TRIMONDI-NEWSLETTER

Januar bis Juni 2006

Politik, Kultur, Religion, Terror

im Zeichen der Apokalypse

 

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NEWSLETTER-INDEX

 

Diese Website warnt vor Autoren, Staatsmännern, Religionsführern, Populisten, Theologen, Künstlern, Terroristen, Militärs und Medienvertretern, die mit endzeitlich-messianischen Ideologien Politik und Kultur machen. Sie zeigt in der Form einer ständig aktualisierten Chronik, dass sich der militante Messianismus schon weltweit in allen Glaubensrichtungen ausgebreitet hat, wie er viele Millionen von Amerikanern und Muslimen in seinen Bann schlägt, wie er ständig auf die israelische und palästinensische Nahost-Politik Einfluss nimmt und wie er dabei ist, auf Europa überzugreifen. Über die ideologischen und dogmatischen Grundlagen, die Aktualität und den politischen Einfluss des religiösen Endzeit-Wahns berichtet ausführlich unser Buch Krieg der Religionen . Falls Sie Interesse daran haben, unseren aktualisierten Newsletter auf Ihre E-mail Box zu erhalten, setzen Sie sich mit uns in Verbindung.

 

Victor und Victoria Trimondi

 

 

 


Christlicher Fundamentalismus - 14. Juni 2006

 

Eine Gänsehaut vom Anti-Christen

Weshalb der 06. Juni 2006 in der amerikanischen Presse ein großes Thema war

 

Eigentlich hätte dieser Newsletter 8 Tage früher erscheinen sollen, am 06.06.06. Aber uns war das hier behandelte Problemfeld noch nicht bewusst. Als wir die Nachrichten bei Google durchstöberten, fiel uns erst gestern auf, dass das Datum vom 06.06.06 ein weltweites Gerede über die Apokalypse ausgelöst hat. 

 

Ursache hiefür ist die folgende Stelle aus der Johannesoffenbarung, die von dem apokalyptischen Tier spricht: „Hier braucht man Kenntnis. Wer Verstand hat, berechne den Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens; seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.“ – heißt es dort. (Apokalypse 13: 18) Das apokalyptische Tier wird gemeinhin mit dem Anti-Christen gleichgesetzt. Die Zahl des Tieres ist demnach die Zahl des Anti-Christen: 666.

 

Spekulationen über die Zahl 666 gehören schon seit Jahrzehnten zur popular culture, meint der Mediensoziologe Robert Thompson von der Syracuse University in New York. „Sie werden meist mit einem spaßhaften  Unterton angesprochen. Aber zur gleichen Zeit rufen sie bei den Leuten eine Art Gänsehaut hervor. Ich kenne einige sehr rationale Personen, die sehr nervös werden, wenn ihre Telephonnummer oder ihr Nummerschild eine 666 aufweist.“

 

Die Medien haben den Thrill, den die Zahl und ihr entsprechendes Datum auslösten, sehr wohl wahrgenommen. Am 06.06.06. startete das Remake des Horrorklassikers „Das Omen“, ein Film, der von der Geburt und der Jugend des Anti-Christen (Damien) erzählt. Ursprünglich sollte der Titel „The Omen 666“ lauten, aber der Regisseur meinte, man habe die Zahl 666 nicht überstrapazieren wollen. Dennoch sei die Wahl des Kinostarts „klar ein wesentliches Element der Promotion“. Schon der Klassiker löste, insbesondere bei Jugendlichen, eine Begeisterungswelle aus. „Nachdem der Film heraus war, sprach jeder davon.“ – kommentiert Prof. Thomson - „Kinder schrieben [666] auf ihre Hausaufgabenbücher und auf die Tafel, bevor der Lehrer das Klassenzimmer betrat.“ 

 

Der Doomsday-Autor Tim LaHaye (Siehe: www.trimondi.de/H.Krieg/Bertelsmann.htm) brachte an diesem Tage sein neues Buch The Rapture heraus. Auf seiner Homepage war zu lesen „06.06.06 – Seid ihr bereit!“. Am 06.06.06 wurde auch Ann Coulters harsche Polemik gegen die säkulare Gesellschaft (Godless: The Church of Liberalism = „Gottlos: Die Kirche des Liberalismus“) mit großem Werbeaufwand auf den Markt geworfen.

 

In Holland fand am 06.06.06. ein 24stündiger Gebetsmarathon statt. Initiator war Pfarrer Jan Piet, der von der Numerologie fasziniert ist und fest daran glaubt, der Anti-Christ werde bald auf Erden erscheinen. „Es ist ein Datum, an dem viele Leute und Gruppen alles Mögliche veranstalten, was mit dem Bösen und dem Teufel zu tun hat. Was wir tun, ist durch eine große Anzahl christlicher Gebete eine Art Gegengewicht aufzubauen.“ – sagte Piet. 50 Kirchen in den Niederlanden schlossen sich seiner Initiative an.

 

Unter „Hexakosioihexekontahexaphobia“ (auf Deutsch: 666er-Phobie) versteht man die Angst vor der Zahl 666 als der Zahl des Teufels. Telefon-, Kreditkarten-, Flugticket-Nummern, welche die Teufelszahl aufweisen, werden von Menschen, die unter diesem Wahn leiden, gemieden. Es gab Kliniken in den USA, wo Frauen die geplante Geburt ihres Kindes am 06.06.06 verzögerten, damit dieses nicht an dem verhängnisvollen Tag das Licht der Welt erblicke. Der „Hexakosioihexekontahexaphobia“ abergläubischer Christen entspricht auf der anderen Seite die Hexakosioihexekontahexamania der Satanisten. Für sie war der 06.06.06 das Traumdatum. Rundum den Globus sollen an diesem Tag oder wohl besser in der Nacht Schwarze Messen stattgefunden haben.

 

Ein Kommentator meinte, man brauche sich doch nur auf den Kopf stellen, dann könne man dem Bann der 666 leicht entkommen, da sich diese jetzt in eine 999 verwandeln würde. Diese Umkehr-Lösung scheint uns doch das Problem noch zu verschärfen. Der „Teufel“ hätte damit erreicht, dass alle seine Verneiner Kopf stehen, anstatt ihre Vernunft zu gebrauchen.


Islamischer Fundamentalismus - 10. Juni 2006

 

Schlage ihnen die Köpfe und Fingerspitzen ab

Die apokalyptischen Träume des al-Qaida Killers Abu Musab al-Zarqawi

 

Mit der Liquidation Abu Musab al-Zarqawis ist den Amerikanern ein wichtiger Schlag gelungen. Ausgeschaltet wurde nicht nur ein Topterrorist und ein guter Kenner der internationalen Medienpolitik, sondern auch ein islamistischer Apokalyptiker. Man konnte häufig in der westlichen Presse lesen, dass al-Zarqawi durch seinen Terror im Irak eine „apokalyptische Situation“ heraufbeschwören wollte. Dies wurde aber meist als reine Metapher verstanden. Tatsache ist jedoch, dass es in verschiedenen von ihm verfassten Statements Andeutungen auf die islamische Apokalyptik gibt. Zum Beispiel: „Ich sage mit Gottes Hilfe, dass die Amerikaner, wie ihr sehr wohl wisst, in der Irak aufgrund eines Vertrages gekommen sind, um den Staat Groß-Israel vom Nil bis zum Euphrat zu kreieren und dass die von Zionisten durchsetzte amerikanische Administration daran glaubt, dass sie, wenn sie die Schaffung eines großisraelischen Staates beschleunigt, auch das Kommen des Messias beschleunigen wird.“ – schreibt er in einem Brief, der vom US-Geheimdienst abgefangen wurde. Er deutet also die amerikanische Intervention im Mittleren Osten als einen Religionskrieg, dessen Absicht im Herbeibomben des christlichen Messias besteht. In demselben Dokument prophezeit er weiter, dass es in Syrien und den syrischen Grenzgebieten zur Endschlacht zwischen dem Islam und Ungläubigen kommen werde. Das entspricht, den Vorhersagen einiger endzeitlicher Hadiths (Sprüchen des Propheten Mohammed).

 

Mehrmals kommt al-Zarqawi in einer Grundsatzerklärung auf Szenen des Jüngsten Gerichts zu sprechen. Heiliger Krieg (Djihad), Martyrium (Shahadat) und Jüngstes Gericht – das ist die Trias, in der sich sein Denken ständig bewegte. Wenn man diese Dokumente liest, muss man tatsächlich den Eindruck haben, dass die politischen Ziele für ihn an die zweite Stelle getreten sind. Am Ende der Tage – so der Topterrorist – fragt Allah jeden einzelnen Muslim, welchen Beitrag er denn zum Heiligen Krieg geleistet habe: „Du solltest wissen, dass du – wahrscheinlich – an jenem Tag vor Gott stehen wirst, wenn die neugeborenen Kinder weiße Haare bekommen und die schwangeren Frauen ihre Babys verlieren. An dem Tag, wenn der Mensch von seinem Bruder davonläuft, von seiner Mutter, seinem Vater, seiner Frau und von seinem Sohn. [...] Für diesen schwierigen Tag bereite dich auf eine Antwort vor, wenn dich Gott über die [muslimische] Gemeinschaft befragt und darüber, was du ihr geschenkt hast; über die Mujaheddin und deine Unterstützung für sie; über die Feinde der Religion und den Hass, den du ihnen entgegengebracht hast und die Gegnerschaft, die du ihnen gegenüber gezeigt hast. [...] Gott wird Dich über Afghanistan und den Irak befragen. Was hast Du für sie getan? Gott wird euch über Mullah Omar befragen und weshalb ihr ihn nicht unterstützt habt.“

 

Geradezu besessen war al-Zarqawi von der islamischen Märtyrer-Ideologie. Alles was er im Koran und den Hadiths zum Shahadat (Martyrium) finden konnte, hat er zusammengetragen, um eine extreme und in seinem Fall wirklich bestialische Philosophie des Todes zu propagieren. Zuweilen drückt er sich dabei jedoch recht poetisch aus: „Wir haben ihnen [den zukünftigen Märtyrern] in vielen Lehrstunden klar gemacht, dass persönliche Sicherheit und Sieg unvereinbar sind; dass der Baum des Triumphes nicht in himmlischen Höhen wachsen kann ohne Todesverachtung und dass die islamische Nation das Aroma des Märtyrertums braucht, das Parfum des für Gott vergossenen Blutes.“ Daran knüpfen auch die verschiedenen islamistischen Nekrologe an, die jetzt seinen Tod bedauern. Seine Liquidation durch die Amerikaner sei eine „Gute Nachricht“, schreiben die Mitkämpfer, denn sie verleihe ihm Würde der Märtyrer. Sein Tod bedeute für sie das Leben. Er selber werde im Himmel mit den paradiesischen Jungfrauen (Huris) verlobt.

 

Wie im Falle Osama bin Ladens so ist es auch im Falle al-Zarqawis falsch von einem Terroristen zu sprechen, der sich mit seinen Handlungen gegen die Religion als solche gestellt habe und aus rein verbrecherischen Motiven heraus handele. Dieser „Massenmörder“ war ebenfalls ein zutiefst frommer Mensch, der sich seinem Glauben ganz und gar hingab. Am Beginn der Entscheidung, sein Leben dem Djihad zu widmen, steht eine zudem eine Vision. Das berichtet der jordanische Journalist Saleh Ilhami, der mit al-Zarqawi befreundet war und der dessen Schwester heiratete. Al-Zarqawi habe in seinem visionären Traum ein Schwert aus dem Himmel fallen sehen, auf dem Verse des Korans gestanden seien. „Auf der einen Seite war geschrieben: ‚Ihr werdet Sieger sein, wenn ihr Gläubige seid!’ Auf der anderen Seite war das Wort ‚Djihad’ geschrieben.“ Ilhami schreibt hierzu: „Es war eine Art Prophezeiung oder eine Vision, [...] dass er in Zukunft ein großer Mann sein wird.“ Es lässt sich darüber spekulieren, ob al-Zarqawis spektakulären Enthauptungsszenarien mit diesem Schwerttraum in einer Verbindung stehen. Ausgehend von der Inbrunst mit der er seinen Terror theologisch begründet hat, ist die Echtheit dieses Traumes kaum zu bezweifeln.

 

Die Legitimation für diese Enthauptungen holt er sich aus zwei Koranversen. In Sure 47: 3 ist zu lesen: „Wenn ihr die Ungläubigen auf dem Schlachtfeld trefft, dann enthauptet sie.“ Und in Sure 8: 12 steht geschrieben: „Ich werde Schrecken in die Herzen der Ungläubigen einjagen. Schlage ihnen die Köpfe und die Fingerspitzen ab.“ Der Historiker Timothey R. Furnich gibt einen kurzen Überblick von der islamischen „Enthauptungs-Kultur“, die ohne Unterbrechungen in der Geschichte gepflegt wurde und heute noch in Saudi-Arabien auf öffentlichen Plätzen als Höchststrafe spektakuläre Aufführungen findet.

 

Die Nutznießer von al-Zarqawis Liquidation sind nicht nur die alliierten Besatzertruppen, sondern auch ein schiitischer Apokalyptiker wie Mahmoud Ahmadinedschad. Sunni-Terrorist richtete in den letzten Monaten seine Tötungskommandos vor allem gegen die Schiiten, die er als Verräter ansah. Jetzt hat das schiitische Lager einen brutalen Gegner weniger und die Einflusssphäre der Ayatollahs aus dem Nachbarland Iran kann dadurch nur gewinnen.


Islamischer Fundamentalismus - 4. Juni 2006

 

Aufwecken mit der Apokalypse

In der iranischen Gesellschaft bestimmen endzeitliche Themen den Alltag

 

In dem Artikel „Die iranische Herausforderung“ geht das Magazin Der Spiegel (Nr. 22 – 2006) ausführlich auf den Endzeitglauben des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad ein, so dass wir es für sinnvoll halten, den Bericht zusammenzufassen.

 

Mittlerweile sei die iranische Gesellschaft völlig apokalyptisch durchseucht, so der Spiegel, die Iraner wachten sozusagen mit Endzeitparolen auf. „Schon um Viertel nach acht, gleich nach den Frühmachrichten, geht es um die Apokalypse, um das Ende der Welt. […] ‚Das Ende der Zeiten ist nah’, sagt [ein Sprecher des populären Radiosender Dschawan]. 50 Zeichen, so stehe es geschrieben, würden auf das bevorstehende Weltende hindeuten, 33 habe er bereits erkannt. Die Männer werden sich kleiden wie Frauen, heiße es in den Büchern. ‚Und? Versinkt diese Stadt nicht in Sittenlosigkeit?’ Der Fluss durch die Heilige Stadt werde austrocknen. ‚Ist nicht der Fluss durch Ghom inzwischen völlig versiegt?’ Genau dazu passe es, dass nun plötzlich alle über die Atombombe redeten – auch ein Zeichen für ‚aschar-esamam’, das Ende der Zeiten und die Wiederkehr des Mahdi, des zwölften, des verborgenen Imam.“

 

Anschließend verweist das Magazin auf die Rede des iranischen Präsidenten vor der UNO Vollversammlung im September 2005, auf der er die Rückkehr des Imam-Mahdi beschwört und das Ende des säkularen Zeitalters ankündigt. (Siehe: Die Messias Obsession ) „Ein bisschen Endzeitstimmung war da auch über die Vertreter des Westens gekommen. Ihnen schauderte.“ – kommentiert der Spiegel und fährt fort: „Momentan tritt dieser fromme Apokalyptiker fast Tag für Tag irgendwo in seinem Land auf, immer triumphal, immer umgeben von religiösen Würdenträgern, hohen Offizieren und nationalen Symbolen, immer enthusiastisch gefeiert […] Er meldet vor der Geschichte, ‚dass wir den nuklearen Kreislauf durch die Gnade des allmächtigen Gottes und dank der Anstrengungen unserer Wissenschaftler gemeistert haben.’“ – heißt es weiter. Er rede wie im Rausch, wie ein Beseelter, wie ein Prophet. „Wohin führt das? Wünscht Ahmadinedschad, der Apokalyptiker, der auf den Mahdi wartet, das Armageddon herbei? […] Das Land ist jetzt schon ein Alptraum, eine Kombination aus Hasspredigten und dem Streben nach der Bombe, deren Besitz dieser Staat, allen Dementis zum trotz, wohl anpeilt.“ Motor für diesen Wahn, so der Spiegel, sei eine „expansive islamistische Ideologie“ mit eschatologischen Inhalten.

 

Der lesenwerte Artikel berichtet ausführlich über den ideologischen Werdegang dieses gefährlichen  muslimischen Erfüllungsgehilfen der apokalyptischen Matrix und kommt zu dem Schluss: „Dass jemand, der das Ende aller Tage nahen sieht, auch noch Zugang zu einer Waffe erhalten sollte, die das Ende beschleunigen könnte, ist ein unerträglicher Gedanke.“ Schade nur, dass bei dem in derselben Spiegel-Nummer abgedruckten Interview mit Ahmadinedschad dessen Doomsday-Wahn nicht hinterfragt wurde. Diese Marionette der Ayatollahs hat es zumindest geschafft, dass die politische Apokalyptik als ein zentrales Thema des Fundamentalismus sogar von Säkularisten erkannt wird. „Die westliche Presse macht leider immer denselben Fehler: Sie beobachtet und beurteilt die Regierung im Iran mit westlichen Maßstäben. Niemand kennt dieses Regime und seine Ideologie besser als das iranische Volk. Der islamische Staat träumt davon, die Welt zu erobern. Wenn nicht in 10 oder 50 Jahren, dann in 500 und 1000 Jahren. Wenn nicht durch Fortschritt und Sympathie, dann durch Terror und steigende Geburtenrate in der islamischen Welt!“ – schreibt die Exiliranerin Elahe Boghart in einem Leserbrief auf den Spiegelartikel.


Christlicher Fundamentalismus - 04. Juni 2006

 

Es gibt Dinge, über die man nicht spricht

Weshalb die Mainstream-Kirchen über die Apokalypse schweigen

 

Während die Apokalyptik, die Eschatologie, der militante Messianismus und die Prophezeiungsliteratur im Zentrum des christlichen Fundamentalismus stehen, sind diese Aspekte der Religion für die Mainstream-Kirchen nicht nur ein Tabu, sondern auch für deren Kritiker wie Hans Küng und Jürgen Drewermann. Der Fundamentalismus wird von Establishment- und Reform- Christen weitgehend unter den Rubriken Frauen- Demokratie- und Dialog-Feindlichkeit, übertriebene Sexualmoral, Gewaltbereitschaft, und allenfalls der Ideologisierung des Krieges als „heilig“ abgehandelt. Um die Apokalyptik, dem Herzstück des Fundamentalismus, wird ein großer Bogen gezogen.

 

Der Grund für die Berührungsangst liegt darin, dass es bei einer Auseinandersetzung mit den Endzeit-Themen eine Debatte über die Heiligen Texte geben müsste, die in ihrer Eindeutigkeit schwer umzudeuten sind. Deswegen lässt man lieber die Hände davon. Aber der Druck wird immer stärker. Es sind nicht nur die radikalen amerikanischen Frei-Kirchen, die zu Stellungnahmen herausfordern, sondern mittlerweile auch Theologen aus den eigenen Reihen. Eine Beispiel hierfür ist ein im Jahre 2004 erschienenes Buch von Matthias Zeindler mit dem Titel Gott der Richter – Zu einem unverzichbaren Aspekt christlichen Glauben (2004)

 

Zeindler, ein reformierter Pfarrer und Privatdozent für Systematische Theologie an der katholischen und evangelischen theologischen Fakultät Bern, macht den Versuch, die Diskurs über die Apokalypse behutsam in die „aufgeklärteren“ Kirchenkreise einzuführen. Er beginnt seinen Text mit dem Statement. „Es gibt Dinge, bei denen man sich angewöhnt hat, nicht darüber zu sprechen. Sie werden weder befürwortet noch bestritten, sondern schlicht mit Schweigen bedacht. In ganz undramatischer Weise sind sie kein Diskussionsgegenstand. [...] Das Endgericht Gottes, auch Jüngstes Gericht genannt, gehört zu den Dingen, über welche in der gegenwärtigen religiösen Landschaft gänzlich unpolemisch nicht gesprochen wird.“ (7) Das ist zweifelsfrei richtig. Auch wenn diese Verdrängung nur für die Repräsentanten der Mainstream-Theologie, nicht aber für die rasant anwachsende Zahl von Anhängern fundamentalistischer Glaubensrichtungen gilt. Öffentliche Diskussionen über die Apokalypse des Johannes lösen bei liberal eingestellten Theologen Unbehagen aus.

 

Diesem Zustand will Zeindler ein Ende bereiten. Vorsichtig tastet er sich an das heikle Thema heran, indem er zuerst drei „profane“ Autoren bemüht, um in einem ihrer Werke die Anwesenheit eines Göttlichen Gerichts aufzuzeigen. In Theodor Fontanes Grete Minne, in Friedrich Dürrenmatts Die Panne und in Kurt Martis Leichenreden. So abgesichert durch das „apokalyptische Bekenntnis“ von „diesseitigen“ Zeitzeugen geht er über auf die Theologie. Gleich zu Beginn stellt er die These auf, dass die christliche Eschatologie „ein Strukturelement des christlichen Glaubens“ darstelle. (25) Die Weltgeschichte ende mit dem Weltgericht.

 

Es klingt zwar immer wieder bei Zeindler an, der Mensch habe selber nicht das Recht, „den Richter über andere zu spielen“ (41) Diese Kompetenz liege ausschließlich in Gottes Hand. Ohne sie zu benennen, ist das wohl als ein Seitenhieb auf die radikalen religiösen Strömungen zu deuten. Aber dieser Seitenhieb ist verfehlt, weil auch die Apokalyptiker der Christlichen Rechten niemals für sich in Anspruch nehmen aus eigener Motivation heraus zu handeln, sondern immer wieder betonen, ein Instrument Gottes zu sein.

 

Ein besonderes Interesse zeigt der Autor an der Aktivierung der „prophetischen Theologie“, dem eschatologischen Glauben, dass die Geschichte vorbestimmt und in den Heiligen Texten vorgeahnt ist. Die „prophetische Theologie“ mache die Apokalypse zu einem erkenntnistheoretischen Instrument, mit dem wir die Gegenwart deuten können. „Die Unverzichtbarkeit prophetischer Theologie wird durch die Beobachtung unterstrichen, dass das Ergehen des göttlichen Gerichts in der Geschichte notwendig mit prophetischer Theologie korrespondiert. Will heißen: Prophetische Theologie kommt zum Gericht Gottes in der Geschichte nicht additiv hinzu und wäre damit allenfalls auch verzichtbar. Sie gehört zu diesem Gericht vielmehr Hintergrund hinzu.“(50)

 

Ausgehend von der christlichen Eschatologie ist die Apokalypse gewaltsam, daran hegt Zeindler keinen Zweifel: „Die neu-testamentlichen Apokalypsen sind an diesem Punkt unmissverständlich, wenn sie dem kommenden Ende große Katastrophen vorausgehen lassen. Mit ihrer drastischen Bildsprache halten sie sachlich fest, dass, wenn Gott sein Reich kommen lässt, dieses nicht aus dem Vorhandenen herauswächst. Das Vorhandene muss zuerst untergehen, um dem ganz neuen Reich Platz zu machen. Das Reich kommt nicht als Evolution, sondern als Revolution – auch in qualitativer Hinsicht als die große Überraschung.“ (65) Letztlich wird Gewalt durch eine Beziehung auf den Kreuzestod Christi gerechtfertigt. Der Gewaltsame Tod sei die Voraussetzung für die Erlösung.

 

Zeindler verweist auch darauf, dass das Prinzip „ewiger Verdammnis“ Teil des apokalyptischen Denkens sei. Er bezieht sich dabei auf eine „starke Mehrheitsmeinung der christlichen Tradition“, die schon sehr früh die Lehre von der „apokastasis panton“, der Allversöhnung oder Allerlösung als Irrlehre verurteilt hat. (93) Die apokastasis panton wäre jedoch der einzige Ausweg aus der Verewigung der Katastrophe für die verurteilten „Sünder“. Um diesem „Diktat der Ewigen Verwerfung“ zu entkommen, bringt Zeidler die Gnade Gottes ins Spiel. Immerhin ist damit impliziert, dass Gott den Endzeitwahn ein Ende bereiten könne, wenn er nur wollte.

 

Dennoch ist Zeindlers Buch gefährlich. Es steht die Absicht dahinter, die apokalyptische Matrix für die etablierten Kirchen wieder attraktiv zu machen. Seine theologische Verfeinerung des Themas versucht nur das Schreckliche zu verdecken, das die Apokalypse schon angerichtet hat und weiter dabei ist anzurichten. Letztlich endet auch Zeindlers Theologie in der banalen Gut-gegen-Böse-Szene, die auf dem Titelbild seines Buches dargestellt ist:  Der Erzengel Michael massakriert mit dem Schwert in der Hand einen jämmerlich vor Schmerzen schreienden Teufel.


Komparative Studien zum Fundamentalismus - 25. Mai 2006

 

Zwei Herren der Zeit

Was der XIV. Dalai Lama und der iranische Präsident

Mahmoud Ahmadinedschad gemeinsam haben

 

Am 14. Mai 2006 legte der XIV. Dalai Lama den Grundstein für ein Gesundheitszentrum in Hüttenberg (Kärnten), welches gleichzeitig als lamaistisches Kloster und, wie es in einigen Presseberichten heißt, als „Europa-Residenz des Dalai Lama“ fungieren soll. Hauptinitiatoren dieses „Dalai-Lama-Projekts“ (so die offizielle Bezeichnung) sind der Wellness-Hotel-Magnat Robert Rogner und der Kärntner Landeshaupt Jörg Haider. Die Baukosten werden hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Der Staat soll 20 Millionen Euro von den 22 Millionen Gesamtbetrag zu Verfügung stellen. Begründung: das Projekt schaffe 140 neue Arbeitsplätze und der Dalai Lama wirke als Kassenmagnet für die ganze Region. Daneben ist in dem Kärntner Ort Heft ein „Center of Higher Tibetan Studies“ geplant, das sich auch um die Akkreditierung als Privatuniversität bemühen wird.

 

Haider wertete den Besuch des tibetischen Religionsführers als „sensationellen Erfolg“. Er gab an, dass ihn eine persönliche Freundschaft mit dem Dalai Lama verbinde und erklärte, dieser sei „ein väterlicher Mensch, der unheimlich schnell und spontan auf die Menschen zugeht.“ Unheimlich sind wohl eher die engen, traditionellen Kontakte des tibetischen Kirchenfürsten zu Vertretern der rechten Szene, über die sich die breite Öffentlichkeit ausschweigt. Während der Europa-feindliche Haider als persona non grata international von den meisten Mainstream-Politikern außerhalb Österreichs gemieden wird, posiert der tibetische „Gottkönig“ lachend mit diesem Mann, dem der Rechtspopulismus seine Hoffähigkeit verdankt. Haider, der sich zudem durch arge Intoleranz gegenüber der slowenischen Minderheit im eigenen Land auszeichnet, erklärte, wie wichtig der „Dialog der Kulturen“ sei.

 

Die neue Gesundheits-Kloster-Residenz wird zudem in dem Heimatort des kürzlich verstorbenen Heinrich Harrer, ehemaliger SS-Mann und Lehrer der jungen Dalai Lama, gebaut. An vielen Stellen haben wir ausführlich darauf hingewiesen, wie eng die Beziehungen des tibetischen Religionsführers zu Protagonisten der extremen Rechten in der Vergangenheit waren und wie bedeutend lamaistische Religionsinhalte für die Ideologie-Bildung des Neo-Nazismus und Neo-Faschismus immer noch sind. (Siehe dazu unser Buch Hitler-Buddha-Krishna und Kapitel 12 Teil II aus Der Schatten des Dalai Lama (englische Fassung).

 

Der Dalai Lama, das ist viel zu wenig bekannt, zählt zu den dogmatischen Verfechtern einer radikalen Doomsday-Ideologie, die sich in allen Aspekten nach der von uns herausgearbeiteten apokalyptischen Matrix richtet. Seine buddhistische „Apokalypse“ beruft sich ebenfalls auf einen Heiligen Text: das Kalachakra-Tantra und steht, was die kriegerische Seite anbelangt, den monotheistischen Endzeitprophezeiungen in nichts nach. Es gibt jedoch einige interessante Parallelen zum Schia-Islam.

 

Beide Systeme, Lamaismus und Schiismus, haben eine ausgeprägt okkulte Dimension. Der verborgene 12. Imam, den die Schiiten als ihren Messias erwarten, trägt auch den Namen Imam-Zâman. Das bedeutet „Herr der Zeit“ (von sahib-e  zâman). Eine solche Zeitgottheit steht ebenfalls im Zentrum des vom Dalai Lama durchgeführten Kalachakra-Tantra Rituals. Kala-Chakra bedeutet das „Rad der Zeit“, die in dem Ritual gleichen Namens verehrte Gottheit wird ebenfalls als „Herr der Zeit“ bezeichnet. Beide Systeme suggerieren zudem, dass es eine von der Außenwelt nicht wahrnehmbare Sphäre gibt, von wo aus der „Herr der Zeit“ Einfluss auf die Geschichte der Menschen nimmt. Für die Schiiten ist es der 12. Imam für die tibetischen Lamas ist es der sogenannte Shambhala-König. 

 

Über diesen okkulten Aspekt des Schia-Messianismus und seine Beziehung zur aktuellen Politik schreibt Amir Taheri, ehemaliger Herausgeber von Irans größter Tageszeitung Kayhan: „Nach der Schia-Lehre ist der Imam eine messianische Figur, der, wenn auch verborgen, die eigentliche Herrschaft über die Welt ausübt. In jeder Generation wählt der Imam 36 Männer (und aus erklärlichen Gründen keine Frauen) und nennt sie die owtad oder ‚Nägel’, deren Präsenz, hineingehämmert in die Existenz der Menschheit, das Universum davon bewahrt, ‚in die falsche Richtung zu laufen’. Auch wenn diese ‚Nägel’ für einfache Leute nicht zu erkennen sind, so ist es doch zuweilen möglich, einen von ihnen zu identifizieren dank ihrer Taten. Ausgehend von dieser Lehre bestehen einige passioniertere Bewunderer Amadinedschads darauf, dass er ein ‚Nagel’ ist, eine Behauptung, die er selber nicht entkräftet hat. Zum Beispiel hat er letzten September, als er eine Rede vor der General Versammlung der Vereinten Nationen in New York hielt, behauptet, der  verborgende Imam habe den Ort in ein sanftes Licht gebadet’.“ (Siehe auch: Messias Obsession des M. Ahmadinedschad) Im April berichtet die Iranian Labor News Agenca (ILNA) Ahmadinedschad habe bei einen Treffen, um die weltpolitische Lage zu beschreiben, gesagt: „Wir sind mit einer Situation konfrontiert, die von einer unsichtbaren Macht dirigiert wird.“

 

Ganz ähnliche Vorstellungen sind mit dem im tibetischen Kalachakra-Tantra erwähnten Shambhala-Mythos verbunden. Auch in diesem Fall ist die Rede von einem verborgenen „Weltenherrscher“, der die Geschicke der Menschen eschatologisch manipuliert. Ebenso wird der XIV. Dalai Lama von seinen Anhängern und nach der Kalachakra-Lehre als Repräsentant dieser okkulten Dimension angesehen. Vom  Zeitgott Kalachakra, den er während des Rituals simuliert, heißt es, „Er ist das Rad der Zeit, ohne Gleichem und unzerstörbar.“

 

Die Ähnlichkeiten der beiden Systeme, des schiitischen und lamaistischen, sind jedoch  keineswegs zufällig. Es spricht sehr vieles dafür, dass sie oder Teile davon derselben historischen Wurzel entstammen. Tibetologen der älteren Generation wie Albert Grünwedel, Guiseppe Tucci und  Helmut Hoffmann waren der Meinung, das Kalachakra-Tantra sei aus einem alt-iranischen Kult um den Zeitgott Zurvân entstanden, der sich dann später zu einer Mischreligion aus Avesta und Lehren des Mahayana-Buddhismus (600 bis 700 Jh. n. Chr.) entwickelt habe. Auch der als offizieller Kalachakra-Intepret vom XIV. Dalai Lama designierte Tibetologe Alexander Berzin widersetzt sich dieser Meinung nicht. Dass anderseits der Zurvânismus auf die schiitische Lehre großen Einfluss gewonnen hat, ist von Iranisten wie Henri Corbin und anderen überzeugend herausgearbeitet worden. (Siehe zum Beispiel: Henri Corbin – En Islam iranien – aspects spirituels et philosophiques – Paris, 1972, 49 f. )

 

Aber, wie es ja so oft in solchen Fällen ist, geraten sich Brüder, die von den gleichen Eltern abstammen, am heftigsten in die Haare. So auch in der Endzeit, jedenfalls nach Berzin, die Buddhisten mit den Schiiten. Ausgangspunkt für seine These ist die im Kalachakra-Tantra erwähnte berüchtigte Prophezeiung, nach der der buddhistische Messias (der Shambhala-König mit dem Namen Rudra Chakrin) gegen die großen Lehrer des Monotheismus eine Letzte Schlacht schlägt. Der Passus spricht von "Adam, Henoch, Abraham, Moses, Jesus, der im weißen Gewand [Mani], Mohammed und Mathani [der Mahdi]" als seinen Gegnern. Und bezeichnet diese weiter als "die Familie der dämonischen Schlangen". (Shri Kalachakra I. 154). Für Berzin wird hier und in den folgenden Passagen ein „Armageddon“ zwischen einer guten buddhistisch-hinduistischen Erlöser-Armee der Letzten Tage und einer bösen schiitischen Sekte von islamistischen Terroristen vorausgesagt. Das Kalachakra-Tantra warne explizit vor den barbarischen Streitkräften unter der Leitung des muslimischen Endzeitmessias, dem „Mahdi“, meint Berzin. Er berichtet auch umgekehrt von schiitischen Gruppierungen, die den im Kalachakra-Tantra vorausgesagten Endzeit-Messias Rudra Chakrin als ihren Anti-Messias  herausstellen. www.berzinarchives.com/kalachakra/kc_pres_prophets_islam_abridged.html

 

Wie auch immer - am Ende der Zeiten ist der Gott des einen grundsätzlich der Teufel des anderen und umgekehrt. Das gilt auch im Falle der tibetischen Lamas und der schiitischen Ayatollahs. Gerade das iranische Beispiel zeigt, wie gut der Westen daran täte, sich das Religionssystem des Dalai Lamas besser anzusehen, damit er nicht später dieselben Probleme mit dem Lamaismus hat wie heute mit dem Schiismus. Auch der Ayatollah Khomeini wurde als Heiliger Mann verehrt und insbesondere in Frankreich, als ein Symbol der Freiheit und der Menschenrechte gegen das korrupte Schah-Regime von der Presse hochstilisiert. Alle seine fundamentalistischen Ideen, die er später bei der Errichtung der schiitischen Theokratie umsetzte, waren lange vor der „iranischen Revolution“ (1979) schon von ihm verfasst und aufgeschrieben worden. Hätte man sie gelesen und ernst genommen, dann hätte man erfahren, was einen da erwartet.

 

Eigentlich könnte man sich von buddhistischer Seite viel mehr Opposition gegen das Kalachkra-Tantra erwarten, da ja dieses lamaistische Religionssystem mit den ursprünglichen Lehren des Buddhas überhaupt nicht vereinbart werden kann. Es ist wohl die sakrosankte Figur, des höchsten Kalachakra-Meisters, des XIV. Dalai Lama, die diese Kritik nicht aufkommen lässt. Dennoch sind die Stimmen von skeptischen Buddhisten in den letzten Jahren häufiger geworden. „Je mehr ich über das Kalachakra-Tantra lerne, umso mehr lehne ich es ab. Und umso entfernter scheint es mir von den selbst grundsätzlichsten buddhistischen Lehrinhalten zu sein. Diese Art apokalyptischer Lehren scheint mir mehr bestimmten Formen eines fundamentalistischen Christentums zu entsprechen, das auf der Apokalypse beruht. Es tut mir leid, ich kann das einfach nicht ernst nehmen.“ – schreibt ein Anhänger des Buddhas mit dem Namen Dharmajim im Internet.


Islamischer Fundamentalismus – 11. Mai 2006  

 

Wir beide glauben doch

an das Jüngste Gericht

Mahmoud Ahmadinedschad spricht in einem Brief

George W. Bush als frommen Christen an

 

Mit großer Aufregung wurde in den westlichen Medien über den persönlichen Brief des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad an George W. Bush spekuliert. Als dann der Inhalt des Briefes vorlag, war man enttäuscht. Der iranische Präsident äußerte darin nichts Neues zu seinem Atomprogramm, das die Welt zur Zeit in Atem hält, sondern klagt die USA an, die Menschenrechte zu verletzten; im Irak einen illegalen Krieg zu führen; dem Iran seine technischen Fortschritte nicht zu gönnen; die sozialen Probleme im eigenen Land nicht zu lösen usw.. Ahmadinedschad leugnete erneut den Holocaust. Das alles war hinreichend bekannt und wurde deswegen als entsprechend belanglos eingestuft. Auch dass muslimische Geistliche und Staatschefs mittlerweile ständig (und das wohl auch nicht ganz zu Unrecht) Menschenrechtsverletzungen des Westens anklagen, ist hinreichend bekannt und regt keinen mehr auf.

 

Die eigentliche, gar nicht so hintergründige Botschaft des Ahmadinedschad Briefes blieb der säkularen Presse dennoch verborgen. Sie trägt einen endzeitlich-messianischen Charakter. Auf  fast allen Seiten des 18 seitigen Schreibens ist von Jesus Christus die Rede. Gemeint ist sowohl der historische Christus, als auch der prophezeite apokalyptische Christus. Das Spiel, welches Ahmadinedschad mit diesem Christus-Bezug betreibt, besteht darin, die Unterschiede zwischen dem muslimischen und dem christlichen Christus zu verwischen. Nach islamischer Doktrin ist Christus nicht nur ein Prophet, sondern ebenfalls der kommende Heilsbringer, der am Ende der Zeiten [nach dem Mahdi] wieder auf der Erde erscheint, um mit göttlicher Gewalt Gerechtigkeit zu schaffen. Das deckt sich insoweit mit der christlichen Doktrin. Deswegen kann Ahmadinedschad offen von Christus reden, ohne seinem islamischen Glauben zu widersprechen. Sicher spekuliert er, mit seinem „christlichen“ Jargon in einer christlichen Nation wie den USA und bei einem christlichen Präsidenten wie George W. Bush zu punkten, aber insgeheim meint er ausschließlich den muslimischen Christus. Dabei ist dessen Beziehung zum 12. Imam, dem schiitischen Heilsbringer, den Ahmadinedschad ansonsten ständig beschwört, theologisch nicht geklärt. Man kann wohl anzunehmen, dass beide „Messiasse“ für den iranischen Präsidenten ein und dieselbe Person sind.

 

„Kann einer in der Nachfolge Jesu Christi steht, dem großen Boten Gottes“, solche „Gräueltaten“ vollbringen wie die USA im Irak? - fragt der iranische Präsident schon zu Anfang seines Briefes. Kann einer, der „in der traditionellen Pflicht Jesu Christi, des Boten des Friedens und der Vergebung steht“, Gefängnisse wie in Guantanamo bauen?  Wie kann einer, „der auf die Errichtung einer vereinigten internationalen Gemeinschaft hinarbeitet – eine Gemeinschaft, welche Christus und die Tugendhaften dieser Erde eines Tages regieren werden“, solche Kriegverbrechen begehen? Im letzten Satz sind Endzeitprophezeiungen aus den Sprüchen des Propheten Mohammed (Hadiths) angesprochen, nach denen der apokalyptische Christus den Anti-Christen (muslimisch: den Dajjal) besiegt und dann die Welt als dominus mundi regiert. Ein Szenario, das wir auch aus der Johannesoffenbarung kennen.  

 

Von Seite 13 an bis zum Schluss (Seite 18) des Briefes ist nur noch von Gott und seinen Propheten die Rede. „Was würden die Propheten Abraham, Isaak, Jakob, Ismael, Joseph und Jesus Christus sagen, wenn sie heute unter uns weilten? Wie würden sie ein solches Benehmen [wie das von Ihnen, Präsident Bush] beurteilen?“ - fragt Ahmadenidschad. Schon auf seiner UNO-Rede im September 2005 hatte er erklärt, dass Zeitalter des Säkularismus, des Liberalismus und der Demokratie sei zu Ende und das Zeitalter der Religion sei angebrochen. In seinem Schreiben wiederholt er dieses Statement: „Der Liberalismus und die Demokratie nach westlichem Stil haben nicht dazu beigetragen, zu helfen, die Ideale der Menschheit zu realisieren. Heute haben diese beiden Konzepte fehlgeschlagen. Diejenigen die eine tiefere Einsicht haben, können die Töne der Erschütterungen und des Falls der Ideologie und der Philosophie des liberal demokratischen Systems hören.“

 

Was bildet für Ahmadenidschad die Alternative? Der Monotheismus! „Alle göttlichen Religionen teilen und respektieren ein Wort und das ist ‚Monotheismus’ oder den Glauben an einen einzigen Gott und keinen anderen in der Welt.“ – „Der Gott aller Völker Europas, Asiens, Afrikas, Amerikas, des Pazifik und dem Rest der Welt ist der Eine.“ – steht in dem Brief. Der Koran will, so glaubt Ahmadinedschad, dass sich alle monotheistischen Religionen vereinigen. Und weiter: Es sei die Pflicht aller Völker, Gott zu dienen; diesem verborgenen und unsichtbaren Gott, der weiß was in den Herzen der Menschen vorgeht; der den Himmel, die Erde und das Universum in Besitz hat; der die Sünden vergibt; der die Frommen mit dem Paradies belohnt. Der ziemlich lange Katalog über die Qualitäten Gottes ist auch jedem westlichen Christen hinlänglich bekannt.

 

Durch „Zeichen“ führt Gott seine Gläubigen durch die Geschichte, an dessen Ende das Jüngste Gericht steht, lesen wir weiter: „Der Tag wird kommen, wenn sich die gesamte Menschheit vor dem Richterstuhl des Allmächtigen versammeln wird, so dass ihre Taten beurteilt werden. Die Guten werden zum Himmel aufsteigen, und die Bösen wird die göttliche Vergeltung treffen. Ich nehme an, dass wir beide [Ahmadinedschad und Bush] an einen solchen Tag glauben, aber es wird nicht leicht sein, die Handlungen der Herrschenden im voraus zu bewerten, denn wir werden unseren Nationen Rede und Antwort zu stehen haben und all den anderen auch, deren Leben direkt oder indirekt von unseren Handlungen affiziert wurden. Alle Propheten sprechen vom Frieden und von der Seelenruhe für den Menschen, der auf dem Monotheismus basiert, auf Gerechtigkeit und dem Respekt der Menschenwürde. Glaubt ihr nicht, dass wenn wir alle an diese Prinzipien glauben und uns danach richten, da heißt, dem Monotheismus, der Verehrung Gottes, der Gerechtigkeit, dem Respekt für die Menschenwürde, und den Glauben an den Letzten Tag [!], dass wir dann nicht die Probleme unserer Gegenwart meistern können?“

 

Ahmadinedschad sieht seinen Brief als „Einladung“ (invitation) an den amerikanischen Präsidenten, den wahren Lehren des Monotheismus zu folgen und dem Säkularismus abzuschwören, und läuft damit, wie jeder weiß, offene Türen ein. Die Gläubigkeit Bushs wird aber von muslimischen Fundamentalisten immer wieder als eine Chance gedeutet, sich auf der religiösen Ebene zu gemeinsam begegnen (im Kampf gegen die säkulare Welt). So auch im Brief Safar al-Hawali, dem spirituelle Lehrer Osama bin Ladens, an den amerikanischen Präsidenten, in dem der saudische Scheich die große Frömmigkeit des amerikanischen Volkes lobt. Ebenso lässt Ahmadinedschads Schreiben durchblicken, wenn sie beide (d. h. Bush und er) an einer „genuinen Rückkehr der Lehren der Propheten zum Monotheismus“ arbeiten,  dann könne die Welt daran genesen. Beide Politiker glauben daran, dass Gottes „unsichtbare Hand“ die Geschichte bestimmt. Es gibt „eine höhere Macht am Werk und alle Ereignisse werden durch Ihn bestimmt.“ – sagt Ahmadinedschad. Derselben Meinung hatte sich vor kurzem auch der englische Premier, Tony Blair, angeschlossen. (siehe unten: Newsletter vom 05. März  2006)

 

Die ständig beschworenen religiösen Friedensbeteuerungen der verschiedenen Konfliktparteien wären ja schön und gut, würde sich nicht hinter ihren Systemen jene gefährliche „apokalyptische Matrix“ verbergen, an der sie sich letztendlich orientieren. Folgt man der aus den Heiligen Schriften der monotheistischen Religionen abgeleiteten Doomsday-Logik, dann muss notwendigerweise der Christus des einen zum Anti-Christen des anderen werden; das Reich Gottes (Amerika) bekämpft dann die „Achse des Bösen“ (Iran); oder umgekehrt: das Reich Allahs (Iran) kämpft gegen den „Satan Amerika“. Vor solchen sich gegenseitig dämonisierenden Vergleichen schrecken ja die beiden Präsidenten selber nicht zurück, wie man weiß.

 

Siehe den Originaltext des Ahmadinedschad-Briefs an George W. Bush:

http://online.wsj.com/public/resources/documents/wsj-IranianPres_letter.pdf

 


Komparative Studien zum Fundamentalismus - 5. Mai 2006

 

Der Reiter auf dem weißen Pferd

In den Prophezeiungen der Religionen erscheint der

jeweilige Endzeit-Messias als blutrünstiger Rächer

 

Die oberste spirituelle Autorität des Irans, Ayatollah Ali Khameini, erklärte vor einigen Tagen: „Die Amerikaner sollten wissen, wenn sie eine Invasion in den Iran planen, dann werden ihre Interessen in der ganzen Welt Schaden finden. Wir werden auf jeden Angriff zweimal so stark reagieren.“ Kommt es dazu, dann muss auch mit dem massiven Einsatz von Kinder-Märtyrern gerechnet werden. Während des Irak-Iran Krieges wurden diese, selbst gegen den Willen ihrer Eltern, an die Front geschickt. Man benutzte die  Jugendlichen im Alter von 10 bis 17 Jahren als Kanonenfutter. Unter anderem hatten sie die Minenfelder freizumachen, damit die regulären Truppen nachsetzen konnten. Dabei sollen Zehntausende getötet worden sein. „Der Baum des Islam kann nur wachsen, wenn er ständig mit dem Blut der Märtyrer getränkt wird.“ - hatte Ayatollah Khomeini während des Krieges verkündet.

 

Das bringt erneut ein Buch des französischen Journalisten Freidoune Sahebjam in Erinnerung, welches 1988 unter dem deutschen Titel Ich habe keine Tränen mehr erschien. Die Dokumentation erzählt die Geschichte der iranischen Kinder-Soldaten. Unter anderem ist darin der folgende Bericht zu lesen. Während sich die Knaben in Bereitstellung an der Front befanden, nahmen sie eine erschütternde Erscheinung wahr: „Und dann ein Schrei […] Ich glaubte verrückt zu werden […] Er war da, mitten in der Sonne, auf einem wunderbaren Pferd. Er selber trug ein weißes Gewand. Ich konnte seine Gesichtszüge nicht unterscheiden, er war noch zu weit entfernt, aber diese Erscheinung höchster Reinheit vor dem blauen Himmel versetze uns in großes Erstaunen. Batschaha! (Meine Kinder!) … Man am! (Ich bin es!) … Man Imam Zamam hastam! (Ich bin der Imam Zamam!).“ Imam Zamam bedeutet „Herr der Zeit“ und ist einer der Namen des schiitischen Endzeit-Messias, des 12. Imams. Der mystische Reiter, so der Bericht, schickte die Jugendlichen auf die verminten Gebiete. „Seit diesem tragischen Tag, der mehr als 1500 Kinder von 12 bis 15 Jahren auf den Minenfeldern hat sterben sehen, und die so durch das Opfer ihres Lebens, den Militärfahrzeugen der regulären Armee den Vormarsch ermöglichten, habe ich keine Tränen mehr vergossen.“ – erzählt Reza Behrouzi, einer der Überlebenden. Ob nun Vision, Einbildung oder, wie einige Kommentatoren behaupten, bewusst von der Militärführung inszenierte Performance, um die Kinder in ein Delirium zu versetzen, die Szene zeigt in jedem Fall, welch grausame Auswirkungen solch mythische Bilder wie das vom Erlöser auf dem weißen Pferd haben können.

 

Das Sujet zählt im Übrigen zum Standard-Szenario der apokalyptischen Dramaturgien. In der Offenbarung des Johannes ist es der rächende Christus, der auf einem weißen Pferd herangaloppiert, Tod und Schrecken zu verbreiten. Er nimmt in einem Schlussakt der biblischen Endzeit-Kriege geradezu die Gestalt eines Dämons an: „Seine Augen waren wie Feuerflammen und auf seinem Haupt trug er viele Diademe. […] Bekleidet war er mit einem blutgetränkten Gewand. Und weiter: „Aus seinem Mund kam ein scharfes Schwert; mit ihm wird er die Völker schlagen. Und er herrscht über sie mit eisernem Zepter, und er tritt die Kelter des Weines, des rächenden Zornes Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung. Auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte trägt er den Namen: König der Könige und Herr der Herren.“ (19:12-16) Dieses Zitat aus der Johannesoffenbarung wurde während des letzten Irak-Krieges immer wieder von den Kanzeln fundamentalistisch-christlicher Hass-Prediger in Amerika deklamiert. Ebenso erscheint der militante Messias der Sunniten, der Mahdi, in den letzten Tagen der Menschheit  auf einem weißen Pferd, um die Ungläubigen zu vertreiben und zu töten. Ein grausam-entschlossener  Schimmel-Reiter ist auch der Kalki, der Endzeit-Erlöser in der Hindu-Apokalyptik, dessen Inkarnation von der Religiöse Rechten Indiens herbeigesehnt, herbeigebetet und bisweilen herbeigebombt wird. Niedergelegt ist diese Endzeit-Prophezeiung im Vishnu Purana. Ebenso erscheint im buddhistischen Endzeit-Text des  Kalachakra-Tantra, ein grausamer Doomsday-Rächer mit dem Namen Rudra Chakrin (der „schreckliche Raddreher“) auf einem weißen Pferd, um die Welt von allen nicht-buddhistischen Religionen zu befreien und anschließend eine weltweite Buddhokratie zu errichten. Nach dem O-Text des Kalachakra Tantras hat Rudra Chakrin explizit den Mahdi, den muslimischen Endzeit-Vollstrecker, zum Gegner. Gemäß der krassen schwarz-weiß Logik des apokalyptischen Denkens dürfte sich jedoch das weiße Pferd des Gegen-Messias in allen Fällen für den eigenen Erlöser in ein schwarzes verwandeln und vice versa.


Komparative Studien zum Fundamentalismus - 28. April 2006

 

Gibt es eine Kunst, die schöner, göttlicher und

andauernder ist als die Kunst des Martyriums?

Muslime wollen das Martyrium zur Weltkultur machen

Christen beginnen damit, dem nachzueifern.

 

Heute am 28. April 2006 läuft das Ultimatum ab, das der UN-Sicherheitsrat an den Iran gestellt hat, seine atomare Aufbereitung zu stoppen. Was könnte geschehen, wenn die USA einen kurzfristigen Militärschlag gegen das Land durchführen? Die Antwort der Iraner lautet: eine weltweite Entfesselung schiitischer Selbstmordattentate. Schon 2005 hatte Mohammadresa Jafari, Chef einer Militäreinheit mit dem Namen „Kommando der freiwilligen Märtyrer“, gedroht, 50.000 Kämpfer stünden bereit, um sich nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch in den USA und anderen NATO-Staaten in die Luft zu sprengen und die Welt mit Terror zu überziehen. „Der Feind hat Angst, dass die Kultur des Martyriums zu einer Weltkultur aller Freiheitsliebenden wird.“ – erklärt Jafari und fährt fort – „Märtyreraktionen stellen den Gipfel in der Größe eines Volkes dar und sind die höchsten Form seines Kampfes.“ Diese Drohung ist mittlerweile mehrmals von Sprechern des iranischen Mullah-Regimes wiederholt worden.

 

Wie ernst ist ein solches Szenario zu nehmen? Die Zahlen mögen übertrieben sein, dass aber der Märtyrer-Kult ein zentrales Ereignis in der schiitischen Kultur darstellt, darüber besteht kein Zweifel. Das Martyrium (Shahadat) wird  hier keineswegs nur als Waffe angesehen, um dem Gegner Schaden zuzufügen, sondern es wird mystisch verklärt und erhält einen theologischen Eigenwert. Weit verbreitet ist der Glaube, das vergossene Blut der Märtyrer selber, unabhängig von jeglichem militärischen Effekt, bringe die islamische Weltrevolution voran und beschleunige das Erscheinen des schiitischen Erlösers, des Imam-Mahdi.  „Gibt es eine Kunst, die schöner, göttlicher und andauernder ist als die Kunst des Martyriums? Eine Nation, die das Martyrium pflegt, kennt keine Versklavung. Diejenigen die dieses Prinzip aushöhlen wollen, höhlen die Grundlagen unserer Unabhängigkeit und unserer nationalen Sicherheit aus. Sie unterminieren die Grundlage unserer Ewigkeit…“ – schwärmt Mahmoud Ahmadenidschad. Obgleich der 1977 ermordete iranische Philosoph Ali Schariati sich gegen eine gefürchtete Diktatur der Ayatollahs gestellt hatte, gehören heute seine Spekulationen über das Martyrium zum Bestandteil der offiziellen Ideologie des iranischen Klerus. Schariati sagte: „Das Shahadat [Martyrium] hat eine einzigartige Leuchtkraft; es bringt Licht und Wärme in die Welt und in die erkalteten und dunklen Herzen; in den paralysierten Willen und die gelähmten Gedanken, die in Stagnation und Finsternis gehalten werden, und in die Gedächtnisse, die alle Wahrheiten und Erinnerungen vergessen haben; es schafft Bewegung, Vision und Hoffnung; es hebt den Willen, die Mission und das Engagement.“  

 

Christliche Gläubige könnten von dieser muslimischen Märtyrer-Mystik sehr wohl angesteckt werden. Dass die geschundenen Körper der freiwillig für Gott Gequälten und Getöteten, das Fundament gebildet haben, auf dem die Kirche ihr heiliges Imperium aufbaute, ist eine tiefe Tradition des Christentums. In allen christlichen Konfessionen gibt es deswegen heute mehr oder weniger Versuche, das Martyrium theologisch wieder zu beleben. Im Zuge der Debatte über den Fall Abdul Rahman konnte man sich einen gewissen Einblick in diese Tendenz verschaffen. Der zum Christentum konvertierte ehemalige Muslim Rahman sollte in Afghanistan wegen Apostasie zum Tode verurteilt werden. So will es die Scharia! Doch wurde sein Leben aufgrund weltweiter Proteste gerettet. Man erklärte ihn für unzurechnungsfähig und schob ihn, zur Erleichterung des Westens, ab. Der afghanische Klerus war entsetzt: „Dies ist ein Betrug am Islam und die ganze afghanische Nation durch unsere Regierung.“ – äußerte einer ihrer prominenten Sprecher.

 

Der „tiefreligiöse“ Rahman hatte das Zeug  für einen christlichen Märtyrer. Er war bereit bedingungslos für seinen Glauben zu sterben. „Ja, ich akzeptiere, gehängt zu werden. Aber ich bin kein Ungläubiger, kein Abtrünniger, ich bin ein Jünger Jesu.“ – erklärte er. In der christlichen Welt reagierte man auf den Fall nicht nur mit Abscheu, sondern auch mit Respekt. Die Abschiebung wurde von einigen Kommentatoren sogar als Wunder gedeutet und mit Daniels Aufenthalt in der Löwengrube verglichen. Der alttestamentarische Prophet war den Bestien vorgeworfen worden, die sich jedoch mitnichten auf ihn stürzten, sondern sich wie sanfte Katzen verhielten.

 

Die Gefahr, dass auch das Christentum in naher Zukunft das Martyrium erneut zu einem zentralen Kultgeschehen belebt und damit aus seiner Sicht ebenfalls zu einer „Weltkultur des Martyriums“ beiträgt ist durchaus gegeben, denn in der Tat werden im Sudan, in Nigeria, in Indien, in Sri Lanka, im Irak, im Jemen, in der Türkei und anderswo christliche Gläubige und Missionare wegen ihrer Religion umgebracht. Es ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, dass man diese Morde an die große Glocke hängt und als Fanal im Krieg der Religionen benutzt.

 

Immer wieder betont wird von westlicher Seite der Unterscheid zwischen christlichem Märtyrern und muslimischem Shuhada (Märtyrern): „Ein christlicher Märtyrer leidet und stirbt für seinen Glauben; muslimische Märtyrer knallen mit Passagieren voll geladene Flugzeuge in Hochhäuser mit unschuldigen Menschen.“ – steht in einem Kommentar. Noch ist das Bild vom friedlichen christlichen Märtyrer vorherrschend. Aber das Christentum kennt historisch ebenso das Martyrium der Militia Christi, des Heiligen Kriegers im Namen des Glaubens, des Kreuzritters, dem Bernhard von Clairvaux die Absolution für sein blutiges Handwerk mit den folgenden Worten erteilt hat: „Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt. Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs.“ Denen, die im Krieg gegen den Islam und für Jerusalem auf dem Schlachtfeld starben, wurde wie ihren muslimischen Gegnern bei Vergebung aller Sünden der sofortige Eintritt in Paradies garantiert. Wir haben in unserem Buch „Krieg der Religionen – Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse“ zahlreiche Zitatstellen fundamentalistischer Christen in den USA aufgeführt, die den Irak-Krieg mit verblüffend ähnlichen Bildern wie Bernhard von Clairvaux den Kreuzzug verherrlichen.

 


Islamischer Fundamentalismus - 24. April 2006

 

Auge um Auge, Zahn um Zahn,

A-Bombe um A-Bombe

Weshalb radikale Muslime die islamische Bombe wollen

 

In dem apokalyptischen Szenarios fundamentalistischer Gruppierungen gleich welcher Couleur spielt die A-Bombe seit ihrer ersten Zündung eine zentrale Rolle - ist doch in den meisten endzeitlichen Heiligen Texten von alles vernichtenden Superwaffen die Rede, die in den Doomsday-Kriegen zum Einsatz kommen sollen. Unter diesem Aspekt muss auch die „nukleare Obsession“ des Irans interpretiert werden. Die Verbissenheit, mit der Mahmud Ahmadenidschad sein Atomprogramm gegen die UNO und die meisten Staaten der Welt weiterverfolgt, ist vor allem wegen des messianischen Auftrags, dem er sich verpflichtet fühlt, so furchterregend. Erfolge im Atomprogramm gelten ihm als Pflastersteine, auf denen der 12. Imam nach mehr als Tausend Jahren Verborgenheit Teheran betreten wird, um dann den letzten aller Krieg gegen Ungerechtigkeit und Unglaube zu entfesseln. Vor zwei Wochen kündigte Expräsident Haschemi Rafsandschani an: "Der Iran hat die erste Einheit von 164 Zentrifugen zum Einsatz gebracht, hat Gas (Uranhexafluorid) zugeführt und die industrielle Produktion erreicht". Danach erklärte Mahmud Ahmadinedschad, das Land sei jetzt "dem Club der Atomstaaten beigetreten". Wenig später sprach er vor Vertretern des Militärs: „Heute befinden wir uns in der Gemeinschaft mit den mächtigsten Armeen der Welt, weil wir uns auf Gott verlassen. Irans Feinde kennen euren Mut, euren Glauben und eure Hingabe an den Islam. Unser Land hat eine mächtige Armee geschaffen, die mit großer Macht unsere politischen Grenzen […] verteidigt, und den Aggressoren die Hände abschlagen und ihnen das Zeichen der Ungnade auf ihrer Stirn einbrennen wird.“ Am 28. April läuft das Ultimatum ab, dass der UNO-Sicherheitsrat dem Iran gestellt hat. Dass die Ayatollahs die „Bombe“ bauen wollen, das steht außer Zweifel - ist doch die „islamische Bombe“ eine der suggestivsten Integrationsmythen des muslimischen Fundamentalismus. Bisher aber gibt es nur die „Sunni-Bombe“ Pakistans. Eine offizielle Präsentation der „Schia-Bombe“ steht noch aus.

 

Wie entstand dieser Mythos von der „Islamischen Bombe“? 1979 hatte ein ehemaliger Ministerpräsident Pakistans folgende Prophezeiung gemacht: „Wir wissen, dass Israel und Südafrika über eine volle nukleare Kapazität verfügen. Die christlichen, jüdischen und Hindu- Zivilisationen haben eine solche Kapazität. Die kommunistischen Mächte besitzen sie auch. Nur die islamische Zivilisation hat sie nicht. Aber diese Situation ist dabei, sich zu verändern.“ Damit war der Begriff von der „Islamischen Bombe“ aus der Taufe gehoben. Ebenfalls im Jahre 1979 strahlte BBC eine Fernsehdokumentation aus mit dem Eyecatcher „Die islamische Bombe“ und ein Buch von Herbert Krosney und Steven Weismann erschien damals mit demselben Titel: „The Islamic Bomb“.

 

Am 28.Mai 1998, im selben Jahr, als Indien seine A-Tests durchführte, detonierten zwei oder fünf A-Bomben im Südwesten Pakistans. Anschließend war die Weltpresse voll mit Berichten über eine Bedrohung durch die „Islamische Bombe“. Zwar protestierte der damalige pakistanische Außenminister entschieden gegen diese Bezeichnung: „Nichts beleidigt mich mehr, als die Benutzung des Begriffs ‚islamische Bombe’. So etwas wie eine islamische Bombe gibt es nicht.“ – erklärte Tariq Ataf. Aber in der muslimischen Öffentlichkeit waren ganz andere Stimmen zu hören. In Pakistans Städten tanzten die Massen frenetisch um Attrappen von nuklearen Trägerakten, auf denen in großen Lettern „Islamische Bombe“ zu lesen war und schrieen „Allahu Akbar!“ (Allah ist groß). Ein Universitätsprofessor aus Islamabad fragte bigott: „Es gibt schon eine jüdische Bombe, und eine christliche Bombe. Weshalb keine islamische Bombe?“. Und einer seiner Studenten antwortete: „Dies ist eine islamische Bombe. Sie hat uns Selbstvertrauen aufgebaut, und wird die Solidarität aller Muslime die mit einem sie zurückweisenden und verachtenden Westen konfrontiert sind stärken. Muslime vereinigt euch hinter der Atom-Bombe!“ Heute verfügt Pakistan über 25-50 Nuklearsprengsätze.

 

Es ist noch nicht lange her, als der Westen darauf aufmerksam wurde, dass der pakistanische Atomwissenschaftler Abdul Qader Khan, der seiner Heimat die „Bombe“ bescherte, an andere Länder wie den Iran und Nordkorea spaltbares Material und technisches Know-how zur Herstellung von Atombomben verkaufte und in einigen Fällen sogar verschenkte. Der „Vater der islamischen Bombe“, wie Khan heute in der Weltpresse genannt wird, war nicht nur ein Wissenschaftler, sondern er war von dem brennenden Glauben besessen, der Besitz von Atomwaffen verschaffe dem Islam die Rückkehr zu seiner einstigen Größe.

 

Pakistans militantes Atomprogramm genießt in der gesamten islamischen Welt eine große Popularität und wird als nachahmenswertes Vorbild hingestellt. 1999 forderte Scheich Muhammad Sayyed al-Tantawi von der al-Azhar Universität in Kairo den ägyptischen Besitz von atomaren Waffen, um sich gegen Israel verteidigen zu können. Als theologische Legitimation hierzu gab er einen Satz des ersten Kalifen Abu Bakr an, der lautete: „Wenn sie dich mit dem Schwert bekämpfen, dann bekämpfe auch du sie mit dem Schwert; wenn sie dich mit dem Speer bekämpfen, dann bekämpfe du sie mit dem Speer.“ Daraus zog der Scheich den folgenden Schluss: „Wenn Abu Bakr heute leben würde, dann würde er sagen: ‚Wenn sie dich mit einer Atombombe bekämpfen, dann musst du sie ebenfalls mit einer Atombombe bekämpfen.’“ Auch war in einem am 23. Dezember 2003 verfassten Communiqué von Gelehrtem des al-Azhar Universität zu lesen, dass die Beschaffung nuklearer Waffen eine religiöse Verpflichtung sei. Das Schreiben war eine Reaktion auf die Debatte, die der Scheich Ala A-Shanawi mit der Behauptung ausgelöst hatte, Mohammed hätte sich sehr wahrscheinlich Nuklearwaffen besorgt, um seine Feinde zu bekämpfen.

 

Immer wieder tauchen Presse-Artikel auf, in denen zu lesen ist, auch Saudi Arabien strebe nach Nuklearwaffen. Zuweilen werden solche Wünsche von saudischer Seite damit begründet, man müsse sich nicht nur vor einem Angriff aus Israel, sondern auch aus dem schiitischen Iran schützen. Hinter dem Wunsch nach der „Bombe“ dürfte jedoch ebenfalls die Überlegung stehen, einer möglichen amerikanischen Besetzung des Ölstaates vorzubeugen. Als erwiesen gilt, dass Saudis das pakistanische Nuklear-Programm mitfinanziert haben.

 

Pakistans Bombe wird auch als „Sunni-Bombe“ bezeichnet, weil die Einwohner des Landes vorwiegend Sunniten sind. Jetzt soll die „Sunni-Bombe“ eine Schwester, die „Schia-Bombe“, erhalten. Unklar ist bis heute, ob schiitische Mullahs die Konstruktion nuklearer Sprengkörper anstreben oder sich vielleicht schon (dank dem Nuklearhandel Abdul Qader Khans) im Besitz davon befinden. Schon 1992 hatte der damalige iranische Vizepräsident Sayed Ayatollah Mohajerani angekündigt: „Da Israel damit fortfährt, nukleare Waffen zu besitzen, müssen wir, die Muslime, zusammenarbeiten, um eine Atombombe zu produzieren, unabhängig von einer Anstrengung UNO, der Verbreitung [von A-Waffen] zuvorzukommen.“

 

Fraglos ist die „Islamische Bombe“ zu einem beliebten und provokanten Symbol der Ummah, der Gemeinschaft aller Muslime, geworden: „Die Bombe spielt eine große Rolle im Volksbewusstsein der Muslime als Symbol der Einheit, der Entschlossenheit und des Selbstrespekts. Sie wird von vielen als eine Garantie gegen weitere erniedrigende Niederlagen angesehen, als sicheres Zeichen für ein Umschlagen des Schicksals, und als ein Allheilmittel gegen die Krankheiten von der die Muslime seit dem Goldenen Zeitalter des Islams befallen wurden. Solche Gefühle finden ihr Echo bei Muslimen von Algerien bis Syrien und vom Irak bis Pakistan.“ – schrieb Pervez Hoodbhoy schon 1993 im Bulletin of the Atomic Scientists. Dies trifft heute mehr denn je zuvor zu.


Komparative Studien zum Fundamentalismus -18. April 2006

 

Eine Ökumene des Schreckens

Bazon Brock diskutiert Trimondi-Thesen

 

Bazon Brock (Professor für Kunst und Ästhetik, Universität Wuppertal) diskutiert auf seinen Blog über den Fundamentalismus (unter anderem auch über das neue Trimondi Buch „Krieg der Religionen“). Siehe: http://blog.bazonbrock.de/ Beiträge vom 09.04.06 – 06.04.06 - 05.04.06 – 04.04.06. In dem Kapitel „Einführung in den Fundamentalismus. Kap. 2: “Ökumene des Schreckens” vom 5. April 2006  ist zu lesen:

Augiae cloacas purgare. - Um den Stall der Erleuchteten und Erweckten auszumisten, hat man sich den Theologien des Terrors samt ihren Durchsetzungs- und Erzwingungsstrategien zuzuwenden. Das ulkige an den unterschiedlichsten Parteiungen fundamentalistischer Positionierung ist ihr heimlicher Konsensus in einigen bedeutsamen Punkten: Sie stimmen in der Konzeption des zweiten Kommens Christi (Isa) und der Erscheinung des Anti-Christen überein. Sie folgen der Beschreibung großer Schlachten in den letzten Tagen zwischen den Mächten des Glaubens und des Unglaubens. Sie Träumen den Schlaf der Vernunft in der Obsession eines militanten Messianismus. So bilden sie, wie in dem Buch von Victor und Victoria Trimondi “Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse.” im Fink-Verlag 2006 erschienen und dargestellt, eine “Ökumene des Schreckens” (Vgl. ebenda. S. 525), die in eine apokalyptische Matrix gespannt ist.

Auf dem Marktplatz der Prophezeiungen herrscht heftigste Konkurrenz, eine wahre Vernichtungskonkurrenz. Das eliminatorische Prinzip vereint die Gegner, ebnet vor dem Hintergrund religiöser Überzeugungen selbst noch die Unterschiede zwischen dem Höchsten und dem Niedrigsten, zwischen den Bewohnern “Weißer Häuser” und dem Mittel- und Obdachlosen ein. Denn alle sind sie die Gestalten und Gestaltungen einer Kundschaft, die dem Glauben an Zukunftsvis- und missionen verfallen ist. Sie alle verbindet die Selbstermächtigung im Namen Gottes, verbindet im Grunde die Sehnsucht nach dem Paradies…

Grundproblem ist, ich hatte es gestern bereits erwähnt, die Popularität von “expressis verbis” - Interpretationen “heiliger Texte”. Diese sind verführerisch für Massen, die sich dem “mysterium tremendum” hinzugeben bereit sind. Religionsforscher wie Rudolf Otto und René Girard wurden nicht müde zu betonen, dass die Wirksamkeit von Religionen aus einer sakralisierenden Struktur der Furcht und des Schreckens herrührt. Gewalt als Heiligungsstrategie ist dann das Äußerste, das schamvoll geneigte Haupt und Zittern des Gläubigen, wenn er seiner Gottheit sich nähert, das andere Ende einer Skala, die sich noch weiter und noch delikater öffnen ließe, - hätte man nicht den Tremor.

Es sind die Schleusen geöffnet: Liebe, Güte, Mitmenschlichkeit hätten eine Zugang, werden jedoch überstiegen von der Gewalt des Heiligen, die sich in der Vernichtung des Menschen und auch des übrigen Lebens äußert. Im Grunde gilt die Verachtung des Fundamentalisten allen Formen des Lebens, sofern es dem Satan, also dem Unglauben verfallen ist.

© Bazon Brock


Komparative Studien zum Fundamentalismus - 08. April 2006

 

Eine Sintflut zu machen,

entbrannte das Herz der Götter

Sprecher aller Religionen interpretieren Naturkatastrophen

als ein Strafgericht Gottes und als Zeichen der End-Zeit

 

In der Apokalypse des Johannes und in den Endzeit-Texten der anderen Religionen kämpfen der kommende Messias und seine Heerscharen nicht nur mit übernatürlichen Superwaffen, sondern bringen auch Naturkatastrophen und Krankheiten zum Einsatz. Erdbeben, Meteore, Seuchen, Insektenplagen und Überschwemmungen sind traditionelle Szenarien des apokalyptischen Theaters. Da hierunter nicht nur die Gegner zu leiden haben, müssen diese Katastrophen als göttliches Gericht über die eigenen Leute angesehen werden.

 

Einen großen Nährstoff erhielt eine entsprechende endzeitliche Spekulation am Ende des Jahres 2004 durch die Tsunami-Flutkatastrophe in Südostasien. Vertreter aller Religionen sahen in den Ereignissen Gott am Werk, der die Menschen wegen ihrer „Sünden“ bestraft. Der Buddhismus-Gelehrte Ananda Guruge, ehemaliger Botschafter von Sri Lanka in den USA, erklärte, die gesamte Katastrophenregion habe die Auswirkungen schlechten Karmas zu ertragen. „Die buddhistische Doktrin macht die Leute verantwortlich für ihr eigenes Schicksal“ – sagte Guruge. Das angehäufte „schwarze“ Karma könne auch die Folge von Taten sein, die in einem vergangenen Leben begangen wurden, und für die erst in diesem Leben gebüßt werde. Auch für die Hindus ist die Wirkkraft des Karmas ein Dogma, aber ebenso fürchten sie die strafende Intervention der Götter. „Wir glauben, dass zu viele Menschen zu viele schlechte Taten begehen.” – sagte Nadadur Vardhan, Präsident der Hindu Temple Society of Southern California zur Erklärung der Tsunami-Welle – “Die Leute leben nicht gemäß den Gesetzen, die für sie bestimmt sind, weil sie anderen Menschen nicht helfen, weil sie ihre Eltern nicht gut behandeln, weil sie sich nicht um die Armen kümmern und weil sie in den Krieg aus unethischen Motiven ziehen.“ Vardhan fährt fort, eine solche Entwicklung sei jedoch vorauszusehen, da wir uns nach der hinduistischen Doktrin in der Endzeit, dem sogenannten Kali Yuga, befänden, wo Gewalt und Immoralität vorherrschen würden und wo Gott auf den allgemeinen Sittenverfall mit Strafgerichten [wie der Tsunami-Welle] reagiert.

 

„Vorher waren sich die Leute nicht sicher, dass es einen Gott gebe, aber jetzt sind sie es. Gott brachte die große Flut als eine Warnung.“ - versicherte Mohammed Nazar, ein muslimischer Geschäftsmann aus Sri Lanka. Sein Glaubensbruder, der saudische Professoren-Scheich Fawzan Al-Fawzan machte die sexuelle Verwahrlosung, insbesondere die Homosexualität für dieses konkrete Eingreifen Gottes verantwortlich. „Diese großen Tragödien und kollektiven Bestrafungen, durch die Dörfer, Kleinstädte, Großstädte und selbst ganze Länder ausgelöscht werden sind nichts anderes als Allahs Bestrafung der Menschen aus diesen Ländern, selbst wenn es sich dabei um Muslime handelt. Einige unserer Vorväter sagten, dass wenn sich in einem bestimmten Dorf Wucher und Unzucht verbreitet haben, dann erlaubt Allah dessen Zerstörung.“ Mohamed Faizeen, Leiter des Zentrums für islamische Studien in Colombo, legte ein Satellitenphoto vor, das zeige, wie die mörderische Welle an der Südwestküste Sri Lankas das Wort „Allah“ auf Arabisch nachzeichne.

 

Die Kommentare christlicher Fundamentalisten, die in der großen Welle ein weiteres Vorzeichen der hereinbrechenden Apokalypse erkennen wollen und sich dabei auf die Johannesoffenbarung berufen, waren nicht zu zählen. Hier ein Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum. Unter dem Titel „Die Apokalypse deutet sich immer deutlicher an“ schreibt Pfarrer Emmanuel Fernandez Ortega: „Am 26. Dezember 2004 wurden die Zeichen für das kommende Verschlingen der Menschheit weithin sichtbar. Die Todesflut im Indischen Ozean ist als Fanfarenklang des kommenden Weltensterbens zu begreifen. ‚Eine Sintflut zu machen entbrannte das Herz der Götter […] Denn die Flut ist eine Strafe, die schrecklichste, die Gott verhängt hat.’ (Die Welt 27.12.04) Die Schöpfungsgeschichte hat ihre eigenen, nicht verwandelbaren Gesetze. Jede Übertretung wird final bestraft. Die erste größere Katastrophe am 26.12.2004 einer noch kommenden Serie von apokalyptischen Heimsuchungen machte vielen wieder bewusst, wie ketzerisch das menschliche Allmachtsdenken doch ist.“


Jüdischer Fundamentalismus – 05. April 2006

 

Good und bad News für den Nahen Osten

Die Entmachtung des Likud in Israel und die Eroberung

der Macht durch die Hamas in den Palästinensergebieten

 

Die gute Nachricht für den Nahen Osten ist der Wahlsieg der Kadima-Partei unter Ehud Olmert und ihre mögliche Koalition mit der Arbeiterpartei unter Amir Peretz in Israel. Auch wenn die Wahlbeteiligung der Israelis erschreckend gering war, so wurde dennoch der militanten Religiösen Rechten, die sich um Benjamin Netanjahu geschart hatte, eine Abfuhr erteilt. Damit ist auch das apokalyptisch-messianische Element der radikalen Siedlerbewegung, die den von Netanjahu geführten Likud-Block unterstützte, an den politischen Rand gedrängt worden.

 

Der ehemalige Ministerpräsident machte selbst vor dem Endzeitwahn der Christlichen Rechten nicht Halt und kokettierte mit dem für die jüdische Eschatologie völlig untypischen Begriff „Armageddon“ herum: „Eine erstaunlich große Anzahl von fundamentalistischen Christen glaubt daran.“ - so Netanjahu – „dass wir jetzt auf das Ende der Zeiten und die Schlacht von Armageddon zusteuern. Natürlich ist das so seit dem Tode von Jesus gewesen, dessen Anhänger seine bevorstehende Rückkehr erwarteten, damit er die Dinge in Ordnung bringt. Doch obgleich die Christen glauben, die Apokalypse werde aus Gründen geschehen, die keinen Sinn für die meisten Leute (einschließlich mir) ergeben, heißt das nicht, dass sie nicht stattfindet.“ Dass nach den Armageddon-Prophezeiungen der christlichen Fundamentalisten am Ende der Tage alle Juden umgebracht werden, es sei denn, sie konvertieren vorher zum Christentum, erwähnte der heutige Likud-Chef nicht. Schließlich erhalten Aktivisten der Jüdischen Rechten aus diesen Quellen enorme Geldzuwendungen.

 

Nach Ariel Scharons Schlaganfall und dem Aufstieg der Hamas setzte die amerikanische Christliche Rechte große Hoffnungen auf einen Wahlsieg Netanjahus. Sie musste also ebenfalls eine Enttäuschung hinnehmen. Hinzukam gestern eine weitere Niederlage. Einer ihrer exponiertesten Vertreter, Tom DeLay (wegen seiner Wortgewalt der „Hammer“ genannt), verzichtete wegen massiver Korruptionsvorwürfe auf eine Wiederwahl als Mehrheitssprecher im Kongress. DeLay ist während der Bush-Ära einer der mächtigsten Politiker des Landes gewesen. Durch seine Forderung nach einem Groß-Israel schürte er jahrelang das Feuer im Nahen Osten mit polit-religiösen Parolen: „Ich besuchte Judäa und Samaria und ich stand auf den Golanhöhen. Ich sah kein besetztes Land. Ich sah nur Israel!“ – erklärte er nach der Rückkehr von einem Besuch in die Westbank.

 

Die schlechte Nachricht für den Nahen Osten ist erst einmal der Wahlsieg der Hamas in den palästinensischen Gebieten mit einer absoluten Mehrheit (74 der 132 Sitze). Wenn diese aus der fundamentalistischen Muslimbrüderschaft hervorgegangene Partei weiterhin ihre traditionelle, ebenfalls endzeitgeladene Programmatik verfolgt (Einsatz von Suizid-Attentaten, die Vernichtung Israels und darüber hinaus aller Juden, die Errichtung einer islamischen Theokratie über ganz Palästina) ist das für die Entwicklung der Region katastrophal. Die internationale Staatengemeinschaft und Israel warten nun, dass die Partizipation an der Macht zu einer Mäßigung und einem Pragmatismus der Hamas führt. Die Geschichte zeigt zwar, wie dies oft bei säkular eingestellten Politikern der Fall sein kann, bei religiösen Fanatikern aber ist eine solche Entwicklung viel unwahrscheinlicher und allenfalls taktischer Natur. Erst am Sonntag hatte der Außenminister der neuen Regierung, Mahmud al-Zahar, gesagt, dass er davon träume, „eines Tages eine große Weltkarte an die Wand meines Hauses in Gaza hängen zu können, auf der Israel nicht erscheint – dieser Traum wird eines Tages Wirklichkeit werden, dessen bin ich gewiss.“


Christlicher Fundamentalismus  - 30. März 2006

 

Bertelsmann: Neuer Herold

des Endzeit-Wahns

Der Mega-Konzern setzt immer mehr auf Publikationen der Christlichen Rechten

 

In der auflagenstarken kulturpolitischen Zeitschrift von ver.di Kunst + Kultur (Nr. 3  - 1. März 2006, Seite 7 und 8) erschien ein Artikel von uns mit dem folgenden Titel:  Jesus inmitten der  Endzeitraserei - Bertelsmann, der neue Kulturkampf-Heros des christlichen Fundamentalismus? Die längere Originalfassung haben wir auf unserer Website abgedruckt. 

 


Hindutva-Fundamentalismus -  11. März 2006

 

Kshatriya versus Mujaheddin

Auch die Religiöse Rechte Indiens glaubt in der Endzeit zu leben

 

Am 7. März explodierte in der indischen Stadt Varanasi eine Bombe in einem Tempel, riss 21 Menschen in den Tod und verletzte 60. Das Attentat, das von muslimischen Fundamentalisten durchgeführt worden sein soll, reißt eine Wunde auf, die dabei war nach dem Sieg der Kongress Partei im Mai 2004 zu verheilen. Als Indiens größte Rechtpartei (Bharatiya Janata Party  - BJP) die Wahl und damit auch die Regierungsgewalt verlor, sahen viele ihrer Funktionäre die Abkehr von den tradierten Werten und den religiösen Inhalten des klassischen Indiens als Ursache hierfür. Der Ruf „Zurück zur Basis! Zurück zur Hindutva! [Hindu-Kultur]“ ist seither zu einem Slogan geworden, unter dem sich die Religiöse Rechte Indiens neu gruppieren will, was ihr in den letzten zwei Jahren aufgrund innerer Querelen nicht so richtig gelungen ist. So kommt ihr das Attentat gerade recht.

 

Die Hindutva orientiert sich an einer endzeitlich-messianischen Philosophie. Es ist die Ambition ihrer Anhänger, die Grundsätze ihrer Realpolitik aus dem umfangreichen Erbe der indischen Religionen und ihrer Heiligen Texten abzuleiten, an erster Stelle aus dem populären Epos Ramayana. Letzteres weist zahlreiche apokalyptische Elemente aufweist. Eine weitere, klassische Schrift der indischen Endzeit-Literatur ist die Mahabharata, insbesondere die darin enthaltende Bhagavadgita. Dieses monumentale Epos behandelt an zentraler Stelle das „Kshatriya-Ideal“, den Kult vom „Heiligen Krieger“, das Hindu-Pendant zum muslimischen „Mujaheddin“ und zum christlichen „Gotteskrieger“.

 

Für die Hindu-Fundamentalisten wird das Ahimsa-Prinzip, die Gewaltlosigkeit eines Mahatma Gandhi, durch das Himsa-Prinzip, die Bejahung von Gewalt, ersetzt. Die Nähe zum europäischen Faschismus ist in diesem Fall nicht nur metaphorisch zu verstehen. Die RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh – Hindu Heim Truppen), heute der paramilitärische Flügel der BJP, hat in der Mitte des vorigen Jahrhunderts direkte Kontakte zu den Achsenmächten unterhalten und sich ideologisch aus dem italienischen Faschismus und Nationalsozialismus inspirieren lassen – ebenso wie umgekehrt. Heute noch gibt es in Indien eine latente, weit verbreitete Hitlerbewunderung, die sich bis zu dessen Verehrung als göttlicher Avatar hinaufsteigern kann.

 

Hauptfeinde für die Hindu-Fundamentalisten sind die 120 Millionen Muslime des Landes und die muslimischen Anrainerstaaten Pakistan und Bangladesh. Der „Heilige Krieg“ gegen den Islam wird von den Hindutva-Anhängern seit Jahren „kosmisch“ geführt. So gilt die Religion Mohammeds als das „Böse“ schlechthin und die mittelalterliche Eroberung Indiens durch die islamischen Reiterheere wird als eine Invasion von „Dämonen“ angesehen. Erst die Bekehrung oder Vertreibung der Muslime wird der Hindutva mit Hilfe der indischen Götter den Endsieg verschaffen und das Land in ein „irdisches Paradies“ verwandeln. Im schlimmsten Fall bedeutet das jedoch den Genozid an der gesamten muslimischen Bevölkerung Indiens und in der Tat werden solche Möglichkeiten eines islamischen Holocausts in ultra-rechten Kreisen der Hindutva offen ausgesprochen. Entsprechend barbarisch sind die gewalttätigen Zusammenstösse mit Muslimen, die jedoch nicht weniger brutal gegen die „Ungläubigen“ und die „Polytheisten“, wie die Hindutva-Anhänger genannt werden, vorgehen und sich dabei auf den Koran berufen.

 

1992 erreichte der inner-indische Clash of Civilization seinen vorläufigen Höhepunkt in der Besetzung der muslimischen Babri Moschee in der Stadt Ayodhya durch fanatisierte Hindus. Tausende von Toten und Zehntausende von Verletzten auf beiden Seiten waren die Folge. Seit dieser Zeit bricht die Gewaltwelle zwischen den zwei Religionen nicht mehr ab. Die Moschee soll im 16. Jahrhundert auf der Geburtstätte des Gottes Rama gebaut worden sein und wird deswegen von der religiösen Rechten zurückgefordert, zumal Rama als „Partei-Gott“ der BJP höchste Verehrung genießt. Es ist vielfach betont worden, dass der Konflikt um die Babri Moschee für den indischen Kulturkreis denselben Stellenwert hat wie der Tempelberg für die drei monotheistischen Religionen.


Christlicher Fundamentalismus – 05. März 2006

 

Führt Tony Blair einen Religionskrieg?

Wie der englische Premier seine Politik unter das Urteil Gottes stellt

Nicht nur George W. Bush stellte den Irak-Krieg mehrfach in einen religiösen Zusammenhang, sondern auch der britische Premierminister Tony Blair. Wegen der Frage, ob britische Truppen 2003 in den Irak geschickt werden, habe er gebetet, sagte der Labour-Politiker am 04.03.06 im Fernsehsender ITV: „Am Ende wird es ein Urteil darüber geben.“ - fuhr Blair fort – „Und ich denke, wenn man an solche Dinge glaubt, wird man sich darüber klar, dass es von anderen Leuten gefällt wird.“ Auf die Nachfrage, was er denn darunter verstehe, antwortete er: „Wenn man an Gott glaubt, dann wird es auch von Gott gefällt.“ Schon 2003 hatte Blairs ehemalige Außenminister Robin Cook darauf hingewiesen, dass es dessen „evangelikaler Glaube“ war, der den britischen Premier in den Irak-Krieg getrieben habe. „Blair selber glaubte mit großer Passion an die Berechtigung des Krieges.“ – sagte Cook.

Der Premier ließ sich sogar dazu hinreißen, den „Kampf gegen den Terrorismus“ in einen endzeitlichen Zusammenhang zu stellen: „Seit dem 11. September konnte ich die Bedrohung klar erkennen. Hier wurden Terroristen darauf vorbereitet, Armageddon auszulösen.“ – erklärte er im Mai 2004. Das „Böse“ auf der Gegenseite ist für ihn der „Islamismus“. Nach dem Londoner Attentat (2005) attackierte er mit großem Pathos die „Ideologie“, die solche Handlungen erst ermöglicht habe. Er nannte sie eine „Ideologie des Bösen“ (evil ideology) und betonte „barbarische Ideen“ (babaric ideas) stünden hinter den Attentätern. Ihre Handlungen folgten einer „teuflischen Logik“ (devilish logic). Blair hat nach dem 9/11 damit begonnen, einen „Religionskrieg“ gegen das Böse zu führen. Er hat damit seine Landsleute und den Westen insgesamt in ein gefährliches, apokalyptisches  Fahrwasser getrieben. Dass er sich anderseits in der Küng-Stiftung für den Weltethos einsetzt, zeigt wie doppelbödig die Debatte im interreligiösen Dialog geführt wird.

Bei Gegnern des Irak-Kriegs stoßen Blairs jüngste Äußerungen auf scharfe Kritik. Sie werfen ihm vor, Gott nachträglich als "Rechtfertigung für eine verfehlte Strategie" zu benutzen. In Umfragen nach dem Blair-Interview antworteten Friedensaktivisten: "Wir wollen keinen Bush- oder Khomeini-artigen Fundamentalismus in unserer Politik!". Die große Mehrheit der Briten lehnt den Einsatz im Irak, bei dem mehr als 100 britische Soldaten getötet wurden, inzwischen strikt ab.


Christlicher Fundamentalismus – 05. März 2006

 

Das apokalyptische Tier

- ein politischer Körper

Isaac Newton war ein fanatischer Doomsday-Prophet

 

Die britische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong hat in ihrem bekannten Buch  Im Kampf für Gott – Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam“ (deutsche Übersetzung 2004) mehrmals Isaak Newton als den großen Antipoden zu einer fundamentalistischen Weltsicht herausgestellt. Zum Beispiel mit dem Satz: „Es ergeht uns ähnlich wie Newton, der als Abendländer vom wissenschaftlichen Geist derart durchdrungen war, dass er die Mythologie völlig unverständlich fand.“  Doch diese Benennung Newtons zum Kronzeugen für den Säkularismus erweist sich bei näherer Hinsicht als ein völliger Missgriff. Der berühmte Physiker war ein fanatischer (!) Apokalyptiker.

 

Jahrelang hat er sich mit der Johannesoffenbarung beschäftigt und wenigstens drei engagierte und ausführliche Abhandlungen dazu verfasst. Eine davon ist betitelt: „Prophezeiungen – das zweite Kommen Christi betreffend“. Der Physiker glaubte, dass die Apokalypse nicht „ethisch“ oder nur „spirituell“, sondern in jedem Fall „politisch“ zu verstehen sei: „Wenn jemand das [apokalyptische] Tier so deutet, als stelle es ein großes Laster dar, ist dies als seine private Imagination abzulehnen, denn nach Stil und Ausrichtung der Apokalypse und aller anderen prophetischen Schriften bedeutet das ‚Tier’ einen politischen Körper und in einigen Fällen eine Person, die einen solchen politischen Körper regiert, und es gibt keinen Grund für eine andere Interpretation in der Schrift.“ – schreibt Newton und erklärt im Folgenden seitenlang, dass die Protagonisten der Offenbarung wie der Drache, das Tier mit den zehn Hörnern, die Große Hure, Michael, das zornige Lamm usw. politische Institutionen oder Personen wie Könige, Armeeführer und Fürsten symbolisierten. (Isaac Newton – Yahuda Ms. 1.1 – Jewish National and University Library – in: www.newtonproject.ic.ac.uk/texts/yah1-1_n.html) Damit erweist sich der berühmte  Physiker als ein christlicher Fundamentalist. Es ist also absurd, wenn Karen Armstrong ihn ständig  als Protagonisten der Aufklärung gegen den Fundamentalismus herausstellt. Die Apokalypse ist nun mal eine große Versuchung und das nicht nur für religiöse Sektierer. Sie ist ohne weiteres mit der sogenannten „Modernen“ kombinierbar.


Hindutva-Fundamentalismus - 3. März 2006

 

Ich bin der Tod, der Zerstörer der Welt

Der atomare Deal zwischen Indien und den USA

 

Am 2. März haben der US-Präsident George W. Bush und der indische Ministerpräsident Manmohan Singh einen Vertrag zur zivilen Nutzung der Atomenergie geschlossen. Dem Atomwaffensperrvertrag ist Indien, das seine eigenen A-Bomben produziert, niemals beigetreten. Damit durchbricht dieser Deal die bisher geltenden internationalen Regelungen zur Begrenzung des atomaren Wettrüstens, auch wenn nach außen hin betont wird, es handele sich um eine rein zivile Nutzung der A-Energie, die zur Verhandlung stehe. Da Indien nur einen Teil seiner atomaren Anlagen international kontrollieren lässt, ist eine militärische Nutzung aber mehr als wahrscheinlich - zumal die USA den Subkontinent als Gegengewicht zur Nuklearmacht China unterstützen.

 

In keinem Land der Welt wurden und werden der Atom-Bombe so viele mythologische und apokalyptische Bedeutungsinhalte unterstellt wie in Indien. Das mag mit der Gründungsgeschichte dieser Superwaffe zusammen hängen, denn als die erste A-Bombe am 16. Juni 1945 in der Wüste von Los Alamos explodierte, ließ sich Robert Oppenheimer (1904 - 1967), der „Vater der Bombe“, aus dem indischen Kulturkreis „poetisch“ inspirieren. Zwei Tage vor der Explosion hatte er, selber des Sanskrits mächtig, einige Zeilen aus dem Original der Bhagavadgita übersetzt. Als er dann den ersten atomaren Pilz erblickte, kam ihm erneut das indische Kriegsgedicht ins Gedächtnis: „Ich erinnerte mich einer Zeile aus der Hindu Schrift, der Bhagavadgita. Vishnu [...] verwandelt sich in eine vielarmige Gestalt und sagt: ‚Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welt.’ Wir dachten wohl alle etwas ähnliches.“ – berichtet Oppenheimer später. Bei der Explosion klammerte er sich an den Pfosten im Kontrollstand und deklamierte laut aus dem Heiligen Text: „Wenn das Licht von Tausend Sonnen – Am Himmel plötzlich bräch’ hervor – Zu gleicher Zeit, das wäre – Gleich dem Glanz dieses Herrlichen.

 

Häufig benutzen Hindu-Ideologen der Religiösen Rechten diese Bhagavadgita-Sätze Oppenheimers, um zu „beweisen“, dass die Atombombe ursprünglich aus dem indischen Kulturkreis stamme. Sie behaupten, die traditionelle Hindu-Gesellschaft habe schon in Urzeiten über modernste Waffen-Techniken verfügt. „In Indien werden Oppenheimers Worte zunehmend durch einem neuen Typus von Hindu-Aktivisten zitiert. Für sie zeigt sein Gebrauch ihrer Heiligen Texte, dass die Hindu-Ideen von der Göttlichkeit mit der modernen Zeit verknüpft sind. Feuer und Feuerrituale sind ein wesentliches Element des Hinduismus. Sie sagen, dass das Antlitz des Schöpfergottes Vishnu wie ein nuklearer Blitz aufleuchtet.“ – schreibt der französische Journalist Robert Marquand.

 

Im Sanskrit bedeutet Schrift „shastra“ und Waffe „shaastra“. Es ist ein tiefeingesessenes religiöses Bild in der indischen Kultur, dass man die Schrift in der einen und die Waffe in der anderen Hand hält. Tatsächlich wimmelt es in den Heiligen Texten des Landes nur so von Superwaffen. Im Nationalepos Mahabharata ist von Sprengsätzen die Rede, die einen Zerstörungseffekt wie „fallende Sonnen“ haben, die als „gigantische Boten des Todes“ erscheinen und die „alles zu Asche verbrennen“. Ein Held des Epos, Arjuna, muss versprechen, von einer Waffe mit dem Namen Brahmasira keinen Gebrauch gegen Menschen zu machen, weil sie ansonsten die Erde vernichten werde. Auch im Ramayana kommt eine Waffe zum Einsatz, von der es heißt, sie sei „stärker als die Hitze von Tausend Sonnen.

 

In den rechts-religiösen Kreisen der Hindutva gilt es heute als eine „Binsenwahrheit“, dass die A-Bombe mit der in mehreren indischen Mythen erwähnten ultimativen Waffe, die den Namen brahmastra trägt, identisch sei: „Wenn eine Nuklearwaffe freigesetzt wird, dann entsteht eine Strahlung, gleich der, die beschrieben wird, als Asvatthama [ein Held aus der Bhagavdgita] seine brahmastra zündet. Da kam es zu einer großen Strahlung und die Leute fühlten eine schreckliche Hitze.“ – erklärt zum Beispiel Swami Prabhupada von der Hare Krishna Bewegung.

 

Krishna (Vishnu), Shiva und Rama sind Indiens Nukleargötter. Aber nicht nur die „Bombe“, sondern ebenso ihr gesamtes militärisches Umfeld wurde mythologisiert: Der Name der Mittelstreckenrakete „Agni“ leitete sich von dem indischen Feuergott gleichen Namens ab. „Trishul“, eine andere Raketengattung, bedeutet „Dreizack“ und verweist wiederum auf Lord Shiva und seine tödliche Waffe. Auch die verschiedenen indischen Atom-Tests tragen religiöse Namen wie „das Lächeln des Buddha“ (1974) und „Shakti“ (1998).

 

Sollte die religiöse Rechte (BJP)  in Indien wieder an die Macht kommen (was nicht ausgeschlossen ist), dann wird sie auch „mythologisch“ über das von den USA gelieferte nukleare Material und  Know How verfügen können.  


Jüdischer Fundamentalismus – 03. März 2006

 

Ein Krieg der Religionen? Gott bewahre uns!

Befürchtungen des israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery

 

In einem Artikel über die neueste Entwicklung im Nahen-Osten mit dem Titel „Ein Krieg der Religionen? Gott bewahre uns!“ (20.02.06) warnt der israelische Friedensaktivist Uri Avnery vor der Gefahr, dass mit dem Wahlsieg der Hamas die Region immer mehr in ein religiöses Fahrwasser geraten kann. Die religiösen Absichten der fundamentalistischen Palästinenser-Organisation sind hinreichend bekannt, sie führen aber – so befürchtet – Avnery zu einer Stärkung des jüdischen Fundamentalismus als Gegenreaktion. Der Autor betont den ursprünglich säkularen Charakter des Zionismus und verweist darauf, dass sich dieser zuerst gegen das orthodoxe Rabbinertum durchsetzen musste. Viele religiöse Juden waren ursprünglich der Meinung, dass eine jüdische Masseneinwanderung in den Nahen Osten, die Ankunft des Messias hinauszögern, ja verhindern würde.

 

All das änderte sich nach dem Sechs-Tage-Krieg, als sich ein militanter Messianismus in Israel entwickelte: „Die jüdische Religion selbst machte eine Mutation durch. Dieser Mutant warf alle universellen Werte ab und wurde zu einem engstirnigen, militanten, fremdenfeindlichen Stammesglauben, dem es um Eroberung und ethnische Säuberung geht. Die religiösen Zionisten der neuen Sorte sind davon überzeugt, dass sie den Willen Gottes erfüllen und das Kommen des Messias vorbereiten. Die ‚national-religiösen’ Kabinettsminister, die immer zum moderaten Flügel der Regierung gehörten, machten einer neuen extremistischen Führung Platz, mit Tendenzen zum religiösen Faschismus.“ – schreibt Avnery. Seit den 70ern haben die „Religiösen“ einen zunehmenden Einfluss auf die israelische Politik gewinnen können. Bei den kommenden Wahlen stehen sie hinter dem charismatischen Populisten Benjamin Netanjahu. „Seit Jahren werde ich von einem Alptraum verfolgt!“ – erklärt Avnery – „dass der israelisch-palästinensische Konflikt sich aus einer nationalen zu einer religiösen Konfrontation entwickeln könnte. Ein nationaler Konflikt – so schrecklich er ist – ist lösbar. […] Aber nicht religiöse Konflikte. Wenn alle Seiten an göttliche Gebote gebunden sind, dann wird es weitaus schwieriger, einen Kompromiss zu finden.“


Islamischer Fundamentalismus - 25. Februar 2006

 

Die Basis des Imam Mahdi

Im Irak wird der Messias erwartet

 

Die Attacke auf die Goldene Moschee in Samarra (22.02.06) hat für die gläubigen Schiiten eine tiefe eschatologische Bedeutung. Samarra gilt als der Ort, in dem der 12. Imam (Mohammed al-Mahdi) auf mysteriöse Weise vor mehr als 1100 Jahren verschwand, und wo er (unterblich) wieder als militanter Messias, als der „Imam-Mahdi“, erscheinen soll, um eine sündige Welt durch Feuer und Schwert in einen muslimischen Gottesstaat zu verwandeln. Seit vielen Jahren bringt man ein gesatteltes Pferd und Soldaten in das Samarra Heiligtum, damit sie für die Rückkehr des schiitischen Erlösers bereit stehen. „Der Mahdi wird eines Tages als Messias erwartet.“ – sagt der Islamforscher Yitzhak Nakash - „Deswegen ist die Attacke von signifikanter Bedeutung.“

 

Die Schiiten schlugen sofort und brutal zurück. Über Hundertfünfzig Anhänger der Sunna kamen bisher bei den Ausschreitungen ums Leben, darunter einige sunnitische Imame. 60 sunnitische Moscheen sollen beschädigt worden sein. Sogar mit Raketen wurde darauf geschossen. Dennoch ist man sich in der islamischen Welt keineswegs darüber einig, dass die Sunniten die Attentäter von Samarra waren. Nicht nur die iranische Presse macht die Amerikaner hierfür verantwortlich, sondern auch in den Zeitungen anderer islamischer Länder ist Ähnliches zu lesen: „Obgleich Milliarden von Dollars verschwendet und Tausende von Menschen getötet wurden, haben die Besetzer nichts Erwähnenswertes im Irak erreicht. Während die Schia-Bevölkerung und die Leute siegreich waren. So bleibt den Besatzern nichts anderes übrig, als Stammes und Sekten-Spannungen zu schüren und einen Bürgerkrieg zu entfesseln.“ – schreibt das iranische Blatt Hamshahri.

 

Sofort nach der Sprengung der Goldenen Moschee ist der radikale Schiitenführer Mugtada al-Sadr von einer Nah-Ost-Reise in den Irak zurückgekehrt. Der junge Ayatollah besitzt seine eigene Miliz, die sogenannte „Mahdi Armee“, die sich an einem endzeitlichen Programm orientiert. Noch am 19. Februar, vier Tage vor der Attacke auf die Goldene Moschee, erklärte al-Sadr in einem Interview des Senders Aljazeera, die Mahdi Armee sei „die Basis des Imam Mahdis und eine solche Basis des Prophezeiten [Messias] könne nicht aufgelöst werden.“ Die gesamte Familie al-Sadrs hat sich seit drei Generationen einer eschatologischen Politik verschrieben. Seine Gotteskrieger beteiligen sich zurzeit nur deswegen nicht an den Aufständen, weil die Schiiten sowieso die Mehrheit der Stimmen im Lande haben und ihnen deswegen die Macht auf jeden Fall in die Hände fällt. Sollte es zu einem westlichen Militärschlag auf den Iran oder Syrien kommen, werde seine Mahdi-Armee gegen die Besatzungsmacht einen Krieg entfesseln, versichert al-Sadr.

 

Überhaupt liegt mittlerweile im Irak die Macht in den Händen des Klerus und nicht in denen der Politiker. „Die Kleriker sind die Königsmacher, die Friedensfürsten und die Kriegsfürsten“ – sagt Ismael Zayer, Chefeditor des Sabah Jadee, einer moderaten irakischen Tageszeitung – „Die Leute marschieren auf Befehl der Kleriker und halten an auf Befehl der Kleriker.“ Hassan Bazzaz, Politologe an der Bagdad Universität, stimmt dem zu: „Wenn die religiösen Führer sich entscheiden, den Weg des Bürgerkrieges zu gehen, dann können sie das, zu jeder Zeit. Wenn sie wirklich wollen, diesen zu stoppen, dann können sie es auch. Die religiösen Führer haben die reale Macht in ihren Händen.“ Die Kleriker werden entscheiden, ob sich der Konflikt zwischen Sunnis und Schiiten tatsächlich ausweitet oder ob sich beide gegen die Besatzungsmacht vereinigen. Für beide Fraktionen gilt jedoch die Scharia als einzige Gesetzgrundlage in ihrem Staatsverständnis. Der demokratische Rechtsstaat hat deswegen im Irak nicht viele Chancen.


Christlicher Fundamentalismus - 23. Februar 2006

 

Ronald Reagans Endzeit-Wahn

„Armageddon kann nicht in einer Welt stattfinden, die abgerüstet hat“

 

Derzeit erleben die USA ein Ronald-Reagan-Revival. Nach jüngsten Umfragen soll der ehemalige Hollywood Schauspieler der populärste aller amerikanischen Präsidenten sein. Insbesondere wird dabei seine große Frömmigkeit in Biographien, Dokumentationen und Artikeln betont. Um zwei Elemente hat Reagan die politische Ideologie Amerikas jedenfalls bereichert: den „Krieg gegen das Böse“ und den amerikanischen  „Armageddon-Wahn“. Reagan dachte in Kategorien, welche die Weltpolitik nicht nur in die krasse Dualismus von Gut und Böse, von Gott und Satan aufteilte, sondern er verstand seine Politik auch als ein Moment christlicher Eschatologie, wie sie sich aus der Johannesoffenbarung und aus dem Alten Testament extrahieren lässt.

 

Kein amerikanischer Präsident parlierte so nonchalant und so oft über die Apokalypse wie er. Schon 1971 bekannte Reagan gegenüber James Mills, einem Senatspräsidenten aus Kalifornien, dass er den in der Bibel erwähnten Gog und Magog Krieg auf Amerika zukommen sehe. Er selber gebärdete sich wie ein Bibelprophet: „Im 38. Kapitel von Ezechiel wird gesagt, dass Israel von den Armeen der gottlosen Nationen angegriffen wird, und darin steht auch, dass Libyen eines dieser Länder sein wird. Verstehen Sie die Bedeutung davon? Libyen ist jetzt kommunistisch geworden, und das ist ein Zeichen, dass der Tag von Armageddon nicht mehr weit entfernt ist. [….] Ezechiel sagt uns, dass Gog, die Nation, welche die anderen Mächte der Dunkelheit gegen Israel anführen wird, aus dem Norden kommen wird. Generationen von Bibelschülern haben gesagt, das Gog Russland sein muss.“ – erklärte er. Während seines Amtes wird er immer wieder die Sowjetunion als den „Fokus des Bösen in der Welt“ und als das „Reich des Bösen“ (evil empire) bezeichnen.

 

Man kann ohne weiteres sagen, dass Reagan unter einer „Armageddon-Obsession“ litt. Sein  gigantisches Aufrüstungsprogramm, das in einem „Krieg der Sterne“ gipfeln sollte, hat er, so  Senator James Mills, als eine Vorbereitung für die apokalyptische Endschlacht und das Zweite Kommen Christi verstanden. „Armageddon“, vertraute er Mills an, „kann nicht in einer Welt stattfinden, die abgerüstet hat.“ Auch Reagans unmittelbares Umfeld wurde von dem apokalyptischen Virus angesteckt. So versicherte der damalige Verteidigungsminister (Secretary of Defense) Caspar Weinberger: „Ich habe das Buch der Offenbarung gelesen, ja, ich glaube, die Welt geht ihrem Ende entgegen – durch einen Akt Gottes. Ich hoffe – aber jeden Tag denke ich, die Zeit läuft aus.“ Und Reagans Innenminister (Secretary of the Interior) James Watts war davon überzeugt, dass das Zweite Kommen Christi unmittelbar bevorstünde. Analytiker weisen darauf hin, dass Reagan trotz seiner apokalyptischen Phantasmen eine nachvollziehbare Realpolitik, auch im Nahen Osten, betrieben habe. Wie immer das einzuschätzen ist, feststeht, dass heute gerade die religiöse Seite dieses Präsidenten hervorgehoben wird.


Heiliger Krieg - 15. Februar 2006

 

Apokalyptischer Nuklearismus

Die Existenz dieser Waffen verwischt die Jahrtausende alten

Unterscheidungen zwischen der Phantasie einer Weltvernichtung

 

Die Konstruktion, Zündung und Verbreitung von Nuklear-Waffen hatte von Beginn an einen bestimmenden Einfluss auf das apokalyptische Denken. Der Einsatz von A-Waffen ist ein Szenario, das in keiner „modernen“ Apokalyptik mehr fehlt. Seit den Explosionen der Bomben von Los Alamos, Hiroshima und Nagasaki werden Zerstörungs-Passagen aus den traditionellen Endzeit-Texten der Religionen als Beschreibungen eines atomaren Holocausts gedeutet. In der Tat ist in fast allen Heiligen Schriften (in der Hebräischen Bibel, in der Offenbarung des Johannes, im Koran und in den Hadiths, in der Bhagavadgita, im Ramayana und im Kalachakra-Tantra) von „übermenschlichen“ Waffen die Rede, die eine ungeheuerliche Zerstörungswirkung haben sollen. Diese Passagen werden von den Apokalyptikern als göttliche Legitimation für einen Atom-Krieg herangezogen.

 

Seit der Existenz der Bombe sind solche atomaren Doomsday-Prophezeiungen mehr als ein religiöses Phantasma: „Die Existenz dieser Waffen verwischt […] die Jahrtausende alten Unterscheidungen zwischen der Phantasie einer Weltvernichtung (ob von paranoiden Schizophrenen, religiösen Visionären oder auch von ganz normalen Menschen in ihren Träumen) und der Fähigkeit, diese Phantasie Wirklichkeit werden zu lassen.“ – schreibt der amerikanische Gewaltforscher Robert Lifton. Heute, nach dem 9/11, sprechen auch viele säkular eingestellte Kulturologen von der Gefahr eines „apokalyptischen Nuklearismus“. Der Begriff hat sich mittlerweile eingebürgert.

 

Das nukleare Potential, das auf unserem Planeten gelagert ist, reicht hin, um die Welt in die Luft zu sprengen. Insofern ist es als „apokalyptisch“ zu bezeichnen. Aber es ist nicht Gott, sondern es sind die Menschen, in deren Entscheidung es liegt, ob ein nuklearer Holocaust entfesselt wird. Dank der Nuklearwaffen und des kaum mehr begrenzten waffentechnischen Erfindergeistes kann der Mensch heute zum potentiellen Vollstrecker der Apokalypse werden, und zwar einer „kupierten Apokalypse“ im Sinne des Religionssoziologen Klaus Vondung: „Wenn wir dennoch von einer Apokalypse eines Atomkrieges sprechen, so haben wir es mit einer ‚kupierten’ Apokalypse zu tun. Wir können nur die erste Hälfte der herkömmlichen apokalyptischen Vision meinen; die zweite Hälfte, die Errichtung der neuen, vollkommenen Welt, die früher dem Untergang Sinn und Ziel verlieh, hat sich verflüchtigt.“


Christlicher Fundamentalismus - 15. Februar 2006

 

„Ich stelle meinen Thron in Elam [Iran] auf“

Die Christliche Rechte prophezeit die atomare Vernichtung des Irans

 

Prophezeiungen aus ihren Heiligen Büchern werden von religiösen Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen je nach Betonung folgendermaßen verstanden: Sie gelten als Gottes Fahrplan für die Geschichte; sie sollen eine fromme Akzeptanz kommender schrecklicher Ereignisse bewirken; sie geben eine ethisch-theologische Legitimation für humane Katastrophen als Ausdruck von Gottes Strafgericht; sie verlangen eine aktive Beteiligung an Heiligen Kriegen. Passive Schicksalsergebenheit und aktive Teilnahme können durchaus miteinander kombiniert werden, wobei sich jedoch in den letzten Jahren die Beteiligung an den Kämpfen zwischen Gut und Böse immer mehr als ein religiöser Imperativ durchgesetzt hat. Allen Richtungen geht es dabei um dasselbe Ziel: die Ankunft ihres jeweiligen militanten Messias zu beschleunigen. Auch die derzeitige Iran-Krise wird unter diesem Aspekt von radikalen Mullahs ebenso wie von radikalen christlichen Predigern als Vorzeichen eines in der Region des Mittleren- und Nahen Ostens ausbrechenden Endzeit-Krieges angesehen.

 

So sagen zeitgenössische, christliche Bibelpropheten die nukleare Vernichtung des Irans voraus. Als „Beweis“ dienen ihnen dabei unter anderem „Prophezeiungen“ aus dem Buch Jeremia (49: 34-38). Dort heißt es: „So spricht der Herr der Heere: Seht ich zerbreche den Bogen Elams, seine stärkste Waffe. Ich bringe über Elam vier Winde von den vier Enden des Himmels. In all diese Winde zerstreue ich sie, so dass es kein Volk gibt, zu dem nicht versprengte aus Elam kommen. Ich jage den Elamitern Schrecken ein vor ihren Feinden. […] Unheil lasse ich über sie kommen, meinen glühenden Zorn. […] Ich schicke das Schwert hinter ihnen her, bis ich sie vernichtet habe. Ich stelle meinen Thron in Elam auf und vernichte dort König und Fürsten. […] Aber in ferner Zukunft wende ich Elams Geschick – Spruch des Herrn.“ Mit diesen Sätzen soll eine atomare Intervention gegen das Mullah-Regime durch göttliche Instanz abgesegnet werden. Mit dem alttestamentarischen Elam sei der Südwesten des heutigen Irans gemeint - schreibt der Schweizer „Prophetie-Experte“ Roger Liebi. Mit den zerbrochen Bögen Elams spreche die Bibel die Raketenabschuss-Basen des Landes an. Nach einem westlichen Nuklearschlag müssten die Elamer (sprich: Iraner) das Land verlassen und würden über die ganze Erde zerstreut. Danach werde ein „Thron des Herrn“ (sprich: des christlichen Gottes) in Elam (sprich: Iran) errichtet.

 

Diese und viele ähnliche Weissagungen aus der Bibel haben schon in den Irak-Kriegen als religiöse Legitimation gedient. Sie werden jetzt erneut aus der Propheten-Schublade gezogen und auf eine aktuelle Realität angewandt, die nichts Gutes verheißt: Israelis und Amerikaner haben ihre Angriffspläne gegen den Iran schon seit Jahren ausgearbeitet. Dabei gilt der Einsatz von atomaren Waffen durchaus als Option.


Komparative Studien zum Fundamentalismus - 08. Februar 2006

 

Der Umkehr-Krieg der Messiasse

Der Erlöser des einen ist der Teufel des anderen und vice versa

 

Parallel zu der im Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit aufgebrochenen Debatte über die „säkulare Gesellschaft und den islamistischen Extremismus“ ist eine, in Europa kaum wahrgenommene, „interreligiöse“ Debatte über den militanten Messianismus ausgebrochen. Die mehrfachen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad über die Rückkehr des schiitischen Heilsbringers, des 12. Imams, haben christliche und jüdische Apokalyptiker in höchste Alarmbereitschaft gesetzt. Immer mehr Artikel erscheinen in der amerikanischen Doomsday-Szene, die einen militanten Jesus herbeibeschwören, um ihn gegen einen dämonischen Imam-Mahdi als Anti-Christen herauszustellen. In den Zeiten des Kalten Krieges wurde der prophezeite Widersacher Christi als kommunistischer Diktator imaginiert, mit dem Aufstieg der EU ortete man ihn als Europäer, jetzt, mit Erstarken des Islams, wird mehr und mehr dem von den Muslimen erwarteten Mahdi (Imam Mahdi) diese Rolle übertragen. „Das Imperium des Anti-Christen wird ein islamisches Imperium sein.“ – prophezeit die Website www.tribulationperiod.com in einem Artikel mit der Überschrift  „Drei Glaubensrichtungen erwarten ihren Führer (Jesus, Messiah oder Mahdi)“.

 

Das Aufputschen des Karikaturenstreits durch Ahmadineschad deutet man, wohl nicht ganz zu Unrecht, als dessen Versuch, das Chaos auf der Welt zu vertiefen, um die Ankunft des Imam Mahdi zu beschleunigen. Für die christlichen Apokalyptiker beideutet das nichts Geringeres als die Epiphanie des Leibhaftigen: „Der iranisches Messias ist der Teufel, der große Satan, der ‚alte Drache’ der Apokalypse. Er ist der gefallene Engel des Lichts – Luzifer – der über den grundlosen Abgrund und dem See aus Feuer und Lava regiert. Er war einst ein Engel im Himmel, aber wurde dort hinausgeworfen mit anderen rebellischen Engeln. Seine Wohnstatt ist seither das Feuer der Hölle. Die Verdammten wohnen dort mit ihm für alle Zeiten.“ – schreibt J. Grant Swank in einem Artikel mit dem Titel „Zwei Messiasse im Krieg“ und erklärt weiter, dass der Koran ein Buch des Teufels und Moscheen dämonische Zentren seien. Dann fährt er fort: „Biblische Christen glauben, dass Christus nach einer globalen, chaotischen Zeitspanne zurückkehren wird. Er wird ein 1000 jähriges Friedensreich errichten. Die Hauptstadt wird Jerusalem sein. Jetzt erklärt die Hamas, die Stadt als die Hauptstadt des Islams übernehmen zu wollen. Der Teufel kämpft heute schon gegen Jerusalem, damit Christus von dort aus nicht regieren kann.“

 

Wenn der christliche Erlöser kommt, wird er „erscheinen als der König der Könige und der Herr der Herren – König für die Politik und Herr für die Religion. So wie es Religion und Politik waren, die ihn auf dem Kalvarienberg ans Kreuz schlugen, so wird er als Chefpolitiker und als Chef der Religion den Planeten beherrschen. Die von Christus erlösten Seelen aller Zeiten werden mit ihm als Könige und Priester regieren – Politik und Religion.“ – schreibt Swank. Das ist derselbe Jargon, der zurzeit im Iran gesprochen wird, nur mit umgekehrten Vorzeichen, der Messias des einen ist der Teufel des anderen und vice versa. Vom „Säkularismus“ ist in diesem „Krieg der Messiasse“ keine Rede mehr.


Islamischer Fundamentalismus -  04. Februar 2006

 

Diese Verirrten folgen den Dichtern

Der Karikaturenstreit und die Zukunft des Säkularismus

 

Die globalen, heftigen und gewalttätigen muslimischen Proteste gegen die von den westlichen Medien veröffentlichten Mohammed-Karikaturen machen nur allzu deutlich, dass so etwas wie ein „Kampf der Kulturen“ voll im Gange ist, trotz aller Versuche, diesen herunterzuspielen und zu verdrängen. Spätestens seit der berüchtigten „Fatwa“ Ayatollah Khomeinis, die 1988 zur Ermordung des Schriftstellers Salman Rushdie aufrief, herrscht dieser „Ideenkrieg“ zwischen der säkularen, westlichen Zivilgesellschaft und der Umma (Gemeinschaft der Muslime), soweit sich diese an sakralen Prinzipien orientiert - ein Ideenkrieg, der an den Rädern immer wieder in Formen des realen Krieges umschlägt und der mittlerweile unter dem Damokles-Schwert eines atomaren Schlagabtauschs geführt wird.

 

Die Karikierung des Religiösen besteht in der Entheiligung und Relativierung des Heiligen. Das macht geradezu ein definitorisches Grundanliegen des Säkularismus aus. Die Mohammed-Karikaturen sind deswegen für ihn eine Prinzipienfrage. Weshalb auf der anderen Seite der Islam über die Spottbilder so aufgebracht ist, hat nicht zuletzt historische Gründe. Mohammed wurde in der Gründerzeit seiner Religion von arabischen Poeten, die in Mekka bisher das Kulturleben bestimmt hatten, mit höhnischen  Worten und bissigen Liedern lächerlich gemacht. Es gibt mehrere geschichtliche Dokumente, die zeigen, wie tief verletzt sich der Prophet dadurch fühlte. Eine enge Liaison der Dichter mit dem Teufel (Iblis) wird denn auch durch eine unmissverständliche Stelle im Koran hergestellt: „Soll ich euch verkünden, zu wem die Teufel herabsteigen?“ - ist dort zu lesen – „Sie steigen auf jeden Lügner und Sünder herab. Das Gehörte geben sie wieder; die meisten lügen. Diese Verirrten folgen den Dichtern.“ (Sure 26: 222-225)

 

Ebenfalls verstrickte sich Sayyed Khomeini in die archetypischen Streitigkeiten Mohammeds mit den ihn verspottenden Dichtern. Das machte den Ayatollah zum Erzfeind kritischer Schriftsteller. Sein Poetenhass kulminierte in einer Erklärung, die er am 14. Februar 1988 durch den iranischen Rundfunk verbreiten ließ: „Im Namen Gottes des Erhaben! - Es gibt nur einen Gott, zu dem alle zurückkehren werden. - Den glaubenseifrigen Muslimen in der ganzen Welt gebe ich bekannt: Der Verfasser des Buches 'Die Satanischen Verse', das gegen den Islam, den Propheten und den Koran erdichtet, gedruckt und verlegt worden ist; ebenso die, die an seiner Veröffentlichung beteiligt sind und den Inhalt kennen, sind zum Tode verurteilt. Von allen glaubenseifrigen Muslimen wünsche ich, dass jene, wo immer sie sie finden, unverzüglich exekutieren, damit kein anderer in die Versuchung gerät, die heiligen Güter der  Muslime verächtlich zu machen; wer dabei den Tod findet ist ein Märtyrer, wenn Gott will. Selbstredend gilt: Wenn jemand Zugang zu dem Verfasser des Buches hat, sich aber außerstande sieht, ihn zu töten, soll er dies [geeigneten] Leuten mitteilen, damit er [Rushdie] den Lohn für seine Taten erhält. Friede sei mit Euch, die Barmherzigkeit Gottes und sein Segen.“ 

 

Khomeini kam der Fall Rushdie politisch gerade recht: „Gott wollte, dass dieses blasphemische Buch 'Die Satanischen Verse' jetzt veröffentlicht wird, so dass die Welt des Betruges, der Arroganz und der Barbarei ihr wahres Gesicht entblößt in ihrer seit langem geführten Feindschaft zum Islam; es sollte uns aus unserer Naivität herausbringen...“ – sagte der Ayatollah. Ebenso kommt heute der Karikaturen-Streit dem iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad, der das Erbe Khomeinis fortsetzt, gerade recht. Auf seiner Rede am 17. September 2005 vor der UNO-Vollversammlung hatte er das Ende des säkularen Zeitalters proklamiert und stellte dort das Primat der Aufklärung in Frage. Heute kultiviere die gesamte Menschheit wieder den Glauben an einen einzigen Schöpfergott, sagte Ahmadinedschad. Der Monotheismus sei das Band, das alle Völker zusammenschließe, Glaube und Religion seien auch die einzigen Mittel, um die anstehenden Weltprobleme zu lösen, denn die Aufklärung und die (westliche) Wissenschaft hätten endgültig versagt. Sie müssten durch „das Wissen, basierend auf der göttlichen Offenbarung“ ergänzt werden, bzw. sich in deren Dienst stellen. Die Propheten Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammed hätten dieses „göttliche Wissen“ auf Erden zum Wohle aller Menschen verkündet. Dieser allgemein feststellbare Trend hin zur Religion, das sei, so Ahmadinedschad, die gute Nachricht für die Welt. Dass sich dahinter ein militanter Messianismus verbirgt, wurde sogar am Ende dieser UNO-Rede deutlich, als der iranische Präsident die Rückkehr des 12. Imams, des schiitischen Messias, beschwor.

 

In der Tat steht es um den Säkularismus im Karikaturenstreit nicht besonders gut. Der Konflikt hat schon von islamischer Seite solch aggressive Formen angenommen, dass es – wie viele meinen – die „Vernunft“ gebiete, nicht mehr auf Prinzipien herum zu reiten, um die Lage einzudämmen. Hinzukommt, dass die christlichen Kirchen ebenfalls diese Karikaturen verurteilen. Das ist schon im Falle der Satanischen Verse so gewesen. Robert Runcie, Erzbischof von Canterbury, zeigte damals seine offene Sympathie für die islamische Seite: "Ich verstehe ihre Gefühle und ich bis fest davon überzeugt, dass Beleidigungen gegenüber dem religiösen Glauben des Islams und jeder anderen Religion ebenso falsch ist eine Beleidigung gegenüber den Glaubensinhalten des Christentums.“ In der Zeitschrift Economist war zu lesen: „Rabbis, Priester Mullahs, so scheint es, sind sich darüber einig, die freie Meinungsäußerung zu begrenzen .... Die Rushdie Affäre zeigt, dass nicht nur einige Muslime die Vorteile der freien Rede missverstehen. Sie zeigt, dass viele westliche Kleriker dies ebenfalls tun.“

 

Der Säkularismus und das „Zeitalter des Rationalismus“ sind in gefährliche Krise geraten, denn man darf nicht übersehen, dass der Westen (allen voran die USA) von radikalen religiösen Bewegungen, Gruppierungen und fundamentalistischen Ideen nur so überschwemmt wird. So kann der „Kampf der Kulturen“ sehr bald in einen „Krieg der Religionen“ umschlagen, in dem sich nicht mehr Säkularismus und Religion, sondern verschiedene Glaubensrichtungen als Todfeinde gegenüberstehen.


Christlicher Fundamentalismus  - 27. Januar 2006

 

Wie die christliche Doomsday-Szene

den Wahlsieg der Hamas einschätzt

 

Der Wahlsieg der radikalen Hamas und der militante Messianismus Mahmoud Ahmadinedschads haben Amerikas christlichen Apokalyptikern erneut einen Aufschwung verliehen. Sie sehen durch beide Ereignisse den eschatologischen Prozess bestätigt, der im Jahre 1948 mit der Gründung Israels begann. Hal Lindsey, Autor des Bestsellers „The late planet earth“, prophezeit in einem Statement zum Hamas-Sieg, abgeleitet aus Bibelzitaten, es werde in den nächsten Jahren eine islamische Großarmee unter der Führung Russlands und Persiens (Irans) gegen Israel antreten und das Land beinahe einer totalen Zerstörung aussetzen. Dann erscheine in letzter Minute Jesus Christus als übermächtiger Feldherr, um nach der Armageddon-Schlacht die Juden vor der völligen Vernichtung zu retten. Nicht erwähnt wird in diesem Statement die Prophezeiung, dass die Kinder Israels, soweit sie überlebt haben, zum Christentum konvertieren müssen oder, sollten sie sich weigern, getötet werden. 

 

Gott, so mehrere Protagonisten der Christlichen Rechten, habe sich an Ariel Scharon gerächt, weil er entgegen dem göttlichen Willen die road map für den Frieden unterstützte. „Zwei Ereignisse änderten die gesamte politische Landschaft in Israel, ja in der gesamten Welt. Zuerst hatte Ariel Scharon seinen tragischen Schlaganfall und dann wurde die Hamas an die Macht gewählt ….“  schreibt Hal Lindsey. Es sei allein Benjamin Netanjahu, der die Israelis durch diese prekäre Endzeit-Phase hindurch führen könne. „Ich glaube Gott wird die Ereignisse so gruppieren, dass ‚Bibi’ Netanjahu gewählt wird.“ – meint Lindsey.


Islamischer Fundamentalismus – 23. Januar 2006

 

Irans neue „messianische Gesellschaft“

Was alles müssen wir tun, damit der Mahdi früher erscheint?

 

Mit erstaunlicher Schnelligkeit und unerwartetem Erfolg konnte Mahmoud Ahmadinedschad das messianisch-apokalyptische Weltbild des Ayatollah Khomeini in Irans „zweiter Revolution“ revitalisieren. „Die Leute wollen zu den Werten der Revolution zurückkehren.“ sagte er im November 2005 und der arabische Fernsehsenders al-Jazeera kommentierte: „Ahmadinedschad ist dabei, eine neue islamische Revolution zu verbreiten“.

 

Die Beschäftigung mit dem 12. Imam-Mahdi (Mahdaviat) beherrscht heute erneut das kulturelle Klima des Irans. „Das Mahdaviat ist ein Code für die Revolution, ja es ist der Geist der Revolution. Es ist ein Identitätscode, und ich denke dieser Glaube ist dabei zu wachsen.“ – erklärte Masoud Poursayed-Aghale, Leiter des 2004 gegründeten Bright Future Instituts in Qom, in einem Interview. Das  Institut hat sich zur Aufgabe gemacht, über die Imam-Mahdi-Theologie in einer von ihm betriebenen Nachrichtenagentur zu berichten: „Da gibt es eine Kluft zwischen uns und der populären Medien. Wir begannen mit der Idee einer Messias-News-Agency, weil wir davon überzeugt waren, dass wir eine News Agency benötigen, um Seine Nachrichten zu verbreiten.“ Man möchte dazu beitragen, „eine ideale Gesellschaft zu vollenden, wie sie sich der Mahdi wünscht.“ – „Der Imam des kommenden Zeitalters wird den Sieg davon tragen, und die ganze Welt wird ihn unterstützen, mit Ausnahme von einigen Regimes und Regierungen, die rassistisch sind, wie zum Beispiel die Zionisten.“ – versichert Poursayed-Aghaie.

 

Vom Bright Future Institut wurde eine Hotline im Internet eingerichtet, um über die Zeichen Auskunft zu geben, welche das Erscheinen des schiitischen Erlösers annoncieren. „Die Zeit [von dessen Ankunft] steht noch nicht fest, aber die Bedingungen sind schon genauer genannt. Es gibt ein Sprichwort: Wenn die Studenten bereit sind, dann erscheint der Meister.“ – ist auf der Homepage des Instituts zu lesen. Ein Mitarbeiter, Morteza Rabaninejad, beantwortet über die Messias-Hotline täglich fünf Anrufe und 10 Briefe: „Was alles müssen wir tun, damit der Mahdi früher erscheint als allgemein angenommen?“ – fragte einer der Korrespondenten.

 

Bescheidenheit und Askese waren die beiden Aushängeschilder, die Khomeini bei der verarmten iranischen Bevölkerung gut ankommen ließen. Auch hierin folgt Ahmadinedschad, Sohn eines armen Schmiedes, seinem großen Vorbild, wenn auch ohne Turban und Priestergewand. Er fährt einen Peugeot 1977, lebte als Bürgermeister Teherans in einer Arbeiterwohnung, kleidet sich mit abgetragenen Anzügen und verabscheut Krawatten: „Herr Ahmadinedschad ist der einzige Präsident in 28 Jahren der die Parole ausgab, Gerechtigkeit zu schaffen, indem er sagte, dass er einer von uns ist, aus demselben Holz geschnitten. Mit Stolz beruft er sich auf den Namen Gottes, und darüber hinaus betet er immer für das Erscheinen des Mahdis.“ – sagte ein Mann von der Strasse in Qom.

 

Aber nicht nur im Volk sondern auch unter der klerikalen Intelligenzija des Landes wird die Beschäftigung mit dem Madaviyat zur Mode. Die „Reformer“, die unter Kathami für einen „Dialog der Kulturen“ eintraten, sind out und die sogenannten „Prinzipientreuen“, die Khomeinis Vision einer islamischen Weltrevolution folgen, sind in. So erklärte Hassan Abbasi, ein prominenter Theoretiker, dass die Idee von einer „messianischen Gesellschaft“ seit dem Beginn der iranischen Revolution noch nie so aktuell und attraktiv gewesen sei wie heute. „Endlich können jetzt die Führungskräfte des Systems verjüngt werden und die Gesellschaft kann sich zukünftig weg von der Zivilgesellschaft in Richtung einer messianischen Gesellschaft bewegen. Nicht mehr humanistischen Parolen soll gefolgt werden, sondern Parolen, die sich am Willen Gottes orientieren. Die Menschen sollen sich nicht mehr am amerikanischen Lebensstil orientieren, sondern an göttlichen Prinzipien.“ - meint Abbasi und gibt bekannt, die „Prinzipientreuen“ hätten die Macht im Staat schon voll in ihren Händen: „Sie sind überall – in der Regierung, im Majless [Islamisches Parlament], in den Räten, im Wächterrat und in der Justiz. […] Daher bin ich voller Hoffnung, dass mit Hilfe der neuen Regierung die Gesellschaft sich in Richtung einer messianischen Gesellschaft entwickeln kann.“ Amir Mohebian, Chefredakteur der konservativen Zeitung Resalat, empfiehlt deswegen eine kompromisslose Politik der Härte: „Ich glaube der Mahdi wird in zwei, drei oder vier Jahren kommen, weshalb sollte ich denn nachgiebig bleiben? Jetzt ist es an der Zeit stark dazustehen und hart zu sein.“ Es gibt auch Gegenstimmen: Groß-Ayatollah Hossein Ali Motazari zum Beispiel kritisiert die Regierung, sie missbrauche den Mahdi Kult für ihre politischen Interessen. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass das Messiasfieber die ganze iranische Gesellschaft entzündet hat.


Komparative Studien zum Fundamentalismus – 22. Januar 2006

 

Beide glauben, dass Gott ihnen sagt, was zu tun ist

Mahmoud Ahmadinedschad und die Christliche Rechte

 

Mit Aufmerksamkeit haben christliche Fundamentalisten die apokalyptisch-messianischen Bekenntnisse und Selbstdarstellungen des iranischen Präsidenten registriert und dann kommentiert. Die Rolle des Anti-Christen, die Saddam Hussein seit dem ersten Irak-Krieg (1991) für die Christliche Rechte Amerikas spielen musste, wird jetzt auf Ahmadinedschad übertragen. Das Internet ist voll mit aus dem Alten und Neuen Testament begründeten „Nachweisen“, der iranische Präsident sei der Agent des Teufels. Hal Lindsey, eine der Galionsfiguren des amerikanischen Doomsday-Glaubens, sieht wieder einmal die Bibelprophezeiungen bestätigt. Insbesondere die Forderung Ahmadinedschads „Israel von der Landkarte auszuradieren“, gibt ihm eine Königsrolle im apokalyptischen Welttheaters, das nach der Imagination islamischer, christlicher und jüdischer Fundamentalisten seine Hauptbühne  im Nahen Osten, insbesondere in Israel und Jerusalem hat.

 

Umgekehrt werden in allen islamischen Ländern die religionspolitischen Äußerungen der Christlichen Rechten zum iranischen Präsidenten sehr genau wahrgenommen. Deswegen sieht auch Ahmadinedschad sein Verhältnis zu den USA als die Konkurrenz zweier sich ausschließender messianischer Glaubensbekenntnisse. Sein höchstes Ziel sei, „Amerika herauszufordern, das selber versucht, sich als die letzte Rettung des menschlichen Wesens hervorzuheben.“ – sagt Hamidreza Taraghi, Chef der konservativen Islamic Coalition Party, von seinem Staatschef und fährt fort, die USA wollten, „sich selbst als der Mahdi [muslimische Messias] herauszustellen“. Der amerikanische Präsident hatte vor drei Jahren durch seinen religiös gefärbten Jargon die Büchse der Pandora geöffnet, aus der jetzt die Ungeheuer potentieller Religionskriege herausflattern: „Bush sprach: ‚Gott sagte mir Afghanistan und den Irak anzugreifen’ Die Mentalität von Herrn Bush und Herrn Amadinejad ist die selbe – beide glauben, dass Gott ihnen sagt, was zu tun ist.“ – meint Taraghi.


 Jüdischer Fundamentalismus – 08. Januar 2006

 

Er stellte sich gegen Gott

Ariel Scharons Schlaganfall – ein Triumph

für die Christliche und Jüdische Rechte

 

Man mag zu Ariel Scharon stehen wie man will, feststeht, dass er durch den von ihm beschlossenen Abzug aus dem Gaza-Streifen, durch seine grundsätzliche Kritik an dem apokalyptischen Fanatismus der jüdischen Siedlerbewegung und durch seine Spaltung der Likud Partei neue Akzente in der Nah-Ost-Politik gesetzt hat. Anfang Oktober 2004 wandte er sich in der Knesset direkt an die radikale Settler-Organisation Gush-Emunim mit den Worten: „Ihr seid wunderbare Pioniere, Erbauer Israels, Siedler auf dürftigem Boden, im Regen und im Winter, durch alle Schwierigkeiten hindurch. Aber ihr habt unter euch einen messianischen Komplex entwickelt.“ Damit hatte Scharon den eschatologischen Kern des jüdischen Fundamentalismus in Frage gestellt, der durch die endgültige und gewaltsame Vertreibung der Palästinenser und durch die volle israelische Souveränität über die Westbank die Ankunft eines militanten Messiah beschleunigen will.

 

In all den Jahren vorher ist es jedoch der Likud Chef selber gewesen, der die endzeitliche aus der Bibel abgeleitete Territorialpolitik der Siedler finanziell und rhetorisch großzügig unterstützte und sich so die Stimmen der Jüdischen Rechten sicherte. Nachdem er sich, sei es unter dem Druck der Amerikaner oder sei es aus eigener Einsicht, an der Road Map für den Frieden zu orientieren begann, verloren die Settler ihr Vertrauen in den Mann, den sie noch vor zwei Jahren als ihren mächtigsten Fürsprecher geradezu vergöttert hatten. „Es ist die Zerschlagung eines lebenslangen Traumes. Es ist der Zusammenbruch einer Welt, die sie in ihren Herzen, in ihrem Bewusstsein und in ihrem Leben aufgebaut haben.“ – schildert  Ehud Olmert, Scharons unmittelbarer Nachfolger, die Gefühle der Siedler.

 

Jedenfalls wird die Krankheit Scharons von jüdischen und christlichen Fundamentalisten jetzt als göttliche Strafe an einem „Verräter“ angesehen, der den gewagten Versuch unternommen hatte, die eschatologischen Pläne Gottes für den Nahen Osten zu durchkreuzen. „Wir beten nicht für diese bösartige Person.“ – sagte Baruch Marzel, Chef der National Jewish Front – „Er stellte sich gegen Gott. Er stellte sich gegen die Bibel. Er betrog sein eigenes Land. […] Dieser Mann hat dem israelischen Volk in den letzten fünf Jahren viel Schaden zugefügt.“ In der jüdischen Siedlung Kfar Tapuah brach eine Gruppe radikaler Aktivisten in Freudentänze aus, als sie von der schweren Krankheit Scharons hörten. „Es gibt noch einen Richter in dieser Welt.“ – sagte Ben Gvir, einer von ihnen. 

 

Auch eine andere frühere Bewunderin, die Christliche Rechte in den USA, zeigt sich erleichtert über Scharons Schicksalsschlag. „Er hat Gottes Land aufgeteilt und ich würde meinen Protest gegenüber jedem Premierminister Israels zu Ausdruck bringen, der eine ähnliche Richtung einschlägt, um die EU, die Vereinten Nationen und Vereinigten Staaten von Amerika zu beschwichtigen.“ - erklärte Pat Robertson, der Medien-Mogul des mächtigen Fundamentalisten-Senders CBN - „Gott sagt, dieses Land gehört mir. Du lässt mich besser allein.“  Eine ähnliche Meinung vertritt der Erfolgsautor Hal Lindsey, der mit seinen Doomsday-Büchern ebenso wie sein Kollege Tim LaHaye wesentlich dazu beigetragen hat, dass 50 % aller Amerikaner mehr oder weniger daran glauben, die Letzten Tage der Menschheit seien hereingebrochen. Lindsey berichtet, während des Abzugs aus dem Gaza-Streifen hätten Hunderttausende von Juden und Christen ihre Gebete zu Gott geschickt, um ihn zu einer Intervention zu bewegen. „Es scheint so“ – schreibt er unter Bezugnahme auf Scharons tödliche Krankheit – „dass diese Gebete auf dramatische Art und Weise beantwortet wurden.“

 

Jedenfalls kann Benjamin Netanjahu, der jetzige Chef von Likud, mit seinem Hardliner Programm und seiner Ablehnung der Road Map auf volle Unterstützung der Christlichen Rechten rechnen. Er wird dort groß als der Nachfolger von Scharon gehandelt: „Mr. Netanjahu hat das klarste und umfassendste Verständnis von den Absichten des radikalen Islams und wie dieser zu behandeln ist.“ – erklärte Lindsey.


Islamischer Fundamentalismus - 8 . Januar 2006

 

„Schandfleck Israel“

Ahmadinedschads Judenhass ist ein

Element seines militanten Messianismus

 

Mahmoud Amedinejad leugnet den Holocaust an den Juden und verlangt, dass Israel von der Landkarte verschwindet. Dass diese Forderung mit seinem messianisch-endzeitlichen Weltbild von der Rückkehr des Imam-Mahdis in einem Sinnzusammenhang steht, darüber ist in der Mainstream-Presse nicht berichtet worden. Als apokalyptische Begründung der Judenvernichtung wird von sunnitischen und schiitischen Islamisten unter anderem die wortwörtliche Interpretation eines Prophetenspruchs Mohammeds (Hadith) hergenommen. Er trägt den Titel „Der Gharqad Baum“ und besagt, dass der Endzeit (der „Stunde“, wie sie im Koran genannt wird) unmittelbar die Vernichtung der Juden vorausgeht. „Die Stunde wird nicht kommen bevor die Muslime die Juden bekämpfen, bis sich die Juden hinter Bäumen und Felsen verstecken und die Bäume und Felsen sagen werden: ‚Oh ihr Muslime, Ihr Diener Gottes, hier sind die Juden, kommt und tötet sie!’ – mit  Ausnahme des Gharqad Baumes, denn er ist der Baum der Juden!“ – heißt es dort. Das Verhängnisvolle an diesem Satz ist, dass er die Ausrottung der Juden sozusagen als conditio sine qua non für das Erscheinen des islamischen Erlösers, des Mahdis oder Imam-Mahdis, macht.

 

Der Nah-Ost-Konflikt wird so mit der Autorität eines Prophetenwortes in den messianischen Endzeit-Strudel hineingezogen. Eine Islamisierung der gesamten Region ohne den Staat Israel gilt deswegen bei sunnitischen und schiitischen Fundamentalisten als die erste Stufe auf dem Weg zu einer muslimischen Weltherrschaft. Deswegen sind auch die iranischen Ayatollahs so auf die Heilige Stadt Jerusalem fixiert. Schon zwei Jahre nach seiner Machtübernahme forderte Sayyed Ruhollah Khomeini (1900 – 1989) in einer Predigt (1981) die jährliche Observanz eines weltweiten „Jerusalem Tages“, (Day of al-Quds) als Feiertag des liturgischen Kalender (am dritten Freitag des heiligen Fastenmonats Ramadan).

 

Am al-Ouds Tag des Jahres 2005 sprach Mahmoud Ahmadinedschad auf einer Konferenz mit dem Titel „Eine Welt ohne Zionismus“. Er gab sich zuversichtlich, dass „eines Tages die Mitte der islamischen Welt von dem Schandfleck Israel gesäubert sein wird.“ – „Auch wer unter dem Druck der Hegemonialmächte oder aufgrund eines falschen Verständnisses der Sachlage das zionistische Regime anerkennt, wird im Feuer der unversöhnlichen Wut der Umma [Gemeinschaft der Muslime] verbrennen.“ – sagte der Präsident.


Lamaistischer Fundamentalismus  - 5. Januar 2006

 

Die Familie der dämonischen Schlangen

Der XIV. Dalai Lama zelebriert ein Doomsday-Ritual

 

Vom 5 Januar 2006 führt der XIV. Dalai Lama 13 Tage lang im indischen Amaravati das sogenannte Kalachakra-Tantra-Ritual zum 30. Mal durch. Dabei handelt es sich um eine Einweihungszeremonie, die einen zutiefst endzeitlichen Charakter aufweist. Alle Elemente der „apokalyptischen Matrix“, die wir bei den monotheistischen Religionen finden, gibt es auch im Kalachakra Tantra: Die Vision vom katastrophalen Untergang der bestehenden schlechten Welt als Bedingung für eine neue paradiesische Weltordnung (das Shambhala Reich); ein grausamer Krieg zwischen dem Reich des Guten und dem Reich des Bösen; ein aggressiver Militanter Messias (Rudra Chakrin); ein verteufelter Gegner (der buddhistische „Anti-Christ“); eine „Armageddon-Schlacht“ mit Millionen von Toten; den Einsatz vom Massenvernichtungswaffen; die Errichtung einer weltweiten Buddhokratie (anstelle einem christlichen, islamischen oder jüdischen Gottesstaates) unter der absoluten Herrschaft des Shambhala-Königs. Das Kalachakra-Tantra ist mitnichten ein Friedensritual, wie es vom Dalai Lama und seinen Anhängern propagiert wird, sondern ein apokalyptisches Kriegsritual. Alle Teilnehmer an dieser Zeremonie sollen dereinst als Shambhala-Krieger wiedergeboren werden, um in der Endschlacht gegen die Bösen zu kämpfen.

 

Als Gegner des Buddhismus nennt der Text explizit die "Führer" der  drei monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam): „Adam, Henoch, Abraham, Moses, Jesus, der im weißen Gewand [Mani], Mohammed und Mathani [der Mahdi]“. Das Kalachakra-Tantra bezeichnet sie als „die Familie der dämonischen Schlangen“. (Shri Kalachakra I. 154) Insbesondere beschwört das Kalachakra-Tantra einen globalen Krieg zwischen der islamischen und buddhistischen Welt. Der Original-Text spricht davon, dass das „machtvolle, gnadenlose Idol der Barbaren, die dämonische Inkarnation“ in Mecca lebt. (Shri Kalachakra I. 154) Von den Hauptgegnern des kommenden Shambhala-Königs, Rudra Chakrin („zorniger Raddreher“) erfahren wir, dass sie mleccha heißen, das bedeutet sowohl „Barbaren“, als auch die „Einwohner Mekkas“.  Ein weiterer Kalachakra Kommentar spricht von Rudra Chakrin als dem „Töter der Mlecchas“. Schon in unseren Tagen finden, kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen, Kriege zwischen Muslimen und Buddhisten statt, die teilweise von beiden Seiten unter endzeitlichen Argumenten geführt werden.

 

Das apokalyptische Muster mit seinen Untergangsvisionen, letzten Schlachten zwischen Gut und Böse, einem Militanten Messias usw. kennt der frühe Buddhismus (ab 500 v. Chr.) nicht. Es  verbreitet sich erst mit dem Mahayana Buddhismus (ab 200 v. Chr.), wird dann vom Vajrayana Buddhismus übernommen (400 n. Chr.) und schließlich im Kalachakra-Tantra (10. n. Chr.) ausformuliert und mit dem Ritualwesen verbunden. Das Doomsday-Tantra ist zu einem zentralen Glaubenselement der lamaistischen Kultur geworden, die aus diesen und weiteren Gründen eine radikale fundamentalistische Ausrichtung aufweist.

 

Im Unterschied zu den monotheistischen Apokalypsen findet im Kalachakra-Tantra der Weltuntergang auf vier verschiedenen Ebenen statt. Einmal auf der makrokosmischen als Vernichtung des gesamten Universums; dann auf der mikrokosmischen Ebene als Destruktion des Energiekörpers des Adepten, der die inneren Yoga-Praktiken des Tantras durchführt. Drittens auf der ästhetisch-symbolischen Ebene durch die Zerstörung des Kalachakra Sand Mandalas, welches den Kosmos symbolisiert, und zuletzt auf der politischen Ebene durch den sogenannten Shambhala-Endzeit-Krieg.  Wir haben es hier mit einer inszenierten Apokalypse zu tun, die nicht von „Gott“ geschickt wird, sondern die durch magische Techniken und Riten simuliert wird. Ausführlich sind wir auf die verschiedenen Aspekte der lamaistischen Apokalypse in unserem Buch Der Schatten des Dalai Lama – Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus eingegangen. Besonders detailliert haben wir auch die Rolle der Frau und der Sexualität in diesem Doomsday-Kult behandelt.


Christlicher Fundamentalismus - 5. Januar 2006

 

Die Darwin Debatte

Sie wollen in Amerika einen Gottesstaat errichten

 

Hinter der zurzeit in USA ausgebrochenen Debatte zwischen Darwinisten und Anhängern des Intelligent Design (Siehe Spiegel Titel Nr. 52/24.12.05) verbirgt sich mehr als eine Kontroverse über die Frage, ob der Mensch von den Primaten abstammt oder nicht. Sie ist nur die sichtbarste Spitze eines Kulturkampfes, der schon seit Jahren in den USA ausgefochten wird. In diesem stehen die „Christliche Rechte“ auf der einen Seite und der „säkulare Humanismus“ auf der anderen. Dabei geht es beiden um mehr als um die Evolutionstheorie. Es bekämpfen sich in diesem Streit Demokratie und Theokratie, Wissenschaft und Bibel, Realpolitik und politische Theologie.

 

Der aggressive Kern des Intelligent Design vertritt eine apokalyptisch-messianische Weltsicht, die als Dispensationalismus bekannt ist und die weniger auf den Anfang des Lebens als auf dessen Ende blickt. Beides, Anfang und Ende, ist – ihrer Meinung nach - von der Hand Gottes bewirkt. Doch das „Finale“ in dem aus der Bibel abgeleiteten Intelligent Design wird für das Gros der Menschen schrecklich sein, so schrecklich wie es in der Offenbarung des Johannes vorausgesagt ist. Daniel Dennet, engagiertester Sprecher der Darwin-Zunft, fasst deswegen in einem Spiegel-Interview die Intentionen seiner Gegner mit den folgenden zwei Sätzen zusammen: „Sie wollen in Amerika einen Gottesstaat errichten. Es ist erschreckend, dass viele von ihnen überzeugt sind, das Jüngste Gericht stehe bevor.“

 

Schon im Jahre 1974 hatte der Doomsday-Autor Tim LaHaye, der wohl einflussreichste Hintergrundspieler der Christlichen Rechten in Amerika, gegen den Darwinismus Front gemacht und ihn als „die Plattform, auf der Sozialismus, Kommunismus, Humanismus, Determinismus und die Eine-Weltheorie aufbauen“ bezeichnet. Vor gut einem Jahr leitete LaHaye seine Darwin-Kritik aus der Offenbarung des Johannes ab. Dort ist in 16: 13 zu lesen: „Was war die große Lüge, mit der die unreinen Geister die ganze Welt hinters Licht führten?“ LaHaye kommentiert: „Es ist die Lüge der Evolution, in der es darum geht, dass die Menschen sich langsam entwickelt haben und das alle Geschöpfe gleich sind. So kann Satan sich einreden, dass er Gott gleich ist. In unserem Buch [gemeint ist der Band 11 von LaHayes Endzeit-Thriller-Serie Left Behind] konnten wir so unseren Lesern vermitteln, dass die Evolutionstheorie eine gefährliche religiöse Irrlehre ist. Sie wird in den letzten Tagen viel Menschen von Jesus abbringen.“

 

Als sich jüngst in der kleinen Stadt Dover (Pennsylvania) der School Board für die Evolutionslehre und gegen den Intelligent Design entschied, drohte Pat Robertson, Medienmogul der Christlichen Rechten, mit Unheil: „Ich möchte den guten Einwohnern von Dover sagen, wenn in eurer Gegend ein Desaster geschieht, wendet euch nicht Gott zu. Ihr habt ihn gerade aus eurer Stadt herausgejagt. […] Gott ist tolerant und liebenswürdig, aber wir können nicht für immer unseren Finger in sein Auge stecken. […] Sollte es in Zukunft Probleme in Dover geben, dann empfehle ich euch, Darwin anzurufen. Vielleicht kann er euch helfen.“ Pat Robertson hatte im Sommer Schlagzeilen mit der Forderung gemacht, die US Regierung solle den Präsidenten Venezuelas, Hugo Chavez, ermorden lassen.


Islamischer Fundamentalismus – 3. Januar 2006

 

Umstrahlt von grünem Licht

Der Messias-Komplex des iranischen Präsidenten

 

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