsklerus durchzusetzen.  
    Tenzin Gyatso, der XIV. Dalai
    Lama, gilt im Westen als lebendes Symbol des Guten, als interkultureller
    Friedensfürst, als charismatisches Idol von Millionen Sympathisanten.
    Rastlos reist er um die Welt, um mit mildem Lächeln gegen die Unterdrückung
    in seiner Heimat Tibet Anklage zu erheben.  
    Ist die Friedfertigkeit des
    Dalai Lama eine Maske, hinter der sich die machtpolitischen Ambitionen
    einer fundamentalistischen Vision verbergen? Der Gottkönig ein Aggressor,
    der mit seiner Ritualmagie den Westen erobern will? Der tibetische
    Buddhismus in seinem Kern ein atavistischer, chauvinistischer, sexistischer
    und kriegerischer Kulturentwurf? Das behaupten zumindest die beiden
    deutschen Autoren Victoria und Victor Trimondi, alias Mariana und Herbert
    Röttgen, einst selbst Anhänger des heiligen Mannes aus Tibet. In ihrem Buch
    "Der Schatten des Dalai Lama - Sexualität, Magie und Politik im
    tibetischen Buddhismus" versuchen die beiden, den Gottkönig als
    Tyrannen zu entlarven. Nichts Geringeres haben sie im Sinn, als den
    lebendigen tibetischen Gott literarisch zu töten.  
    Das ist ihnen nicht überzeugend
    gelungen, denn sie haben ihren Versuch übertrieben und das
    Gerechtigkeitsempfinden des Lesers außer Acht gelassen. Ihr Bild vom Dalai
    Lama ist zu schwarz, als dass man es für eine getreue Wiedergabe der
    Realität halten könnte. Bei der Lektüre fragt man sich unwillkürlich, welches
    traumatische Erlebnis die Trimondis zu einem derartigen Rundumschlag gegen
    den Mann aus Tibet bewogen haben könnte. Und man ist geneigt, das Buch als
    "Schattenboxen" der Autoren abzutun.  
    Genau das sollte man aber nicht
    tun. Es wäre schade. Denn abgesehen vom Hass und Geifer gegen den
    Gottkönig, haben Victoria und Victor Trimondi ein aufklärendes und
    spannendes kulturhistorisches Grundlagenwerk geliefert. Die ausführliche
    und detailreiche Studie über den tantrischen Buddhismus und die tibetische
    Geschichte ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil enthält eine
    Darstellung und Kritik der religiösen Grundlagen des tantrischen
    Buddhismus. Im Mittelpunkt steht dabei die Geschlechterthematik,
    insbesondere die sexualmagische Ausbeutung der Frau im männlichkeitszentrierten
    System des Vajrayana. Ziel der chauvinistischen Sexualmagie ist eine
    mythisch-politische Machtanhäufung des Mannes.  
    Die Ableitung der tibetischen
    Geschichte und der Machtpolitik des Dalai Lama aus den Kultmysterien des
    buddhistischen Tantrismus, insbesondere aus dem Kalachakra-Tantra, ist der
    Inhalt des zweiten Teils des Buches. Ganz allgemein versuchen die Autoren
    zu zeigen, dass sakrale Sexualität, Magie, Mystik und Mythos in der
    lamaistischen Weltsicht eine Einheit mit ihrem Politik- und
    Geschichtsverständnis bilden. Die Beziehungen von politischer Macht und
    Religion stehen im Zentrum der Studie. Der tibetische Buddhismus verdankt
    seinen Erfolg im Westen vor allem zwei Tatsachen: einmal dem Charme - die
    Autoren nennen ihn geschickte Selbstinszenierung - seines höchsten
    Repräsentanten, des XIV. Dalai Lama, und zum anderen dem Versprechen,
    Menschen auf den Weg der Erleuchtung zu führen, in der Aufdeckung des
    zweiten Erfolgsgeheimnisses, in der Offenlegung der subtilen
    Beeinflussungsmechanismen durch das Erleuchtungsversprechen des Buddhismus,
    liegt die wahre Stärke des Werkes. 
    Obwohl es auf dem tantrischen
    Erleuchtungsweg ausdrücklich um eine Auflösung des Ego geht, wird - so die
    Trimondis - zuerst einmal das Ich des Schülers als Adressat angesprochen:
    Das Ich kann die Sinnlosigkeit und Leidenserfahrung seiner irdischen
    Existenz überwinden. Die Sache hat nur einen Haken: Wenn ein westlicher
    Schüler bereit ist, sein "kleines Ich" zu opfern, so macht er
    sich doch von dem höheren Selbst, dem Buddha-Bewusstsein, das ihm durch die
    tantrische Philosophie und Praktiken des Vajrayana als spirituelle
    Zielvorgabe angeboten werden, keineswegs dieselben Vorstellungen wie ein
    tibetischer Lama. Der Westler glaubt, das Erleuchtungsbewusstsein habe
    immer noch etwa mit ihm selbst zu tun, Ein Lehrer des tantrischen
    Buddhismus dagegen weiß, dass die Individualität des Schülers völlig
    ausgelöscht und durch exakt kodifizierte Götter ersetzt wird.  
    Der tibetische Buddhismus
    beabsichtigt in seinem Kern nicht die Erleuchtung von Individuen, sondern
    die Fortexistenz einer Kultur von Übermenschen - den Yogis und Göttern - in
    der Gestalt von "besessenen" Menschen - den Schülern. Es geht um
    die Verewigung der Priesterkaste, die nicht zu sterben braucht, weil ihr
    Bewusstsein immer wieder in den menschlichen Körpern ihrer Anhänger
    inkarnieren kann. Die Priester und ihre Gottheiten sind sakrosankt. Ihre
    Symbole, ihre Taten und ihre Vergangenheit werden als Modelle hingestellt,
    sie bilden eine Kultur, die von den Gläubigen nicht hinterfragt werden
    darf, sondern in blindem Gehorsam zu übernehmen ist. 
    Aus diesem Gründen kommen die
    Autoren zu dem Schluss, das gesamte Erleuchtungsversprechen des tibetischen
    Buddhismus diene nur dazu, die intimen und religiösen Sehnsüchte von Menschen
    zu benutzen, um die religionspolitischen Ziele des Mönchsklerus auf
    magische Art und Wiese durchzusetzen. Die Menschen folgen dem tibetischen
    Buddhismus, weil sie sich davon Erleuchtung und Befreiung von persönlichem
    Leid erhoffen, in Wahrheit jedoch werden sie zu Erfüllungsgehilfen des
    politischen Lamaismus. 
    Dabei drängen sich freilich
    einige Fragen auf: Kann man den Dalai Lama man den Dalai persönlich für die
    "buddhistische Falle" verantwortlich machen, selbst wenn er der
    oberste Repräsentant des manipulativen tibetischen Religionssystems ist.
    Könnte man - sofern man böswillig ist - die Manipulation von Gläubigen
    durch Ausnutzung der menschlichen Erleuchtungs- und Erlösungssehnsüchte
    nicht allen Religionen unterstellen? Worauf wollen die Autoren eigentlich
    hinaus? Geht es ihnen wirklich nur um den tibetischen Buddhismus?  
    Das Buch wirft viele Fragen
    auf, einige werden zufriedenstellend beantwortet. So wird die Neugier eines
    westlichen Lesers auf das System des Tantra befriedigt. Die Autoren
    schildern den tibetischen Buddhismus als Mysterienreligion. Seine Mysterien
    sind das Antriebsaggregat für seine politischen Entscheidungen und
    Zielsetzungen. Die Hauptenergie, die direkt den mystisch-politischen Motor
    des lamaistischen Systems antreibt, liefert die sakrale Sexualität.
    Brennstoff ist die sexuelle Energie der Frau. Oder kurz formuliert:
    Sexualität wird über den Weg der Mystik in Macht transformiert. Das
    tantrische System ist eine großangelegte "mystische
    Ritualmaschine", deren einziges Ziel die Produktion des allumfassenden
    Adi Buddha und die Errichtung seiner uneingeschränkten politischen
    Alleinherrschaft ist. 
    Tantrische Rituale sind immer
    Politik, so wie umgekehrt Politik immer auch Ritual ist. Das bedeutet aber
    in letzter Konsequenz, dass jedes politische Ereignis, sei es die Flucht
    des Dalai Lama aus Tibet, seien es die Ausschreitungen der chinesischen
    Roten Garden oder sei es der Tod Mao Tse Tungs, aus tibetischer Sicht -
    nicht aus westlicher - einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Herrschaft
    des Adi Buddha darstellt.  
    Interessant - wenngleich nicht
    ganz neu - ist der Zusammenhang, den die Autoren zwischen tantrischem
    Buddhismus und Rechtsextremismus konstatieren. Im zwölften Kapitel des
    Buches berichten die Trimondis über den ehemaligen SS-Mann und Lehrer des
    jungen Dalai Lama Heinrich Harrer, über das okkulte Interesse Heinrich
    Himmlers an Tibet und über den Einfluss des Vajrayana auf die faschistische
    Ideologie des Mussolini-Vertrauten Julius Evola.  
    Im Zentrum dieses Kapitels
    steht aber eine ausführliche Analyse des esoterischen Hitlerismus, der
    Ideologie des chilenischen Diplomaten und Schriftstellers Miguel Serrrano,
    die sich sehr eng an den tantrischen Buddhismus anlehnt und ihn mit
    okkulten Lehren des Nationalsozialismus vermengt. Serrano schwärmt in
    seinen Werken, die in rechtsextremen Kreisen Kultstatus genießen, von einer
    rassistischen Autokratie von androgynen Kriegern, die das reale Opfer der
    Frau als ihr höchstes Kultmysterium feiern und die Himmlers SS als
    historisches Vorbild verehren. Die Autoren verweisen darauf, dass der Dalai
    Lama mit dem "Führer" und fanatischen Verehrer der SS, Miguel
    Serrano, seit seiner Flucht aus Tibet im Jahr 1959 Kontakt hält, und sie
    behaupten, dass der Gottkönig mit dem chilenischen Neonazi in vielen
    weltanschaulichen und visionären Fragen übereinstimmt. Behaupten kann man
    bekanntlich vieles.  
    Ist der
    "Gottkönig" Dalai Lama ein Aggressor, der mit seiner Ritualmagie
    den Westen erobern will? 
    Während Serrano sich bisher
    noch mit abstrusen Phantasien begnügt, sind solche in der Gestalt des
    Führers der japanischen Aum-Sekte, Shoko Asahara, bereits zur traurigen
    Realität geworden. Im Falle Asahara hielt die Welt den Atem an, als er 1995
    von seinen Jüngern in Tokios U-Bahnen ein Gasattentat durchführen ließ, bei
    dem es mehrere Tote und zahlreiche Verletzte gab. Auch in diesem Fall
    fanden die Autoren eine Spur zum tibetischen Buddhismus. Asahara sah sich
    selbst als eine Inkarnation des Rudra Chakrin, des rasenden Raddrehers, der
    die eine Hälfte der Welt zerstört, um die andere Hälfte zu retten. Er war
    nicht nur ein praktizierender Vajrayani, sondern auch ein Freund des Dalai
    Lama, dem er fünfmal persönlich begegnete.  
    Trotz seiner problematischen
    Inhalte verbreitet sich das Bild vom tibetischen Buddhismus als einem
    friedfertigen Religionssystem in Europa und Amerika rasch und erfolgreich
    weiter. Das Lächeln und die freundlichen Worte des "lebenden
    Buddha", also des Dalai Lama, sind aber nur die äußere Fassade, meinen
    die Trimondis. Nicht, was der Dalai Lama sagt, sondern was das hinter ihm
    stehende religiöse System und die Götter befehlen, bestimmt die Politik des
    tibetischen Buddhismus. "Der Schatten des Dalai Lama" ist eine
    ausführlich - manchmal zu detailreiche - und kompromisslose Analyse des
    Lamaismus. Emotionslos ist die Studie allerdings nicht.  
    Was die Behandlung der Person
    des Dalai Lama betrifft, muss man ihr mangelnde Objektivität vorwerfen. Auf
    diesen Punkt - und nur auf diesen - lässt sich das im Buch der Trimondis
    zitierte Urteil eines gewissen Professor Kuhn über das Werk eines seiner
    Kollegen übertragen: "Und der Inhalt, welcher sich ergibt, ist ein
    solch unmöglicher, dass schon dadurch die ganze Entzifferung diskreditiert
    wird. Dazu kommt ein Ton der Polemik, der in Akademie-Schriften unerhört
    sein würde." 
    
     
     
    DIE WOCHE - 19. März 1999 - "Angriff auf eine
    Legende" - Mark Spörrle und Torsten Engelhardt 
    Angriff auf eine
    Legende - Die Macht der Bilder 
    Auf dem Zenit der
    Buddhismus-Euphorie im Westen wird eine kritische Debatte eröffnet: Ist der
    TIBETISCHE BUDDHISMUS wirklich so friedlich und demokratisch, wie der Dalai
    Lama behauptet? 
    Pünktlich zum 40. Jahrestag der
    Besetzung Tibets durch die Chinesen und seiner Flucht ins indische Exil
    gerät der Dalai-Lama auch in diesem Jahr wieder ins Kreuzfeuer der Kritik -
    für die Propagandisten Pekings längst Routine. Jetzt aber setzen immer mehr
    westliche Kritiker zur Dalai-Lama-Schelte an: In Deutschland erscheinen
    gleich zwei Bücher, die das Bild vom friedlichen Buddhismus aus Tibet in
    Frage stellen. Zwar sind die Autoren umstritten, aber auch in der
    ernsthaften Wissenschaft werden der Dalai-Lama und seine Religion zunehmend
    kritisch gesehen. 
    Auf oberflächliche
    Dalai-Lama-Kritik setzen die Autoren Jutta Ditfurth, Aktivistin der
    Frauenbewegung und Ex-Grüne, und ihr Mitautor Colin Goldner,
    medienbewusster Psychologe aus München, ebenso wie Herbert Röttgen, ein
    Ex-Sponti, der früher Seminare für den Dalai-Lama organisierte und nun eine
    180-Grad Wendung hinlegt. Der tibetische Buddhismus, so schreiben die
    Autoren der Neuerscheinungen, sei nicht das, wofür ihn seine zahlreichen
    deutschen Sympathisanten hielten. In Wahrheit sei Tibets Religion
    aggressiv, kriegerisch, Frauenfeindlich, sexistisch und machtbesessen. 
    Psychologe Colin Goldner beschreibt
    die im Westen durch den Dalai-Lama populär gewordene Buddhismus-Linie - den
    tibetischen Tantrismus - in dem Buch "Dalai Lama - eine
    Biografie", das Ende April erscheinen soll, als wahres Gruselkabinett.
    "Zur eigenen Erleuchtung", so Goldner, praktizierten Mönche der
    höheren Range (Lamas) unappetitliche Rituale mit Exkrementen und
    Körperschaften, einschließlich des sexuellen Missbrauchs von Frauen.
    Goldner klagt über eine autoritäre Priester-Elite, die es mit
    "religiöser Gehirnverschmutzung" und Glaubens-Terror zu
    "obszöner Macht und Prachtentfaltung" gebracht habe. Ko-Autorin
    Jutta Ditfurth sieht den Dalai-Lama als "letzten kalten Krieger",
    als übrig gebliebenen Bauern im Propaganda-Schach zwischen China, den USA
    und der Ex-Sowjetunion. Sie schreibt von CIA-Geldern, die an die tibetische
    Guerilla geflossen seien, und will aufdecken, welche Spender aus welchen
    Gründen die tibetische Exilgemeinde unterstützen. Aufklären wolle sie,
    sagte Ditfurth gegenüber der WOCHE "über die unerträgliche Verblödung,
    die durch die Verklärung des Dalai-Lama im Westen entstanden ist". 
    Die Autoren der zweiten Schrift
    gehen an die Grundlagen des tibetischen Buddhismus. In ihrem
    800-Seiten-Wälzer "Der Schatten des 14. Dalai-Lama" nehmen sich
    Herbert und Mariana Röttgen die tantrischen Texte und Rituale vor. Sexuelle
    Ausbeutung, Intoleranz, Despotismus und Menschenverachtung von Seiten der
    Priesterkaste - all das, sagen die Röttgens, sei kein zufälliger Auswuchs,
    sondern im System des tibetischen Buddhismus angelegt. Dem Autorenpaar
    zufolge fordern die Quellen aus vergangenen Jahrhunderten die totale
    Weltherrschaft des Buddhismus: einen "undemokratischen, despotischen
    Mönchsstaat mit einem Alleinherrscher an seiner Spitze", eine
    aggressive Eroberungspolitik und einen Weltkrieg gegen Andersgläubige im
    Jahr 2327. 
    Der Dalai-Lama, schreiben die
    Röttgens, sei "ein großer Manipulator", der seine Anhänger und
    die Politiker im Westen "über die wahren Absichten seines religiösen
    Systems täusche". "Das Lächeln und die freundlichen Worte des
    'lebenden Buddha' sind nur die äußere Fassade." Der tibetische
    Buddhismus manipuliere "die westlichen Massen mit verfälschten Bildern
    von Frieden, Ökologie, Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und
    Mitgefühl". 
    Steckt hinter dem fast
    zeitgleichen Erscheinen der beiden Bücher mehr als der Versuch, auf dem
    Höhepunkt der Buddhismus-Euphorie ein verkaufsträchtiges Gegen-Buch zu
    platzieren? Die Grünen-Mitbegründerin und linke Vorkämpferin Jutta Ditfurth
    ist bekannt als vehemente Esoterik-Kritikerin. Auch Ko-Autor Goldner zieht
    in seinen Veröffentlichungen gern gegen die Szene zu Kreuze, Esoteriker
    furchten ihn als "blindwütigen Gegner". Und Ex-Sponti Herbert
    Röttgen, 1967 Mitbegründer des Trikont-Verlages, bewies schon früh Fortüne
    beim Vermarkten von politischen und gesellschaftlichen Trends. Trikont
    legte einige Bestseller der 68er-Bewegung auf: die Mao-Bibel und das
    Tagebuch Che Guevaras. Anfang der 80er Jahre hieß er dann
    Trikont-Dianus-Verlag, das Programm schwenkte auf die Esoterik-Welle ein.
    Später veranstaltete Röttgen New-Age-Events und Seminare mit dem
    Dalai-Lama. 
    Inzwischen geben sich Röttgen
    und seine Frau als Religionsforscher aus - unterstützt von der Münchner
    Stiftung des Erfinders und Industriellen Hans Sauer; dessen Stiftung
    "evolutionsorientiertes Denken und Handeln" fordern will. Wie
    dies im Fall der Röttgens genau aussieht, kann dort allerdings niemand
    beantworten: Die seit Jahresanfang ausgeschiedene Tochter des Stifters, die
    als Einzige Bescheid wusste, sei verreist, hieß es auf Anfrage der WOCHE.  
    Obskur mutet auch das Pseudonym
    an, dass die Röttgens sich für Recherche und Buch-Cover wählten: Victor und
    Victoria Trimondi - was sich mit "Sieger über die drei Welten"
    übersetzen lässt. Nach Ansicht des Hamburger Tibetologen Jan Sobisch eine
    Anmaßung: "Das ist eigentlich der Titel eines Buddhas." 
    Bei den Autoren könne es sich
    nur um eine Mischung aus "Verschwörungstheoretikern und
    Phantasten" handeln, kritisiert der renommierte Sinologe und
    Buddhismusforscher Erik Züricher vom Asieninstitut der Universität Leiden
    in Holland. Der Tibetologe und Tantra-Experte Jan Sobisch wirft den Autoren
    "erschreckende Geschichtsinterpretationen" vor. Sie hatten sich
    "hoffnungslos veralteter Quellen" bedient. "Das ist, wie
    wenn sie New York mit einem Stadtplan aus dem 18. Jahrhundert
    besuchen", sagt Sobisch. Zum Teil seien die Quellen sogar falsch
    zitiert worden. 
    Den Hauptfehler sieht Sobisch
    in der Behauptung, die Meditationsanweisungen des tibetischen Tantrismus
    seien wörtlich zu nehmen. Es gebe in dieser religiösen Vorstellungswelt
    zwar eine reiche Symbolik (vom sexuellen Missbrauch bis zum Kannibalismus).
    Die aber sei keinesfalls als Anleitung zur täglichen Lebenspraxis zu
    verstehen, sondern ausschließlich als geistige Läuterungsübungen für den
    nach Erleuchtung strebenden Gläubigen: Der soll sich in diese Bilder
    vertiefen, um die hinter aller Symbolik existierenden Feinde Hass, Begierde
    und Unwissenheit zu beseitigen, und sich so von dem Leiden befreien. 
    Doch in die pauschale
    Verdammung der beiden neuen Bücher durch die Dalai-Lama-Getreuen, die wie
    der ehemalige Privatsekretär Kelsang Gyaltsen "Effekthascherei auf
    Kosten des tibetischen Volks" vermuten, wollen die Wissenschaftler
    trotz ihrer Bedenken nicht mit einstimmen. "Wir Können viele Vorwürfe
    nicht einfach beiseite legen", sagt Christoffer Grundmann, Theologe,
    Religionswissenschaftler und Buddhismusexperte in Tübingen, über das
    Röttgen-Buch. Natürlich sei der Dalai-Lama kein Demokrat und als Oberhaupt
    einer Kirche auch kaum tolerant gegenüber anderen Religionen. "Der
    tibetische Buddhismus versteht sich - wie andere Glaubensgemeinschaften
    auch - als letztgültige Religion", sagt der Privatdozent. Auch Werte
    wie Menschenrechte, Demokratie, Gleichberechtigung und Pazifismus seien
    nicht in Tradition und Religion Tibets verankert, bestätigt Jan Sobisch.
    "Dafür sind diese Werte zu westlich und viel zu neu." Kritisch
    sehen wissenschaftliche Experten, dass der tibetische Buddhismus Kirche und
    Staat nicht trennt, die meisten Abgeordneten des Exilparlaments ernannt
    statt gewählt werden und die buddhistische Sekte um den Gott Shugden sogar
    mit einem religiös-politischen Bann belegt wurde. Die Autorität des
    Dalai-Lama gilt nach wie vor als sakrosankt - sie beugt sich nicht
    Vorstellungen von Mehrheits- oder Konsensentscheidungen. 
    Der Dalai-Lama selbst pflegt
    umstrittene Kontakte. Fünfmal traf er sich mit Shoko Asahara, dem Chef der
    Aum-Sekte, die bei dem Giftgasanschlag im März 1995 in der Tokioter U-Bahn
    Zwölf Menschen ums Leben brachte. Für Asahara stellte der Dalai-Lama sogar
    eine schriftliche Empfehlung aus und nannte ihn noch Wochen nach einem
    ersten Anschlagsversuch "einen Freund, wenn auch nicht unbedingt einen
    vollkommenen". 
    Ins Gerede bringen den
    tibetischen Buddhismus auch Berichte über Lamas, die ihr Keuschheitsgelübde
    brechen. "Da hat es Leute gegeben, die nichts anderes als Sex
    betrieben", sagt Helmut Gassner, österreichischer Ex-Dolmetscher des
    Dalai Lama und selbst Anhänger der inzwischen in Ungnade gefallenen
    Shugden-Gruppierung. In ihrem Buch "Göttinnen, Dakinis und ganz
    normale Frauen" klagt June Campbell selber jahrelang "geheime
    sexuelle Gefährtin" des inzwischen verstorbenen Kalu Rinpoche -
    bitterlich den Missbrauch von Frauen durch Lamas an. Keiner dieser Lamas
    wurde bisher von exiltibetischen Institutionen zur Verantwortung gezogen. 
    Nicht der Dalai-Lama sei schuld
    an dem mangelnden Reformeifer seiner Religion, sagt David Jackson, Inhaber
    eines Tibet-Lehrstuhls an der Universität Hamburg. "Das sind die Leute
    um ihn herum, alte Familien des tibetischen Adels oder vielleicht
    Mitglieder seiner eigenen Familie." Doch das Argument - der Chef ist
    gut, nur seine Angestellten sind schlecht - falle letztlich auf den Chef
    selbst zurück, so der Tübinger Religionswissenschaftler Grundmann. Er sieht
    den 14. Dalai-Lama als integere, aber ein wenig naive Persönlichkeit, die
    zutiefst zerrissen zwischen den Kulturen stehe. "Er fuhrt Diskurse,
    deren Konsequenzen Für die eigene Tradition und Religion ihm noch gar nicht
    bewusst geworden sind", so Grundmann. "Der tibetische Buddhismus
    steht da vor einer ungeheuren Herausforderung, denn er hat zentrale
    Probleme - mit der Geschichte, der Politik und der Stellung der Frau." 
    Doch die Exilregierung und ihr
    Oberhaupt wollen nicht mit Reformen und unbequemen Eingeständnissen am
    strahlenden und einträchtigen "Mythos Tibet" kratzen. Das Bild
    des friedfertigen Tibeters sei "ein auf den Westen gerichtetes Mittel
    zur Selbstvermarktung und eine Waffe im Propaganda-Krieg gegen den
    chinesischen Staat", schreibt der neuseeländische Tibetologe Toni Huber
    in seinem Buch "Mythos Tibet". 
    So hält der Run auf Tibet und
    das indische Exil Dharamsala vorerst an, suchen in Europa und den USA
    Prominente und weniger Prominente im tibetischen Buddhismus das, was sie
    anderswo nicht gefunden haben: heilenden Balsam Für wunde Seelen. Die
    Frage, wem sie wohin folgen, wurde bisher kaum gestellt. Die kritische
    Auseinandersetzung mit dem tibetischen Buddhismus beginnt im Westen gerade
    erst. 
    Das in der in der WOCHE
    erschienene Interview von uns ist abgedruckt unter: DIE
    WOCHE 
    
     
     
    Unser Brief an die
    Herren Spörrle und Engelhardt: 
    Als Antwort auf diesen Artikel
    in der WOCHE haben wir im April 1999 einen Brief an die beiden Journalisten
    verfasst.  
    Wir waren über den aggressiven
    Unterton - insbesondere in dem abgedruckten Interview - überrascht. Hatten
    wir doch ein mehrstündiges Gespräch aufgezeichnet, von dem nur ein
    kläglicher Rest übrig blieb.  
    Sehr geehrter Herr Engelhardt! 
    Sehr geehrter Herr Spörrle! 
    Jedenfalls vielen Dank, dass
    Sie sich so ausführlich unserem Buch und dem darin behandelten Thema
    gewidmet haben. Wir hatten zwar nach unserem halbtägigem, intensiven
    Gespräch einige andere Akzente erwartet, aber wir können ja sehr froh sein,
    dass über ein Kulturphänomen wie den tibetischen Buddhismus, der in einem
    Triumphzug durch den Westen zieht, überhaupt kritisch berichtet wird. Und
    dies haben Sie mit Ihrem Artikel durchaus unternommen und das hat uns in
    der Tat gefreut. 
    In Ihrem Artikel klingt jedoch
    ein unüberhörbarer Unterton mit, der versucht, unseren kulturkritischen
    Ansatz zu marginalisieren und ihn als unwissenschaftlich darzustellen:
    "Danke schön - ihr habt das Tor zur Kritik geöffnet, wenn auch mit
    nicht ganz seriösen Mitteln, jetzt können die Fachleute mit der echten,
    wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung beginnen!" Die von
    Ihnen zitierten "seriösen" Tibetologen sind es letztendlich,
    welche die Quintessenz Ihres Berichtes bestimmen - eine "Zunft",
    die seit Jahren geschwiegen hat und jetzt, nachdem "Außenseiter"
    wie wir es gewagt haben, in ihre Domäne einzudringen, geben sie sich auf
    einmal als die berufenen Kritiker aus.  
    Sehen Sie sich einmal die
    Fragen an, die Herr Spörrle uns im abgedruckten Interview stellt und
    vergleichen Sie diese mit den Fragen, die uns hier gestellt wurden (diese
    liegen schriftlich vor). Die abgedruckten Interviewfragen
    suggerieren schon im ersten Satz die "Problematik" unseres
    Ansatzes, Ihre ursprünglichen Fragen dagegen waren unpolemisch und
    kulturphilosophisch interessiert. 
    Dabei haben wir alles
    Bedeutsame, was bisher von der kritischen (d. h. angelsächsischen)
    Tibetologie über das Thema geäußert wurde, wortgetreu in unserem Buch
    verarbeitet. Wir haben auch ausführlich darauf hingewiesen, dass die
    tibetologischen Lehrstühle, da sie in vielen Fällen von Buddhisten
    beziehungsweise Sympathisanten besetzt sind, selber tendenziös und
    parteiisch sind. Wie könnte das auch anders sein bei einer Religion, die
    einen Totalitätsanspruch hat. 
    So trifft der Vorwurf der
    Unwissenschaftlichkeit ja nicht nur uns. Alle Forscher, die das einseitige
    Bild der lamaistischen Selbstdarstellungen, des Ritualwesens, der
    Geschichte Tibets, der Politik des Dalai Lama bis jetzt in Frage stellen,
    gelten für exiltibetische und pro- lamaistische Intellektuelle als
    unwissenschaftlich und als Agenten im Dienst der Chinesen. Dazu rechnen
    unter anderem die Arbeiten von Prof. Melvin C. Goldstein, Prof. A. Tom
    Grunfeld, Prof. Toni Huber, Prof. Eliot Sperling, Prof. June Campbell. Der
    australische Tibetforscher Prof. Peter Bishop schreibt von der Tibetologie,
    wie sie zuzeit betrieben wird: "Viele zeitgenössische westliche
    Studien machen lange Ausführungen, um zu vermeiden, sich mit der
    Schattenseite des tibetischen Buddhismus zu konfrontieren. Man kann oft
    eine soziologische Naivität feststellen, die im starken Kontrast zu den
    Zielen wissenschaftlicher Exaktheit steht." 
    Nicht wir sind
    "Verschwörungstheoretiker" - sondern Robert Thurman, Richard Gere
    und Tausende wie sie sehen den tibetischen Buddhismus als ein System, dass
    dabei ist den Westen in nicht allzu langer Zeit zu vereinnahmen. Nicht wir
    sind "Phantasten" - sondern das gesamte tantrisch-buddhistische
    Szenario (der Vajrayana) ist eine "Phantasmagorie" und es
    ist ja gerade deswegen für viele Westler so attraktiv.  
    Nicht wir haben eine "erschreckende
    Geschichtsinterpretation" - sondern jedes "atavistische"
    System (wie der tibetische Buddhismus) verbindet Mythos und Geschichte zu
    einem globalen Entwurf, ebenso wie es Spiritualität und Politik miteinander
    verknüpft.  
    Auch sind in jeder religiösen
    Tradition die Quellen nicht deswegen weniger bedeutsam, weil sie
    "hoffnungslos veraltet" wären, sondern gerade ihr Alter gibt
    ihnen die Autorität, sie gelten als "göttliche" Wahrheit und
    dürfen nicht verändert werden. Der Buddhismus basiert immer noch auf den
    Sutren, den Lehrsätzen des Buddha, und diese sind Tausend Jahre älter als
    die Tantras. Das Kalachakra Tantra (10. Jh.) wird vom Dalai Lama immer
    wieder aufgeführt, von einer Veränderung des Urtextes haben wir niemals
    etwas gelesen oder gehört. Das selbe gilt für die anderen "alten"
    Tantra Texte, welche die Basis für die religiösen Praktiken abgeben. 
    Ihr "Tantra Experte"
    Jan Sobisch spricht schlichtweg die Unwahrheit, wenn er behauptet die
    Tantras seien nur symbolisch zu interpretieren. Wir haben so viele Quellen
    in unserem Buch von tibetischen und westlichen Autoren angegeben, die eine
    höhere Autorität genießen als Herr Sobisch. Außerdem weiß jeder, der den Vajrayana
    Weg betritt - dass es dort die "wirkliche" Vereinigung mit einer
    "wirklichen" Frau (Karma Mudra) gibt. 
    Es ist vielleicht zuviel von
    Ihnen als Journalisten verlangt, dass sie unseren Quellen nachgehen und
    diese in ihrem Wahrheitsgehalt oder in ihrer Stichhaltigkeit überprüfen.
    Aber Sie arbeiten in Ihrem Artikel und Interview mit einer Wertung -
    "seriös gegen unseriös" - und stellen die verschiedenen Meinungen
    nicht nebeneinander. In diesem Fall wäre es "seriös", unsere
    Quellen zu überprüfen. 
    Es ist das Schicksal der
    meisten Werke, die neues Terrain betreten, dass sie zu Beginn attackiert
    werden. Damit mussten wir rechnen. Der Mut zu neun und kritischen
    Denkansätzen ist in den letzten Jahren immer geringer geworden. Das macht
    es den Manipulatoren und denjenigen, die ihnen den roten Teppich ausrollen,
    leicht.  
    In Erinnerung an unsere schöne
    und intellektuelle Kommunikation und an Ihrem hier geäußerten Interesse an
    unserem kulturphilosophischen Ansatz könnten wir uns durchaus vorstellen
    mit Ihnen, wie es Herr Spörrle vorgeschlagen hat, noch einmal etwas
    Gemeinsames zu machen. Wir würden es jedoch vorziehen, dass Sie hierbei
    Ihre natürliche Intelligenz und eigene Anschauung, die wir im Gespräch
    genossen haben, ins Spiel bringen und nicht - wie in Ihrem Artikel - die
    vorgeprägten Meinungen "buddhisierter" Tibetologen. 
    V. & V. Trimondi 
    P. S. - Ein amüsantes Beispiel
    dafür, wie der Buddhismus alles zu vereinnahmen sucht, ist sicher Jan
    Sobischs Entdeckung, dass unser Pseudonym "Victor und Victoria
    Trimondi" eigentlich der "Titel eines Buddhas" sei. Ob Sie
    es glauben oder nicht - das war uns bisher nicht bewusst. Die eigene
    Erklärung unseres Pseudonyms steht in unserer Pressemappe. Aber wir finden
    es gar nicht unattraktiv, unseren Kunstnamen so zu interpretieren. Wieso
    ist das denn "anmaßend"? Sind die Millionen von Moslems, die
    Mohammed heißen, deswegen anmaßend? Nennen sich nicht die meisten Christen
    nach dem Namen eines Heiligen? Jeder tantrische Buddhist erhält schon bei
    den unteren Kalachakra Einweihungen den spirituellen Namen eines Buddha!
    Übrigens Herr Engelhardt - was bedeutet denn Ihr Name? Handelt es sich
    dabei um ein Wesen, das mit dem Antlitz eines Engels auftritt und dann
    har(d)t zuschlägt? 
    Zur Frage nach der
    Weltenherrschaft siehe: Buddhokratie und
    Weltenherrschaft 
    
     
     
    Leserbrief von
    Colin Goldner, München: 
    Ihr Artikel missfällt mir sehr:
    Nach der Menge an Informationen, die ich Ihnen über mein Dalai-Lama-Buch
    gegeben habe, halte ich es für nachgerade unverschämt, meine Arbeit als
    "oberflächlich" abzuqualifizieren. Oberflächlich ist bestenfalls
    Ihr Artikel. Auch Ihre Behauptung, irgendwelche "Esoteriker" (wer
    denn?) sähen mich als "blindwütigen Gegner", verstehe ich als
    böswillige Diskreditierung meiner Person und Arbeit. 
    
     
     
    Leserbrief von
    Gerhard Evers, Göppingen: 
    Schon Hermann Hesse ließ
    Siddharta zu Gautama Buddha sagen, dass keinem Erlösung durch Lehre zuteil
    werde und dass er seine Wanderschaft fortsetze, um allein sein Ziel zu
    erreichen. Deshalb wird auch keiner, der Esoterik richtig verstanden hat,
    einer Lehre anhängen oder eine Euphorie mittragen. Diejenigen aber, die
    einer Religion, welcher auch immer, blind nachfolgen, reagieren umso
    radikaler, wenn ihnen eines Tages die Augen aufgehen. Das Ehepaar Röttgen
    wird nicht das letzte Beispiel dafür bleiben. 
    
     
     
    Leserbrief von
    Hans Gruber, Hamburg: 
    Es ist notwendig und daher gut,
    dass eine Diskussion über diejenigen Seiten des tibetischen Buddhismus in
    Gang kommt, die auf den Westen längerfristig nicht übertragbar sind - so
    lange dies sachlich, genau begründet und differenziert geschieht (wie etwa
    in Ihrem Artikel). Nüchtern betrachtet sind der Buddhismus und das
    Christentum zweier unterschiedlicher Geister Kind: Dort dominiert das
    Einheitsdenken - der historische Buddha hat unsere gewöhnliche dualistische
    und dingbezogene Sicht der Dinge (als "Ich", "Mein"
    oder ein getrenntes "Selbst") als "Unwissen"
    bezeichnet. Denn dieses Unwissen bedeutet "Durst" und
    "Ergreifen" des Flusshaft- Vergänglichen. Im Christentum
    dominiert der Grund-Dualismus von "Gott" und "Satan" -
    beziehungsweise "gut" und "böse" - gegenüber der
    menschlichen Seele, was das westliche Denken stark prägt. 
    
     
     
    Leserbrief von Dr.
    Jan-Ulrich Sobisch, Hamburg:  
    Hamburg, den 22.3.1999  
    Sehr geehrter Herr Bissinger!  
    Für den Artikel "Angriff
    auf eine Legende" führte ich mit Herrn Torsten Engelhardt vor zwei
    Wochen ein ausführliches Telefonat. Ich bin entsetzt über die pervertierte
    Wiedergabe meiner Ansicht.  
    1.      Es wird dadurch, dass ich mit
    einem frei erfundenen Satz im Anschluss an eine (ebenfalls verfälschte)
    Äußerung des Theologen Herrn Grundmann "zitiert" werde der Eindruck
    erweckt, ich glaubte das Buch von Herbert und Mariana Röttgen enthalte
    ernst zunehmende Kritik am Dalai Lama. Das ist - und das weiß Herr
    Engelhardt aus unserem Gespräch genau - falsch. Ich halte das Buch in jeder
    Hinsicht für scheinheilig und meine, dass die Autoren bewusst die Fakten
    bis hin zur völlig Absurdität manipuliert haben.  
    2.      Herr Engelhardt hat dadurch,
    dass er mich darüber hinaus zweimal falsch zitiert hat, die Tatsachen verdreht.
    Es ist im BUDDHISMUS falsch, dass die religiösen Vorstellungen der Tibeter
    einen symbolischen sexuellen Missbrauch beinhalten. Ich habe dies nie
    behauptet. Richtig ist, dass die Vorstellungen des tibetischen Buddhismus
    hinsichtlich solcher Handlungen, die als sexuelles Fehlverhalten zu
    verstehen sind, eher noch enger gefasst sind als in Europa. Falsch ist
    auch, dass Menschenrechte, Pazifismus und Gleichberechtigung nicht in der
    Religion Tibets verankert seien. Ich habe dies ebenfalls nie behauptet.
    Richtig ist, dass der in Tibet praktizierte Mahayana-Buddhismus die
    physische und psychische Unversehrtheit Anderer zum höchsten Gut erhoben
    und deren Wohl als höchstes Ziel formuliert hat. Richtig ist weiterhin,
    dass im Mahayana-Buddhismus zumindest die spirituellen Voraussetzungen für
    eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen gegeben sind.  
    Was für eine Form
    journalistischer Ethik - wenn überhaupt - steckt eigentlich hinter den
    Verdrehungen Ihres Redakteurs Herrn Engelhardt? Herr Grundmann, Herr Jackson
    und auch ich sind hier durch völlig aus dem Zusammenhang des Gespräches
    gerissene Zitate offensichtlich instrumentalisiert worden, damit die
    "Story" funktioniert. Herr Grundmann, der sich übrigens selbst
    gar nicht als "Buddhismusexperte" bezeichnet, hat sich bereits
    brieflich an Herrn Engelhardt gewandt und ihn aufgefordert, den falschen
    Eindruck, den er mit seinem Artikel geweckt hat, umgehend zu revidieren.
    Auch ich und Herr Jackson (der sich zur Zeit in Asien aufhält) schließen
    uns dieser Forderung mit Nachdruck an. Da ihr Artikel unseren verfälschten
    Ausführungen großen Raum gibt, sollte ihre Richtigstellung alsbald und in
    angemessener Breite erscheinen. Andernfalls sehen wir uns gezwungen, da wir
    unsere wissenschaftliche Reputation beschädigt sehen, Rechtsmittel
    einzulegen.  
    Hochachtungsvoll, 
    Dr. Jan-Ulrich Sobisch 
    
     
     
    Unser Kommentar zu
    Jan Sobischs Leserbrief: 
    Jan Ulrich Sobischs Artikel
    zeigt, dass es die beiden Journalisten offensichtlich keinem Recht machen
    konnten. Sie werden das sicher - wie dies immer in solchen Fällen geschieht
    - als den Ausdruck ihrer "objektiven" Berichterstattung deuten.
    Besser - insbesondere für den Leser - wäre es jedoch gewesen, dass sie sich
    einem - wenn auch noch so begrenzten Quellenstudium hingegeben hätten -
    anstatt sich auf das glatte Forum der Meinungen zu begeben, um dort den
    Versuch zu machen, die Wahrheit zu finden. Da weiß man schließlich gar
    nichts mehr und unterstützt nur noch das, was konventionell das Etikett
    "Wissenschaft" trägt. Die Tibetologie ist aber heute kein
    unparteiischer Kronzeuge mehr, sondern selber ein Teil des Problems (eines
    missionarischen Buddhismus). Diejenigen, die glauben, dass von einem
    wissenschaftlichen Lehrstuhl aus per se die Wahrheit über Tibet und
    den tibetischen Buddhismus verkündet werde, müssen nach einem aufrechten
    Studium der Materie eine Enttäuschung erfahren.  
    Zur modernen Tibetologie: Kritische Literatur zum Buddhismus 
      
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