Der Schatten des Dalai Lama

Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus

 

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MEDIEN 13

COLIN GOLDNER

Morddrohungen aus der Buddhistenszene?

Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs


Morddrohungen aus der Buddhistenszene?

In einer E-mail vom 10. 04. 2000 informiert Colin Goldner die Öffentlichkeit:

Seit Erscheinen meines Buches über den Dalai Lama und den tibetischen Buddhismus bin ich endloser Beschimpfung, Schmähung und Bedrohung ausgesetzt. Nachdem ich vor geraumem ein Huhn mit abgeschnittenem Kopf zugesandt bekam, wurde nun ein weiterer Höhepunkt erreicht: im größten deutschsprachigen Buddhistenmagazin "ursache&wirkung" (1/2000) werde ich von Herausgeber Peter Riedl in einer Weise beschimpft, die jenseits allen erträglichen Maßes liegt: nicht nur sei ich primitiv und geistesgestört, ich sei darüber hinaus Rassist und Nazi. Laut O-ton Riedl schriebe ich "über die Probleme Tibets, wie ein überzeugter Nazi über die Probleme Israels schreiben würde (...) der (...) Blick Goldners ist eindeutig rassistisch (...) so wie die Nazis die Juden verunglimpften, geht Goldner mit den Tibetern um". Ansonsten Verdrehungen, Falschzitate, Verleumdungen etc. pp. mit derlei Tiraden leistet Riedl den Droh- und Schmähübergriffen gegen mich und meine MitarbeiterInnen Vorschub: Morddrohungen aus religiös-fanatisierter Ecke - wie ich sie aus der Buddhisten-Szene bekommen habe - sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich habe gegen Riedl Strafanzeige erstattet. bitte tragen Sie dazu bei, dass das tatsächliche Gesicht des (tibetischen) Buddhismus, das in der Regel hinter einem Schleier von "Friedfertigkeit" und "Toleranz" verborgen wird, an die Öffentlichkeit kommt.

Colin Goldner


Colin Goldner

Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs

Inhalt des Goldner Buches

"Säkulare Aufklärung" gegen "metapolitische Aufklärung"

Religionswissenschaftliches Glasperlenspiel

Unser Kommentar zum Glasperlenspiel

Das Buch von Colin Goldner, das schon im Frühjahr dieses Jahres publiziert werden sollte und auf das wir mit Spannung gewartet hatten, ist jetzt (September 1999) erschienen. Wir halten es für einen wichtigen Beitrag, um die kaum begonnene Buddhismusdebatte in Gang zu halten und auszuweiten. Insbesondere erlöst uns dieses Buch von dem immer wieder in der Öffentlichkeit von Seiten der Tibetlobby wiederholten Vorwurf, wir hätten unsere Fakten erfunden und sie wären die Ausgeburt unserer Phantasie. Auch wenn Goldner - wie wir gleich zeigen werden - eine völlig andere Interpretation des Stoffes hat wie wir und uns deswegen angreift - bestätigt er seitenlang durch unanfechtbare Fundstellen das von uns schon zusammengetragene Tatsachenmaterial und ergänzt es um einige interessante Dokumente. Selbst wenn er nicht etwas aufregend Neues zu berichten weiß, so ist seine artikulierte Kritik am Lamaismus doch von großer Bedeutung, denn die Dalai-Lama-Unterstützerszene versucht jedwede Diskussion (durch Diffamierungen und Unterstellungen) zu unterbinden und hat überall im deutschsprachigen Raum zum Boykott unseres Buches aufgerufen. Erneut konfrontiert mit dem Text von Colin Goldner wird sie sich immer schwerer tun, die angeschnittene Thematik zu vertuschen beziehungsweise falsch darzustellen, insbesondere weil - wie wir erfahren haben - sich im nächsten Jahr neue kritische Stimmen zu Wort melden werden.

Inhalt des Goldner Buches:

Goldner schildert in seinem Buch chronologisch die Biographie des XIV Dalai Lama und schiebt dann nach jedem Lebensabschnitt des Kirchenfürsten "Exkurse" ein, welche sich mit grundsätzlichen Themen aus der tibetischen Geschichte und der buddhistischen Lehre auseinandersetzen. Diese Exkurse erscheinen uns besonders wichtig, da sie das widersprüchliche Umfeld skizzieren, in welches das Leben des XIV Dalai Lama eingebettet ist.

Der erste Exkurs (15) beginnt mit einer Darstellungen der menschenunwürdigen Lebensbedingungen im Alten Tibet, die krass das hier im Westen vorherrschende und von den Exil-Lamas (einschließlich dem Dalai Lama) geförderte Shangri La Bild einer harmonischen Gesellschaft korrigieren. Im folgenden Exkurs ("Religiöser Wahnwitz", 37) wendet sich Goldner scharf gegen die Karma Lehre. Nach dieser buddhistischen Doktrin wird das Leid der Menschen als eine Strafe für vergangene Taten aus früheren Leben gerechtfertigt. Im folgenden (47) erfahren wir wie die "Gelbmützen" (Gelugpa), die staatstragende Mönchskaste Tibets, das Land diktatorisch und korrupt verwaltet haben. Die Mehrzahl der Menschen lebte damals unter katastrophalen Bedingungen. Das historische Lhasa - von dem heute in buddhistischen Ökologiekreisen als einem Ökoparadies geschwärmt wird - war ein ziemliches Schmutznest. Dies relativiere - so der Autor - die in aller Welt geführte Klage der Exiltibeter über die Zerstörung der "alten Bausubstanz" in der Hauptstadt durch die Chinesen. (30) Goldner zeigt weiterhin auf (75), wie problematisch die Erziehung der "kleinen Mönchlein" sein kann, die - schon im jüngsten Alter von ihren Eltern getrennt - in die Klöster gesteckt werden und nennt deren "Tortur" ein "Verbrechen an Kindern". "Systematisch" - so Goldner - "werden in den Klöstern geistes- und seelenverkrüppelte Menschen herangezüchtet". (77) Im folgenden Exkurs (85) erfahren wir Bekanntes über die Faszination des Nazi-Okkultismus für das mystische Schneeland. Über den spezifischen religionsphilosophischen Einfluss des tantrischen Buddhismus auf die faschistische Esoterik berichtet der Autor jedoch nicht. Dieses "dunkle" Kapitel ist ausführlich in unserem Buch nachzulesen.

Goldners Version von der "Phallokratie der Lamas - Sexualität und Tantra" (151) ist ein mehr oder weniger mageres Exzerpt aus dem "Der Schatten des Dalai Lama", zumal dieser Komplex unser "Königsthema" darstellt. Wir sind aber selbstverständlich dankbar, dass er diesen Themenbereich ebenfalls zur Sprache bringt. Neu in diesem Kapitel sind nur ein markantes Zitat des Ostasienkundlers Thomas Hoppe über buddhistische Klöster und eines des nationalsozialistischen Tibetreisenden Ernst Schäfer über ein tantrisches Opferritual: "Homosexualität unter den Mönchen" - schreibt Hoppe -, "zwischen Lehrer und Schüler, sexuelle Beziehungen zwischen Mönchen und Nonnen, zwischen Mönchen und Frauen außerhalb des Klosters, gehören zum Alltag dieser religiösen Anstalten ebenso wie weltliche Geschäfte, Betrug und Machtkämpfe." (162) Schäfer weiß von der grausamen, rituellen Ermordung gefangengenommener Chinesen zu berichten: Man "riß ihnen die schlagenden Herzen aus dem Leib, opferte die Gehirne auf den finsteren Altären der tantrischen Gottheiten und ließ mit dem Blut der Schlachtopfer mystische Siegeszeichen auf Fahnen und Feldzeichen schreiben." (166) Dieses Zitat bestätigt andere Berichte von Tibetreisenden und bezeugt, dass im alten Tibet die tantrischen Rituale nicht nur symbolisch, sondern auch real durchgeführt und dass die Tantras "beim Wort" genommen wurden.

Weit ausführlicher als wir behandelt Goldner dagegen den völkerrechtlichen Aspekt der Tibetfrage und die Lebenssituation der Tibeter unter der aktuellen chinesischen Verwaltung. Die drei diesbezüglichen Exkurse, welche mit "Verdrehung der Fakten - I - II - III" überschrieben sind, zeigen an vielen Beispielen wie die exiltibetische Propaganda seit Jahren so gut wie alle historischen Tatsachen verfälscht, verdreht und zu ihren Gunsten zurechtgerückt hat. Goldner lässt sich aus über das "Siebzehn-Punkte-Abkommen", CIA und Guerilla, die Zahlen der von den Chinesen zerstörten Klöster, die Sprachenfrage im heutigen Tibet, die fragwürdige These vom "kulturellen Völkermord", er relativiert die "Überflutung Tibets" durch die Han Chinesen, die Geburtenplanung und Zwangsabtreibungen, und untersucht die "chinesischen Folter- KZ's" usw. Indem er sehr darauf bedacht ist, jede pro-chinesische Position zu überprüfen, liefert der Autor in diesen Kapiteln wertvolles gut abgesichertes Faktenmaterial, das die Selbstdarstellung der Exiltibeter in große Bedrängnis setzen wird. Diese drei "Faktenartikel" sind - unserer Ansicht nach - das Schlagkräftigste in Goldners Analyse.

Es geschieht nicht oft genug, dass man auf den Fall Asahara und seine enge Beziehung zum Dalai Lama hinweist. Auch hier berichtet Goldner ausführlich (213), dennoch fehlt bedauerlicherweise - wie im Kapitel über den Nazi-Okkultismus - eine Erörterung der Frage, ob nicht gerade die Religionsphilosophie des tibetischen Buddhismus den "Giftgasguru" zu seinen Handlungen motiviert hat. Die von exiltibetischer Seite immer wieder vorgetragene Behauptung, die Treffen des Dalai Lama mit Shoko Asahara seien "reiner Zufall" gewesen, kann Goldner trotz seiner "Beweismaterialien" nicht ganz aus der Welt schaffen. Erst wenn sich belegen lässt - wie wir das in unserem Buch getan haben - dass Asahara wesentlich vom tantrischen Buddhismus und vom Shambhala Mythos beeinflusst war, fällt das "Zufallsargument" in sich zusammen.

Mit dem gleichen realistischen Reduktionismus und mit säkularer Verachtung interpretiert Goldner die Institution des Staatsorakels. Für ihn handelt es sich hierbei salopp um einen "esoterischer Budenzauber". (125) Die staatspolitische Mächtigkeit solcher religiösen Orakeleinrichtungen, die es auch im Imperium Romanum gab, ist für ihn gar kein Thema.

Mit Fleiß hat Goldner alle internationalen Stationen zusammengetragen, die der Dalai Lama seit seiner Zeit im Westen besuchte. Die Liste ist in der Tat beachtlich, wenn auch nicht unbekannt. Goldner zitiert immer wieder die "philosophischen Plattitüden", mit denen der "Ozean der Weisheit" sein Publikum begeistert. Dennoch klingt dies für uns nicht ganz überzeugend, denn wir sind durchaus der Meinung, dass viele der sogenannten "einfachen Wahrheiten", die der Dalai Lama von sich gibt, einen Sinn haben und gerade wegen ihrer Unkompliziertheit wichtige Orientierungen ausdrücken. Das Problem ist, dass sich der "Gottkönig" und seine Mönchspriester weder in der Vergangenheit an ihre Weisheiten (religiöse Toleranz, Humanismus, Gleichheit der Geschlechter) gehalten haben, noch dass sie dies heute tun.

Witzig sind Goldners umfangreichen Ausführungen über das "New Age" und die Tibetszene, überschrieben mit "Esoterischer Firlefanz" und "Politik und Speichelschlürfen". In diesem Kapitel werden auch wir durch den Kakao gezogen (siehe unten). Trotzdem müssen wir Goldner zugestehen, dass er einige treffende Milieuskizzen (Peter Michel vom Aquamarin Verlag, die Friedensuniversität in Berlin, der TAGESZEITUNG [TAZ], der TIBETINITIATIVE DEUTSCHLAND [TID]) gezeichnet hat, nur tut er dies zuweilen mit der Verbissenheit eines Sektenjägers, der die gleiche Undifferenziertheit aufweist wie sein "Jagdwild". Auf jeden Fall ist der Leser erstaunt, wo sich die Tibetlobby überall eingenistet hat und das vor allem bei Menschen, die "guten Willens" waren und oft aus einem ähnlichen sozialpolitischen Milieu stammten, das auch einen Colin Goldener und eine Jutta Ditfurth (eine weitere Kritikerin des Dalai Lama) hervorgebracht hat. Auch Petra Kelly war "guten Willens" als sie schrieb: "Meiner Meinung nach ist der Dalai Lama einer der sehr wenigen männlichen Führer, die sanft und feministisch denken. (....) So denken nur sehr wenige auf der Welt." (253) Ebenso aufrichtig mag Luise Rinser gedacht haben als sie, dem "Gottkönig" die Hand haltend, folgendes entgegengesetztes Gefühl hatte: "Der Dalai Lama ist kein sanfter Mensch. Es ist eine geballte, gesammelte, höchst disziplinierte männliche Kraft. Er sagt von sich selbst, er sei ein zorniger Mann und durchaus nicht von Natur aus Pazifist" (369) Der Dalai Lama ist nun mal ein Proteus, der bei den verschiedenen Damen in derjenigen Gestalt erscheint, die von diesen am meisten gouttiert wird. Deswegen brauchen die "Faszinierten" noch keine Dummköpfe sein, wie sie Goldner ständig herunterqualifiziert. Was jetzt Not tut, ist eine permanente und geduldige Aufklärung. Grobe Beschimpfungen der Eso- und Öko- Szene (oder der TAZ) erscheinen uns nicht opportun.

Abgeschlossen wird sein Buch mit persönlichen "Impressionen aus Dharamsala", in denen der Autor sehr drastisch die sozialen Spannungen und ökologischen Ungereimtheiten der tibetischen Enklave in Indien schildert. Soweit die Fakten, für deren Wiederholung, Festigung und Erweiterung wir Colin Goldner dankbar sind - kommen wir jetzt zur Goldnerischen Hermeneutik dieses Faktenmaterials:

"Säkulare Aufklärung" gegen "metapolitische Aufklärung"

Goldner kritisiert unser Buch wegen "Mangels an politischer Tiefenschärfe", er sieht darin eine " religionswissenschaftliche und damit politisch völlig uninteressante Arbeit", ja er entdeckt eine "letztlich doch wieder religions- beziehungsweise buddhismus-apologetische Arbeit."

Wie kommt der Autor zu dieser Einschätzung und ist diese berechtigt? Goldner selbst ist säkularer Psychologe und lehnt die "Realität" einer mythisch-mystischen Weltsicht von vornherein als reine "Gehirnwäsche" ab. Im Gegensatz zu ihm gestehen wir dem tibetischen Weltbild und dem Ritualwesen der Lamas unter zu definierenden Bedingungen Macht und Durchsetzungskraft zu. Wir sind (wie C. G. Jung, Mircea Eliade, Joseph Campbell und viele andere) davon überzeugt, dass religiöse Mythen und Rituale auf die Geschichte der Menschen einwirken können. Das ist die entscheidende Frage, die wir und Colin Goldner völlig konträr beantworten. Dieser sieht als Agnostiker oder Atheist im Lamaismus nichts als eine "reaktionäre Ideologie", die zu psychischen Deformationen führt und ohne Abstriche zurückgewiesen werden muss. Das okkulte Weltbild des tibetischen "Gottkönigs" und des Lamaismus regt ihn zwar schrecklich auf und er glaubt - das ist eine Schwäche des ganzen Buches - es mit heftigen Beschimpfungen bannen zu können: "Abstruses Geschwafel des Dalai Lama" - "Aberwitz" - "pseudophilosophische Dünnbrettbohrerei" - "Nonsens" - "esoterischer Budenzauber" - "Ehrerbietungsschwulst" - "Irrwitz" - "größte Blödsinn" - "Esoterischer Firlefanz" - "Kasperltheater" - "Esoterikspinner" - "esoterischer Schwachsinn". Mit derartigen bissigen und nichtssagenden Angriffen ist nicht viel erreicht und die wertvolle Faktensammlung in seinem Buch kann deswegen leicht von der Dalai Lama Lobby heruntergespielt werden. Goldner verspielt sich damit selber eine Chance, als kompetenter und seriöser Kenner der Materie aufzutreten.

Im Gegensatz zu ihm sprechen wir von dem Einfluss religiöser Bilder und religiöser Rituale auf die Geschichte und die Gesellschaft. Ein solcher Einfluss ist für uns eine Tatsache, die jedoch - das müssen wir zugestehen - in der deutschen Kulturdebatte noch nicht die gebührende Anerkennung gefunden hat. Das verhält sich im angelsächsischen Sprachraum ganz anders.

Das anschaulichste Beispiel dafür, dass Symbole und Mythen eine eminente Auswirkung auf das gesellschaftliche Gefüge haben können, ist sicher der Nationalsozialismus, der von Beginn an die prägende Kraft der Mythen benutzt und bewusst eingesetzt hat, um ein aggressives und tödliches System aufzubauen. Angesichts der Informationen über das okkulte Umfeld des Nationalsozialismus können wir nicht so tun, als hätten nur soziale und psychologische Ursachen zum Aufstieg der Nazis geführt. Es waren die rassistischen Mythen, es waren die Götter Richard Wagners und okkulte Ideen aus dem theosophischen Umfeld, die hier Hebammendienste geleistet haben. [siehe hierzu: Buddhismus und Faschismus].

Ein Mythos ist nach Ansicht des Renaissancegelehrten und Historiker Giambatista Vico ein "phantastischer Gattungsbegriff" (C.G. Jung würde sagen ein Archetypus) der prägend auf den Geschichtsverlauf einwirken kann. Jegliche Kultur erscheint nach dieser Ansicht als ein Resultat vorgelagerter Mythen. Wie man es nun nennen mag: "Archetypen" (C. G. Jung), "Götter" (J.W. Goethe), "strukturelle Topik" (C. Lévi-Strauss), "phantastische Gattungsbegriffe" (G. Vico) in allen Fällen geht es um die geschichtsbildende Kraft des Mythos. Auf S. 384 seines Buches regt sich Goldner darüber auf, dass wir geschrieben hätten, bei dem Shugden Konflikt, der zur Zeit die tibetische Community erschüttert, handele es sich um den "Krieg zweier Orakelgötter, welche die Macht auf Tibets Politik anstreben". Das ist nun einmal die Sichtweise tibetischer Mönche und nicht primär die unsere. Aber um die Denkwelt der Tantriker zu verstehen, muss man ihre Texte und Aussagen so lesen, dass sie einen Sinn in ihrem Gesamtsystem ergeben und dazu reicht nicht die Brille eines deutschen Rationalisten. Zum Beispiel interpretiert Helmut Gassner, selber Mönch und ehemaliger Deutschübersetzer des Dalai Lama, diesen "Krieg" wie folgt: "Dieses [tibetische] Staatsorakel [ein Mann, der von einem orakelnden Gott besessen wird] hatte persönliche Eifersucht gegen Dorje Shugden. Obwohl das Staatsorakel in der Geschichte Tibets oft schwerwiegende Fehlentscheidungen begründete, scheint der gegenwärtige Dalai Lama auf Aussagen dieses Orakels zu vertrauen." (Siehe zu Helmut Gassner seinen Vortrag bei der Friedrich Naumann Stiftung.)

Für Giambattista Vicos Geschichtetheorie sind die Mythen Paradigmata, die sich in den historischen Ereignissen widerspiegeln. Dieses von einem neuplatonischen Denken beeinflusstes Geschichtsverständnis liegt strukturell dem Denken der europäischen Renaissance ebenso zugrunde, wie es seit Jahrhunderten das Bewusstsein des tibetischen Buddhismus bestimmt und das heute erneut im "postmodernen" Diskurs aufgegriffen wird.

Wir sind aber auf der anderen Seite ebenfalls davon überzeugt, dass Mythen nicht blind übernommen werden müssen, sondern kritisch aufgearbeitet und transformiert werden können. Ernst Bloch sprach von der "dialektischen Veränderung" der Mythen. Insofern bedienen wir uns eines "aufklärerischen Rationalismus". Da jedoch die Mythen die Humangesellschaft wesentlich "emotional" prägen (Mythen sind auch Dramaturgien der menschlichen Seele), glauben wir nicht, dass es möglich ist, sie einfach durch die Vernunft (per rationem) außer Kraft zu setzen. Deswegen sind wir keine "reinen" Rationalisten. Sowohl die menschliche Geschichte als auch die Psyche des Individuums lehren, dass sich die Gesellschaft nicht allein nach Kriterien der Vernunft formen lässt und dass wir auf Bilder, Affekte und Mysterien nicht verzichten können. Doch wir sehen uns angesichts dieser Tatsache keineswegs gezwungen, die traditionellen Bilder und Mysterienkulte kritiklos zu übernehmen. Wir sind vielmehr davon überzeugt, dass der Mensch als ein kreatives Wesen einen Einfluss auf die Mythen- und Paradigmenbildung hat, dass er bestehende und überholte Mythen transformieren kann, dass er neue Mythen schaffen kann, die kompatibel sind mit unserem humanpolitischen europäischen Erbe.

Neue Paradigmen erscheinen uns nur dann als der Ausdruck eines "gefährlichen Irrationalismus", wenn sie sich in den krassen Gegensatz zur condition humaine stellen, das heißt, wenn sie Grundwerte des europäischen Humanismus missachten. (Was - das versuchen wir in unserem Buch nachzuweisen - für den tibetischen Buddhismus in seiner jetzigen Form noch der Fall ist). Unsere These lautet deswegen: Mythos, Mystik und ein ganzheitliches Weltbild (alles Ereignisse gegen die Goldner mit der Feder zu Felde zieht) müssen weder der Aufklärung, noch dem Rationalismus, noch dem Recht auf individuelle Freiheit widersprechen sondern können mit dem Humanum eine fruchtbare Verbindung eingehen. Das ist im Übrigen ein Diskurs, der auch in Kreisen des Neo- Buddhismus (zumindest nach außen hin) so geführt wird und der deshalb dieses religiöse System für viele Westler so anziehend macht. Aber - das haben wir in unserem Text nachgewiesen - weder der Dalai Lama noch sein Klerus betreiben diesen Diskurs ehrlich, und sie denken gar nicht daran, ihre atavistischen Dogmen, Mythen und Rituale zu reformieren. (Zum Verhältnis von Mythos und Geschichte siehe unser Interview im BAYRISCHEN RUNDFUNK.)

Wir stellen also gegen Goldners "säkulare und polemische Aufklärung" eine kritische "metapolitische Aufklärung", d.h. wir anerkennen die Wirklichkeit eines mythisches Weltbildes, aber wir akzeptieren keineswegs Mythen, welche sich gegen die "Würde des Menschen" richten.

Wir setzen uns mit den "phantastischen Gattungsbegriffen" (Vico), sprich den "Göttern", kritisch auseinander und machen uns - ausgehend von dieser Kritik - Gedanken über eine Metamorphose der überholten (repressiven) Bilder in den Traditionen. Deswegen sind wir auch im Gegensatz zu Goldner der Überzeugung, dass ein religiöses System, wie der Tantrismus, reformierbar ist und haben dazu im POSTSCRIPTUM unseres Buches einige vorsichtige Anmerkungen gemacht. Ebenso wenig weisen wir die Akkulturation außereuropäischer Wertvorstellungen und Denkansätze hier im Westen zurück, sondern begrüßen geradezu einen interkulturellen und globalen Austausch - verlangen jedoch - wir wiederholen es -, dass übernommene Werte und Anschauungen mit humanpolitischen Grundforderungen (Menschenrechte, Gleichberechtigung der Geschlechter, Freiheit des Individuum usw.) vereinbar sind.


"Religionswissenschaftliches Glasperlenspiel"

Auf den Seiten 333 bis 335 seines Buches geht Goldner auf meine Biographie (Victor Trimondi/Herbert Röttgen) und mit wenigen Worten auch auf unser Buch ein. Erstaunt waren wir, als wir uns im Kapitel "Die Tibet Unterstützerszene" wiederfanden. Wir drucken hier den gesamten Abschnitt, der uns betrifft, ab und kommentieren ihn anschliessend:

Röttgen und Röttgen

Anfang 199 legten die AutorInnen Victor und Victoria Trimondi (Pseudonym für: Herbert und Mariana Röttgen) eine

angeblich "fundierte, kompromisslose Kritik des XIV Dalai Lama" vor. Den tibetischen Buddhismus, so eine Werbebroschüre ihres Verlages, entlarven sie als "einen im Kern atavistischen, fundamentalistischen, sexistischen und faschistoiden Kulturentwurf". Das Buch der Röttgens, gleichwohl 816 Seiten stark, löst dieses Versprechen allerdings nicht annähernd ein. Es stellt gerade keinen grundsätzlichen Diskurs über das Wesen und die politischen beziehungsweise sozialen Auswirkungen des tibetischen Buddhismus dar, vielmehr bewegen sich die AutorInnnen in ihrer Argumentation innerhalb eines eng gesteckten theologischen Bezugsrahmens, den sie an keiner Stelle verlassen. Nicht umsonst erschien das Werk im Düsseldorfer Patmos Verlag, dessen Programm zu großen teilen aus Theologica besteht: Die Auseinandersetzung mit der Röttgen-Arbeit bleibt, wie diese selbst, ein rein religionswissenschaftliches Glasperlenspiel.

Im übrigen ist auch die verlagsgestreute Behauptung, es habe, "mit Ausnahme seiner Erzfeinde, der chinesischen Kommunisten", bislang kaum jemand gewagt, sich kritisch mit der tibetischen "Lichtgestalt" zu befassen - die Arbeit der Röttgens stelle mithin die erste ernsthafte Auseinandersetzung mit dem "Schatten des Dalai Lama" (so der Titel des Buches) dar -, unzutreffend. Am 20.11.1997 beispielsweise hatte das ARD-Magazin Panorama die Affäre um die drei Lamas aufgegriffen, die Anfang des Jahres in Dharamsala ermordet worden waren. In dem Beitrag waren durchaus auch kritische Töne gegen den Dalai Lama angeschlagen worden, der als Religionsspalter und Geschichtsklitterer dargestellt wurde. Aber auch schon davor gab es Stimmen, die keineswegs in die allgemeinen Begeisterungsausbrüche für den tibetischen "Gottkönig" einfielen. Autor Colin Goldner [Goldner spricht hier - wie an vielen anderen Stellen seines Buches - von sich in der Dritten Person] etwa befasst sich seit Mitte der 1980er immer wieder mit dem tibetischen Buddhismus und dem Dalai Lama, für seine Recherchen war er mehrfach und in der Summe über anderthalb Jahre in Tibet, China, Nepal und Indien unterwegs. In seinen zahlreichen Artikeln zur Esoterik- und Okkultismuskritik ging es, zumindest am Rande, immer wieder auch um den Dalai Lama.

Auch Jutta Ditfurth, die ursprünglich als Co-Autorin der vorliegenden Studie vorgesehen war, setzt sich seit Jahren mit dem Häuptling der Gelbmützen auseinander. Zu Zeiten als Herbert Röttgen noch liebedienerisch dessen Deutschland- und Österreichtourneen organisierte - in den 1980er war er "seiner Heiligkeit" in tiefer Verehrung zugetan gewesen -, hatte Ditfurth im Vorstand der Grünen alle Hände voll zu tun, den Tibet Fanatismus Petra Kellys einzudämmen.....

Was im übrigen Herbert Röttgen (*1940), Aktivist der 68er Bewegung - er war (oder galt als) Vorreiter eines maoistischen Kleinkampfkaders namens Die Arbeitersache und begründete als solcher den Münchner Trikont Verlag -, Ende der 1970er in die Gefilde der Esoterik abdriften ließ - neben jeder Menge Buddhismus- und Tibet-Geschwätz gibt es von ihm etwa auch Erkenntnisse zur Magie der Mondphasen - , lässt sich nur erahnen. [Hierzu S. 440 Fußnote 758 v. Goldner: "Noch bevor sein Buch auf dem Markt war, wurde Herbert Röttgen seitens der Tibet-Unterstützerszene heftig angegriffen. Vor allem seine maoistische Vergangenheit wurde hervorgekramt und hochgespielt: 'Als in Tibet nahezu alle Tempel und Klöster zerstört wurden, suchte Röttgen das Heil der unterdrückten Völker dieser Erde in Peking.' Während der aktiven Mitarbeit Röttgens in der Tibet-Szene hatte dies offenbar keine Rolle gespielt."] Auch was später den erneuten Bruch in seiner Biographie herbeiführte - plötzlich hält er den Dalai Lama, von dem er jahrelang hellauf begeistert war -, für einen (macht-)geilen und korrupten Diktator -, läßt sich erahnen, ist aber ebenso unwichtig; wiederkehrendes politisches Bewusstsein war es jedenfalls nicht (am wenigsten im Interesse der Volksrepublik China, wie ihm - blöder geht's nimmer - seitens der Tibet Initiative Deutschland, mit der er jahrelang zusammengearbeitet hatte, unterstellt wird). Zusammen mit seiner Frau Mariana (*1958), einer bis dato wenig aufgefallenen Künstlerin und Hobbypsychologin, und gesponsert durch den (inzwischen verstorbenen) Münchner Industriellen Hans Sauer (der im Ruche mangelnder Distanz zu Scientology stand) legte Röttgen seine letztlich doch wieder religions- beziehungsweise buddhismus-apologetische Arbeit in der erzkatholischen Düsseldorfer Patmos-Verlagsgruppe vor (in deren Programm sich auch die schmalzstriefende Dalai Lama Biographie Claude Levensons wiederfindet; daneben Franz Alt oder Carl Gustav Jung).

Der Ungereimtheiten um die Dalai Lama "Kritiker" Röttgen und Röttgen sind jedenfalls viele. Höchst merkwürdig erscheint vor allem auch der Umstand, dass sie es einerseits für nötig erachten, unter Pseudonym zu publizieren, andererseits aber im Klappentext ihres Buches und in ihren Werbekampagnen ihre tatsächliche Identität bereitwillig offenbaren. Gleichermaßen merkwürdig (oder anmaßend, wie der Hamburger Tibetologe Jan Sobisch meint) ist das Pseudonym selbst, das sie sich zugelegt haben: "Victor und Victoria Trimondi" paraphrasiert einen Attributsbegriff Buddhas, der diesen als "Sieger über die drei Welten" ausweist. Was die Röttgens in dieser Gleichsetzung ihrer selbst mit Buddha (bzw. dem Dalai Lama) beabsichtigt haben, ist indes nicht weiter wichtig; es läge die Beantwortung dieser Frage vermutlich ohnehin in andersweltlichen Kategorien.

Trotz ihres Mangels an politischer Tiefenschärfe löste die Arbeit der Röttgens heftige Betriebsamkeit innerhalb der Szene aus: Boykottaufrufe, konzertierte Schmähbriefaktionen, Androhungen rechtlicher Schritte. In den einschlägigen Medien wurde das Buch erwartungsgemäß verrissen, Esotera beispielsweise sprach den Röttgens jedwede Sachkenntnis ab, es ist von "Vorurteilen", "Denkfehlern" und "perfiden Spekulationen" die Rede. Der Münchener Religionswissenschaftler und Dalai Lama Getreue Michael von Brück bastelte gar in Eile ein "Gegenbuch" zusammen, in dem er den "phantastischen und bizarren Fehlwahrnehmungen Tibets und des Dalai Lama" eine "historisch analytische und ausgewogene Darstellung" entgegenzusetzen vermeint. [siehe hierzu: Michael von Brück] ............

Die Rolle übrigens, die die Röttgens dem Dalai Lama innerhalb der vor dem Hintergrund des Jugoslawienkrieges sich abzeichnenden Neuauflage des "Kalten Krieges" zwischen den USA und China zuschreiben - sie sehen in ihm nicht nur einen übriggebliebenen Bauern im Propaganda Schach der Großmächte, sondern halten ihn (paranoiderweise) für den Drahtzieher einer weltweiten buddhokratischen Verschwörung -, misst ihm eindeutig zu viel an politischer Bedeutung zu."


Unser Kommentar zum Glasperlenspiel:

Das Buch der Röttgens, gleichwohl 816 Seiten stark, löst dieses Versprechen allerdings nicht annähernd ein. Es stellt gerade keinen grundsätzlichen Diskurs über das Wesen und die politischen beziehungsweise sozialen Auswirkungen des tibetischen Buddhismus dar, vielmehr bewegen sich die AutorInnnen in ihrer Argumentation innerhalb eines enggesteckten theologischen Bezugsrahmens, den sie an keiner Stelle verlassen. Nicht umsonst erschien das Werk im Düsseldorfer Patmos Verlag, dessen Programm zu großen teilen aus Theologica besteht: Die Auseinandersetzung mit der Röttgen-Arbeit bleibt, wie diese selbst, ein rein religionswissenschaftliches Glasperlenspiel.

Zum "eng gesteckten theologischen Bezugsrahmen" und "religionswissenschaftliches Glasperlenspiel" siehe oben: Säkulare Aufklärung gegen metapolitische Aufklärung. "Religionswissenschaft" und "Theologica" sind für den Säkularisten Goldner "enggesteckt". Hinter jeder Religion stehen für ihn ausschließlich psychologisch erklärbare Motive und sozial-politisch interessierte Machtgruppierungen oder Einzelpersonen, welche die Gutgläubigkeit der Menschen für ihre eigenen Ambitionen einsetzen und ausnutzen. Unter einer solchen Sicht ist "Der Fall des Dalai Lama" kaum von großem "politischen" Interesse, denn es würde sich dann bei ihm um einen Kasus der Pathologie und beim tibetischen Buddhismus um ein gesellschaftlich irrelevantes "Glasperlenspiel" handeln. Zum "Theologica" - Programm der "erzkatholischen" Patmos Verlagsgruppe siehe: Buddhismusdebatte. Carl Gustav Jung ist für den "Freudianer" (?) Goldner naturgemäß ein rotes Tuch.

Autor Colin Goldner [Goldner spricht hier - wie an vielen anderen Stellen seines Buches - von sich in der Dritten Person] etwa befasst sich seit Mitte der 1980er immer wieder mit dem tibetischen Buddhismus und dem Dalai Lama, für seine Recherchen war er mehrfach und in der Summe über ein-einhalb Jahre in Tibet, China, Nepal und Indien unterwegs. In seinen zahlreichen Artikeln zur Esoterik- und Okkultismuskritik ging es, zumindest am Rande, immer wieder auch um den Dalai Lama. Auch Jutta Ditfurth, die ursprünglich als Co-Autorin der vorliegenden Studie vorgesehen war, setzt sich seit Jahren mit dem Häuptling der Gelbmützen auseinander.

Selbstverständlich gab es vor unserem Buch Kritiken am Dalai Lama (auf die von Goldner erwähnten Fernsehsendungen gehen wir ausführlich in unserem Text ein), aber eine umfassende und grundsätzliche Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem religiösen System lag bisher nicht vor, nicht einmal im angelsächsischen Sprachbereich. Der Patmos Verlag hat ja - wie Goldner richtig zitiert - geschrieben, dass sich "kaum" jemand gewagt habe, eine solche Kritik zu äußern. In der Legion von apologetischen Büchern sind die wenigen Anti- Dalai - Lama Artikel von Ditfurth und Goldner, die hier und dort zu Detailthemen publiziert wurden, eine Randerscheinung geblieben und sind nie in die Tiefe der Problematik eingestiegen.

Man muss zwar zugestehen, dass Jutta Ditfurth ihren kritischen Blick auf den Dalai Lama - etwa im Gegensatz zu Petra Kelly - niemals aufgab. Aber das hat seine offenkundigen Gründe im linken Dogmatismus der ehemaligen Grünen. Ebenso konsequent wie stereotyp hielt und hält sie ihre marxistisch geprägte Religionskritik aufrecht, während Petra Kelly und wir nach Modellen gesucht haben, in denen sich Religion und soziales Engagement, Metaphysik und politische Verantwortung miteinander verbinden lassen. Dass wir dabei dem Dalai Lama "auf den Leim" gegangen sind, lag einerseits an dessen geschickter Selbstinszenierung und anderseits an unserer Unkenntnis der religiösen Mechanismen, die im Lamaismus wirksam sind. Als Entschuldigung lässt sich vielleicht anführen, dass mittlerweile Hunderttausende dem Charme des "Gottkönigs" verfallen sind und mit Falschinformationen gefüttert werden. Umso erfreulicher müsste es doch sein, dass wir uns jetzt aus dem "Zauber" lösen konnten. (Für Goldner scheint es sich dabei um eine Schwäche zu handeln). Eine Kritik am Dalai Lama und seinen Ritualen beinhaltet für uns jedoch keinesfalls eine globale Ablehnung der Religion als solcher.

Zu Zeiten als Herbert Röttgen noch liebedienerisch dessen Deutschland- und Österreichtourneen organisierte - in den 1980er war er "seiner Heiligkeit" in tiefer Verehrung zugetan gewesen -, hatte Ditfurth im Vorstand der Grünen alle Hände voll zu tun, den Tibet Fanatismus Petra Kellys einzudämmen.....

Ich (Victor Trimondi/Herbert Röttgen) habe mich - wie Goldner mir vorwirft - dem Dalai Lama gegenüber niemals "liebedienerisch" verhalten, noch war ich ihm jemals in "tiefer Verehrung" zugetan. Ich habe nie "Zuflucht" in der buddhistischen Lehre gesucht und wollte auch niemals Buddhist werden. Der Dalai Lama war für mich ein Gleicher unter Gleichen, d. h. ein Religionsvertreter wie jeder andere auch, nur versteht er es sehr brillant und besser wie kein anderer, diese kongeniale Attitüde zu kultivieren. In den 80ern unterstützten wir mit dem Dianus-Trikont-Verlages neben unserem Engagement für die "bedrohten Völker" (darunter die Tibeter ebenso wie die nordamerikanischen Indianer) den "interreligiösen Dialog", die "Begegnung von Religion und Wissenschaft", das "Weltethos" als den kategorischen Imperativ für alle Weltanschauungen, die Begegnung der Kulturen. Wir hofften durch den interkulturellen Diskurs die dringend notwendige Globalisierungsdebatte zu fördern. Deswegen sind wir mit unserem Verlagsprogramm auch nie in die Esoterik Szene "abgedriftet" - wie das Goldner kurzsichtig sieht. Im Gegenteil - als der Dianus-Trikont-Verlag noch existierte - trug er hier in Deutschland wesentlich zur sozial-politisch engagierten Ausrichtung dieses Milieus bei, eine Orientierung, die heute für die Esoterik Szene nicht mehr charakteristisch ist. [Siehe hierzu: unsere Biographien und unseren Brief an den Herausgeber von ESOTERA].

In den 80er Jahren wurde der Dalai Lama durch seine nach außen hin proklamierte "grenzenlose Toleranz", durch das von ihm ständig wiederholte "Mitgefühlsgebot" und durch seine offene Kommunikationsbereitschaft sehr wichtig und - wie er selber von sich zu sagen pflegte - sehr "nützlich" für diesen interkulturellen Dialog. Hinzukam die augenscheinliche Machtlosigkeit des "einfachen und bescheidenen Mönchen" sowie das Bild vom "unterdrückten Volk" der Tibeter. Sich hier zu engagieren, entsprach ganz der Tradition des Trikont-Verlages. Weiterhin unterlagen wir, wie so viele westliche Intellektuelle und Sympathisanten, der irrigen Vorstellung, dass der Tantrismus (tantrische Buddhismus) die Gleichberechtigung der Geschlechter im sakralen Raum kultiviere und dadurch einzigartig im Spektrum der Religionen dastehe. [Siehe hierzu aus dem ORF - Interview unsere Antwort auf die Frage: Warum haben Sie das Buch geschrieben?] Das, was wir nicht in Rechnung gezogen hatten, war das lamaistische Ritualwesen und die aggressive Ideologie dieses Systems. In der zunehmenden Auseinandersetzung mit dem tibetischen Buddhismus und einem intensiven Studium der tibetischen Geschichte mussten wir jedoch erkennen, dass der ritualmagische, mythische, visionäre ja selbst mystische "Hintergrund" des Lamaismus globalpolitische Absichten verfolgt. Die Lamas wollen nicht nur die Machtinteressen ihrer Priesterschicht verankern (wie das Ditfurth und Goldner sehen) sondern ebenso den dahinter stehenden Gottheiten eine weltweite Anerkennung und Verehrung verschaffen. Insofern ist unsere Kritik am Dalai Lama sowohl theologisch als auch politisch - eine Kombination, ohne die der Lamaismus als ein klassisch "theokratisches" oder besser "buddhokratisches" System, welches sich seit Jahrhunderten selber so versteht, überhaupt nicht erfasst werden kann.

Aktivist der 68er Bewegung - er war (oder galt als) Vorreiter eines maoistischen Kleinkampfkaders namens Die Arbeitersache und begründete als solcher den Münchner Trikont Verlag -, Ende der 1970er in die Gefilde der Esoterik abdriften ließ - neben jeder Menge Buddhismus- und Tibet-Geschwätz gibt es von ihm etwa auch Erkenntnisse zur Magie der Mondphasen - , lässt sich nur erahnen.

Die Arbeitersache war kein "maoistischer Kleinkampfkader" sondern eine "Spontigruppe" und zählte zum antiautoritären Milieu, aus dem Politiker wie Cohn Bendit und Joschka Fischer herkommen und aus dem die Grünen hervorgegangen sind. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dies Colin Goldner nicht gewusst hat. Der Maoismus- Vorwurf ist eine Gespenst, das die Tibetlobby zur Zeit über mich verbreitet und das Goldner, aus welchen Gründen auch immer, aufgreift. Auch wenn wir im Trikont Verlag die "Mao Bibel" vertrieben haben, so hieß das ebenso wenig, dass wir eingeschworene Maoisten waren, wie dass wir eingeschworene Buddhisten gewesen sind, als wir einige Jahre später Schriften des Dalai Lama publiziert haben.

... gesponsert durch den (inzwischen verstorbenen) Münchner Industriellen Hans Sauer (der im Ruche mangelnder Distanz zu Scientology stand).

Obige Bemerkung über Hans Sauer und seine Stiftung, die unsere Arbeit gesponsert hat, soll uns und unser Buch offensichtlich in die Nähe der Scientologen bringen. Das ist ebenso billig wie entsprechende Anschuldigungen der Tibetlobby, wir seien Maoisten, und füllt die bisherige Liste der monetären Drahtzieher, die von den Hobbydetektiven der lamaistischen Szene ausfindig gemacht wurden, hinter unserer Arbeit weiter auf: Chinesen, Vatikan (der Papst und Kardinal Ratzinger persönlich), evangelische Kirche, Großindustrie (wegen ihrer Geschäfte mit China), Scientology. Vielleicht - so sollte sich Goldner fragen - hat uns gar der Dalai Lama für unsere "buddhismus-apologetische" Arbeit aus eigener Tasche oder noch besser aus unterschlagenen Spendengeldern bezahlt? Im Übrigen wird der Scientology Vorwurf in der Fußnote 759 am Ende des Goldner-Buches wieder herausgestrichen. Dort heißt es (O - Ton Goldner): "Wie die Tochter Sauers, Monika Sachtleben, seit dem Tod ihres Vaters im Jahre 1996 im Vorstand der Hans - Sauer - Stiftung, mitteilte, habe dieser, wenn überhaupt, Scientology niemals bewusst unterstützt; allenfalls sei denkbar, dass er, unwissentlich, wer da, wie so viele andere Bittsteller, an ihn herangetreten sei, einer der zahllosen scientologischen Tarnorganisationen etwas gespendet habe. Der Scientology Church sei er stets ablehnend gegenübergestanden." (S. 440, Fußn. 759) Goldner scheint unter einem Scientology Wahn zu leiden.

Die Rolle übrigens, die die Röttgens dem Dalai Lama innerhalb der vor dem Hintergrund des Jugoslawienkrieges sich abzeichnenden Neuauflage des "Kalten Krieges" zwischen den USA und China zuschreiben - sie sehen in ihm nicht nur einen übriggebliebenen Bauern im Propaganda Schach der Großmächte, sondern halten ihn (paranoiderweise) für den Drahtzieher einer weltweiten buddhokratischen Verschwörung -, misst ihm eindeutig zu viel an politischer Bedeutung zu.

Im Zusammenhang mit dem Kosovokonflikt haben wir den Dalai Lama nicht als "Drahtzieher" dargestellt, sondern darauf hingewiesen, dass sich die Tibetfrage (als solche) leicht zu einer Gefahr für den Weltfrieden entwickeln kann. Eine Neuauflage des Kalten Krieges zwischen den USA und China war nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad als Thema in aller Munde. Aus rechten Kreisen der USA, die übrigens sehr gute Kontakte mit den Exiltibetern pflegen, konnte man bedrohliche Stimmen hören. Auch der Dalai Lama wurde mit diesem Vergleich auf seiner Deutschlandreise konfrontiert und von Journalisten darauf angesprochen. Entsprechend seiner Reputation lehnte er eine "Intervention wie im Kosovo" für Tibet ab. (FAZ - 23. Juni 1999) Was von solchen Gewaltverzichterklärungen zu halten ist - das steht auf einem anderen Blatt. Die Aktualität des Themas ist dadurch nicht aus der Welt und keine "paranoide" Verschwörungstheorie von uns, sondern eine Uninformiertheit von Goldner. Hier unser Text, der auch ihm zugänglich gemacht wurde:

# Es gibt viele machtpolitische und strukturelle Parallelen zwischen Tibet und dem Kosovo, die darauf aufmerksam machen sollten, dass man hier mit einem gefährlichen Sprengstoff spielt. Ein "unterdrücktes Volk" (Tibeter - Albaner); eine "bedrohte religiöse Minderheit" (Buddhismus - Islam); die "Menschenrechtsverletzungen" (durch die Chinesen - durch die Serben); das "Flüchtlingsproblem"; die ungeklärten "Autonomie- und Souveränitätsansprüche" in den eigenen Reihen (Tibeter - Albaner); Fraktionen, die den bewaffneten Kampf fordern anstatt einer politischen Lösung (UCK - tibetische Befreiungsfront); in beiden Fällen ein "nationalistisches Reich" im Konflikt mit dem Westen (Serbien - China), schwache demokratische Oppositionen (in China - in Serbien), hohe Machtansprüche der USA, in beiden Fällen die Kontroverse mit China - die Liste solcher Entsprechungen zwischen Beijing und Belgrad, Tibet und dem Kosovo ließe sich lange fortsetzen und es gibt weite Kreise in den USA, die zur Zeit einen solchen Vergleich offen und gerne kultivieren. Dieser hat durch die NATO - Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad, die nukleare Spionage Affäre, durch den erneut ausgebrochenen Indien - Pakistan Konflikt (der eine Kollision USA - China evozieren kann) eine gefährliche Aktualität erhalten. In der FAZ vom 26.05 ist über den "Spionagefall" Folgendes zu lesen: Er "wird trotzdem für eine politische Attacke gegen China und die China Politik des amerikanischen Präsidenten benutzt. Er trägt eine weitere Facette zum Feindbild China bei, das mehrheitlich republikanische Kreise seit langem zu malen bemüht sind. Die unleugbaren Differenzen zwischen China und den Vereinigten Staaten in Sachen Handel, Menschenrechte und Proliferation sollen nun noch durch die Dimension einer militärischen Bedrohung erweitert werden. Die Volksrepublik ist in der internationalen Gemeinschaft wahrlich kein Musterknabe. Doch eine nüchterne Abwägung ihrer Interessen und realen Möglichkeiten ist einer China Politik dienlicher als das verbreiten wenig fundierter Bedrohungsszenarien." Mit umgekehrtem Vorzeichen wird der Vergleich Kosovo- Tibet auch von Seiten der Chinesen kultiviert. #

Gleichermaßen merkwürdig (oder anmaßend, wie der Hamburger Tibetologe Jan Sobisch meint) ist das Pseudonym selbst, das sie sich zugelegt haben: "Victor und Victoria Trimondi" paraphrasiert einen Attributsbegriff Buddhas, der diesen als "Sieger über die drei Welten" ausweist. Was die Röttgens in dieser Gleichsetzung ihrer selbst mit Buddha (bzw. dem Dalai Lama) beabsichtigt haben, ist indes nicht weiter wichtig; es läge die Beantwortung dieser Frage vermutlich ohnehin in andersweltlichen Kategorien.

Zu unserm Pseudonym "Victor und Victoria Trimondi" siehe unter: Biographien.

Zusammenfassend möchten wir - trotz aller geäußerter Bedenken - noch einmal betonen, dass wir in der unkritischen Einöde der Buddhismusdebatte das Goldner Buch für eine wichtige Quelle halten.


 

 

 

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