MEDIEN 13
COLIN GOLDNER
Morddrohungen
aus der Buddhistenszene?
Dalai
Lama - Fall eines Gottkönigs
Morddrohungen aus der Buddhistenszene?
In einer E-mail vom
10. 04. 2000 informiert Colin Goldner die Öffentlichkeit:
Seit Erscheinen meines Buches
über den Dalai Lama und den tibetischen Buddhismus bin ich endloser
Beschimpfung, Schmähung und Bedrohung ausgesetzt. Nachdem ich vor geraumem
ein Huhn mit abgeschnittenem Kopf zugesandt bekam, wurde nun ein weiterer
Höhepunkt erreicht: im größten deutschsprachigen Buddhistenmagazin
"ursache&wirkung" (1/2000) werde ich von Herausgeber Peter
Riedl in einer Weise beschimpft, die jenseits allen erträglichen Maßes
liegt: nicht nur sei ich primitiv und geistesgestört, ich sei darüber
hinaus Rassist und Nazi. Laut O-ton Riedl schriebe ich "über die
Probleme Tibets, wie ein überzeugter Nazi über die Probleme Israels
schreiben würde (...) der (...) Blick Goldners ist eindeutig rassistisch
(...) so wie die Nazis die Juden verunglimpften, geht Goldner mit den
Tibetern um". Ansonsten Verdrehungen, Falschzitate, Verleumdungen etc.
pp. mit derlei Tiraden leistet Riedl den Droh- und Schmähübergriffen gegen
mich und meine MitarbeiterInnen Vorschub: Morddrohungen aus
religiös-fanatisierter Ecke - wie ich sie aus der Buddhisten-Szene bekommen
habe - sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich habe gegen Riedl
Strafanzeige erstattet. bitte tragen Sie dazu bei, dass das tatsächliche
Gesicht des (tibetischen) Buddhismus, das in der Regel hinter einem
Schleier von "Friedfertigkeit" und "Toleranz" verborgen
wird, an die Öffentlichkeit kommt.
Colin Goldner
Colin Goldner
Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs
Inhalt
des Goldner Buches
"Säkulare
Aufklärung" gegen "metapolitische Aufklärung"
Religionswissenschaftliches
Glasperlenspiel
Unser
Kommentar zum Glasperlenspiel
Das Buch von Colin Goldner, das
schon im Frühjahr dieses Jahres publiziert werden sollte und auf das wir
mit Spannung gewartet hatten, ist jetzt (September 1999) erschienen. Wir
halten es für einen wichtigen Beitrag, um die kaum begonnene
Buddhismusdebatte in Gang zu halten und auszuweiten. Insbesondere erlöst
uns dieses Buch von dem immer wieder in der Öffentlichkeit von Seiten der
Tibetlobby wiederholten Vorwurf, wir hätten unsere Fakten erfunden und sie
wären die Ausgeburt unserer Phantasie. Auch wenn Goldner - wie wir gleich
zeigen werden - eine völlig andere Interpretation des Stoffes hat wie wir
und uns deswegen angreift - bestätigt er seitenlang durch unanfechtbare
Fundstellen das von uns schon zusammengetragene Tatsachenmaterial und
ergänzt es um einige interessante Dokumente. Selbst wenn er nicht etwas
aufregend Neues zu berichten weiß, so ist seine artikulierte Kritik am
Lamaismus doch von großer Bedeutung, denn die Dalai-Lama-Unterstützerszene
versucht jedwede Diskussion (durch Diffamierungen und Unterstellungen) zu
unterbinden und hat überall im deutschsprachigen Raum zum Boykott unseres
Buches aufgerufen. Erneut konfrontiert mit dem Text von Colin Goldner wird
sie sich immer schwerer tun, die angeschnittene Thematik zu vertuschen
beziehungsweise falsch darzustellen, insbesondere weil - wie wir erfahren
haben - sich im nächsten Jahr neue kritische Stimmen zu Wort melden werden.
Inhalt des Goldner Buches:
Goldner schildert in seinem Buch
chronologisch die Biographie des XIV Dalai Lama und schiebt dann nach jedem
Lebensabschnitt des Kirchenfürsten "Exkurse" ein, welche sich mit
grundsätzlichen Themen aus der tibetischen Geschichte und der
buddhistischen Lehre auseinandersetzen. Diese Exkurse erscheinen uns
besonders wichtig, da sie das widersprüchliche Umfeld skizzieren, in
welches das Leben des XIV Dalai Lama eingebettet ist.
Der erste Exkurs (15) beginnt
mit einer Darstellungen der menschenunwürdigen Lebensbedingungen im Alten
Tibet, die krass das hier im Westen vorherrschende und von den Exil-Lamas
(einschließlich dem Dalai Lama) geförderte Shangri La Bild einer
harmonischen Gesellschaft korrigieren. Im folgenden Exkurs
("Religiöser Wahnwitz", 37) wendet sich Goldner scharf gegen die
Karma Lehre. Nach dieser buddhistischen Doktrin wird das Leid der Menschen
als eine Strafe für vergangene Taten aus früheren Leben gerechtfertigt. Im
folgenden (47) erfahren wir wie die "Gelbmützen" (Gelugpa), die
staatstragende Mönchskaste Tibets, das Land diktatorisch und korrupt
verwaltet haben. Die Mehrzahl der Menschen lebte damals unter
katastrophalen Bedingungen. Das historische Lhasa - von dem heute in
buddhistischen Ökologiekreisen als einem Ökoparadies geschwärmt wird - war
ein ziemliches Schmutznest. Dies relativiere - so der Autor - die in aller
Welt geführte Klage der Exiltibeter über die Zerstörung der "alten
Bausubstanz" in der Hauptstadt durch die Chinesen. (30) Goldner zeigt
weiterhin auf (75), wie problematisch die Erziehung der "kleinen Mönchlein"
sein kann, die - schon im jüngsten Alter von ihren Eltern getrennt - in die
Klöster gesteckt werden und nennt deren "Tortur" ein
"Verbrechen an Kindern". "Systematisch" - so Goldner -
"werden in den Klöstern geistes- und seelenverkrüppelte Menschen
herangezüchtet". (77) Im folgenden Exkurs (85) erfahren wir Bekanntes
über die Faszination des Nazi-Okkultismus für das mystische Schneeland.
Über den spezifischen religionsphilosophischen Einfluss des tantrischen
Buddhismus auf die faschistische Esoterik berichtet der Autor jedoch nicht.
Dieses "dunkle" Kapitel ist ausführlich in unserem Buch
nachzulesen.
Goldners Version von der
"Phallokratie der Lamas - Sexualität und Tantra" (151) ist ein
mehr oder weniger mageres Exzerpt aus dem "Der Schatten des Dalai
Lama", zumal dieser Komplex unser "Königsthema" darstellt.
Wir sind aber selbstverständlich dankbar, dass er diesen Themenbereich
ebenfalls zur Sprache bringt. Neu in diesem Kapitel sind nur ein markantes
Zitat des Ostasienkundlers Thomas Hoppe über buddhistische Klöster und
eines des nationalsozialistischen Tibetreisenden Ernst Schäfer über ein
tantrisches Opferritual: "Homosexualität unter den Mönchen" -
schreibt Hoppe -, "zwischen Lehrer und Schüler, sexuelle Beziehungen
zwischen Mönchen und Nonnen, zwischen Mönchen und Frauen außerhalb des
Klosters, gehören zum Alltag dieser religiösen Anstalten ebenso wie
weltliche Geschäfte, Betrug und Machtkämpfe." (162) Schäfer weiß von
der grausamen, rituellen Ermordung gefangengenommener Chinesen zu berichten:
Man "riß ihnen die schlagenden Herzen aus dem Leib, opferte die
Gehirne auf den finsteren Altären der tantrischen Gottheiten und ließ mit
dem Blut der Schlachtopfer mystische Siegeszeichen auf Fahnen und
Feldzeichen schreiben." (166) Dieses Zitat bestätigt andere Berichte
von Tibetreisenden und bezeugt, dass im alten Tibet die tantrischen Rituale
nicht nur symbolisch, sondern auch real durchgeführt und dass die Tantras
"beim Wort" genommen wurden.
Weit ausführlicher als wir
behandelt Goldner dagegen den völkerrechtlichen Aspekt der Tibetfrage und
die Lebenssituation der Tibeter unter der aktuellen chinesischen
Verwaltung. Die drei diesbezüglichen Exkurse, welche mit "Verdrehung
der Fakten - I - II - III" überschrieben sind, zeigen an vielen Beispielen
wie die exiltibetische Propaganda seit Jahren so gut wie alle historischen
Tatsachen verfälscht, verdreht und zu ihren Gunsten zurechtgerückt hat.
Goldner lässt sich aus über das "Siebzehn-Punkte-Abkommen", CIA
und Guerilla, die Zahlen der von den Chinesen zerstörten Klöster, die
Sprachenfrage im heutigen Tibet, die fragwürdige These vom
"kulturellen Völkermord", er relativiert die "Überflutung
Tibets" durch die Han Chinesen, die Geburtenplanung und
Zwangsabtreibungen, und untersucht die "chinesischen Folter- KZ's"
usw. Indem er sehr darauf bedacht ist, jede pro-chinesische Position zu
überprüfen, liefert der Autor in diesen Kapiteln wertvolles gut
abgesichertes Faktenmaterial, das die Selbstdarstellung der Exiltibeter in
große Bedrängnis setzen wird. Diese drei "Faktenartikel" sind -
unserer Ansicht nach - das Schlagkräftigste in Goldners Analyse.
Es geschieht nicht oft genug,
dass man auf den Fall Asahara und seine enge Beziehung zum Dalai Lama
hinweist. Auch hier berichtet Goldner ausführlich (213), dennoch fehlt
bedauerlicherweise - wie im Kapitel über den Nazi-Okkultismus - eine
Erörterung der Frage, ob nicht gerade die Religionsphilosophie des
tibetischen Buddhismus den "Giftgasguru" zu seinen Handlungen
motiviert hat. Die von exiltibetischer Seite immer wieder vorgetragene
Behauptung, die Treffen des Dalai Lama mit Shoko Asahara seien "reiner
Zufall" gewesen, kann Goldner trotz seiner
"Beweismaterialien" nicht ganz aus der Welt schaffen. Erst wenn
sich belegen lässt - wie wir das in unserem Buch getan haben - dass Asahara
wesentlich vom tantrischen Buddhismus und vom Shambhala Mythos beeinflusst
war, fällt das "Zufallsargument" in sich zusammen.
Mit dem gleichen realistischen
Reduktionismus und mit säkularer Verachtung interpretiert Goldner die
Institution des Staatsorakels. Für ihn handelt es sich hierbei salopp um
einen "esoterischer Budenzauber". (125) Die staatspolitische
Mächtigkeit solcher religiösen Orakeleinrichtungen, die es auch im Imperium
Romanum gab, ist für ihn gar kein Thema.
Mit Fleiß hat Goldner alle
internationalen Stationen zusammengetragen, die der Dalai Lama seit seiner
Zeit im Westen besuchte. Die Liste ist in der Tat beachtlich, wenn auch
nicht unbekannt. Goldner zitiert immer wieder die "philosophischen
Plattitüden", mit denen der "Ozean der Weisheit" sein
Publikum begeistert. Dennoch klingt dies für uns nicht ganz überzeugend,
denn wir sind durchaus der Meinung, dass viele der sogenannten
"einfachen Wahrheiten", die der Dalai Lama von sich gibt, einen
Sinn haben und gerade wegen ihrer Unkompliziertheit wichtige Orientierungen
ausdrücken. Das Problem ist, dass sich der "Gottkönig" und seine
Mönchspriester weder in der Vergangenheit an ihre Weisheiten (religiöse
Toleranz, Humanismus, Gleichheit der Geschlechter) gehalten haben, noch
dass sie dies heute tun.
Witzig sind Goldners
umfangreichen Ausführungen über das "New Age" und die Tibetszene,
überschrieben mit "Esoterischer Firlefanz" und "Politik und
Speichelschlürfen". In diesem Kapitel werden auch wir durch den Kakao
gezogen (siehe unten). Trotzdem müssen wir Goldner zugestehen, dass er
einige treffende Milieuskizzen (Peter Michel vom Aquamarin Verlag, die
Friedensuniversität in Berlin, der TAGESZEITUNG [TAZ], der TIBETINITIATIVE
DEUTSCHLAND [TID]) gezeichnet hat, nur tut er dies zuweilen mit der
Verbissenheit eines Sektenjägers, der die gleiche Undifferenziertheit
aufweist wie sein "Jagdwild". Auf jeden Fall ist der Leser
erstaunt, wo sich die Tibetlobby überall eingenistet hat und das vor allem
bei Menschen, die "guten Willens" waren und oft aus einem
ähnlichen sozialpolitischen Milieu stammten, das auch einen Colin Goldener
und eine Jutta Ditfurth (eine weitere Kritikerin des Dalai Lama)
hervorgebracht hat. Auch Petra Kelly war "guten Willens" als sie
schrieb: "Meiner Meinung nach ist der Dalai Lama einer der sehr
wenigen männlichen Führer, die sanft und feministisch denken. (....) So
denken nur sehr wenige auf der Welt." (253) Ebenso aufrichtig mag
Luise Rinser gedacht haben als sie, dem "Gottkönig" die Hand
haltend, folgendes entgegengesetztes Gefühl hatte: "Der Dalai Lama ist
kein sanfter Mensch. Es ist eine geballte, gesammelte, höchst
disziplinierte männliche Kraft. Er sagt von sich selbst, er sei ein
zorniger Mann und durchaus nicht von Natur aus Pazifist" (369) Der
Dalai Lama ist nun mal ein Proteus, der bei den verschiedenen Damen in
derjenigen Gestalt erscheint, die von diesen am meisten gouttiert wird.
Deswegen brauchen die "Faszinierten" noch keine Dummköpfe sein,
wie sie Goldner ständig herunterqualifiziert. Was jetzt Not tut, ist eine
permanente und geduldige Aufklärung. Grobe Beschimpfungen der Eso- und Öko-
Szene (oder der TAZ) erscheinen uns nicht opportun.
Abgeschlossen wird sein Buch
mit persönlichen "Impressionen aus Dharamsala", in denen der
Autor sehr drastisch die sozialen Spannungen und ökologischen
Ungereimtheiten der tibetischen Enklave in Indien schildert. Soweit die
Fakten, für deren Wiederholung, Festigung und Erweiterung wir Colin Goldner
dankbar sind - kommen wir jetzt zur Goldnerischen Hermeneutik dieses Faktenmaterials:
"Säkulare Aufklärung" gegen "metapolitische
Aufklärung"
Goldner kritisiert unser Buch
wegen "Mangels an politischer Tiefenschärfe", er sieht darin eine
" religionswissenschaftliche und damit politisch völlig uninteressante
Arbeit", ja er entdeckt eine "letztlich doch wieder religions-
beziehungsweise buddhismus-apologetische Arbeit."
Wie kommt der Autor
zu dieser Einschätzung und ist diese berechtigt? Goldner selbst ist
säkularer Psychologe und lehnt die "Realität" einer
mythisch-mystischen Weltsicht von vornherein als reine
"Gehirnwäsche" ab. Im Gegensatz zu ihm gestehen wir dem
tibetischen Weltbild und dem Ritualwesen der Lamas unter zu definierenden
Bedingungen Macht und Durchsetzungskraft zu. Wir sind (wie C. G. Jung,
Mircea Eliade, Joseph Campbell und viele andere) davon überzeugt, dass
religiöse Mythen und Rituale auf die Geschichte der Menschen einwirken
können. Das ist die entscheidende Frage, die wir und Colin Goldner völlig
konträr beantworten. Dieser sieht als Agnostiker oder Atheist im Lamaismus
nichts als eine "reaktionäre Ideologie", die zu psychischen
Deformationen führt und ohne Abstriche zurückgewiesen werden muss. Das
okkulte Weltbild des tibetischen "Gottkönigs" und des Lamaismus
regt ihn zwar schrecklich auf und er glaubt - das ist eine Schwäche des
ganzen Buches - es mit heftigen Beschimpfungen bannen zu können: "Abstruses Geschwafel des
Dalai Lama" - "Aberwitz" - "pseudophilosophische
Dünnbrettbohrerei" - "Nonsens" - "esoterischer
Budenzauber" - "Ehrerbietungsschwulst" - "Irrwitz"
- "größte Blödsinn" - "Esoterischer Firlefanz" -
"Kasperltheater" - "Esoterikspinner" -
"esoterischer Schwachsinn". Mit derartigen bissigen und
nichtssagenden Angriffen ist nicht viel erreicht und die wertvolle
Faktensammlung in seinem Buch kann deswegen leicht von der Dalai Lama Lobby
heruntergespielt werden. Goldner verspielt sich damit selber eine Chance,
als kompetenter und seriöser Kenner der Materie aufzutreten.
Im Gegensatz zu ihm
sprechen wir von dem Einfluss religiöser Bilder und religiöser Rituale auf
die Geschichte und die Gesellschaft. Ein solcher Einfluss ist für uns eine Tatsache, die
jedoch - das müssen wir zugestehen - in der deutschen Kulturdebatte noch
nicht die gebührende Anerkennung gefunden hat. Das verhält sich im
angelsächsischen Sprachraum ganz anders.
Das anschaulichste Beispiel
dafür, dass Symbole und Mythen eine eminente Auswirkung auf das
gesellschaftliche Gefüge haben können, ist sicher der Nationalsozialismus, der
von Beginn an die prägende Kraft der Mythen benutzt und bewusst eingesetzt
hat, um ein aggressives und tödliches System aufzubauen. Angesichts der
Informationen über das okkulte Umfeld des Nationalsozialismus können wir
nicht so tun, als hätten nur soziale und psychologische Ursachen zum
Aufstieg der Nazis geführt. Es waren die rassistischen Mythen, es waren die
Götter Richard Wagners und okkulte Ideen aus dem theosophischen Umfeld, die
hier Hebammendienste geleistet haben. [siehe hierzu: Buddhismus
und Faschismus].
Ein Mythos ist nach
Ansicht des Renaissancegelehrten und Historiker Giambatista Vico ein
"phantastischer Gattungsbegriff" (C.G. Jung würde sagen ein
Archetypus) der prägend auf den Geschichtsverlauf einwirken kann. Jegliche
Kultur erscheint nach dieser Ansicht als ein Resultat vorgelagerter Mythen.
Wie man es nun nennen mag: "Archetypen" (C. G. Jung),
"Götter" (J.W. Goethe), "strukturelle Topik" (C.
Lévi-Strauss), "phantastische Gattungsbegriffe" (G. Vico) in
allen Fällen geht es um die geschichtsbildende Kraft des Mythos. Auf S. 384 seines Buches regt sich
Goldner darüber auf, dass wir geschrieben hätten, bei dem Shugden Konflikt,
der zur Zeit die tibetische Community erschüttert, handele es sich um den
"Krieg zweier Orakelgötter, welche die Macht auf Tibets Politik
anstreben". Das ist nun einmal die Sichtweise tibetischer Mönche und
nicht primär die unsere. Aber um die Denkwelt der Tantriker zu verstehen,
muss man ihre Texte und Aussagen so lesen, dass sie einen Sinn in ihrem
Gesamtsystem ergeben und dazu reicht nicht die Brille eines deutschen
Rationalisten. Zum Beispiel interpretiert Helmut Gassner, selber Mönch und
ehemaliger Deutschübersetzer des Dalai Lama, diesen "Krieg" wie
folgt: "Dieses [tibetische] Staatsorakel [ein Mann, der von einem
orakelnden Gott besessen wird] hatte persönliche Eifersucht gegen Dorje
Shugden. Obwohl das Staatsorakel in der Geschichte Tibets oft
schwerwiegende Fehlentscheidungen begründete, scheint der gegenwärtige
Dalai Lama auf Aussagen dieses Orakels zu vertrauen." (Siehe zu Helmut
Gassner seinen Vortrag bei der Friedrich Naumann
Stiftung.)
Für Giambattista
Vicos Geschichtetheorie sind die Mythen Paradigmata, die sich in den
historischen Ereignissen widerspiegeln. Dieses von einem neuplatonischen
Denken beeinflusstes Geschichtsverständnis liegt strukturell dem Denken der
europäischen Renaissance ebenso zugrunde, wie es seit Jahrhunderten das
Bewusstsein des tibetischen Buddhismus bestimmt und das heute erneut im
"postmodernen" Diskurs aufgegriffen wird.
Wir sind aber auf der anderen
Seite ebenfalls davon überzeugt, dass Mythen nicht blind übernommen werden
müssen, sondern kritisch aufgearbeitet und transformiert werden können.
Ernst Bloch sprach von der "dialektischen Veränderung" der
Mythen. Insofern bedienen wir uns eines "aufklärerischen
Rationalismus". Da jedoch die Mythen die Humangesellschaft wesentlich
"emotional" prägen (Mythen sind auch Dramaturgien der
menschlichen Seele), glauben wir nicht, dass es möglich ist, sie einfach
durch die Vernunft (per rationem) außer Kraft zu setzen. Deswegen
sind wir keine "reinen" Rationalisten. Sowohl die menschliche
Geschichte als auch die Psyche des Individuums lehren, dass sich die
Gesellschaft nicht allein nach Kriterien der Vernunft formen lässt und dass
wir auf Bilder, Affekte und Mysterien nicht verzichten können. Doch wir
sehen uns angesichts dieser Tatsache keineswegs gezwungen, die
traditionellen Bilder und Mysterienkulte kritiklos zu übernehmen. Wir sind
vielmehr davon überzeugt, dass der Mensch als ein kreatives Wesen einen
Einfluss auf die Mythen- und Paradigmenbildung hat, dass er bestehende und
überholte Mythen transformieren kann, dass er neue Mythen schaffen kann,
die kompatibel sind mit unserem humanpolitischen europäischen Erbe.
Neue Paradigmen
erscheinen uns nur dann als der Ausdruck eines "gefährlichen
Irrationalismus", wenn sie sich in den krassen Gegensatz zur condition
humaine stellen, das heißt, wenn sie Grundwerte des europäischen
Humanismus missachten. (Was - das versuchen wir in unserem Buch
nachzuweisen - für den tibetischen Buddhismus in seiner jetzigen Form noch
der Fall ist). Unsere These lautet deswegen: Mythos, Mystik und ein
ganzheitliches Weltbild (alles Ereignisse gegen die Goldner mit der Feder
zu Felde zieht) müssen weder der Aufklärung, noch dem Rationalismus, noch
dem Recht auf individuelle Freiheit widersprechen sondern können mit dem Humanum
eine fruchtbare Verbindung eingehen. Das ist im Übrigen ein Diskurs, der
auch in Kreisen des Neo- Buddhismus (zumindest nach außen hin) so geführt
wird und der deshalb dieses religiöse System für viele Westler so anziehend
macht. Aber - das haben wir in unserem Text nachgewiesen - weder der Dalai
Lama noch sein Klerus betreiben diesen Diskurs ehrlich, und sie denken gar
nicht daran, ihre atavistischen Dogmen, Mythen und Rituale zu reformieren.
(Zum Verhältnis von Mythos und Geschichte siehe unser Interview im BAYRISCHEN
RUNDFUNK.)
Wir stellen also
gegen Goldners "säkulare und polemische Aufklärung" eine
kritische "metapolitische Aufklärung", d.h. wir anerkennen die
Wirklichkeit eines mythisches Weltbildes, aber wir akzeptieren keineswegs
Mythen, welche sich gegen die "Würde des Menschen" richten.
Wir setzen uns mit den
"phantastischen Gattungsbegriffen" (Vico), sprich den
"Göttern", kritisch auseinander und machen uns - ausgehend von
dieser Kritik - Gedanken über eine Metamorphose der überholten
(repressiven) Bilder in den Traditionen. Deswegen sind wir auch im Gegensatz
zu Goldner der Überzeugung, dass ein religiöses System, wie der Tantrismus,
reformierbar ist und haben dazu im POSTSCRIPTUM unseres Buches einige vorsichtige Anmerkungen gemacht.
Ebenso wenig weisen wir die Akkulturation außereuropäischer
Wertvorstellungen und Denkansätze hier im Westen zurück, sondern begrüßen
geradezu einen interkulturellen und globalen Austausch - verlangen jedoch -
wir wiederholen es -, dass übernommene Werte und Anschauungen mit
humanpolitischen Grundforderungen (Menschenrechte, Gleichberechtigung der
Geschlechter, Freiheit des Individuum usw.) vereinbar sind.
"Religionswissenschaftliches Glasperlenspiel"
Auf den Seiten 333
bis 335 seines Buches geht Goldner auf meine Biographie (Victor
Trimondi/Herbert Röttgen) und mit wenigen Worten auch auf unser Buch ein.
Erstaunt waren wir, als wir uns im Kapitel "Die Tibet
Unterstützerszene" wiederfanden. Wir drucken hier den gesamten
Abschnitt, der uns betrifft, ab und kommentieren ihn anschliessend:
Röttgen und Röttgen
Anfang 199 legten die
AutorInnen Victor und Victoria Trimondi (Pseudonym für: Herbert und Mariana
Röttgen) eine
angeblich "fundierte,
kompromisslose Kritik des XIV Dalai Lama" vor. Den tibetischen
Buddhismus, so eine Werbebroschüre ihres Verlages, entlarven sie als
"einen im Kern atavistischen, fundamentalistischen, sexistischen und
faschistoiden Kulturentwurf". Das Buch der Röttgens, gleichwohl 816
Seiten stark, löst dieses Versprechen allerdings nicht annähernd ein. Es
stellt gerade keinen grundsätzlichen Diskurs über das Wesen und die
politischen beziehungsweise sozialen Auswirkungen des tibetischen
Buddhismus dar, vielmehr bewegen sich die AutorInnnen in ihrer
Argumentation innerhalb eines eng gesteckten theologischen Bezugsrahmens,
den sie an keiner Stelle verlassen. Nicht umsonst erschien das Werk im
Düsseldorfer Patmos Verlag, dessen Programm zu großen teilen aus Theologica
besteht: Die Auseinandersetzung mit der Röttgen-Arbeit bleibt, wie diese
selbst, ein rein religionswissenschaftliches Glasperlenspiel.
Im übrigen ist auch die
verlagsgestreute Behauptung, es habe, "mit Ausnahme seiner Erzfeinde,
der chinesischen Kommunisten", bislang kaum jemand gewagt, sich
kritisch mit der tibetischen "Lichtgestalt" zu befassen - die
Arbeit der Röttgens stelle mithin die erste ernsthafte Auseinandersetzung
mit dem "Schatten des Dalai Lama" (so der Titel des Buches) dar
-, unzutreffend. Am 20.11.1997 beispielsweise hatte das ARD-Magazin
Panorama die Affäre um die drei Lamas aufgegriffen, die Anfang des Jahres
in Dharamsala ermordet worden waren. In dem Beitrag waren durchaus auch
kritische Töne gegen den Dalai Lama angeschlagen worden, der als
Religionsspalter und Geschichtsklitterer dargestellt wurde. Aber auch schon
davor gab es Stimmen, die keineswegs in die allgemeinen
Begeisterungsausbrüche für den tibetischen "Gottkönig" einfielen.
Autor Colin Goldner [Goldner spricht hier - wie an vielen anderen Stellen
seines Buches - von sich in der Dritten Person] etwa befasst sich seit
Mitte der 1980er immer wieder mit dem tibetischen Buddhismus und dem Dalai
Lama, für seine Recherchen war er mehrfach und in der Summe über anderthalb
Jahre in Tibet, China, Nepal und Indien unterwegs. In seinen zahlreichen
Artikeln zur Esoterik- und Okkultismuskritik ging es, zumindest am Rande,
immer wieder auch um den Dalai Lama.
Auch Jutta Ditfurth, die
ursprünglich als Co-Autorin der vorliegenden Studie vorgesehen war, setzt
sich seit Jahren mit dem Häuptling der Gelbmützen auseinander. Zu Zeiten
als Herbert Röttgen noch liebedienerisch dessen Deutschland- und
Österreichtourneen organisierte - in den 1980er war er "seiner
Heiligkeit" in tiefer Verehrung zugetan gewesen -, hatte Ditfurth im
Vorstand der Grünen alle Hände voll zu tun, den Tibet Fanatismus Petra
Kellys einzudämmen.....
Was im übrigen Herbert Röttgen
(*1940), Aktivist der 68er Bewegung - er war (oder galt als) Vorreiter
eines maoistischen Kleinkampfkaders namens Die Arbeitersache und
begründete als solcher den Münchner Trikont Verlag -, Ende der
1970er in die Gefilde der Esoterik abdriften ließ - neben jeder Menge
Buddhismus- und Tibet-Geschwätz gibt es von ihm etwa auch Erkenntnisse zur
Magie der Mondphasen - , lässt sich nur erahnen. [Hierzu S. 440 Fußnote 758
v. Goldner: "Noch bevor sein Buch auf dem Markt war, wurde Herbert
Röttgen seitens der Tibet-Unterstützerszene heftig angegriffen. Vor allem
seine maoistische Vergangenheit wurde hervorgekramt und hochgespielt: 'Als
in Tibet nahezu alle Tempel und Klöster zerstört wurden, suchte Röttgen das
Heil der unterdrückten Völker dieser Erde in Peking.' Während der aktiven
Mitarbeit Röttgens in der Tibet-Szene hatte dies offenbar keine Rolle
gespielt."] Auch was später den erneuten Bruch in seiner Biographie
herbeiführte - plötzlich hält er den Dalai Lama, von dem er jahrelang
hellauf begeistert war -, für einen (macht-)geilen und korrupten Diktator
-, läßt sich erahnen, ist aber ebenso unwichtig; wiederkehrendes
politisches Bewusstsein war es jedenfalls nicht (am wenigsten im Interesse
der Volksrepublik China, wie ihm - blöder geht's nimmer - seitens der Tibet
Initiative Deutschland, mit der er jahrelang zusammengearbeitet hatte,
unterstellt wird). Zusammen mit seiner Frau Mariana (*1958), einer bis dato
wenig aufgefallenen Künstlerin und Hobbypsychologin, und gesponsert durch
den (inzwischen verstorbenen) Münchner Industriellen Hans Sauer (der im
Ruche mangelnder Distanz zu Scientology stand) legte Röttgen seine
letztlich doch wieder religions- beziehungsweise buddhismus-apologetische
Arbeit in der erzkatholischen Düsseldorfer Patmos-Verlagsgruppe vor (in
deren Programm sich auch die schmalzstriefende Dalai Lama Biographie Claude
Levensons wiederfindet; daneben Franz Alt oder Carl Gustav Jung).
Der Ungereimtheiten um die
Dalai Lama "Kritiker" Röttgen und Röttgen sind jedenfalls viele.
Höchst merkwürdig erscheint vor allem auch der Umstand, dass sie es
einerseits für nötig erachten, unter Pseudonym zu publizieren, andererseits
aber im Klappentext ihres Buches und in ihren Werbekampagnen ihre
tatsächliche Identität bereitwillig offenbaren. Gleichermaßen merkwürdig
(oder anmaßend, wie der Hamburger Tibetologe Jan Sobisch meint) ist das
Pseudonym selbst, das sie sich zugelegt haben: "Victor und Victoria
Trimondi" paraphrasiert einen Attributsbegriff Buddhas, der diesen als
"Sieger über die drei Welten" ausweist. Was die Röttgens in
dieser Gleichsetzung ihrer selbst mit Buddha (bzw. dem Dalai Lama)
beabsichtigt haben, ist indes nicht weiter wichtig; es läge die
Beantwortung dieser Frage vermutlich ohnehin in andersweltlichen Kategorien.
Trotz ihres Mangels an
politischer Tiefenschärfe löste die Arbeit der Röttgens heftige
Betriebsamkeit innerhalb der Szene aus: Boykottaufrufe, konzertierte
Schmähbriefaktionen, Androhungen rechtlicher Schritte. In den einschlägigen
Medien wurde das Buch erwartungsgemäß verrissen, Esotera
beispielsweise sprach den Röttgens jedwede Sachkenntnis ab, es ist von
"Vorurteilen", "Denkfehlern" und "perfiden
Spekulationen" die Rede. Der Münchener Religionswissenschaftler und
Dalai Lama Getreue Michael von Brück bastelte gar in Eile ein
"Gegenbuch" zusammen, in dem er den "phantastischen und
bizarren Fehlwahrnehmungen Tibets und des Dalai Lama" eine
"historisch analytische und ausgewogene Darstellung"
entgegenzusetzen vermeint. [siehe hierzu: Michael von
Brück] ............
Die Rolle übrigens, die die
Röttgens dem Dalai Lama innerhalb der vor dem Hintergrund des
Jugoslawienkrieges sich abzeichnenden Neuauflage des "Kalten
Krieges" zwischen den USA und China zuschreiben - sie sehen in ihm nicht
nur einen übriggebliebenen Bauern im Propaganda Schach der Großmächte,
sondern halten ihn (paranoiderweise) für den Drahtzieher einer weltweiten
buddhokratischen Verschwörung -, misst ihm eindeutig zu viel an politischer
Bedeutung zu."
Unser
Kommentar zum Glasperlenspiel:
Das Buch der
Röttgens, gleichwohl 816 Seiten stark, löst dieses Versprechen allerdings
nicht annähernd ein. Es stellt gerade keinen grundsätzlichen Diskurs über
das Wesen und die politischen beziehungsweise sozialen Auswirkungen des
tibetischen Buddhismus dar, vielmehr bewegen sich die AutorInnnen in ihrer
Argumentation innerhalb eines enggesteckten theologischen Bezugsrahmens,
den sie an keiner Stelle verlassen. Nicht umsonst erschien das Werk im
Düsseldorfer Patmos Verlag, dessen Programm zu großen teilen aus Theologica
besteht: Die Auseinandersetzung mit der Röttgen-Arbeit bleibt, wie diese
selbst, ein rein religionswissenschaftliches Glasperlenspiel.
Zum "eng gesteckten
theologischen Bezugsrahmen" und "religionswissenschaftliches
Glasperlenspiel" siehe oben: Säkulare Aufklärung gegen metapolitische Aufklärung.
"Religionswissenschaft" und "Theologica" sind für den
Säkularisten Goldner "enggesteckt". Hinter jeder Religion stehen
für ihn ausschließlich psychologisch erklärbare Motive und sozial-politisch
interessierte Machtgruppierungen oder Einzelpersonen, welche die
Gutgläubigkeit der Menschen für ihre eigenen Ambitionen einsetzen und
ausnutzen. Unter einer solchen Sicht ist "Der Fall des Dalai
Lama" kaum von großem "politischen" Interesse, denn es würde
sich dann bei ihm um einen Kasus der Pathologie und beim tibetischen
Buddhismus um ein gesellschaftlich irrelevantes "Glasperlenspiel"
handeln. Zum "Theologica" - Programm der
"erzkatholischen" Patmos Verlagsgruppe siehe: Buddhismusdebatte. Carl Gustav Jung ist für den
"Freudianer" (?) Goldner naturgemäß ein rotes Tuch.
Autor Colin
Goldner [Goldner spricht hier - wie an vielen anderen Stellen seines Buches
- von sich in der Dritten Person] etwa befasst sich seit Mitte der 1980er
immer wieder mit dem tibetischen Buddhismus und dem Dalai Lama, für seine
Recherchen war er mehrfach und in der Summe über ein-einhalb Jahre in
Tibet, China, Nepal und Indien unterwegs. In seinen zahlreichen Artikeln
zur Esoterik- und Okkultismuskritik ging es, zumindest am Rande, immer
wieder auch um den Dalai Lama. Auch Jutta Ditfurth, die ursprünglich als
Co-Autorin der vorliegenden Studie vorgesehen war, setzt sich seit Jahren
mit dem Häuptling der Gelbmützen auseinander.
Selbstverständlich gab es vor
unserem Buch Kritiken am Dalai Lama (auf die von Goldner erwähnten
Fernsehsendungen gehen wir ausführlich in unserem Text ein), aber eine
umfassende und grundsätzliche Auseinandersetzung mit seiner Person und
seinem religiösen System lag bisher nicht vor, nicht einmal im
angelsächsischen Sprachbereich. Der Patmos Verlag hat ja - wie Goldner
richtig zitiert - geschrieben, dass sich "kaum" jemand gewagt
habe, eine solche Kritik zu äußern. In der Legion von apologetischen Büchern
sind die wenigen Anti- Dalai - Lama Artikel von Ditfurth und Goldner, die
hier und dort zu Detailthemen publiziert wurden, eine Randerscheinung
geblieben und sind nie in die Tiefe der Problematik eingestiegen.
Man muss zwar zugestehen, dass
Jutta Ditfurth ihren kritischen Blick auf den Dalai Lama - etwa im
Gegensatz zu Petra Kelly - niemals aufgab. Aber das hat seine offenkundigen
Gründe im linken Dogmatismus der ehemaligen Grünen. Ebenso konsequent wie
stereotyp hielt und hält sie ihre marxistisch geprägte Religionskritik
aufrecht, während Petra Kelly und wir nach Modellen gesucht haben, in denen
sich Religion und soziales Engagement, Metaphysik und politische
Verantwortung miteinander verbinden lassen. Dass wir dabei dem Dalai Lama
"auf den Leim" gegangen sind, lag einerseits an dessen
geschickter Selbstinszenierung und anderseits an unserer Unkenntnis der
religiösen Mechanismen, die im Lamaismus wirksam sind. Als Entschuldigung
lässt sich vielleicht anführen, dass mittlerweile Hunderttausende dem
Charme des "Gottkönigs" verfallen sind und mit
Falschinformationen gefüttert werden. Umso erfreulicher müsste es doch
sein, dass wir uns jetzt aus dem "Zauber" lösen konnten. (Für
Goldner scheint es sich dabei um eine Schwäche zu handeln). Eine Kritik am Dalai
Lama und seinen Ritualen beinhaltet für uns jedoch keinesfalls eine globale
Ablehnung der Religion als solcher.
Zu Zeiten als
Herbert Röttgen noch liebedienerisch dessen Deutschland- und
Österreichtourneen organisierte - in den 1980er war er "seiner
Heiligkeit" in tiefer Verehrung zugetan gewesen -, hatte Ditfurth im
Vorstand der Grünen alle Hände voll zu tun, den Tibet Fanatismus Petra
Kellys einzudämmen.....
Ich (Victor Trimondi/Herbert
Röttgen) habe mich - wie Goldner mir vorwirft - dem Dalai Lama gegenüber
niemals "liebedienerisch" verhalten, noch war ich ihm jemals in
"tiefer Verehrung" zugetan. Ich habe nie "Zuflucht" in
der buddhistischen Lehre gesucht und wollte auch niemals Buddhist werden.
Der Dalai Lama war für mich ein Gleicher unter Gleichen, d. h. ein Religionsvertreter
wie jeder andere auch, nur versteht er es sehr brillant und besser wie kein
anderer, diese kongeniale Attitüde zu kultivieren. In den 80ern
unterstützten wir mit dem Dianus-Trikont-Verlages neben unserem Engagement
für die "bedrohten Völker" (darunter die Tibeter ebenso wie die
nordamerikanischen Indianer) den "interreligiösen Dialog", die
"Begegnung von Religion und Wissenschaft", das
"Weltethos" als den kategorischen Imperativ für alle
Weltanschauungen, die Begegnung der Kulturen. Wir hofften durch den
interkulturellen Diskurs die dringend notwendige Globalisierungsdebatte zu
fördern. Deswegen sind wir mit unserem Verlagsprogramm auch nie in die
Esoterik Szene "abgedriftet" - wie das Goldner kurzsichtig sieht.
Im Gegenteil - als der Dianus-Trikont-Verlag noch existierte - trug er hier
in Deutschland wesentlich zur sozial-politisch engagierten Ausrichtung
dieses Milieus bei, eine Orientierung, die heute für die Esoterik Szene
nicht mehr charakteristisch ist. [Siehe hierzu: unsere Biographien und unseren Brief an den Herausgeber
von ESOTERA].
In den 80er Jahren wurde der
Dalai Lama durch seine nach außen hin proklamierte "grenzenlose
Toleranz", durch das von ihm ständig wiederholte "Mitgefühlsgebot"
und durch seine offene Kommunikationsbereitschaft sehr wichtig und - wie er
selber von sich zu sagen pflegte - sehr "nützlich" für diesen
interkulturellen Dialog. Hinzukam die augenscheinliche Machtlosigkeit des
"einfachen und bescheidenen Mönchen" sowie das Bild vom
"unterdrückten Volk" der Tibeter. Sich hier zu engagieren,
entsprach ganz der Tradition des Trikont-Verlages. Weiterhin unterlagen
wir, wie so viele westliche Intellektuelle und Sympathisanten, der irrigen
Vorstellung, dass der Tantrismus (tantrische Buddhismus) die
Gleichberechtigung der Geschlechter im sakralen Raum kultiviere und dadurch
einzigartig im Spektrum der Religionen dastehe. [Siehe hierzu aus dem ORF - Interview unsere Antwort auf die Frage: Warum haben Sie das Buch
geschrieben?] Das, was wir nicht in Rechnung gezogen hatten, war das
lamaistische Ritualwesen und die aggressive Ideologie dieses Systems. In
der zunehmenden Auseinandersetzung mit dem tibetischen Buddhismus und einem
intensiven Studium der tibetischen Geschichte mussten wir jedoch erkennen,
dass der ritualmagische, mythische, visionäre ja selbst mystische
"Hintergrund" des Lamaismus globalpolitische Absichten verfolgt.
Die Lamas wollen nicht nur die Machtinteressen ihrer Priesterschicht
verankern (wie das Ditfurth und Goldner sehen) sondern ebenso den dahinter
stehenden Gottheiten eine weltweite Anerkennung und Verehrung verschaffen.
Insofern ist unsere Kritik am Dalai Lama sowohl theologisch als auch
politisch - eine Kombination, ohne die der Lamaismus als ein klassisch
"theokratisches" oder besser "buddhokratisches" System,
welches sich seit Jahrhunderten selber so versteht, überhaupt nicht erfasst
werden kann.
Aktivist der 68er
Bewegung - er war (oder galt als) Vorreiter eines maoistischen
Kleinkampfkaders namens Die Arbeitersache und begründete als solcher
den Münchner Trikont Verlag -, Ende der 1970er in die Gefilde der
Esoterik abdriften ließ - neben jeder Menge Buddhismus- und Tibet-Geschwätz
gibt es von ihm etwa auch Erkenntnisse zur Magie der Mondphasen - , lässt
sich nur erahnen.
Die Arbeitersache
war kein "maoistischer Kleinkampfkader" sondern eine
"Spontigruppe" und zählte zum antiautoritären Milieu, aus dem
Politiker wie Cohn Bendit und Joschka Fischer herkommen und aus dem die
Grünen hervorgegangen sind. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dies Colin
Goldner nicht gewusst hat. Der Maoismus- Vorwurf ist eine Gespenst, das die
Tibetlobby zur Zeit über mich verbreitet und das Goldner, aus welchen
Gründen auch immer, aufgreift. Auch wenn wir im Trikont Verlag die
"Mao Bibel" vertrieben haben, so hieß das ebenso wenig, dass wir
eingeschworene Maoisten waren, wie dass wir eingeschworene Buddhisten
gewesen sind, als wir einige Jahre später Schriften des Dalai Lama publiziert
haben.
... gesponsert
durch den (inzwischen verstorbenen) Münchner Industriellen Hans Sauer (der
im Ruche mangelnder Distanz zu Scientology stand).
Obige Bemerkung
über Hans Sauer und seine Stiftung, die unsere Arbeit gesponsert hat, soll uns
und unser Buch offensichtlich in die Nähe der Scientologen bringen. Das ist
ebenso billig wie entsprechende Anschuldigungen der Tibetlobby, wir seien
Maoisten, und füllt die bisherige Liste der monetären Drahtzieher, die von
den Hobbydetektiven der lamaistischen Szene ausfindig gemacht wurden,
hinter unserer Arbeit weiter auf: Chinesen, Vatikan (der Papst und Kardinal
Ratzinger persönlich), evangelische Kirche, Großindustrie (wegen ihrer
Geschäfte mit China), Scientology. Vielleicht - so sollte sich Goldner
fragen - hat uns gar der Dalai Lama für unsere
"buddhismus-apologetische" Arbeit aus eigener Tasche oder noch
besser aus unterschlagenen Spendengeldern bezahlt? Im Übrigen wird der Scientology Vorwurf
in der Fußnote 759 am Ende des Goldner-Buches wieder herausgestrichen. Dort
heißt es (O - Ton Goldner): "Wie die Tochter Sauers, Monika
Sachtleben, seit dem Tod ihres Vaters im Jahre 1996 im Vorstand der Hans -
Sauer - Stiftung, mitteilte, habe dieser, wenn überhaupt, Scientology
niemals bewusst unterstützt; allenfalls sei denkbar, dass er,
unwissentlich, wer da, wie so viele andere Bittsteller, an ihn
herangetreten sei, einer der zahllosen scientologischen Tarnorganisationen
etwas gespendet habe. Der Scientology Church sei er stets ablehnend
gegenübergestanden." (S. 440, Fußn. 759) Goldner scheint unter einem
Scientology Wahn zu leiden.
Die Rolle
übrigens, die die Röttgens dem Dalai Lama innerhalb der vor dem Hintergrund
des Jugoslawienkrieges sich abzeichnenden Neuauflage des "Kalten
Krieges" zwischen den USA und China zuschreiben - sie sehen in ihm
nicht nur einen übriggebliebenen Bauern im Propaganda Schach der
Großmächte, sondern halten ihn (paranoiderweise) für den Drahtzieher einer
weltweiten buddhokratischen Verschwörung -, misst ihm eindeutig zu viel an
politischer Bedeutung zu.
Im Zusammenhang mit dem
Kosovokonflikt haben wir den Dalai Lama nicht als "Drahtzieher"
dargestellt, sondern darauf hingewiesen, dass sich die Tibetfrage (als
solche) leicht zu einer Gefahr für den Weltfrieden entwickeln kann. Eine
Neuauflage des Kalten Krieges zwischen den USA und China war nach der
Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad als Thema in aller
Munde. Aus rechten Kreisen der USA, die übrigens sehr gute Kontakte mit den
Exiltibetern pflegen, konnte man bedrohliche Stimmen hören. Auch der Dalai
Lama wurde mit diesem Vergleich auf seiner Deutschlandreise konfrontiert
und von Journalisten darauf angesprochen. Entsprechend seiner Reputation
lehnte er eine "Intervention wie im Kosovo" für Tibet ab. (FAZ -
23. Juni 1999) Was von solchen Gewaltverzichterklärungen zu halten ist -
das steht auf einem anderen Blatt. Die Aktualität des Themas ist dadurch
nicht aus der Welt und keine "paranoide"
Verschwörungstheorie von uns, sondern eine Uninformiertheit von Goldner.
Hier unser Text, der auch ihm zugänglich gemacht wurde:
# Es gibt viele
machtpolitische und strukturelle Parallelen zwischen Tibet und dem Kosovo,
die darauf aufmerksam machen sollten, dass man hier mit einem gefährlichen
Sprengstoff spielt. Ein "unterdrücktes Volk" (Tibeter - Albaner);
eine "bedrohte religiöse Minderheit" (Buddhismus - Islam); die
"Menschenrechtsverletzungen" (durch die Chinesen - durch die
Serben); das "Flüchtlingsproblem"; die ungeklärten "Autonomie-
und Souveränitätsansprüche" in den eigenen Reihen (Tibeter - Albaner);
Fraktionen, die den bewaffneten Kampf fordern anstatt einer politischen
Lösung (UCK - tibetische Befreiungsfront); in beiden Fällen ein
"nationalistisches Reich" im Konflikt mit dem Westen (Serbien -
China), schwache demokratische Oppositionen (in China - in Serbien), hohe
Machtansprüche der USA, in beiden Fällen die Kontroverse mit China - die
Liste solcher Entsprechungen zwischen Beijing und Belgrad, Tibet und dem
Kosovo ließe sich lange fortsetzen und es gibt weite Kreise in den USA, die
zur Zeit einen solchen Vergleich offen und gerne kultivieren. Dieser hat
durch die NATO - Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad, die
nukleare Spionage Affäre, durch den erneut ausgebrochenen Indien - Pakistan
Konflikt (der eine Kollision USA - China evozieren kann) eine gefährliche
Aktualität erhalten. In der FAZ vom 26.05 ist über den
"Spionagefall" Folgendes zu lesen: Er "wird trotzdem für
eine politische Attacke gegen China und die China Politik des
amerikanischen Präsidenten benutzt. Er trägt eine weitere Facette zum
Feindbild China bei, das mehrheitlich republikanische Kreise seit langem zu
malen bemüht sind. Die unleugbaren Differenzen zwischen China und den
Vereinigten Staaten in Sachen Handel, Menschenrechte und Proliferation
sollen nun noch durch die Dimension einer militärischen Bedrohung erweitert
werden. Die Volksrepublik ist in der internationalen Gemeinschaft wahrlich
kein Musterknabe. Doch eine nüchterne Abwägung ihrer Interessen und realen
Möglichkeiten ist einer China Politik dienlicher als das verbreiten wenig
fundierter Bedrohungsszenarien." Mit umgekehrtem Vorzeichen wird
der Vergleich Kosovo- Tibet auch von Seiten der Chinesen kultiviert. #
Gleichermaßen
merkwürdig (oder anmaßend, wie der Hamburger Tibetologe Jan Sobisch meint)
ist das Pseudonym selbst, das sie sich zugelegt haben: "Victor und
Victoria Trimondi" paraphrasiert einen Attributsbegriff Buddhas, der
diesen als "Sieger über die drei Welten" ausweist. Was die
Röttgens in dieser Gleichsetzung ihrer selbst mit Buddha (bzw. dem Dalai
Lama) beabsichtigt haben, ist indes nicht weiter wichtig; es läge die
Beantwortung dieser Frage vermutlich ohnehin in andersweltlichen
Kategorien.
Zu unserm Pseudonym
"Victor und Victoria Trimondi" siehe unter: Biographien.
Zusammenfassend
möchten wir - trotz aller geäußerter Bedenken - noch einmal betonen, dass
wir in der unkritischen Einöde der Buddhismusdebatte das Goldner Buch für
eine wichtige Quelle halten.
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