NEWSLETTER-INDEX
Diese Website warnt vor Autoren, Staatsmännern, Religionsführern, Populisten,
Theologen, Künstlern, Terroristen, Militärs und Medienvertretern, die mit
endzeitlich-messianischen Ideologien Politik und Kultur machen. Sie zeigt
in der Form einer ständig aktualisierten Chronik, dass sich der militante
Messianismus schon weltweit in allen Glaubensrichtungen ausgebreitet hat,
wie er viele Millionen von Amerikanern und Muslimen in seinen Bann
schlägt, wie er ständig auf die israelische und palästinensische
Nahost-Politik Einfluss nimmt und wie er dabei ist, auf Europa überzugreifen.
Über die ideologischen und dogmatischen Grundlagen, die Aktualität und
den politischen Einfluss des religiösen Endzeit-Wahns berichtet
ausführlich unser Buch Krieg der Religionen .
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Victor und Victoria Trimondi
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Christlicher
Fundamentalismus - 14. Juni 2006
Eine Gänsehaut vom Anti-Christen
Weshalb der 06. Juni 2006 in der amerikanischen
Presse ein großes Thema war
Eigentlich hätte dieser
Newsletter 8 Tage früher erscheinen sollen, am 06.06.06. Aber uns war das hier
behandelte Problemfeld noch nicht bewusst. Als wir die Nachrichten bei
Google durchstöberten, fiel uns erst gestern auf, dass das Datum vom
06.06.06 ein weltweites Gerede über die Apokalypse ausgelöst hat.
Ursache hiefür ist die
folgende Stelle aus der Johannesoffenbarung,
die von dem apokalyptischen Tier spricht: „Hier braucht man Kenntnis. Wer Verstand hat, berechne den
Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens; seine
Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.“ – heißt es dort. (Apokalypse 13: 18) Das
apokalyptische Tier wird gemeinhin mit dem Anti-Christen gleichgesetzt. Die
Zahl des Tieres ist demnach die Zahl des Anti-Christen: 666.
Spekulationen über die Zahl
666 gehören schon seit Jahrzehnten zur popular
culture, meint der Mediensoziologe Robert Thompson von der Syracuse University in New York.
„Sie werden meist mit einem spaßhaften
Unterton angesprochen. Aber zur gleichen Zeit rufen sie bei den
Leuten eine Art Gänsehaut hervor. Ich kenne einige sehr rationale Personen,
die sehr nervös werden, wenn ihre Telephonnummer oder ihr Nummerschild eine
666 aufweist.“
Die Medien haben den Thrill,
den die Zahl und ihr entsprechendes Datum auslösten, sehr wohl
wahrgenommen. Am 06.06.06. startete das Remake des Horrorklassikers „Das Omen“,
ein Film, der von der Geburt und der Jugend des Anti-Christen (Damien)
erzählt. Ursprünglich sollte der Titel „The Omen 666“ lauten, aber der
Regisseur meinte, man habe die Zahl 666 nicht überstrapazieren wollen.
Dennoch sei die Wahl des Kinostarts „klar ein wesentliches Element der
Promotion“. Schon der Klassiker löste, insbesondere bei Jugendlichen, eine
Begeisterungswelle aus. „Nachdem der Film heraus war, sprach jeder davon.“
– kommentiert Prof. Thomson - „Kinder schrieben [666] auf ihre Hausaufgabenbücher
und auf die Tafel, bevor der Lehrer das Klassenzimmer betrat.“
Der Doomsday-Autor Tim LaHaye
(Siehe: www.trimondi.de/H.Krieg/Bertelsmann.htm)
brachte an diesem Tage sein neues Buch The
Rapture heraus. Auf seiner Homepage war zu lesen „06.06.06 – Seid ihr
bereit!“. Am 06.06.06 wurde auch Ann Coulters harsche Polemik gegen die
säkulare Gesellschaft (Godless: The
Church of Liberalism = „Gottlos: Die Kirche des Liberalismus“) mit
großem Werbeaufwand auf den Markt geworfen.
In Holland fand am 06.06.06.
ein 24stündiger Gebetsmarathon statt. Initiator war Pfarrer Jan Piet, der
von der Numerologie fasziniert ist und fest daran glaubt, der Anti-Christ
werde bald auf Erden erscheinen. „Es ist ein Datum, an dem viele Leute und
Gruppen alles Mögliche veranstalten, was mit dem Bösen und dem Teufel zu
tun hat. Was wir tun, ist durch eine große Anzahl christlicher Gebete eine
Art Gegengewicht aufzubauen.“ – sagte Piet. 50 Kirchen in den Niederlanden
schlossen sich seiner Initiative an.
Unter
„Hexakosioihexekontahexaphobia“ (auf Deutsch: 666er-Phobie) versteht man
die Angst vor der Zahl 666 als der Zahl des Teufels. Telefon-,
Kreditkarten-, Flugticket-Nummern, welche die Teufelszahl aufweisen, werden
von Menschen, die unter diesem Wahn leiden, gemieden. Es gab Kliniken in
den USA, wo Frauen die geplante Geburt ihres Kindes am 06.06.06
verzögerten, damit dieses nicht an dem verhängnisvollen Tag das Licht der
Welt erblicke. Der „Hexakosioihexekontahexaphobia“ abergläubischer Christen
entspricht auf der anderen Seite die Hexakosioihexekontahexamania der
Satanisten. Für sie war der 06.06.06 das Traumdatum. Rundum den Globus
sollen an diesem Tag oder wohl besser in der Nacht Schwarze Messen
stattgefunden haben.
Ein Kommentator meinte, man
brauche sich doch nur auf den Kopf stellen, dann könne man dem Bann der 666
leicht entkommen, da sich diese jetzt in eine 999 verwandeln würde. Diese
Umkehr-Lösung scheint uns doch das Problem noch zu verschärfen. Der „Teufel“
hätte damit erreicht, dass alle seine Verneiner Kopf stehen, anstatt ihre
Vernunft zu gebrauchen.
Islamischer Fundamentalismus - 10.
Juni 2006
Schlage ihnen die Köpfe und
Fingerspitzen ab
Die apokalyptischen Träume des al-Qaida Killers Abu Musab al-Zarqawi
Mit der Liquidation Abu Musab al-Zarqawis ist den Amerikanern ein
wichtiger Schlag gelungen. Ausgeschaltet wurde nicht nur ein Topterrorist und
ein guter Kenner der internationalen Medienpolitik, sondern auch ein
islamistischer Apokalyptiker. Man konnte häufig in der westlichen Presse
lesen, dass al-Zarqawi durch seinen Terror im Irak eine „apokalyptische
Situation“ heraufbeschwören wollte. Dies wurde aber meist als reine
Metapher verstanden. Tatsache ist jedoch, dass es in verschiedenen von ihm
verfassten Statements Andeutungen auf die islamische Apokalyptik gibt. Zum
Beispiel: „Ich sage mit Gottes Hilfe, dass die Amerikaner, wie ihr sehr wohl
wisst, in der Irak aufgrund eines Vertrages gekommen sind, um den Staat Groß-Israel
vom Nil bis zum Euphrat zu kreieren und dass die von Zionisten durchsetzte
amerikanische Administration daran glaubt, dass sie, wenn sie die Schaffung
eines großisraelischen Staates beschleunigt, auch das Kommen des Messias
beschleunigen wird.“ – schreibt er in einem Brief, der vom US-Geheimdienst
abgefangen wurde. Er deutet also die amerikanische Intervention im
Mittleren Osten als einen Religionskrieg, dessen Absicht im Herbeibomben
des christlichen Messias besteht.
In demselben Dokument prophezeit er weiter, dass es in Syrien und den
syrischen Grenzgebieten zur Endschlacht zwischen dem Islam und Ungläubigen
kommen werde. Das entspricht, den Vorhersagen einiger endzeitlicher Hadiths
(Sprüchen des Propheten Mohammed).
Mehrmals kommt al-Zarqawi in
einer Grundsatzerklärung auf Szenen des Jüngsten
Gerichts zu sprechen. Heiliger Krieg (Djihad), Martyrium (Shahadat)
und Jüngstes Gericht – das ist
die Trias, in der sich sein Denken ständig bewegte. Wenn man diese
Dokumente liest, muss man tatsächlich den Eindruck haben, dass die
politischen Ziele für ihn an die zweite Stelle getreten sind. Am Ende der
Tage – so der Topterrorist – fragt Allah
jeden einzelnen Muslim, welchen Beitrag er denn zum Heiligen Krieg
geleistet habe: „Du solltest wissen, dass du – wahrscheinlich – an jenem
Tag vor Gott stehen wirst, wenn die neugeborenen Kinder weiße Haare
bekommen und die schwangeren Frauen ihre Babys verlieren. An dem Tag, wenn
der Mensch von seinem Bruder davonläuft, von seiner Mutter, seinem Vater,
seiner Frau und von seinem Sohn. [...] Für diesen schwierigen Tag bereite
dich auf eine Antwort vor, wenn dich Gott über die [muslimische]
Gemeinschaft befragt und darüber, was du ihr geschenkt hast; über die Mujaheddin
und deine Unterstützung für sie; über die Feinde der Religion und den Hass,
den du ihnen entgegengebracht hast und die Gegnerschaft, die du ihnen
gegenüber gezeigt hast. [...] Gott wird Dich über Afghanistan und den Irak
befragen. Was hast Du für sie getan? Gott wird euch über Mullah Omar
befragen und weshalb ihr ihn nicht unterstützt habt.“
Geradezu besessen war
al-Zarqawi von der islamischen Märtyrer-Ideologie. Alles was er im Koran
und den Hadiths zum Shahadat (Martyrium) finden konnte, hat
er zusammengetragen, um eine extreme und in seinem Fall wirklich
bestialische Philosophie des Todes zu propagieren. Zuweilen drückt er sich
dabei jedoch recht poetisch aus: „Wir haben ihnen [den zukünftigen
Märtyrern] in vielen Lehrstunden klar gemacht, dass persönliche Sicherheit
und Sieg unvereinbar sind; dass der Baum des Triumphes nicht in himmlischen
Höhen wachsen kann ohne Todesverachtung und dass die islamische Nation das
Aroma des Märtyrertums braucht, das Parfum des für Gott vergossenen
Blutes.“ Daran knüpfen auch die verschiedenen islamistischen Nekrologe an,
die jetzt seinen Tod bedauern. Seine Liquidation durch die Amerikaner sei
eine „Gute Nachricht“, schreiben die Mitkämpfer, denn sie verleihe ihm
Würde der Märtyrer. Sein Tod bedeute für sie das Leben. Er selber werde im
Himmel mit den paradiesischen Jungfrauen (Huris) verlobt.
Wie im Falle Osama bin Ladens
so ist es auch im Falle al-Zarqawis falsch von einem Terroristen zu
sprechen, der sich mit seinen Handlungen gegen die Religion als solche
gestellt habe und aus rein verbrecherischen Motiven heraus handele. Dieser
„Massenmörder“ war ebenfalls ein zutiefst frommer Mensch, der sich seinem
Glauben ganz und gar hingab. Am Beginn der Entscheidung, sein Leben dem Djihad
zu widmen, steht eine zudem eine Vision. Das berichtet der jordanische
Journalist Saleh Ilhami, der mit al-Zarqawi befreundet war und der dessen
Schwester heiratete. Al-Zarqawi habe in seinem visionären Traum ein Schwert
aus dem Himmel fallen sehen, auf dem Verse des Korans gestanden
seien. „Auf der einen Seite war geschrieben: ‚Ihr werdet Sieger sein, wenn
ihr Gläubige seid!’ Auf der anderen Seite war das Wort ‚Djihad’
geschrieben.“ Ilhami schreibt hierzu: „Es war eine Art Prophezeiung oder
eine Vision, [...] dass er in Zukunft ein großer Mann sein wird.“ Es lässt
sich darüber spekulieren, ob al-Zarqawis spektakulären
Enthauptungsszenarien mit diesem Schwerttraum in einer Verbindung stehen.
Ausgehend von der Inbrunst mit der er seinen Terror theologisch begründet
hat, ist die Echtheit dieses Traumes kaum zu bezweifeln.
Die Legitimation für diese
Enthauptungen holt er sich aus zwei Koranversen. In Sure 47: 3 ist zu lesen: „Wenn
ihr die Ungläubigen auf dem Schlachtfeld trefft, dann enthauptet sie.“
Und in Sure 8: 12 steht
geschrieben: „Ich werde Schrecken in
die Herzen der Ungläubigen einjagen. Schlage ihnen die Köpfe und die
Fingerspitzen ab.“ Der Historiker Timothey R. Furnich gibt einen kurzen
Überblick von der islamischen „Enthauptungs-Kultur“, die ohne Unterbrechungen
in der Geschichte gepflegt wurde und heute noch in Saudi-Arabien auf
öffentlichen Plätzen als Höchststrafe spektakuläre Aufführungen findet.
Die Nutznießer von
al-Zarqawis Liquidation sind nicht nur die alliierten Besatzertruppen,
sondern auch ein schiitischer Apokalyptiker wie Mahmoud Ahmadinedschad.
Sunni-Terrorist richtete in den letzten Monaten seine Tötungskommandos vor
allem gegen die Schiiten, die er als Verräter ansah. Jetzt hat das
schiitische Lager einen brutalen Gegner weniger und die Einflusssphäre der
Ayatollahs aus dem Nachbarland Iran kann dadurch nur gewinnen.
Islamischer
Fundamentalismus - 4. Juni 2006
Aufwecken mit der Apokalypse
In der iranischen Gesellschaft bestimmen
endzeitliche Themen den Alltag
In dem Artikel „Die iranische
Herausforderung“ geht das Magazin Der
Spiegel (Nr. 22 – 2006) ausführlich auf den Endzeitglauben des
iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad ein, so dass wir es für sinnvoll
halten, den Bericht zusammenzufassen.
Mittlerweile
sei die iranische Gesellschaft völlig apokalyptisch durchseucht, so der Spiegel, die Iraner wachten
sozusagen mit Endzeitparolen auf. „Schon um Viertel nach acht, gleich nach
den Frühmachrichten, geht es um die Apokalypse, um das Ende der Welt. […]
‚Das Ende der Zeiten ist nah’, sagt [ein Sprecher des populären Radiosender
Dschawan]. 50 Zeichen, so stehe
es geschrieben, würden auf das bevorstehende Weltende hindeuten, 33 habe er
bereits erkannt. Die Männer werden sich kleiden wie Frauen, heiße es in den
Büchern. ‚Und? Versinkt diese Stadt nicht in Sittenlosigkeit?’ Der Fluss
durch die Heilige Stadt werde austrocknen. ‚Ist nicht der Fluss durch Ghom
inzwischen völlig versiegt?’ Genau dazu passe es, dass nun plötzlich alle
über die Atombombe redeten – auch ein Zeichen für ‚aschar-esamam’, das Ende der Zeiten und die Wiederkehr des
Mahdi, des zwölften, des verborgenen Imam.“
Anschließend
verweist das Magazin auf die Rede des iranischen Präsidenten vor der UNO
Vollversammlung im September 2005, auf der er die Rückkehr des Imam-Mahdi
beschwört und das Ende des säkularen Zeitalters ankündigt. (Siehe: Die Messias Obsession ) „Ein bisschen
Endzeitstimmung war da auch über die Vertreter des Westens gekommen. Ihnen
schauderte.“ – kommentiert der Spiegel
und fährt fort: „Momentan tritt dieser fromme Apokalyptiker fast Tag für
Tag irgendwo in seinem Land auf, immer triumphal, immer umgeben von
religiösen Würdenträgern, hohen Offizieren und nationalen Symbolen, immer
enthusiastisch gefeiert […] Er meldet vor der Geschichte, ‚dass wir den
nuklearen Kreislauf durch die Gnade des allmächtigen Gottes und dank der
Anstrengungen unserer Wissenschaftler gemeistert haben.’“ – heißt es
weiter. Er rede wie im Rausch, wie ein Beseelter, wie ein Prophet. „Wohin
führt das? Wünscht Ahmadinedschad, der Apokalyptiker, der auf den Mahdi
wartet, das Armageddon herbei? […] Das Land ist jetzt schon ein Alptraum,
eine Kombination aus Hasspredigten und dem Streben nach der Bombe, deren
Besitz dieser Staat, allen Dementis zum trotz, wohl anpeilt.“ Motor für
diesen Wahn, so der Spiegel, sei
eine „expansive islamistische Ideologie“ mit eschatologischen Inhalten.
Der
lesenwerte Artikel berichtet ausführlich über den ideologischen Werdegang
dieses gefährlichen muslimischen
Erfüllungsgehilfen der apokalyptischen Matrix und kommt zu dem Schluss:
„Dass jemand, der das Ende aller Tage nahen sieht, auch noch Zugang zu
einer Waffe erhalten sollte, die das Ende beschleunigen könnte, ist ein
unerträglicher Gedanke.“ Schade nur, dass bei dem in derselben
Spiegel-Nummer abgedruckten Interview mit Ahmadinedschad dessen
Doomsday-Wahn nicht hinterfragt wurde. Diese Marionette der Ayatollahs hat
es zumindest geschafft, dass die politische Apokalyptik als ein zentrales
Thema des Fundamentalismus sogar von Säkularisten erkannt wird. „Die
westliche Presse macht leider immer denselben Fehler: Sie beobachtet und
beurteilt die Regierung im Iran mit westlichen Maßstäben. Niemand kennt
dieses Regime und seine Ideologie besser als das iranische Volk. Der
islamische Staat träumt davon, die Welt zu erobern. Wenn nicht in 10 oder
50 Jahren, dann in 500 und 1000 Jahren. Wenn nicht durch Fortschritt und
Sympathie, dann durch Terror und steigende Geburtenrate in der islamischen
Welt!“ – schreibt die Exiliranerin Elahe Boghart in einem Leserbrief auf
den Spiegelartikel.
Christlicher Fundamentalismus
- 04. Juni 2006
Es gibt Dinge, über die man nicht
spricht
Weshalb die Mainstream-Kirchen über die Apokalypse
schweigen
Während die Apokalyptik, die
Eschatologie, der militante Messianismus und die Prophezeiungsliteratur im
Zentrum des christlichen Fundamentalismus stehen, sind diese Aspekte der
Religion für die Mainstream-Kirchen nicht nur ein Tabu, sondern auch für
deren Kritiker wie Hans Küng und Jürgen Drewermann. Der Fundamentalismus
wird von Establishment- und Reform- Christen weitgehend unter den Rubriken
Frauen- Demokratie- und Dialog-Feindlichkeit, übertriebene Sexualmoral,
Gewaltbereitschaft, und allenfalls der Ideologisierung des Krieges als
„heilig“ abgehandelt. Um die Apokalyptik, dem Herzstück des
Fundamentalismus, wird ein großer Bogen gezogen.
Der Grund für die Berührungsangst liegt
darin, dass es bei einer Auseinandersetzung mit den Endzeit-Themen eine
Debatte über die Heiligen Texte geben müsste, die in ihrer Eindeutigkeit
schwer umzudeuten sind. Deswegen lässt man lieber die Hände davon. Aber der
Druck wird immer stärker. Es sind nicht nur die radikalen amerikanischen
Frei-Kirchen, die zu Stellungnahmen herausfordern, sondern mittlerweile
auch Theologen aus den eigenen Reihen. Eine Beispiel hierfür ist ein im
Jahre 2004 erschienenes Buch von Matthias Zeindler mit dem Titel Gott
der Richter – Zu einem unverzichbaren Aspekt christlichen Glauben
(2004)
Zeindler, ein reformierter
Pfarrer und Privatdozent für Systematische Theologie an der katholischen
und evangelischen theologischen Fakultät Bern, macht den Versuch, die
Diskurs über die Apokalypse behutsam in die „aufgeklärteren“
Kirchenkreise einzuführen. Er beginnt seinen Text mit dem Statement. „Es
gibt Dinge, bei denen man sich angewöhnt hat, nicht darüber zu sprechen.
Sie werden weder befürwortet noch bestritten, sondern schlicht mit
Schweigen bedacht. In ganz undramatischer Weise sind sie kein
Diskussionsgegenstand. [...] Das Endgericht Gottes, auch Jüngstes Gericht
genannt, gehört zu den Dingen, über welche in der gegenwärtigen religiösen
Landschaft gänzlich unpolemisch nicht gesprochen wird.“ (7) Das ist
zweifelsfrei richtig. Auch wenn diese Verdrängung nur für die
Repräsentanten der Mainstream-Theologie, nicht aber für die rasant
anwachsende Zahl von Anhängern fundamentalistischer Glaubensrichtungen gilt.
Öffentliche Diskussionen über die Apokalypse des Johannes lösen bei
liberal eingestellten Theologen Unbehagen aus.
Diesem Zustand will Zeindler
ein Ende bereiten. Vorsichtig tastet er sich an das heikle Thema heran,
indem er zuerst drei „profane“ Autoren bemüht, um in einem ihrer Werke die
Anwesenheit eines Göttlichen Gerichts aufzuzeigen. In Theodor Fontanes Grete
Minne, in Friedrich Dürrenmatts Die Panne und in Kurt Martis Leichenreden.
So abgesichert durch das „apokalyptische Bekenntnis“ von „diesseitigen“
Zeitzeugen geht er über auf die Theologie. Gleich zu Beginn stellt er die
These auf, dass die christliche Eschatologie „ein Strukturelement des
christlichen Glaubens“ darstelle. (25) Die Weltgeschichte ende mit dem
Weltgericht.
Es klingt zwar immer wieder
bei Zeindler an, der Mensch habe selber nicht das Recht, „den Richter über
andere zu spielen“ (41) Diese Kompetenz liege ausschließlich in Gottes
Hand. Ohne sie zu benennen, ist das wohl als ein Seitenhieb auf die
radikalen religiösen Strömungen zu deuten. Aber dieser Seitenhieb ist
verfehlt, weil auch die Apokalyptiker der Christlichen Rechten niemals für
sich in Anspruch nehmen aus eigener Motivation heraus zu handeln, sondern
immer wieder betonen, ein Instrument Gottes zu sein.
Ein besonderes Interesse
zeigt der Autor an der Aktivierung der „prophetischen Theologie“, dem
eschatologischen Glauben, dass die Geschichte vorbestimmt und in den Heiligen Texten vorgeahnt ist. Die
„prophetische Theologie“ mache die Apokalypse zu einem erkenntnistheoretischen
Instrument, mit dem wir die Gegenwart deuten können. „Die Unverzichtbarkeit
prophetischer Theologie wird durch die Beobachtung unterstrichen, dass das
Ergehen des göttlichen Gerichts in der Geschichte notwendig mit
prophetischer Theologie korrespondiert. Will heißen: Prophetische Theologie
kommt zum Gericht Gottes in der Geschichte nicht additiv hinzu und wäre
damit allenfalls auch verzichtbar. Sie gehört zu diesem Gericht vielmehr
Hintergrund hinzu.“(50)
Ausgehend von der
christlichen Eschatologie ist die Apokalypse gewaltsam, daran hegt Zeindler
keinen Zweifel: „Die neu-testamentlichen Apokalypsen sind an diesem Punkt
unmissverständlich, wenn sie dem kommenden Ende große Katastrophen
vorausgehen lassen. Mit ihrer drastischen Bildsprache halten sie sachlich
fest, dass, wenn Gott sein Reich kommen lässt, dieses nicht aus dem
Vorhandenen herauswächst. Das Vorhandene muss zuerst untergehen, um dem
ganz neuen Reich Platz zu machen. Das Reich kommt nicht als Evolution,
sondern als Revolution – auch in qualitativer Hinsicht als die große
Überraschung.“ (65) Letztlich wird Gewalt durch eine Beziehung auf den
Kreuzestod Christi gerechtfertigt. Der Gewaltsame Tod sei die Voraussetzung
für die Erlösung.
Zeindler verweist auch
darauf, dass das Prinzip „ewiger Verdammnis“ Teil des apokalyptischen
Denkens sei. Er bezieht sich dabei auf eine „starke Mehrheitsmeinung der
christlichen Tradition“, die schon sehr früh die Lehre von der „apokastasis
panton“, der Allversöhnung oder Allerlösung als Irrlehre verurteilt
hat. (93) Die apokastasis panton wäre jedoch der einzige Ausweg aus
der Verewigung der Katastrophe für die verurteilten „Sünder“. Um diesem
„Diktat der Ewigen Verwerfung“ zu entkommen, bringt Zeidler die Gnade
Gottes ins Spiel. Immerhin ist damit impliziert, dass Gott den Endzeitwahn
ein Ende bereiten könne, wenn er nur wollte.
Dennoch ist Zeindlers Buch
gefährlich. Es steht die Absicht dahinter, die apokalyptische Matrix für
die etablierten Kirchen wieder attraktiv zu machen. Seine theologische
Verfeinerung des Themas versucht nur das Schreckliche zu verdecken, das die
Apokalypse schon angerichtet hat und weiter dabei ist anzurichten.
Letztlich endet auch Zeindlers Theologie in der banalen
Gut-gegen-Böse-Szene, die auf dem Titelbild seines Buches dargestellt ist: Der Erzengel Michael massakriert mit dem
Schwert in der Hand einen jämmerlich vor Schmerzen schreienden Teufel.
Komparative
Studien zum Fundamentalismus - 25. Mai 2006
Zwei Herren der Zeit
Was der XIV. Dalai Lama und der iranische
Präsident
Mahmoud Ahmadinedschad gemeinsam haben
Am 14. Mai 2006 legte der
XIV. Dalai Lama den Grundstein für ein Gesundheitszentrum in Hüttenberg
(Kärnten), welches gleichzeitig als lamaistisches Kloster und, wie es in
einigen Presseberichten heißt, als „Europa-Residenz des Dalai Lama“
fungieren soll. Hauptinitiatoren dieses „Dalai-Lama-Projekts“ (so die
offizielle Bezeichnung) sind der Wellness-Hotel-Magnat Robert Rogner und
der Kärntner Landeshaupt Jörg Haider. Die Baukosten werden hauptsächlich
aus öffentlichen Mitteln finanziert. Der Staat soll 20 Millionen Euro von
den 22 Millionen Gesamtbetrag zu Verfügung stellen. Begründung: das Projekt
schaffe 140 neue Arbeitsplätze und der Dalai Lama wirke als Kassenmagnet
für die ganze Region. Daneben ist in dem Kärntner Ort Heft ein „Center of
Higher Tibetan Studies“ geplant, das sich auch um die Akkreditierung als
Privatuniversität bemühen wird.
Haider wertete den Besuch des
tibetischen Religionsführers als „sensationellen Erfolg“. Er gab an, dass
ihn eine persönliche Freundschaft mit dem Dalai Lama verbinde und erklärte,
dieser sei „ein väterlicher Mensch, der unheimlich schnell und spontan auf
die Menschen zugeht.“ Unheimlich sind wohl eher die engen, traditionellen
Kontakte des tibetischen Kirchenfürsten zu Vertretern der rechten Szene,
über die sich die breite Öffentlichkeit ausschweigt. Während der
Europa-feindliche Haider als persona
non grata international von den meisten Mainstream-Politikern außerhalb
Österreichs gemieden wird, posiert der tibetische „Gottkönig“ lachend mit
diesem Mann, dem der Rechtspopulismus seine Hoffähigkeit verdankt. Haider,
der sich zudem durch arge Intoleranz gegenüber der slowenischen Minderheit
im eigenen Land auszeichnet, erklärte, wie wichtig der „Dialog der
Kulturen“ sei.
Die neue
Gesundheits-Kloster-Residenz wird zudem in dem Heimatort des kürzlich
verstorbenen Heinrich Harrer, ehemaliger SS-Mann und Lehrer der jungen
Dalai Lama, gebaut. An vielen Stellen haben wir ausführlich darauf
hingewiesen, wie eng die Beziehungen des tibetischen Religionsführers zu
Protagonisten der extremen Rechten in der Vergangenheit waren und wie
bedeutend lamaistische Religionsinhalte für die Ideologie-Bildung des
Neo-Nazismus und Neo-Faschismus immer noch sind. (Siehe dazu unser Buch Hitler-Buddha-Krishna und Kapitel 12
Teil II aus Der Schatten des Dalai Lama
(englische Fassung).
Der Dalai Lama, das ist viel
zu wenig bekannt, zählt zu den dogmatischen Verfechtern einer radikalen
Doomsday-Ideologie, die sich in allen Aspekten nach der von uns
herausgearbeiteten apokalyptischen Matrix
richtet. Seine buddhistische „Apokalypse“ beruft sich ebenfalls auf einen Heiligen Text: das Kalachakra-Tantra und steht, was die
kriegerische Seite anbelangt, den monotheistischen Endzeitprophezeiungen in
nichts nach. Es gibt jedoch einige interessante Parallelen zum Schia-Islam.
Beide Systeme, Lamaismus und
Schiismus, haben eine ausgeprägt okkulte Dimension. Der verborgene 12. Imam, den die Schiiten als ihren
Messias erwarten, trägt auch den Namen Imam-Zâman.
Das bedeutet „Herr der Zeit“ (von sahib-e zâman). Eine solche Zeitgottheit
steht ebenfalls im Zentrum des vom Dalai Lama durchgeführten Kalachakra-Tantra
Rituals. Kala-Chakra
bedeutet das „Rad der Zeit“, die in dem Ritual gleichen Namens verehrte
Gottheit wird ebenfalls als „Herr der Zeit“ bezeichnet. Beide Systeme
suggerieren zudem, dass es eine von der Außenwelt nicht wahrnehmbare Sphäre
gibt, von wo aus der „Herr der Zeit“ Einfluss auf die Geschichte der
Menschen nimmt. Für die Schiiten ist es der 12. Imam für die tibetischen Lamas ist es der sogenannte Shambhala-König.
Über diesen okkulten Aspekt
des Schia-Messianismus und seine Beziehung zur aktuellen Politik schreibt
Amir Taheri, ehemaliger Herausgeber von Irans größter Tageszeitung Kayhan: „Nach der Schia-Lehre ist
der Imam eine messianische Figur, der, wenn auch verborgen, die eigentliche
Herrschaft über die Welt ausübt. In jeder Generation wählt der Imam 36
Männer (und aus erklärlichen Gründen keine Frauen) und nennt sie die owtad oder ‚Nägel’, deren Präsenz, hineingehämmert in die Existenz
der Menschheit, das Universum davon bewahrt, ‚in die falsche Richtung zu
laufen’. Auch wenn diese ‚Nägel’ für einfache Leute nicht zu erkennen sind,
so ist es doch zuweilen möglich, einen von ihnen zu identifizieren dank
ihrer Taten. Ausgehend von dieser Lehre bestehen einige passioniertere
Bewunderer Amadinedschads darauf, dass er ein ‚Nagel’ ist, eine Behauptung,
die er selber nicht entkräftet hat. Zum Beispiel hat er letzten September,
als er eine Rede vor der General Versammlung der Vereinten Nationen in New
York hielt, behauptet, der
verborgende Imam habe den Ort in ein sanftes Licht gebadet’.“ (Siehe
auch: Messias Obsession des M.
Ahmadinedschad) Im April berichtet die Iranian Labor News Agenca (ILNA) Ahmadinedschad habe bei einen
Treffen, um die weltpolitische Lage zu beschreiben, gesagt: „Wir sind mit
einer Situation konfrontiert, die von einer unsichtbaren Macht dirigiert
wird.“
Ganz ähnliche Vorstellungen
sind mit dem im tibetischen Kalachakra-Tantra
erwähnten Shambhala-Mythos
verbunden. Auch in diesem Fall ist die Rede von einem verborgenen
„Weltenherrscher“, der die Geschicke der Menschen eschatologisch
manipuliert. Ebenso wird der XIV. Dalai Lama von seinen Anhängern und nach
der Kalachakra-Lehre als Repräsentant dieser okkulten Dimension angesehen.
Vom Zeitgott Kalachakra, den er während des Rituals simuliert, heißt es, „Er
ist das Rad der Zeit, ohne Gleichem und unzerstörbar.“
Die Ähnlichkeiten der beiden
Systeme, des schiitischen und lamaistischen, sind jedoch keineswegs zufällig. Es spricht sehr
vieles dafür, dass sie oder Teile davon derselben historischen Wurzel
entstammen. Tibetologen der älteren Generation wie Albert Grünwedel,
Guiseppe Tucci und Helmut Hoffmann
waren der Meinung, das Kalachakra-Tantra
sei aus einem alt-iranischen Kult um den Zeitgott Zurvân entstanden, der sich dann später zu einer Mischreligion
aus Avesta und Lehren des Mahayana-Buddhismus (600 bis 700 Jh.
n. Chr.) entwickelt habe. Auch der als offizieller Kalachakra-Intepret vom XIV.
Dalai Lama designierte Tibetologe Alexander Berzin widersetzt sich dieser
Meinung nicht. Dass anderseits der Zurvânismus
auf die schiitische Lehre großen Einfluss gewonnen hat, ist von Iranisten
wie Henri Corbin und anderen überzeugend herausgearbeitet worden. (Siehe
zum Beispiel: Henri Corbin – En Islam
iranien – aspects spirituels et philosophiques – Paris, 1972, 49 f. )
Aber, wie es ja so oft in
solchen Fällen ist, geraten sich Brüder, die von den gleichen Eltern
abstammen, am heftigsten in die Haare. So auch in der Endzeit, jedenfalls
nach Berzin, die Buddhisten mit den Schiiten. Ausgangspunkt für seine These
ist die im Kalachakra-Tantra
erwähnte berüchtigte Prophezeiung, nach der der buddhistische Messias (der Shambhala-König mit dem Namen Rudra Chakrin) gegen die großen
Lehrer des Monotheismus eine Letzte Schlacht schlägt. Der Passus spricht
von "Adam, Henoch, Abraham, Moses, Jesus, der im weißen Gewand
[Mani], Mohammed und Mathani [der Mahdi]" als seinen Gegnern.
Und bezeichnet diese weiter als "die Familie der dämonischen
Schlangen". (Shri Kalachakra I. 154). Für Berzin wird hier
und in den folgenden Passagen ein „Armageddon“ zwischen einer guten
buddhistisch-hinduistischen Erlöser-Armee der Letzten Tage und einer bösen
schiitischen Sekte von islamistischen Terroristen vorausgesagt. Das Kalachakra-Tantra warne explizit vor
den barbarischen Streitkräften unter der Leitung des muslimischen
Endzeitmessias, dem „Mahdi“, meint Berzin. Er berichtet auch umgekehrt
von schiitischen Gruppierungen, die den im Kalachakra-Tantra vorausgesagten Endzeit-Messias Rudra Chakrin als ihren
Anti-Messias herausstellen. www.berzinarchives.com/kalachakra/kc_pres_prophets_islam_abridged.html
Wie auch immer - am Ende der
Zeiten ist der Gott des einen grundsätzlich der Teufel des anderen und
umgekehrt. Das gilt auch im Falle der tibetischen Lamas und der
schiitischen Ayatollahs. Gerade das iranische Beispiel zeigt, wie gut der
Westen daran täte, sich das Religionssystem des Dalai Lamas besser
anzusehen, damit er nicht später dieselben Probleme mit dem Lamaismus hat
wie heute mit dem Schiismus. Auch der Ayatollah Khomeini wurde als Heiliger
Mann verehrt und insbesondere in Frankreich, als ein Symbol der Freiheit
und der Menschenrechte gegen das korrupte Schah-Regime von der Presse
hochstilisiert. Alle seine fundamentalistischen Ideen, die er später bei
der Errichtung der schiitischen Theokratie umsetzte, waren lange vor der
„iranischen Revolution“ (1979) schon von ihm verfasst und aufgeschrieben
worden. Hätte man sie gelesen und ernst genommen, dann hätte man erfahren,
was einen da erwartet.
Eigentlich könnte man sich von
buddhistischer Seite viel mehr Opposition gegen das Kalachkra-Tantra erwarten, da ja dieses lamaistische
Religionssystem mit den ursprünglichen Lehren des Buddhas überhaupt nicht
vereinbart werden kann. Es ist wohl die sakrosankte Figur, des höchsten
Kalachakra-Meisters, des XIV. Dalai Lama, die diese Kritik nicht aufkommen
lässt. Dennoch sind die Stimmen von skeptischen Buddhisten in den letzten
Jahren häufiger geworden. „Je mehr ich über das Kalachakra-Tantra
lerne, umso mehr lehne ich es ab. Und umso entfernter scheint es mir von
den selbst grundsätzlichsten buddhistischen Lehrinhalten zu sein. Diese Art
apokalyptischer Lehren scheint mir mehr bestimmten Formen eines
fundamentalistischen Christentums zu entsprechen, das auf der Apokalypse
beruht. Es tut mir leid, ich kann das einfach nicht ernst nehmen.“ – schreibt
ein Anhänger des Buddhas mit dem Namen Dharmajim im Internet.
Islamischer
Fundamentalismus – 11. Mai 2006
Wir beide glauben doch
an das Jüngste Gericht
Mahmoud Ahmadinedschad spricht in einem Brief
George W. Bush als frommen Christen an
Mit großer Aufregung wurde in
den westlichen Medien über den persönlichen Brief des iranischen
Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad an George W. Bush spekuliert. Als dann der
Inhalt des Briefes vorlag, war man enttäuscht. Der iranische Präsident
äußerte darin nichts Neues zu seinem Atomprogramm, das die Welt zur Zeit in
Atem hält, sondern klagt die USA an, die Menschenrechte zu verletzten; im
Irak einen illegalen Krieg zu führen; dem Iran seine technischen
Fortschritte nicht zu gönnen; die sozialen Probleme im eigenen Land nicht
zu lösen usw.. Ahmadinedschad leugnete erneut den Holocaust. Das alles war
hinreichend bekannt und wurde deswegen als entsprechend belanglos eingestuft.
Auch dass muslimische Geistliche und Staatschefs mittlerweile ständig (und
das wohl auch nicht ganz zu Unrecht) Menschenrechtsverletzungen des Westens
anklagen, ist hinreichend bekannt und regt keinen mehr auf.
Die eigentliche, gar nicht so
hintergründige Botschaft des Ahmadinedschad Briefes blieb der säkularen
Presse dennoch verborgen. Sie trägt einen endzeitlich-messianischen
Charakter. Auf fast allen Seiten des
18 seitigen Schreibens ist von Jesus
Christus die Rede. Gemeint ist sowohl der historische Christus, als auch der prophezeite
apokalyptische Christus. Das
Spiel, welches Ahmadinedschad mit diesem Christus-Bezug betreibt, besteht
darin, die Unterschiede zwischen dem muslimischen und dem christlichen
Christus zu verwischen. Nach islamischer Doktrin ist Christus nicht nur ein Prophet, sondern ebenfalls der kommende
Heilsbringer, der am Ende der Zeiten [nach dem Mahdi] wieder auf der Erde erscheint, um mit göttlicher Gewalt
Gerechtigkeit zu schaffen. Das deckt sich insoweit mit der christlichen Doktrin.
Deswegen kann Ahmadinedschad offen von Christus
reden, ohne seinem islamischen Glauben zu widersprechen. Sicher spekuliert
er, mit seinem „christlichen“ Jargon in einer christlichen Nation wie den
USA und bei einem christlichen Präsidenten wie George W. Bush zu punkten,
aber insgeheim meint er ausschließlich den muslimischen Christus. Dabei ist dessen Beziehung
zum 12. Imam, dem schiitischen
Heilsbringer, den Ahmadinedschad ansonsten ständig beschwört, theologisch
nicht geklärt. Man kann wohl anzunehmen, dass beide „Messiasse“ für den
iranischen Präsidenten ein und dieselbe Person sind.
„Kann einer in der Nachfolge
Jesu Christi steht, dem großen Boten Gottes“, solche „Gräueltaten“
vollbringen wie die USA im Irak? - fragt der iranische Präsident schon zu
Anfang seines Briefes. Kann einer, der „in der traditionellen Pflicht Jesu
Christi, des Boten des Friedens und der Vergebung steht“, Gefängnisse wie
in Guantanamo bauen? Wie kann einer,
„der auf die Errichtung einer vereinigten internationalen Gemeinschaft
hinarbeitet – eine Gemeinschaft, welche Christus und die Tugendhaften
dieser Erde eines Tages regieren werden“, solche Kriegverbrechen begehen?
Im letzten Satz sind Endzeitprophezeiungen aus den Sprüchen des Propheten Mohammed (Hadiths) angesprochen, nach denen der apokalyptische Christus den Anti-Christen (muslimisch: den Dajjal) besiegt und dann die Welt als dominus mundi regiert. Ein Szenario, das wir auch aus der Johannesoffenbarung kennen.
Von Seite 13 an bis zum
Schluss (Seite 18) des Briefes ist nur noch von Gott und seinen Propheten
die Rede. „Was würden die Propheten Abraham,
Isaak, Jakob, Ismael, Joseph und Jesus
Christus sagen, wenn sie heute unter uns weilten? Wie würden sie ein
solches Benehmen [wie das von Ihnen, Präsident Bush] beurteilen?“ - fragt
Ahmadenidschad. Schon auf seiner UNO-Rede im September 2005 hatte er
erklärt, dass Zeitalter des Säkularismus, des Liberalismus und der
Demokratie sei zu Ende und das Zeitalter der Religion sei angebrochen. In
seinem Schreiben wiederholt er dieses Statement: „Der Liberalismus und die
Demokratie nach westlichem Stil haben nicht dazu beigetragen, zu helfen,
die Ideale der Menschheit zu realisieren. Heute haben diese beiden Konzepte
fehlgeschlagen. Diejenigen die eine tiefere Einsicht haben, können die Töne
der Erschütterungen und des Falls der Ideologie und der Philosophie des
liberal demokratischen Systems hören.“
Was bildet für Ahmadenidschad
die Alternative? Der Monotheismus! „Alle göttlichen Religionen teilen und
respektieren ein Wort und das ist ‚Monotheismus’ oder den Glauben an einen
einzigen Gott und keinen anderen in der Welt.“ – „Der Gott aller Völker
Europas, Asiens, Afrikas, Amerikas, des Pazifik und dem Rest der Welt ist der
Eine.“ – steht in dem Brief. Der Koran
will, so glaubt Ahmadinedschad, dass sich alle monotheistischen Religionen
vereinigen. Und weiter: Es sei die Pflicht aller Völker, Gott zu dienen;
diesem verborgenen und unsichtbaren Gott, der weiß was in den Herzen der
Menschen vorgeht; der den Himmel, die Erde und das Universum in Besitz hat;
der die Sünden vergibt; der die Frommen mit dem Paradies belohnt. Der
ziemlich lange Katalog über die Qualitäten Gottes ist auch jedem westlichen
Christen hinlänglich bekannt.
Durch „Zeichen“ führt Gott
seine Gläubigen durch die Geschichte, an dessen Ende das Jüngste Gericht steht, lesen wir
weiter: „Der Tag wird kommen, wenn sich die gesamte Menschheit vor dem
Richterstuhl des Allmächtigen versammeln wird, so dass ihre Taten beurteilt
werden. Die Guten werden zum Himmel aufsteigen, und die Bösen wird die
göttliche Vergeltung treffen. Ich nehme an, dass wir beide [Ahmadinedschad
und Bush] an einen solchen Tag glauben, aber es wird nicht leicht sein, die
Handlungen der Herrschenden im voraus zu bewerten, denn wir werden unseren
Nationen Rede und Antwort zu stehen haben und all den anderen auch, deren
Leben direkt oder indirekt von unseren Handlungen affiziert wurden. Alle
Propheten sprechen vom Frieden und von der Seelenruhe für den Menschen, der
auf dem Monotheismus basiert, auf Gerechtigkeit und dem Respekt der
Menschenwürde. Glaubt ihr nicht, dass wenn wir alle an diese Prinzipien
glauben und uns danach richten, da heißt, dem Monotheismus, der Verehrung
Gottes, der Gerechtigkeit, dem Respekt für die Menschenwürde, und den
Glauben an den Letzten Tag [!], dass wir dann nicht die Probleme unserer
Gegenwart meistern können?“
Ahmadinedschad sieht seinen
Brief als „Einladung“ (invitation)
an den amerikanischen Präsidenten, den wahren Lehren des Monotheismus zu
folgen und dem Säkularismus abzuschwören, und läuft damit, wie jeder weiß,
offene Türen ein. Die Gläubigkeit Bushs wird aber von muslimischen
Fundamentalisten immer wieder als eine Chance gedeutet, sich auf der
religiösen Ebene zu gemeinsam begegnen (im Kampf gegen die säkulare Welt).
So auch im Brief Safar al-Hawali, dem spirituelle Lehrer Osama bin Ladens,
an den amerikanischen Präsidenten, in dem der saudische Scheich die große
Frömmigkeit des amerikanischen Volkes lobt. Ebenso lässt Ahmadinedschads
Schreiben durchblicken, wenn sie beide (d. h. Bush und er) an einer
„genuinen Rückkehr der Lehren der Propheten zum Monotheismus“
arbeiten, dann könne die Welt daran
genesen. Beide Politiker glauben daran, dass Gottes „unsichtbare Hand“ die
Geschichte bestimmt. Es gibt „eine höhere Macht am Werk und alle Ereignisse
werden durch Ihn bestimmt.“ – sagt Ahmadinedschad. Derselben Meinung hatte
sich vor kurzem auch der englische Premier, Tony Blair, angeschlossen.
(siehe unten: Newsletter vom 05. März
2006)
Die ständig beschworenen
religiösen Friedensbeteuerungen der verschiedenen Konfliktparteien wären ja
schön und gut, würde sich nicht hinter ihren Systemen jene gefährliche
„apokalyptische Matrix“ verbergen, an der sie sich letztendlich
orientieren. Folgt man der aus den Heiligen Schriften der monotheistischen
Religionen abgeleiteten Doomsday-Logik, dann muss notwendigerweise der Christus des einen zum Anti-Christen des anderen werden;
das Reich Gottes (Amerika) bekämpft dann die „Achse des Bösen“ (Iran); oder
umgekehrt: das Reich Allahs (Iran) kämpft gegen den „Satan Amerika“. Vor
solchen sich gegenseitig dämonisierenden Vergleichen schrecken ja die
beiden Präsidenten selber nicht zurück, wie man weiß.
Siehe den Originaltext des Ahmadinedschad-Briefs an
George W. Bush:
http://online.wsj.com/public/resources/documents/wsj-IranianPres_letter.pdf
Komparative
Studien zum Fundamentalismus - 5. Mai 2006
Der Reiter auf dem weißen Pferd
In den Prophezeiungen der Religionen erscheint der
jeweilige Endzeit-Messias als blutrünstiger Rächer
Die
oberste spirituelle Autorität des Irans, Ayatollah Ali Khameini, erklärte
vor einigen Tagen: „Die Amerikaner sollten wissen, wenn sie eine Invasion
in den Iran planen, dann werden ihre Interessen in der ganzen Welt Schaden
finden. Wir werden auf jeden Angriff zweimal so stark reagieren.“ Kommt es
dazu, dann muss auch mit dem massiven Einsatz von Kinder-Märtyrern
gerechnet werden. Während des Irak-Iran Krieges wurden diese, selbst gegen
den Willen ihrer Eltern, an die Front geschickt. Man benutzte die Jugendlichen im Alter von 10 bis 17
Jahren als Kanonenfutter. Unter anderem hatten sie die Minenfelder
freizumachen, damit die regulären Truppen nachsetzen konnten. Dabei sollen
Zehntausende getötet worden sein. „Der Baum des Islam kann nur wachsen,
wenn er ständig mit dem Blut der Märtyrer getränkt wird.“ - hatte Ayatollah
Khomeini während des Krieges verkündet.
Das
bringt erneut ein Buch des französischen Journalisten Freidoune Sahebjam in
Erinnerung, welches 1988 unter dem deutschen Titel Ich habe keine Tränen mehr erschien. Die Dokumentation erzählt
die Geschichte der iranischen Kinder-Soldaten. Unter anderem ist darin der
folgende Bericht zu lesen. Während sich die Knaben in Bereitstellung an der
Front befanden, nahmen sie eine erschütternde Erscheinung wahr: „Und dann
ein Schrei […] Ich glaubte verrückt zu werden […] Er war da, mitten in der
Sonne, auf einem wunderbaren Pferd. Er selber trug ein weißes Gewand. Ich
konnte seine Gesichtszüge nicht unterscheiden, er war noch zu weit
entfernt, aber diese Erscheinung höchster Reinheit vor dem blauen Himmel
versetze uns in großes Erstaunen. Batschaha!
(Meine Kinder!) … Man am! (Ich
bin es!) … Man Imam Zamam hastam!
(Ich bin der Imam Zamam!).“ Imam
Zamam bedeutet „Herr der Zeit“ und ist einer der Namen des schiitischen
Endzeit-Messias, des 12. Imams. Der mystische Reiter, so der Bericht,
schickte die Jugendlichen auf die verminten Gebiete. „Seit diesem
tragischen Tag, der mehr als 1500 Kinder von 12 bis 15 Jahren auf den
Minenfeldern hat sterben sehen, und die so durch das Opfer ihres Lebens,
den Militärfahrzeugen der regulären Armee den Vormarsch ermöglichten, habe
ich keine Tränen mehr vergossen.“ – erzählt Reza Behrouzi, einer der
Überlebenden. Ob nun Vision, Einbildung oder, wie einige Kommentatoren
behaupten, bewusst von der Militärführung inszenierte Performance, um die
Kinder in ein Delirium zu versetzen, die Szene zeigt in jedem Fall, welch
grausame Auswirkungen solch mythische Bilder wie das vom Erlöser auf dem
weißen Pferd haben können.
Das
Sujet zählt im Übrigen zum Standard-Szenario der apokalyptischen Dramaturgien.
In der Offenbarung des Johannes
ist es der rächende Christus, der auf einem weißen Pferd herangaloppiert,
Tod und Schrecken zu verbreiten. Er nimmt in einem Schlussakt der
biblischen Endzeit-Kriege geradezu die Gestalt eines Dämons an: „Seine Augen waren wie Feuerflammen und
auf seinem Haupt trug er viele Diademe. […] Bekleidet war er mit einem blutgetränkten Gewand.“ Und weiter: „Aus seinem Mund kam ein scharfes
Schwert; mit ihm wird er die Völker schlagen. Und er herrscht über sie mit eisernem
Zepter, und er tritt die Kelter des Weines, des rächenden Zornes Gottes,
des Herrschers über die ganze Schöpfung. Auf seinem Gewand und auf seiner
Hüfte trägt er den Namen: König der Könige und Herr der Herren.“
(19:12-16) Dieses Zitat aus der Johannesoffenbarung
wurde während des letzten Irak-Krieges immer wieder von den Kanzeln
fundamentalistisch-christlicher Hass-Prediger in Amerika deklamiert. Ebenso
erscheint der militante Messias der Sunniten, der Mahdi, in den letzten Tagen der Menschheit auf einem weißen Pferd, um die
Ungläubigen zu vertreiben und zu töten. Ein grausam-entschlossener Schimmel-Reiter ist auch der Kalki, der Endzeit-Erlöser in der
Hindu-Apokalyptik, dessen Inkarnation von der Religiöse Rechten Indiens
herbeigesehnt, herbeigebetet und bisweilen herbeigebombt wird. Niedergelegt
ist diese Endzeit-Prophezeiung im Vishnu
Purana. Ebenso erscheint im buddhistischen Endzeit-Text des Kalachakra-Tantra,
ein grausamer Doomsday-Rächer mit dem Namen Rudra Chakrin (der „schreckliche Raddreher“) auf einem weißen
Pferd, um die Welt von allen nicht-buddhistischen Religionen zu befreien
und anschließend eine weltweite Buddhokratie zu errichten. Nach dem O-Text
des Kalachakra Tantras hat Rudra Chakrin explizit den Mahdi, den muslimischen Endzeit-Vollstrecker,
zum Gegner. Gemäß der krassen schwarz-weiß Logik des apokalyptischen
Denkens dürfte sich jedoch das weiße Pferd des Gegen-Messias in allen
Fällen für den eigenen Erlöser in ein schwarzes verwandeln und vice versa.
Komparative
Studien zum Fundamentalismus - 28. April 2006
Gibt es eine Kunst, die schöner,
göttlicher und
andauernder ist als die Kunst des
Martyriums?
Muslime wollen das Martyrium zur Weltkultur machen
Christen beginnen damit, dem nachzueifern.
Heute am 28. April 2006 läuft
das Ultimatum ab, das der UN-Sicherheitsrat an den Iran gestellt hat, seine
atomare Aufbereitung zu stoppen. Was könnte geschehen, wenn die USA einen
kurzfristigen Militärschlag gegen das Land durchführen? Die Antwort der
Iraner lautet: eine weltweite Entfesselung schiitischer
Selbstmordattentate. Schon 2005 hatte Mohammadresa Jafari, Chef einer
Militäreinheit mit dem Namen „Kommando der freiwilligen Märtyrer“, gedroht,
50.000 Kämpfer stünden bereit, um sich nicht nur im Nahen und Mittleren
Osten, sondern auch in den USA und anderen NATO-Staaten in die Luft zu
sprengen und die Welt mit Terror zu überziehen. „Der Feind hat Angst, dass
die Kultur des Martyriums zu einer Weltkultur aller Freiheitsliebenden
wird.“ – erklärt Jafari und fährt fort – „Märtyreraktionen stellen den
Gipfel in der Größe eines Volkes dar und sind die höchsten Form seines
Kampfes.“ Diese Drohung ist mittlerweile mehrmals von Sprechern des
iranischen Mullah-Regimes wiederholt worden.
Wie ernst ist ein solches
Szenario zu nehmen? Die Zahlen mögen übertrieben sein, dass aber der
Märtyrer-Kult ein zentrales Ereignis in der schiitischen Kultur darstellt,
darüber besteht kein Zweifel. Das Martyrium (Shahadat) wird hier
keineswegs nur als Waffe angesehen, um dem Gegner Schaden zuzufügen,
sondern es wird mystisch verklärt und erhält einen theologischen Eigenwert.
Weit verbreitet ist der Glaube, das vergossene Blut der Märtyrer selber,
unabhängig von jeglichem militärischen Effekt, bringe die islamische Weltrevolution
voran und beschleunige das Erscheinen des schiitischen Erlösers, des
Imam-Mahdi. „Gibt es eine Kunst, die
schöner, göttlicher und andauernder ist als die Kunst des Martyriums? Eine
Nation, die das Martyrium pflegt, kennt keine Versklavung. Diejenigen die
dieses Prinzip aushöhlen wollen, höhlen die Grundlagen unserer
Unabhängigkeit und unserer nationalen Sicherheit aus. Sie unterminieren die
Grundlage unserer Ewigkeit…“ – schwärmt Mahmoud Ahmadenidschad. Obgleich
der 1977 ermordete iranische Philosoph Ali Schariati sich gegen eine
gefürchtete Diktatur der Ayatollahs gestellt hatte, gehören heute seine
Spekulationen über das Martyrium zum Bestandteil der offiziellen Ideologie
des iranischen Klerus. Schariati sagte: „Das Shahadat [Martyrium]
hat eine einzigartige Leuchtkraft; es bringt Licht und Wärme in die Welt
und in die erkalteten und dunklen Herzen; in den paralysierten Willen und
die gelähmten Gedanken, die in Stagnation und Finsternis gehalten werden,
und in die Gedächtnisse, die alle Wahrheiten und Erinnerungen vergessen
haben; es schafft Bewegung, Vision und Hoffnung; es hebt den Willen, die
Mission und das Engagement.“
Christliche Gläubige könnten
von dieser muslimischen Märtyrer-Mystik sehr wohl angesteckt werden. Dass
die geschundenen Körper der freiwillig für Gott Gequälten und Getöteten,
das Fundament gebildet haben, auf dem die Kirche ihr heiliges Imperium
aufbaute, ist eine tiefe Tradition des Christentums. In allen christlichen
Konfessionen gibt es deswegen heute mehr oder weniger Versuche, das
Martyrium theologisch wieder zu beleben. Im Zuge der Debatte über den Fall
Abdul Rahman konnte man sich einen gewissen Einblick in diese Tendenz
verschaffen. Der zum Christentum konvertierte ehemalige Muslim Rahman
sollte in Afghanistan wegen Apostasie zum Tode verurteilt werden. So will
es die Scharia! Doch wurde sein Leben aufgrund weltweiter Proteste
gerettet. Man erklärte ihn für unzurechnungsfähig und schob ihn, zur
Erleichterung des Westens, ab. Der afghanische Klerus war entsetzt: „Dies ist
ein Betrug am Islam und die ganze afghanische Nation durch unsere
Regierung.“ – äußerte einer ihrer prominenten Sprecher.
Der „tiefreligiöse“ Rahman
hatte das Zeug für einen
christlichen Märtyrer. Er war bereit bedingungslos für seinen Glauben zu sterben.
„Ja, ich akzeptiere, gehängt zu werden. Aber ich bin kein Ungläubiger, kein
Abtrünniger, ich bin ein Jünger Jesu.“ – erklärte er. In der christlichen
Welt reagierte man auf den Fall nicht nur mit Abscheu, sondern auch mit
Respekt. Die Abschiebung wurde von einigen Kommentatoren sogar als Wunder
gedeutet und mit Daniels Aufenthalt in der Löwengrube verglichen. Der
alttestamentarische Prophet war den Bestien vorgeworfen worden, die sich
jedoch mitnichten auf ihn stürzten, sondern sich wie sanfte Katzen
verhielten.
Die Gefahr, dass auch das
Christentum in naher Zukunft das Martyrium erneut zu einem zentralen
Kultgeschehen belebt und damit aus seiner Sicht ebenfalls zu einer
„Weltkultur des Martyriums“ beiträgt ist durchaus gegeben, denn in der Tat
werden im Sudan, in Nigeria, in Indien, in Sri Lanka, im Irak, im Jemen, in
der Türkei und anderswo christliche Gläubige und Missionare wegen ihrer
Religion umgebracht. Es ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, dass
man diese Morde an die große Glocke hängt und als Fanal im Krieg der
Religionen benutzt.
Immer wieder betont wird von
westlicher Seite der Unterscheid zwischen christlichem Märtyrern und
muslimischem Shuhada (Märtyrern):
„Ein christlicher Märtyrer leidet und stirbt für seinen Glauben; muslimische
Märtyrer knallen mit Passagieren voll geladene Flugzeuge in Hochhäuser mit
unschuldigen Menschen.“ – steht in einem Kommentar. Noch ist das Bild vom
friedlichen christlichen Märtyrer vorherrschend. Aber das Christentum kennt
historisch ebenso das Martyrium der Militia
Christi, des Heiligen Kriegers im Namen des Glaubens, des Kreuzritters,
dem Bernhard von Clairvaux die Absolution für sein blutiges Handwerk mit
den folgenden Worten erteilt hat: „Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr
den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt. Denn wir haben nicht
gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten
und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen
Geister des himmlischen Bereichs.“ Denen, die im Krieg gegen den Islam und
für Jerusalem auf dem Schlachtfeld starben, wurde wie ihren muslimischen
Gegnern bei Vergebung aller Sünden der sofortige Eintritt in Paradies
garantiert. Wir haben in unserem Buch „Krieg der Religionen – Politik,
Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse“ zahlreiche Zitatstellen
fundamentalistischer Christen in den USA aufgeführt, die den Irak-Krieg mit
verblüffend ähnlichen Bildern wie Bernhard von Clairvaux den Kreuzzug
verherrlichen.
Islamischer
Fundamentalismus - 24. April 2006
Auge um Auge, Zahn um Zahn,
A-Bombe um A-Bombe
Weshalb radikale Muslime die islamische Bombe
wollen
In dem apokalyptischen
Szenarios fundamentalistischer Gruppierungen gleich welcher Couleur spielt
die A-Bombe seit ihrer ersten Zündung eine zentrale Rolle - ist doch in den
meisten endzeitlichen Heiligen Texten von alles vernichtenden Superwaffen
die Rede, die in den Doomsday-Kriegen zum Einsatz kommen sollen. Unter diesem
Aspekt muss auch die „nukleare Obsession“ des Irans interpretiert werden.
Die Verbissenheit, mit der Mahmud Ahmadenidschad sein Atomprogramm gegen
die UNO und die meisten Staaten der Welt weiterverfolgt, ist vor allem
wegen des messianischen Auftrags, dem er sich verpflichtet fühlt, so
furchterregend. Erfolge im Atomprogramm gelten ihm als Pflastersteine, auf
denen der 12. Imam nach mehr als Tausend Jahren Verborgenheit Teheran
betreten wird, um dann den letzten aller Krieg gegen Ungerechtigkeit und
Unglaube zu entfesseln. Vor zwei Wochen kündigte Expräsident
Haschemi Rafsandschani an: "Der Iran hat die erste Einheit von 164
Zentrifugen zum Einsatz gebracht, hat Gas (Uranhexafluorid) zugeführt und
die industrielle Produktion erreicht". Danach erklärte Mahmud
Ahmadinedschad, das Land sei jetzt "dem Club der Atomstaaten
beigetreten". Wenig später sprach er vor Vertretern des Militärs:
„Heute befinden wir uns in der Gemeinschaft mit den mächtigsten Armeen der
Welt, weil wir uns auf Gott verlassen. Irans Feinde kennen euren Mut, euren
Glauben und eure Hingabe an den Islam. Unser Land hat eine mächtige Armee
geschaffen, die mit großer Macht unsere politischen Grenzen […] verteidigt,
und den Aggressoren die Hände abschlagen und ihnen das Zeichen der Ungnade
auf ihrer Stirn einbrennen wird.“ Am 28. April läuft das Ultimatum ab, dass
der UNO-Sicherheitsrat dem Iran gestellt hat. Dass die Ayatollahs die
„Bombe“ bauen wollen, das steht außer Zweifel - ist doch die „islamische
Bombe“ eine der suggestivsten Integrationsmythen des muslimischen
Fundamentalismus. Bisher aber gibt es nur die „Sunni-Bombe“ Pakistans. Eine
offizielle Präsentation der „Schia-Bombe“ steht noch aus.
Wie entstand dieser Mythos
von der „Islamischen Bombe“? 1979 hatte ein ehemaliger Ministerpräsident
Pakistans folgende Prophezeiung gemacht: „Wir wissen, dass Israel und
Südafrika über eine volle nukleare Kapazität verfügen. Die christlichen,
jüdischen und Hindu- Zivilisationen haben eine solche Kapazität. Die
kommunistischen Mächte besitzen sie auch. Nur die islamische Zivilisation
hat sie nicht. Aber diese Situation ist dabei, sich zu verändern.“ Damit
war der Begriff von der „Islamischen Bombe“ aus der Taufe gehoben.
Ebenfalls im Jahre 1979 strahlte BBC eine Fernsehdokumentation aus mit dem
Eyecatcher „Die islamische Bombe“ und ein Buch von Herbert Krosney und
Steven Weismann erschien damals mit demselben Titel: „The Islamic Bomb“.
Am 28.Mai 1998, im selben
Jahr, als Indien seine A-Tests durchführte, detonierten zwei oder fünf
A-Bomben im Südwesten Pakistans. Anschließend war die Weltpresse voll mit
Berichten über eine Bedrohung durch die „Islamische Bombe“. Zwar
protestierte der damalige pakistanische Außenminister entschieden gegen
diese Bezeichnung: „Nichts beleidigt mich mehr, als die Benutzung des
Begriffs ‚islamische Bombe’. So etwas wie eine islamische Bombe gibt es
nicht.“ – erklärte Tariq Ataf. Aber in der muslimischen Öffentlichkeit
waren ganz andere Stimmen zu hören. In Pakistans Städten tanzten die Massen
frenetisch um Attrappen von nuklearen Trägerakten, auf denen in großen
Lettern „Islamische Bombe“ zu lesen war und schrieen „Allahu Akbar!“ (Allah ist groß). Ein Universitätsprofessor aus
Islamabad fragte bigott: „Es gibt schon eine jüdische Bombe, und eine
christliche Bombe. Weshalb keine islamische Bombe?“. Und einer seiner
Studenten antwortete: „Dies ist eine islamische Bombe. Sie hat uns
Selbstvertrauen aufgebaut, und wird die Solidarität aller Muslime die mit
einem sie zurückweisenden und verachtenden Westen konfrontiert sind
stärken. Muslime vereinigt euch hinter der Atom-Bombe!“ Heute verfügt
Pakistan über 25-50 Nuklearsprengsätze.
Es ist noch nicht lange her,
als der Westen darauf aufmerksam wurde, dass der pakistanische
Atomwissenschaftler Abdul Qader Khan, der seiner Heimat die „Bombe“
bescherte, an andere Länder wie den Iran und Nordkorea spaltbares Material
und technisches Know-how zur Herstellung von Atombomben verkaufte und in
einigen Fällen sogar verschenkte. Der „Vater der islamischen Bombe“, wie
Khan heute in der Weltpresse genannt wird, war nicht nur ein
Wissenschaftler, sondern er war von dem brennenden Glauben besessen, der
Besitz von Atomwaffen verschaffe dem Islam die Rückkehr zu seiner einstigen
Größe.
Pakistans militantes
Atomprogramm genießt in der gesamten islamischen Welt eine große
Popularität und wird als nachahmenswertes Vorbild hingestellt. 1999
forderte Scheich Muhammad Sayyed al-Tantawi von der al-Azhar Universität in
Kairo den ägyptischen Besitz von atomaren Waffen, um sich gegen Israel
verteidigen zu können. Als theologische Legitimation hierzu gab er einen
Satz des ersten Kalifen Abu Bakr an, der lautete: „Wenn sie dich mit dem Schwert bekämpfen, dann bekämpfe auch du sie
mit dem Schwert; wenn sie dich mit dem Speer bekämpfen, dann bekämpfe du
sie mit dem Speer.“ Daraus zog der Scheich den folgenden Schluss: „Wenn
Abu Bakr heute leben würde, dann würde er sagen: ‚Wenn sie dich mit einer
Atombombe bekämpfen, dann musst du sie ebenfalls mit einer Atombombe
bekämpfen.’“ Auch war in einem am 23. Dezember 2003 verfassten Communiqué
von Gelehrtem des al-Azhar Universität zu lesen, dass die Beschaffung
nuklearer Waffen eine religiöse Verpflichtung sei. Das Schreiben war eine
Reaktion auf die Debatte, die der Scheich Ala A-Shanawi mit der Behauptung
ausgelöst hatte, Mohammed hätte sich sehr wahrscheinlich Nuklearwaffen
besorgt, um seine Feinde zu bekämpfen.
Immer wieder tauchen Presse-Artikel auf, in denen zu lesen ist,
auch Saudi Arabien strebe nach Nuklearwaffen. Zuweilen werden solche Wünsche
von saudischer Seite damit begründet, man müsse sich nicht nur vor einem
Angriff aus Israel, sondern auch aus dem schiitischen Iran schützen. Hinter
dem Wunsch nach der „Bombe“ dürfte jedoch ebenfalls die Überlegung stehen,
einer möglichen amerikanischen Besetzung des Ölstaates vorzubeugen. Als
erwiesen gilt, dass Saudis das pakistanische Nuklear-Programm mitfinanziert
haben.
Pakistans Bombe wird auch als
„Sunni-Bombe“ bezeichnet, weil die Einwohner des Landes vorwiegend Sunniten
sind. Jetzt soll die „Sunni-Bombe“ eine Schwester, die „Schia-Bombe“,
erhalten. Unklar ist bis heute, ob schiitische Mullahs die Konstruktion
nuklearer Sprengkörper anstreben oder sich vielleicht schon (dank dem
Nuklearhandel Abdul Qader Khans) im Besitz davon befinden. Schon 1992 hatte
der damalige iranische Vizepräsident Sayed Ayatollah Mohajerani
angekündigt: „Da Israel damit fortfährt, nukleare Waffen zu besitzen,
müssen wir, die Muslime, zusammenarbeiten, um eine Atombombe zu
produzieren, unabhängig von einer Anstrengung UNO, der Verbreitung [von
A-Waffen] zuvorzukommen.“
Fraglos ist die „Islamische Bombe“ zu einem beliebten und provokanten
Symbol der Ummah, der Gemeinschaft aller Muslime, geworden: „Die Bombe
spielt eine große Rolle im Volksbewusstsein der Muslime als Symbol der
Einheit, der Entschlossenheit und des Selbstrespekts. Sie wird von vielen
als eine Garantie gegen weitere erniedrigende Niederlagen angesehen, als
sicheres Zeichen für ein Umschlagen des Schicksals, und als ein
Allheilmittel gegen die Krankheiten von der die Muslime seit dem Goldenen
Zeitalter des Islams befallen wurden. Solche Gefühle finden ihr Echo bei
Muslimen von Algerien bis Syrien und vom Irak bis Pakistan.“ – schrieb Pervez
Hoodbhoy schon 1993 im Bulletin of the Atomic Scientists. Dies
trifft heute mehr denn je zuvor zu.
Komparative
Studien zum Fundamentalismus -18. April 2006
Eine Ökumene des Schreckens
Bazon Brock diskutiert Trimondi-Thesen
Bazon Brock (Professor
für Kunst und Ästhetik, Universität Wuppertal) diskutiert auf seinen Blog über den Fundamentalismus (unter anderem
auch über das neue Trimondi Buch „Krieg der Religionen“). Siehe: http://blog.bazonbrock.de/ Beiträge
vom 09.04.06 – 06.04.06 - 05.04.06 – 04.04.06. In dem Kapitel „Einführung
in den Fundamentalismus. Kap. 2: “Ökumene des Schreckens” vom 5.
April 2006 ist zu lesen:
Augiae
cloacas purgare. - Um den Stall der Erleuchteten und Erweckten
auszumisten, hat man sich den Theologien des Terrors samt ihren
Durchsetzungs- und Erzwingungsstrategien zuzuwenden. Das ulkige an den
unterschiedlichsten Parteiungen fundamentalistischer Positionierung ist ihr
heimlicher Konsensus in einigen bedeutsamen Punkten: Sie stimmen in der
Konzeption des zweiten Kommens Christi (Isa) und der Erscheinung des
Anti-Christen überein. Sie folgen der Beschreibung großer Schlachten in den
letzten Tagen zwischen den Mächten des Glaubens und des Unglaubens. Sie
Träumen den Schlaf der Vernunft in der Obsession eines militanten
Messianismus. So bilden sie, wie in dem Buch von Victor und Victoria
Trimondi “Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im Zeichen der
Apokalypse.” im Fink-Verlag 2006 erschienen und dargestellt, eine “Ökumene
des Schreckens” (Vgl. ebenda. S. 525), die in eine apokalyptische Matrix
gespannt ist.
Auf dem Marktplatz der Prophezeiungen
herrscht heftigste Konkurrenz, eine wahre Vernichtungskonkurrenz. Das
eliminatorische Prinzip vereint die Gegner, ebnet vor dem Hintergrund
religiöser Überzeugungen selbst noch die Unterschiede zwischen dem Höchsten
und dem Niedrigsten, zwischen den Bewohnern “Weißer Häuser” und dem Mittel-
und Obdachlosen ein. Denn alle sind sie die Gestalten und Gestaltungen
einer Kundschaft, die dem Glauben an Zukunftsvis- und missionen verfallen
ist. Sie alle verbindet die Selbstermächtigung im Namen Gottes, verbindet
im Grunde die Sehnsucht nach dem Paradies…
Grundproblem ist, ich hatte es gestern
bereits erwähnt, die Popularität von “expressis verbis” - Interpretationen
“heiliger Texte”. Diese sind verführerisch für Massen, die sich dem
“mysterium tremendum” hinzugeben bereit sind. Religionsforscher wie Rudolf
Otto und René Girard wurden nicht müde zu betonen, dass die Wirksamkeit von
Religionen aus einer sakralisierenden Struktur der Furcht und des
Schreckens herrührt. Gewalt als Heiligungsstrategie ist dann das Äußerste,
das schamvoll geneigte Haupt und Zittern des Gläubigen, wenn er seiner
Gottheit sich nähert, das andere Ende einer Skala, die sich noch weiter und
noch delikater öffnen ließe, - hätte man nicht den Tremor.
Es sind die Schleusen geöffnet: Liebe, Güte,
Mitmenschlichkeit hätten eine Zugang, werden jedoch überstiegen von der
Gewalt des Heiligen, die sich in der Vernichtung des Menschen und auch des
übrigen Lebens äußert. Im Grunde gilt die Verachtung des Fundamentalisten
allen Formen des Lebens, sofern es dem Satan, also dem Unglauben verfallen
ist.
© Bazon Brock
Komparative
Studien zum Fundamentalismus - 08. April 2006
Eine Sintflut zu machen,
entbrannte das Herz der Götter
Sprecher aller Religionen
interpretieren Naturkatastrophen
als ein Strafgericht
Gottes und als Zeichen der End-Zeit
In der Apokalypse des Johannes und in den Endzeit-Texten der anderen
Religionen kämpfen der kommende Messias und seine Heerscharen nicht nur mit
übernatürlichen Superwaffen, sondern bringen auch Naturkatastrophen und
Krankheiten zum Einsatz. Erdbeben, Meteore, Seuchen, Insektenplagen und
Überschwemmungen sind traditionelle Szenarien des apokalyptischen Theaters.
Da hierunter nicht nur die Gegner zu leiden haben, müssen diese
Katastrophen als göttliches Gericht über die eigenen Leute angesehen
werden.
Einen
großen Nährstoff erhielt eine entsprechende endzeitliche Spekulation am
Ende des Jahres 2004 durch die Tsunami-Flutkatastrophe in Südostasien.
Vertreter aller Religionen sahen in den Ereignissen Gott am Werk, der die
Menschen wegen ihrer „Sünden“ bestraft. Der Buddhismus-Gelehrte Ananda
Guruge, ehemaliger Botschafter von Sri Lanka in den USA, erklärte, die
gesamte Katastrophenregion habe die Auswirkungen schlechten Karmas zu
ertragen. „Die buddhistische Doktrin macht die Leute verantwortlich für ihr
eigenes Schicksal“ – sagte Guruge. Das angehäufte „schwarze“ Karma könne
auch die Folge von Taten sein, die in einem vergangenen Leben begangen
wurden, und für die erst in diesem Leben gebüßt werde. Auch für die Hindus
ist die Wirkkraft des Karmas ein Dogma, aber ebenso fürchten sie die
strafende Intervention der Götter. „Wir glauben, dass zu viele Menschen zu
viele schlechte Taten begehen.” – sagte Nadadur Vardhan, Präsident der Hindu Temple Society of Southern
California zur Erklärung der Tsunami-Welle – “Die Leute leben nicht
gemäß den Gesetzen, die für sie bestimmt sind, weil sie anderen Menschen
nicht helfen, weil sie ihre Eltern nicht gut behandeln, weil sie sich nicht
um die Armen kümmern und weil sie in den Krieg aus unethischen Motiven
ziehen.“ Vardhan fährt fort, eine solche Entwicklung sei jedoch
vorauszusehen, da wir uns nach der hinduistischen Doktrin in der Endzeit,
dem sogenannten Kali Yuga,
befänden, wo Gewalt und Immoralität vorherrschen würden und wo Gott auf den
allgemeinen Sittenverfall mit Strafgerichten [wie der Tsunami-Welle]
reagiert.
„Vorher
waren sich die Leute nicht sicher, dass es einen Gott gebe, aber jetzt sind
sie es. Gott brachte die große Flut als eine Warnung.“ - versicherte
Mohammed Nazar, ein muslimischer Geschäftsmann aus Sri Lanka. Sein
Glaubensbruder, der saudische Professoren-Scheich
Fawzan Al-Fawzan machte die sexuelle Verwahrlosung, insbesondere die
Homosexualität für dieses konkrete Eingreifen Gottes verantwortlich. „Diese
großen Tragödien und kollektiven Bestrafungen, durch die Dörfer,
Kleinstädte, Großstädte und selbst ganze Länder ausgelöscht werden sind
nichts anderes als Allahs Bestrafung der Menschen aus diesen Ländern,
selbst wenn es sich dabei um Muslime handelt. Einige unserer Vorväter
sagten, dass wenn sich in einem bestimmten Dorf Wucher und Unzucht
verbreitet haben, dann erlaubt Allah dessen Zerstörung.“ Mohamed Faizeen,
Leiter des Zentrums für islamische Studien in Colombo, legte ein
Satellitenphoto vor, das zeige, wie die mörderische Welle an der
Südwestküste Sri Lankas das Wort „Allah“ auf Arabisch nachzeichne.
Die Kommentare christlicher Fundamentalisten, die in
der großen Welle ein weiteres Vorzeichen der hereinbrechenden Apokalypse
erkennen wollen und sich dabei auf die Johannesoffenbarung
berufen, waren nicht zu zählen. Hier ein Beispiel aus dem deutschsprachigen
Raum. Unter dem Titel „Die Apokalypse deutet sich immer deutlicher an“
schreibt Pfarrer Emmanuel Fernandez Ortega: „Am 26. Dezember 2004 wurden
die Zeichen für das kommende Verschlingen der Menschheit weithin sichtbar.
Die Todesflut im Indischen Ozean ist als Fanfarenklang des kommenden
Weltensterbens zu begreifen. ‚Eine Sintflut zu machen entbrannte das Herz
der Götter […] Denn die Flut ist eine Strafe, die schrecklichste, die Gott
verhängt hat.’ (Die Welt
27.12.04) Die Schöpfungsgeschichte hat ihre eigenen, nicht verwandelbaren
Gesetze. Jede Übertretung wird final bestraft. Die erste größere
Katastrophe am 26.12.2004 einer noch kommenden Serie von apokalyptischen
Heimsuchungen machte vielen wieder bewusst, wie ketzerisch das menschliche
Allmachtsdenken doch ist.“
Jüdischer Fundamentalismus – 05. April
2006
Good und bad News für den Nahen Osten
Die
Entmachtung des Likud in Israel und die Eroberung
der
Macht durch die Hamas in den Palästinensergebieten
Die gute Nachricht für den
Nahen Osten ist der Wahlsieg der Kadima-Partei unter Ehud Olmert und ihre
mögliche Koalition mit der Arbeiterpartei unter Amir Peretz in Israel. Auch
wenn die Wahlbeteiligung der Israelis erschreckend gering war, so wurde
dennoch der militanten Religiösen
Rechten, die sich um Benjamin Netanjahu geschart hatte, eine Abfuhr erteilt.
Damit ist auch das apokalyptisch-messianische Element der radikalen
Siedlerbewegung, die den von Netanjahu geführten Likud-Block unterstützte,
an den politischen Rand gedrängt worden.
Der ehemalige
Ministerpräsident machte selbst vor dem Endzeitwahn der Christlichen Rechten nicht Halt und
kokettierte mit dem für die
jüdische Eschatologie völlig untypischen Begriff „Armageddon“ herum: „Eine
erstaunlich große Anzahl von fundamentalistischen Christen glaubt daran.“ -
so Netanjahu – „dass wir jetzt auf das Ende der Zeiten und die Schlacht von
Armageddon zusteuern. Natürlich ist das so seit dem Tode von Jesus gewesen,
dessen Anhänger seine bevorstehende Rückkehr erwarteten, damit er die Dinge
in Ordnung bringt. Doch obgleich die Christen glauben, die Apokalypse werde
aus Gründen geschehen, die keinen Sinn für die meisten Leute
(einschließlich mir) ergeben, heißt das nicht, dass sie nicht stattfindet.“
Dass nach den Armageddon-Prophezeiungen der christlichen Fundamentalisten
am Ende der Tage alle Juden umgebracht werden, es sei denn, sie
konvertieren vorher zum Christentum, erwähnte der heutige Likud-Chef nicht.
Schließlich erhalten Aktivisten der Jüdischen
Rechten aus diesen Quellen enorme Geldzuwendungen.
Nach Ariel Scharons Schlaganfall
und dem Aufstieg der Hamas setzte die amerikanische Christliche Rechte große Hoffnungen auf einen Wahlsieg
Netanjahus. Sie musste also ebenfalls eine Enttäuschung hinnehmen. Hinzukam
gestern eine weitere Niederlage. Einer ihrer exponiertesten Vertreter, Tom
DeLay (wegen seiner Wortgewalt der „Hammer“ genannt), verzichtete wegen
massiver Korruptionsvorwürfe auf eine Wiederwahl als Mehrheitssprecher im
Kongress. DeLay ist während der Bush-Ära einer der mächtigsten Politiker
des Landes gewesen. Durch seine Forderung nach einem Groß-Israel schürte er
jahrelang das Feuer im Nahen Osten mit polit-religiösen Parolen: „Ich
besuchte Judäa und Samaria und ich stand auf den Golanhöhen. Ich sah kein
besetztes Land. Ich sah nur Israel!“ – erklärte er nach der Rückkehr von
einem Besuch in die Westbank.
Die schlechte Nachricht für
den Nahen Osten ist erst einmal der Wahlsieg der Hamas in den
palästinensischen Gebieten mit einer absoluten Mehrheit (74 der 132 Sitze).
Wenn diese aus der fundamentalistischen Muslimbrüderschaft hervorgegangene
Partei weiterhin ihre traditionelle, ebenfalls endzeitgeladene Programmatik
verfolgt (Einsatz von Suizid-Attentaten, die Vernichtung Israels und
darüber hinaus aller Juden, die Errichtung einer islamischen Theokratie
über ganz Palästina) ist das für die Entwicklung der Region katastrophal.
Die internationale Staatengemeinschaft und Israel warten nun, dass die
Partizipation an der Macht zu einer Mäßigung und einem Pragmatismus der
Hamas führt. Die Geschichte zeigt zwar, wie dies oft bei säkular
eingestellten Politikern der Fall sein kann, bei religiösen Fanatikern aber
ist eine solche Entwicklung viel unwahrscheinlicher und allenfalls
taktischer Natur. Erst am Sonntag hatte der Außenminister der neuen
Regierung, Mahmud al-Zahar, gesagt, dass er davon träume, „eines Tages eine
große Weltkarte an die Wand meines Hauses in Gaza hängen zu können, auf der
Israel nicht erscheint – dieser Traum wird eines Tages Wirklichkeit werden,
dessen bin ich gewiss.“
Christlicher
Fundamentalismus - 30. März 2006
Bertelsmann: Neuer Herold
des Endzeit-Wahns
Der
Mega-Konzern setzt immer mehr auf Publikationen der Christlichen Rechten
In der auflagenstarken kulturpolitischen
Zeitschrift von ver.di Kunst + Kultur
(Nr. 3 - 1. März 2006, Seite 7 und
8) erschien ein Artikel von uns mit dem folgenden Titel: Jesus
inmitten der Endzeitraserei -
Bertelsmann, der neue Kulturkampf-Heros des christlichen Fundamentalismus?
Die längere Originalfassung haben wir auf unserer Website abgedruckt.
Hindutva-Fundamentalismus
- 11. März 2006
Kshatriya
versus Mujaheddin
Auch die Religiöse
Rechte Indiens glaubt in der Endzeit zu leben
Am 7. März explodierte in der indischen
Stadt Varanasi eine Bombe in einem Tempel, riss 21 Menschen in den Tod und
verletzte 60. Das Attentat, das von muslimischen Fundamentalisten
durchgeführt worden sein soll, reißt eine Wunde auf, die dabei war nach dem
Sieg der Kongress Partei im Mai 2004 zu verheilen. Als Indiens
größte Rechtpartei (Bharatiya Janata Party - BJP) die Wahl und damit auch die
Regierungsgewalt verlor, sahen viele ihrer Funktionäre die Abkehr von den
tradierten Werten und den religiösen Inhalten des klassischen Indiens als
Ursache hierfür. Der Ruf „Zurück zur Basis! Zurück zur Hindutva! [Hindu-Kultur]“ ist seither zu einem Slogan geworden,
unter dem sich die Religiöse Rechte
Indiens neu gruppieren will, was ihr in den letzten zwei Jahren aufgrund
innerer Querelen nicht so richtig gelungen ist. So kommt ihr das Attentat
gerade recht.
Die Hindutva
orientiert sich an einer endzeitlich-messianischen Philosophie. Es ist die
Ambition ihrer Anhänger, die Grundsätze ihrer Realpolitik aus dem umfangreichen
Erbe der indischen Religionen und ihrer Heiligen Texten abzuleiten,
an erster Stelle aus dem populären Epos Ramayana.
Letzteres weist zahlreiche apokalyptische Elemente aufweist. Eine
weitere, klassische Schrift der indischen Endzeit-Literatur ist die Mahabharata,
insbesondere die darin enthaltende Bhagavadgita. Dieses monumentale
Epos behandelt an zentraler Stelle das „Kshatriya-Ideal“, den Kult vom
„Heiligen Krieger“, das Hindu-Pendant zum muslimischen „Mujaheddin“ und zum
christlichen „Gotteskrieger“.
Für die Hindu-Fundamentalisten wird das
Ahimsa-Prinzip, die Gewaltlosigkeit eines Mahatma Gandhi, durch das
Himsa-Prinzip, die Bejahung von Gewalt, ersetzt. Die Nähe zum europäischen Faschismus
ist in diesem Fall nicht nur metaphorisch zu verstehen. Die RSS (Rashtriya
Swayamsevak Sangh – Hindu Heim Truppen), heute der paramilitärische Flügel der BJP, hat in der Mitte des
vorigen Jahrhunderts direkte Kontakte zu den Achsenmächten unterhalten und
sich ideologisch aus dem italienischen Faschismus und Nationalsozialismus
inspirieren lassen – ebenso wie umgekehrt. Heute noch gibt es in Indien
eine latente, weit verbreitete Hitlerbewunderung, die sich bis zu dessen
Verehrung als göttlicher Avatar hinaufsteigern kann.
Hauptfeinde
für die Hindu-Fundamentalisten sind die 120 Millionen Muslime des Landes
und die muslimischen Anrainerstaaten Pakistan und Bangladesh. Der „Heilige
Krieg“ gegen den Islam wird von den Hindutva-Anhängern seit Jahren „kosmisch“
geführt. So gilt die Religion Mohammeds als das „Böse“ schlechthin und die
mittelalterliche Eroberung Indiens durch die islamischen Reiterheere wird
als eine Invasion von „Dämonen“ angesehen. Erst die Bekehrung oder
Vertreibung der Muslime wird der Hindutva
mit Hilfe der indischen Götter den Endsieg verschaffen und das Land in ein
„irdisches Paradies“ verwandeln. Im schlimmsten Fall bedeutet das jedoch
den Genozid an der gesamten muslimischen Bevölkerung Indiens und in der Tat
werden solche Möglichkeiten eines islamischen Holocausts in ultra-rechten
Kreisen der Hindutva offen
ausgesprochen. Entsprechend barbarisch sind die gewalttätigen
Zusammenstösse mit Muslimen, die jedoch nicht weniger brutal gegen die
„Ungläubigen“ und die „Polytheisten“, wie die Hindutva-Anhänger genannt
werden, vorgehen und sich dabei auf den Koran berufen.
1992 erreichte der
inner-indische Clash of Civilization seinen vorläufigen Höhepunkt in
der Besetzung der muslimischen Babri Moschee in der Stadt Ayodhya durch
fanatisierte Hindus. Tausende von Toten und Zehntausende von Verletzten auf
beiden Seiten waren die Folge. Seit dieser Zeit bricht die Gewaltwelle
zwischen den zwei Religionen nicht mehr ab. Die Moschee soll im 16.
Jahrhundert auf der Geburtstätte des Gottes Rama gebaut worden sein und
wird deswegen von der religiösen Rechten zurückgefordert, zumal Rama als
„Partei-Gott“ der BJP höchste Verehrung genießt. Es ist vielfach betont
worden, dass der Konflikt um die Babri Moschee für den indischen Kulturkreis
denselben Stellenwert hat wie der Tempelberg für die drei monotheistischen
Religionen.
Christlicher
Fundamentalismus – 05. März 2006
Führt Tony Blair einen
Religionskrieg?
Wie der englische Premier seine Politik unter das
Urteil Gottes stellt
Nicht nur George W. Bush stellte den
Irak-Krieg mehrfach in einen religiösen Zusammenhang, sondern auch der
britische Premierminister Tony Blair. Wegen der Frage, ob britische Truppen
2003 in den Irak geschickt werden, habe er gebetet, sagte der
Labour-Politiker am 04.03.06 im Fernsehsender ITV: „Am Ende wird es ein
Urteil darüber geben.“ - fuhr Blair fort – „Und ich denke, wenn man an
solche Dinge glaubt, wird man sich darüber klar, dass es von anderen Leuten
gefällt wird.“ Auf die Nachfrage, was er denn darunter verstehe, antwortete
er: „Wenn man an Gott glaubt, dann wird es auch von Gott gefällt.“ Schon
2003 hatte Blairs ehemalige Außenminister Robin Cook darauf hingewiesen,
dass es dessen „evangelikaler Glaube“ war, der den britischen Premier in
den Irak-Krieg getrieben habe. „Blair selber glaubte mit großer Passion an
die Berechtigung des Krieges.“ – sagte Cook.
Der Premier ließ sich sogar dazu hinreißen,
den „Kampf gegen den Terrorismus“ in einen endzeitlichen Zusammenhang zu
stellen: „Seit dem 11. September konnte ich die Bedrohung klar erkennen.
Hier wurden Terroristen darauf vorbereitet, Armageddon auszulösen.“ – erklärte er im Mai 2004. Das „Böse“
auf der Gegenseite ist für ihn der „Islamismus“. Nach dem Londoner Attentat
(2005) attackierte er mit großem Pathos die „Ideologie“, die solche
Handlungen erst ermöglicht habe. Er nannte sie eine „Ideologie des Bösen“ (evil
ideology) und betonte „barbarische Ideen“ (babaric ideas)
stünden hinter den Attentätern. Ihre Handlungen folgten einer „teuflischen
Logik“ (devilish logic). Blair hat nach dem 9/11 damit begonnen,
einen „Religionskrieg“ gegen das Böse zu führen. Er hat damit seine
Landsleute und den Westen insgesamt in ein gefährliches,
apokalyptisches Fahrwasser getrieben.
Dass er sich anderseits in der Küng-Stiftung für den Weltethos einsetzt,
zeigt wie doppelbödig die Debatte im interreligiösen Dialog geführt wird.
Christlicher
Fundamentalismus – 05. März 2006
Das apokalyptische Tier
- ein politischer Körper
Isaac Newton war ein fanatischer Doomsday-Prophet
Die britische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong hat in
ihrem bekannten Buch „Im
Kampf für Gott – Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam“
(deutsche Übersetzung 2004) mehrmals Isaak Newton als den großen Antipoden
zu einer fundamentalistischen Weltsicht herausgestellt. Zum Beispiel mit
dem Satz: „Es ergeht uns ähnlich wie Newton, der als Abendländer vom
wissenschaftlichen Geist derart durchdrungen war, dass er die Mythologie
völlig unverständlich fand.“ Doch
diese Benennung Newtons zum Kronzeugen für den Säkularismus erweist sich
bei näherer Hinsicht als ein völliger Missgriff. Der berühmte Physiker war
ein fanatischer (!) Apokalyptiker.
Jahrelang hat er sich mit der Johannesoffenbarung
beschäftigt und wenigstens drei engagierte und ausführliche Abhandlungen
dazu verfasst. Eine davon ist betitelt: „Prophezeiungen – das zweite Kommen
Christi betreffend“. Der Physiker glaubte, dass die Apokalypse nicht
„ethisch“ oder nur „spirituell“, sondern in jedem Fall „politisch“ zu
verstehen sei: „Wenn jemand das [apokalyptische] Tier so deutet, als stelle
es ein großes Laster dar, ist dies als seine private Imagination
abzulehnen, denn nach Stil und Ausrichtung der Apokalypse und aller
anderen prophetischen Schriften bedeutet das ‚Tier’ einen politischen
Körper und in einigen Fällen eine Person, die einen solchen politischen
Körper regiert, und es gibt keinen Grund für eine andere Interpretation in
der Schrift.“ – schreibt Newton und erklärt im Folgenden seitenlang, dass
die Protagonisten der Offenbarung wie der Drache, das Tier mit den
zehn Hörnern, die Große Hure, Michael, das zornige Lamm usw. politische
Institutionen oder Personen wie Könige, Armeeführer und Fürsten
symbolisierten. (Isaac Newton – Yahuda Ms. 1.1 – Jewish National and
University Library – in: www.newtonproject.ic.ac.uk/texts/yah1-1_n.html) Damit erweist sich der berühmte Physiker als ein christlicher
Fundamentalist. Es ist also absurd, wenn Karen Armstrong ihn ständig als Protagonisten der Aufklärung gegen
den Fundamentalismus herausstellt. Die Apokalypse ist nun mal eine große
Versuchung und das nicht nur für religiöse Sektierer. Sie ist ohne weiteres
mit der sogenannten „Modernen“ kombinierbar.
Hindutva-Fundamentalismus
- 3. März 2006
Ich bin
der Tod, der Zerstörer der Welt
Der atomare Deal zwischen Indien und den USA
Am 2. März haben der
US-Präsident George W. Bush und der indische Ministerpräsident Manmohan
Singh einen Vertrag zur zivilen Nutzung der Atomenergie geschlossen. Dem
Atomwaffensperrvertrag ist Indien, das seine eigenen A-Bomben produziert,
niemals beigetreten. Damit durchbricht dieser Deal die bisher geltenden
internationalen Regelungen zur Begrenzung des atomaren Wettrüstens, auch
wenn nach außen hin betont wird, es handele sich um eine rein zivile
Nutzung der A-Energie, die zur Verhandlung stehe. Da Indien nur einen Teil
seiner atomaren Anlagen international kontrollieren lässt, ist eine
militärische Nutzung aber mehr als wahrscheinlich - zumal die USA den
Subkontinent als Gegengewicht zur Nuklearmacht China unterstützen.
In keinem Land der Welt wurden und werden der Atom-Bombe so viele
mythologische und apokalyptische Bedeutungsinhalte unterstellt wie in
Indien. Das mag mit der Gründungsgeschichte dieser Superwaffe zusammen
hängen, denn als die erste A-Bombe am 16. Juni 1945 in der Wüste von
Los Alamos explodierte, ließ sich Robert Oppenheimer (1904 - 1967), der
„Vater der Bombe“, aus dem indischen Kulturkreis „poetisch“ inspirieren.
Zwei Tage vor der Explosion hatte er, selber des Sanskrits mächtig, einige
Zeilen aus dem Original der Bhagavadgita übersetzt. Als er dann den
ersten atomaren Pilz erblickte, kam ihm erneut das indische Kriegsgedicht
ins Gedächtnis: „Ich erinnerte mich einer Zeile aus der Hindu Schrift, der Bhagavadgita.
Vishnu [...] verwandelt sich in eine vielarmige Gestalt und sagt: ‚Jetzt
bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welt.’ Wir dachten wohl
alle etwas ähnliches.“ – berichtet Oppenheimer später. Bei der Explosion
klammerte er sich an den Pfosten im Kontrollstand und deklamierte laut aus
dem Heiligen Text: „Wenn das Licht von Tausend Sonnen – Am Himmel
plötzlich bräch’ hervor – Zu gleicher Zeit, das wäre – Gleich dem Glanz
dieses Herrlichen.“
Häufig benutzen
Hindu-Ideologen der Religiösen
Rechten diese Bhagavadgita-Sätze Oppenheimers, um zu „beweisen“, dass
die Atombombe ursprünglich aus dem indischen Kulturkreis stamme. Sie
behaupten, die traditionelle Hindu-Gesellschaft habe schon in Urzeiten über
modernste Waffen-Techniken verfügt. „In Indien werden Oppenheimers Worte
zunehmend durch einem neuen Typus von Hindu-Aktivisten zitiert. Für sie
zeigt sein Gebrauch ihrer Heiligen
Texte, dass die Hindu-Ideen von der Göttlichkeit mit der modernen Zeit
verknüpft sind. Feuer und Feuerrituale sind ein wesentliches Element des
Hinduismus. Sie sagen, dass das Antlitz des Schöpfergottes Vishnu wie ein
nuklearer Blitz aufleuchtet.“ – schreibt der französische Journalist Robert
Marquand.
Im Sanskrit bedeutet Schrift
„shastra“ und Waffe „shaastra“. Es ist ein tiefeingesessenes
religiöses Bild in der indischen Kultur, dass man die Schrift in der einen
und die Waffe in der anderen Hand hält. Tatsächlich wimmelt es in den
Heiligen Texten des Landes nur so von Superwaffen. Im Nationalepos Mahabharata
ist von Sprengsätzen die Rede, die einen Zerstörungseffekt wie „fallende Sonnen“ haben, die als „gigantische Boten des Todes“
erscheinen und die „alles zu Asche
verbrennen“. Ein Held des Epos, Arjuna, muss versprechen, von einer
Waffe mit dem Namen Brahmasira keinen Gebrauch gegen Menschen zu
machen, weil sie ansonsten die Erde vernichten werde. Auch im Ramayana kommt eine Waffe zum
Einsatz, von der es heißt, sie sei „stärker
als die Hitze von Tausend Sonnen.“
In den rechts-religiösen
Kreisen der Hindutva gilt es heute als eine „Binsenwahrheit“, dass die
A-Bombe mit der in mehreren indischen Mythen erwähnten ultimativen Waffe,
die den Namen brahmastra trägt, identisch sei: „Wenn eine
Nuklearwaffe freigesetzt wird, dann entsteht eine Strahlung, gleich der,
die beschrieben wird, als Asvatthama [ein Held aus der Bhagavdgita] seine brahmastra zündet. Da kam es zu einer
großen Strahlung und die Leute fühlten eine schreckliche Hitze.“ – erklärt
zum Beispiel Swami Prabhupada von der Hare Krishna Bewegung.
Krishna (Vishnu), Shiva und
Rama sind Indiens Nukleargötter. Aber nicht nur die „Bombe“, sondern ebenso
ihr gesamtes militärisches Umfeld wurde mythologisiert: Der Name der
Mittelstreckenrakete „Agni“ leitete sich von dem indischen Feuergott
gleichen Namens ab. „Trishul“, eine andere Raketengattung, bedeutet
„Dreizack“ und verweist wiederum auf Lord Shiva und seine tödliche Waffe.
Auch die verschiedenen indischen Atom-Tests tragen religiöse Namen wie „das
Lächeln des Buddha“ (1974) und „Shakti“ (1998).
Sollte die religiöse Rechte
(BJP) in Indien wieder an die Macht
kommen (was nicht ausgeschlossen ist), dann wird sie auch „mythologisch“
über das von den USA gelieferte nukleare Material und Know How verfügen können.
Jüdischer
Fundamentalismus – 03. März 2006
Ein Krieg der Religionen? Gott bewahre
uns!
Befürchtungen des israelischen Friedensaktivisten
Uri Avnery
In einem Artikel über die
neueste Entwicklung im Nahen-Osten mit dem Titel „Ein Krieg der Religionen?
Gott bewahre uns!“ (20.02.06) warnt der israelische Friedensaktivist Uri
Avnery vor der Gefahr, dass mit dem Wahlsieg der Hamas die Region immer
mehr in ein religiöses Fahrwasser geraten kann. Die religiösen Absichten
der fundamentalistischen Palästinenser-Organisation sind hinreichend
bekannt, sie führen aber – so befürchtet – Avnery zu einer Stärkung des
jüdischen Fundamentalismus als Gegenreaktion. Der Autor betont den
ursprünglich säkularen Charakter des Zionismus und verweist darauf, dass
sich dieser zuerst gegen das orthodoxe Rabbinertum durchsetzen musste.
Viele religiöse Juden waren ursprünglich der Meinung, dass eine jüdische
Masseneinwanderung in den Nahen Osten, die Ankunft des Messias
hinauszögern, ja verhindern würde.
All das änderte sich nach dem
Sechs-Tage-Krieg, als sich ein militanter Messianismus in Israel entwickelte:
„Die jüdische Religion selbst machte eine Mutation durch. Dieser Mutant
warf alle universellen Werte ab und wurde zu einem engstirnigen,
militanten, fremdenfeindlichen Stammesglauben, dem es um Eroberung und
ethnische Säuberung geht. Die religiösen Zionisten der neuen Sorte sind
davon überzeugt, dass sie den Willen Gottes erfüllen und das Kommen des
Messias vorbereiten. Die ‚national-religiösen’ Kabinettsminister, die immer
zum moderaten Flügel der Regierung gehörten, machten einer neuen
extremistischen Führung Platz, mit Tendenzen zum religiösen Faschismus.“ –
schreibt Avnery. Seit den 70ern haben die „Religiösen“ einen zunehmenden
Einfluss auf die israelische Politik gewinnen können. Bei den kommenden
Wahlen stehen sie hinter dem charismatischen Populisten Benjamin Netanjahu.
„Seit Jahren werde ich von einem Alptraum verfolgt!“ – erklärt Avnery –
„dass der israelisch-palästinensische Konflikt sich aus einer nationalen zu
einer religiösen Konfrontation entwickeln könnte. Ein nationaler Konflikt –
so schrecklich er ist – ist lösbar. […] Aber nicht religiöse Konflikte.
Wenn alle Seiten an göttliche Gebote gebunden sind, dann wird es weitaus
schwieriger, einen Kompromiss zu finden.“
Islamischer
Fundamentalismus - 25. Februar 2006
Die Basis des Imam Mahdi
Im Irak wird der Messias erwartet
Die Attacke auf die Goldene
Moschee in Samarra (22.02.06) hat für die gläubigen Schiiten eine tiefe
eschatologische Bedeutung. Samarra gilt als der Ort, in dem der 12. Imam
(Mohammed al-Mahdi) auf mysteriöse Weise vor mehr als 1100 Jahren
verschwand, und wo er (unterblich) wieder als militanter Messias, als der
„Imam-Mahdi“, erscheinen soll, um eine sündige Welt durch Feuer und Schwert
in einen muslimischen Gottesstaat zu verwandeln. Seit vielen Jahren bringt
man ein gesatteltes Pferd und Soldaten in das Samarra Heiligtum, damit sie
für die Rückkehr des schiitischen Erlösers bereit stehen. „Der Mahdi wird
eines Tages als Messias erwartet.“ – sagt der Islamforscher Yitzhak Nakash
- „Deswegen ist die Attacke von signifikanter Bedeutung.“
Die Schiiten schlugen sofort
und brutal zurück. Über Hundertfünfzig Anhänger der Sunna kamen bisher bei
den Ausschreitungen ums Leben, darunter einige sunnitische Imame. 60
sunnitische Moscheen sollen beschädigt worden sein. Sogar mit Raketen wurde
darauf geschossen. Dennoch ist man sich in der islamischen Welt keineswegs
darüber einig, dass die Sunniten die Attentäter von Samarra waren. Nicht
nur die iranische Presse macht die Amerikaner hierfür verantwortlich,
sondern auch in den Zeitungen anderer islamischer Länder ist Ähnliches zu
lesen: „Obgleich Milliarden von Dollars verschwendet und Tausende von
Menschen getötet wurden, haben die Besetzer nichts Erwähnenswertes im Irak
erreicht. Während die Schia-Bevölkerung und die Leute siegreich waren. So
bleibt den Besatzern nichts anderes übrig, als Stammes und
Sekten-Spannungen zu schüren und einen Bürgerkrieg zu entfesseln.“ –
schreibt das iranische Blatt Hamshahri.
Sofort nach der Sprengung der
Goldenen Moschee ist der radikale Schiitenführer Mugtada al-Sadr von einer
Nah-Ost-Reise in den Irak zurückgekehrt. Der junge Ayatollah besitzt seine
eigene Miliz, die sogenannte „Mahdi Armee“, die sich an einem endzeitlichen
Programm orientiert. Noch am 19. Februar, vier Tage vor der Attacke auf die
Goldene Moschee, erklärte al-Sadr in einem Interview des Senders Aljazeera,
die Mahdi Armee sei „die Basis des Imam Mahdis und eine solche Basis des
Prophezeiten [Messias] könne nicht aufgelöst werden.“ Die gesamte Familie
al-Sadrs hat sich seit drei Generationen einer eschatologischen Politik
verschrieben. Seine Gotteskrieger beteiligen sich zurzeit nur deswegen
nicht an den Aufständen, weil die Schiiten sowieso die Mehrheit der Stimmen
im Lande haben und ihnen deswegen die Macht auf jeden Fall in die Hände
fällt. Sollte es zu einem westlichen Militärschlag auf den Iran oder Syrien
kommen, werde seine Mahdi-Armee gegen die Besatzungsmacht einen Krieg
entfesseln, versichert al-Sadr.
Überhaupt liegt mittlerweile
im Irak die Macht in den Händen des Klerus und nicht in denen der
Politiker. „Die Kleriker sind die Königsmacher, die Friedensfürsten und die
Kriegsfürsten“ – sagt Ismael Zayer, Chefeditor des Sabah Jadee, einer moderaten irakischen Tageszeitung – „Die
Leute marschieren auf Befehl der Kleriker und halten an auf Befehl der
Kleriker.“ Hassan Bazzaz, Politologe an der Bagdad Universität, stimmt dem
zu: „Wenn die religiösen Führer sich entscheiden, den Weg des Bürgerkrieges
zu gehen, dann können sie das, zu jeder Zeit. Wenn sie wirklich wollen,
diesen zu stoppen, dann können sie es auch. Die religiösen Führer haben die
reale Macht in ihren Händen.“ Die Kleriker werden entscheiden, ob sich der
Konflikt zwischen Sunnis und Schiiten tatsächlich ausweitet oder ob sich
beide gegen die Besatzungsmacht vereinigen. Für beide Fraktionen gilt
jedoch die Scharia als einzige Gesetzgrundlage in ihrem Staatsverständnis.
Der demokratische Rechtsstaat hat deswegen im Irak nicht viele Chancen.
Christlicher
Fundamentalismus - 23. Februar 2006
Ronald Reagans Endzeit-Wahn
„Armageddon kann nicht in einer Welt stattfinden,
die abgerüstet hat“
Derzeit erleben die USA ein
Ronald-Reagan-Revival. Nach jüngsten Umfragen soll der ehemalige Hollywood
Schauspieler der populärste aller amerikanischen Präsidenten sein.
Insbesondere wird dabei seine große Frömmigkeit in Biographien,
Dokumentationen und Artikeln betont. Um zwei Elemente hat Reagan die
politische Ideologie Amerikas jedenfalls bereichert: den „Krieg gegen das
Böse“ und den amerikanischen
„Armageddon-Wahn“. Reagan dachte in Kategorien, welche die
Weltpolitik nicht nur in die krasse Dualismus von Gut und Böse, von Gott
und Satan aufteilte, sondern er verstand seine Politik auch als ein Moment
christlicher Eschatologie, wie sie sich aus der Johannesoffenbarung und aus dem Alten Testament extrahieren lässt.
Kein amerikanischer Präsident
parlierte so nonchalant und so oft über die Apokalypse wie er. Schon 1971 bekannte Reagan gegenüber James
Mills, einem Senatspräsidenten aus Kalifornien, dass er den in der Bibel erwähnten Gog und Magog Krieg
auf Amerika zukommen sehe. Er selber gebärdete sich wie ein Bibelprophet:
„Im 38. Kapitel von Ezechiel wird gesagt, dass Israel von den Armeen
der gottlosen Nationen angegriffen wird, und darin steht auch, dass Libyen
eines dieser Länder sein wird. Verstehen Sie die Bedeutung davon? Libyen
ist jetzt kommunistisch geworden, und das ist ein Zeichen, dass der Tag von
Armageddon nicht mehr weit entfernt ist. [….] Ezechiel sagt uns,
dass Gog, die Nation, welche die anderen Mächte der Dunkelheit gegen Israel
anführen wird, aus dem Norden kommen wird. Generationen von Bibelschülern
haben gesagt, das Gog Russland sein muss.“ – erklärte er. Während seines
Amtes wird er immer wieder die Sowjetunion als den „Fokus des Bösen in der
Welt“ und als das „Reich des Bösen“ (evil
empire) bezeichnen.
Man
kann ohne weiteres sagen, dass Reagan unter einer „Armageddon-Obsession“
litt. Sein gigantisches
Aufrüstungsprogramm, das in einem „Krieg der Sterne“ gipfeln sollte, hat
er, so Senator James Mills, als eine
Vorbereitung für die apokalyptische Endschlacht und das Zweite Kommen
Christi verstanden. „Armageddon“, vertraute er Mills an, „kann nicht in
einer Welt stattfinden, die abgerüstet hat.“ Auch Reagans unmittelbares
Umfeld wurde von dem apokalyptischen Virus angesteckt. So versicherte der
damalige Verteidigungsminister (Secretary of Defense) Caspar
Weinberger: „Ich habe das Buch der Offenbarung gelesen, ja, ich
glaube, die Welt geht ihrem Ende entgegen – durch einen Akt Gottes. Ich
hoffe – aber jeden Tag denke ich, die Zeit läuft aus.“ Und Reagans
Innenminister (Secretary of the Interior) James Watts war davon überzeugt,
dass das Zweite Kommen Christi unmittelbar bevorstünde. Analytiker weisen
darauf hin, dass Reagan trotz seiner apokalyptischen Phantasmen eine
nachvollziehbare Realpolitik, auch im Nahen Osten, betrieben habe. Wie
immer das einzuschätzen ist, feststeht, dass heute gerade die religiöse
Seite dieses Präsidenten hervorgehoben wird.
Heiliger
Krieg - 15. Februar 2006
Apokalyptischer Nuklearismus
Die Existenz dieser Waffen verwischt die
Jahrtausende alten
Unterscheidungen zwischen der Phantasie einer
Weltvernichtung
Die Konstruktion, Zündung und
Verbreitung von Nuklear-Waffen hatte von Beginn an einen bestimmenden
Einfluss auf das apokalyptische Denken. Der Einsatz von A-Waffen ist ein
Szenario, das in keiner „modernen“ Apokalyptik mehr fehlt. Seit den
Explosionen der Bomben von Los Alamos, Hiroshima und Nagasaki werden
Zerstörungs-Passagen aus den traditionellen Endzeit-Texten der Religionen
als Beschreibungen eines atomaren Holocausts gedeutet. In der Tat ist in
fast allen Heiligen Schriften (in
der Hebräischen Bibel, in der Offenbarung des Johannes, im Koran und in den Hadiths, in der Bhagavadgita, im Ramayana
und im Kalachakra-Tantra) von
„übermenschlichen“ Waffen die Rede, die eine ungeheuerliche Zerstörungswirkung
haben sollen. Diese Passagen werden von den Apokalyptikern als göttliche
Legitimation für einen Atom-Krieg herangezogen.
Seit der Existenz der Bombe
sind solche atomaren Doomsday-Prophezeiungen mehr als ein religiöses
Phantasma: „Die Existenz dieser Waffen verwischt […] die Jahrtausende alten
Unterscheidungen zwischen der Phantasie einer Weltvernichtung (ob von
paranoiden Schizophrenen, religiösen Visionären oder auch von ganz normalen
Menschen in ihren Träumen) und der Fähigkeit, diese Phantasie Wirklichkeit
werden zu lassen.“ – schreibt der amerikanische Gewaltforscher Robert
Lifton. Heute, nach dem 9/11, sprechen auch viele säkular eingestellte
Kulturologen von der Gefahr eines „apokalyptischen Nuklearismus“. Der
Begriff hat sich mittlerweile eingebürgert.
Das nukleare Potential, das
auf unserem Planeten gelagert ist, reicht hin, um die Welt in die Luft zu
sprengen. Insofern ist es als „apokalyptisch“ zu bezeichnen. Aber es ist
nicht Gott, sondern es sind die Menschen, in deren Entscheidung es liegt,
ob ein nuklearer Holocaust entfesselt wird. Dank der Nuklearwaffen und des
kaum mehr begrenzten waffentechnischen Erfindergeistes kann der Mensch
heute zum potentiellen Vollstrecker der Apokalypse werden, und zwar einer
„kupierten Apokalypse“ im Sinne des Religionssoziologen Klaus Vondung:
„Wenn wir dennoch von einer Apokalypse eines Atomkrieges sprechen, so haben
wir es mit einer ‚kupierten’ Apokalypse zu tun. Wir können nur die erste
Hälfte der herkömmlichen apokalyptischen Vision meinen; die zweite Hälfte,
die Errichtung der neuen, vollkommenen Welt, die früher dem Untergang Sinn
und Ziel verlieh, hat sich verflüchtigt.“
Christlicher
Fundamentalismus - 15. Februar 2006
„Ich stelle meinen Thron in Elam
[Iran] auf“
Die Christliche Rechte prophezeit die atomare
Vernichtung des Irans
Prophezeiungen aus ihren Heiligen Büchern werden von
religiösen Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen je nach Betonung
folgendermaßen verstanden: Sie gelten als Gottes Fahrplan für die
Geschichte; sie sollen eine fromme Akzeptanz kommender schrecklicher
Ereignisse bewirken; sie geben eine ethisch-theologische Legitimation für
humane Katastrophen als Ausdruck von Gottes Strafgericht; sie verlangen
eine aktive Beteiligung an Heiligen Kriegen. Passive Schicksalsergebenheit
und aktive Teilnahme können durchaus miteinander kombiniert werden, wobei
sich jedoch in den letzten Jahren die Beteiligung an den Kämpfen zwischen
Gut und Böse immer mehr als ein religiöser Imperativ durchgesetzt hat.
Allen Richtungen geht es dabei um dasselbe Ziel: die Ankunft ihres
jeweiligen militanten Messias zu beschleunigen. Auch die derzeitige
Iran-Krise wird unter diesem Aspekt von radikalen Mullahs ebenso wie von
radikalen christlichen Predigern als Vorzeichen eines in der Region des
Mittleren- und Nahen Ostens ausbrechenden Endzeit-Krieges angesehen.
So sagen zeitgenössische,
christliche Bibelpropheten die nukleare Vernichtung des Irans voraus. Als
„Beweis“ dienen ihnen dabei unter anderem „Prophezeiungen“ aus dem Buch Jeremia (49: 34-38). Dort heißt es:
„So spricht der Herr der Heere: Seht ich zerbreche den Bogen Elams, seine
stärkste Waffe. Ich bringe über Elam vier Winde von den vier Enden des
Himmels. In all diese Winde zerstreue ich sie, so dass es kein Volk gibt,
zu dem nicht versprengte aus Elam kommen. Ich jage den Elamitern Schrecken
ein vor ihren Feinden. […] Unheil lasse ich über sie kommen, meinen
glühenden Zorn. […] Ich schicke das Schwert hinter ihnen her, bis ich sie
vernichtet habe. Ich stelle meinen Thron in Elam auf und vernichte dort
König und Fürsten. […] Aber in ferner Zukunft wende ich Elams Geschick –
Spruch des Herrn.“ Mit diesen Sätzen soll eine atomare Intervention gegen
das Mullah-Regime durch göttliche Instanz abgesegnet werden. Mit dem
alttestamentarischen Elam sei der Südwesten des heutigen Irans gemeint -
schreibt der Schweizer „Prophetie-Experte“ Roger Liebi. Mit den zerbrochen
Bögen Elams spreche die Bibel die Raketenabschuss-Basen des Landes an. Nach
einem westlichen Nuklearschlag müssten die Elamer (sprich: Iraner) das Land
verlassen und würden über die ganze Erde zerstreut. Danach werde ein „Thron
des Herrn“ (sprich: des christlichen Gottes) in Elam (sprich: Iran)
errichtet.
Diese und viele ähnliche
Weissagungen aus der Bibel haben schon in den Irak-Kriegen als religiöse
Legitimation gedient. Sie werden jetzt erneut aus der Propheten-Schublade
gezogen und auf eine aktuelle Realität angewandt, die nichts Gutes
verheißt: Israelis und Amerikaner haben ihre Angriffspläne gegen den Iran
schon seit Jahren ausgearbeitet. Dabei gilt der Einsatz von atomaren Waffen
durchaus als Option.
Komparative
Studien zum Fundamentalismus - 08. Februar 2006
Der Umkehr-Krieg der Messiasse
Der Erlöser des einen ist der Teufel des anderen
und vice versa
Parallel zu der im
Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit aufgebrochenen Debatte über die
„säkulare Gesellschaft und den islamistischen Extremismus“ ist eine, in
Europa kaum wahrgenommene, „interreligiöse“ Debatte über den militanten
Messianismus ausgebrochen. Die mehrfachen Äußerungen des iranischen
Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad über die Rückkehr des schiitischen
Heilsbringers, des 12. Imams, haben christliche und jüdische Apokalyptiker
in höchste Alarmbereitschaft gesetzt. Immer mehr Artikel erscheinen in der
amerikanischen Doomsday-Szene, die einen militanten Jesus herbeibeschwören,
um ihn gegen einen dämonischen Imam-Mahdi als Anti-Christen
herauszustellen. In den Zeiten des Kalten Krieges wurde der prophezeite
Widersacher Christi als kommunistischer Diktator imaginiert, mit dem
Aufstieg der EU ortete man ihn als Europäer, jetzt, mit Erstarken des
Islams, wird mehr und mehr dem von den Muslimen erwarteten Mahdi (Imam
Mahdi) diese Rolle übertragen. „Das Imperium des Anti-Christen wird ein
islamisches Imperium sein.“ – prophezeit die Website www.tribulationperiod.com in
einem Artikel mit der Überschrift „Drei
Glaubensrichtungen erwarten ihren Führer (Jesus, Messiah oder Mahdi)“.
Das Aufputschen des
Karikaturenstreits durch Ahmadineschad deutet man, wohl nicht ganz zu
Unrecht, als dessen Versuch, das Chaos auf der Welt zu vertiefen, um die
Ankunft des Imam Mahdi zu beschleunigen. Für die christlichen Apokalyptiker
beideutet das nichts Geringeres als die Epiphanie des Leibhaftigen: „Der
iranisches Messias ist der Teufel, der große Satan, der ‚alte Drache’ der
Apokalypse. Er ist der gefallene Engel des Lichts – Luzifer – der über den
grundlosen Abgrund und dem See aus Feuer und Lava regiert. Er war einst ein
Engel im Himmel, aber wurde dort hinausgeworfen mit anderen rebellischen
Engeln. Seine Wohnstatt ist seither das Feuer der Hölle. Die Verdammten
wohnen dort mit ihm für alle Zeiten.“ – schreibt J. Grant Swank in einem
Artikel mit dem Titel „Zwei Messiasse im Krieg“ und erklärt weiter, dass
der Koran ein Buch des Teufels und Moscheen dämonische Zentren seien. Dann
fährt er fort: „Biblische Christen glauben, dass Christus nach einer
globalen, chaotischen Zeitspanne zurückkehren wird. Er wird ein 1000
jähriges Friedensreich errichten. Die Hauptstadt wird Jerusalem sein. Jetzt
erklärt die Hamas, die Stadt als die Hauptstadt des Islams übernehmen zu
wollen. Der Teufel kämpft heute schon gegen Jerusalem, damit Christus von
dort aus nicht regieren kann.“
Wenn der christliche Erlöser
kommt, wird er „erscheinen als der König der Könige und der Herr der Herren
– König für die Politik und Herr für die Religion. So wie es Religion und
Politik waren, die ihn auf dem Kalvarienberg ans Kreuz schlugen, so wird er
als Chefpolitiker und als Chef der Religion den Planeten beherrschen. Die
von Christus erlösten Seelen aller Zeiten werden mit ihm als Könige und
Priester regieren – Politik und Religion.“ – schreibt Swank. Das ist
derselbe Jargon, der zurzeit im Iran gesprochen wird, nur mit umgekehrten
Vorzeichen, der Messias des einen ist der Teufel des anderen und vice versa. Vom „Säkularismus“ ist
in diesem „Krieg der Messiasse“ keine Rede mehr.
Islamischer
Fundamentalismus - 04.
Februar 2006
Diese
Verirrten folgen den Dichtern
Der Karikaturenstreit
und die Zukunft des Säkularismus
Die globalen, heftigen und
gewalttätigen muslimischen Proteste gegen die von den westlichen Medien
veröffentlichten Mohammed-Karikaturen machen nur allzu deutlich, dass so
etwas wie ein „Kampf der Kulturen“ voll im Gange ist, trotz aller Versuche,
diesen herunterzuspielen und zu verdrängen. Spätestens seit der
berüchtigten „Fatwa“ Ayatollah Khomeinis, die 1988 zur Ermordung des
Schriftstellers Salman Rushdie aufrief, herrscht dieser „Ideenkrieg“
zwischen der säkularen, westlichen Zivilgesellschaft und der Umma (Gemeinschaft
der Muslime), soweit sich diese an sakralen Prinzipien orientiert - ein
Ideenkrieg, der an den Rädern immer wieder in Formen des realen Krieges
umschlägt und der mittlerweile unter dem Damokles-Schwert eines atomaren
Schlagabtauschs geführt wird.
Die Karikierung des Religiösen besteht in der Entheiligung und
Relativierung des Heiligen. Das macht geradezu ein definitorisches
Grundanliegen des Säkularismus aus. Die Mohammed-Karikaturen sind deswegen
für ihn eine Prinzipienfrage. Weshalb auf der anderen Seite der Islam über
die Spottbilder so aufgebracht ist, hat nicht zuletzt historische Gründe.
Mohammed wurde in der Gründerzeit seiner Religion von arabischen Poeten,
die in Mekka bisher das Kulturleben bestimmt hatten, mit höhnischen Worten und bissigen Liedern lächerlich
gemacht. Es gibt mehrere geschichtliche Dokumente, die zeigen, wie tief
verletzt sich der Prophet dadurch fühlte. Eine enge Liaison der Dichter mit
dem Teufel (Iblis) wird denn auch durch eine unmissverständliche
Stelle im Koran hergestellt: „Soll ich euch verkünden, zu wem die
Teufel herabsteigen?“ - ist dort zu lesen – „Sie steigen auf jeden Lügner und Sünder herab. Das Gehörte geben sie
wieder; die meisten lügen. Diese Verirrten folgen den Dichtern.“
(Sure 26: 222-225)
Ebenfalls verstrickte sich
Sayyed Khomeini in die archetypischen Streitigkeiten Mohammeds mit den ihn
verspottenden Dichtern. Das machte den Ayatollah zum Erzfeind kritischer
Schriftsteller. Sein Poetenhass kulminierte in einer Erklärung, die er am
14. Februar 1988 durch den iranischen Rundfunk verbreiten ließ: „Im Namen Gottes des Erhaben! - Es gibt
nur einen Gott, zu dem alle zurückkehren werden. - Den glaubenseifrigen
Muslimen in der ganzen Welt gebe ich bekannt: Der Verfasser des Buches 'Die
Satanischen Verse', das gegen den Islam, den Propheten und den Koran
erdichtet, gedruckt und verlegt worden ist; ebenso die, die an seiner
Veröffentlichung beteiligt sind und den Inhalt kennen, sind zum Tode
verurteilt. Von allen glaubenseifrigen Muslimen wünsche ich, dass jene, wo immer
sie sie finden, unverzüglich exekutieren, damit kein anderer in die
Versuchung gerät, die heiligen Güter der
Muslime verächtlich zu machen; wer dabei den Tod findet ist ein
Märtyrer, wenn Gott will. Selbstredend gilt: Wenn jemand Zugang zu dem
Verfasser des Buches hat, sich aber außerstande sieht, ihn zu töten, soll
er dies [geeigneten] Leuten mitteilen, damit er [Rushdie] den Lohn für
seine Taten erhält. Friede sei mit Euch, die Barmherzigkeit Gottes und sein
Segen.“
Khomeini kam der Fall Rushdie
politisch gerade recht: „Gott wollte, dass dieses blasphemische Buch 'Die
Satanischen Verse' jetzt veröffentlicht wird, so dass die Welt des
Betruges, der Arroganz und der Barbarei ihr wahres Gesicht entblößt in
ihrer seit langem geführten Feindschaft zum Islam; es sollte uns aus
unserer Naivität herausbringen...“ – sagte der Ayatollah. Ebenso kommt
heute der Karikaturen-Streit dem iranischen Präsidenten Mahmoud
Ahmadinedschad, der das Erbe Khomeinis fortsetzt, gerade recht. Auf seiner
Rede am 17. September 2005 vor der UNO-Vollversammlung hatte er das Ende
des säkularen Zeitalters proklamiert und stellte dort das Primat der
Aufklärung in Frage. Heute kultiviere die gesamte Menschheit wieder den
Glauben an einen einzigen Schöpfergott, sagte Ahmadinedschad. Der
Monotheismus sei das Band, das alle Völker zusammenschließe, Glaube und
Religion seien auch die einzigen Mittel, um die anstehenden Weltprobleme zu
lösen, denn die Aufklärung und die (westliche) Wissenschaft hätten
endgültig versagt. Sie müssten durch „das Wissen, basierend auf der
göttlichen Offenbarung“ ergänzt werden, bzw. sich in deren Dienst stellen.
Die Propheten Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammed hätten dieses
„göttliche Wissen“ auf Erden zum Wohle aller Menschen verkündet. Dieser
allgemein feststellbare Trend hin zur Religion, das sei, so Ahmadinedschad,
die gute Nachricht für die Welt. Dass sich dahinter ein militanter
Messianismus verbirgt, wurde sogar am Ende dieser UNO-Rede deutlich, als
der iranische Präsident die Rückkehr des 12. Imams, des schiitischen
Messias, beschwor.
In der Tat steht es um den
Säkularismus im Karikaturenstreit nicht besonders gut. Der Konflikt hat
schon von islamischer Seite solch aggressive Formen angenommen, dass es –
wie viele meinen – die „Vernunft“ gebiete, nicht mehr auf Prinzipien herum
zu reiten, um die Lage einzudämmen. Hinzukommt, dass die christlichen
Kirchen ebenfalls diese Karikaturen verurteilen. Das ist schon im Falle der
Satanischen Verse so gewesen.
Robert Runcie, Erzbischof von Canterbury, zeigte damals seine offene
Sympathie für die islamische Seite: "Ich verstehe ihre Gefühle und ich
bis fest davon überzeugt, dass Beleidigungen gegenüber dem religiösen
Glauben des Islams und jeder anderen Religion ebenso falsch ist eine
Beleidigung gegenüber den Glaubensinhalten des Christentums.“ In der
Zeitschrift Economist war zu lesen: „Rabbis, Priester Mullahs, so
scheint es, sind sich darüber einig, die freie Meinungsäußerung zu
begrenzen .... Die Rushdie Affäre zeigt, dass nicht nur einige Muslime die
Vorteile der freien Rede missverstehen. Sie zeigt, dass viele westliche
Kleriker dies ebenfalls tun.“
Der Säkularismus und das
„Zeitalter des Rationalismus“ sind in gefährliche Krise geraten, denn man darf
nicht übersehen, dass der Westen (allen voran die USA) von radikalen
religiösen Bewegungen, Gruppierungen und fundamentalistischen Ideen nur so
überschwemmt wird. So kann der „Kampf der Kulturen“ sehr bald in einen
„Krieg der Religionen“ umschlagen, in dem sich nicht mehr Säkularismus und
Religion, sondern verschiedene Glaubensrichtungen als Todfeinde
gegenüberstehen.
Christlicher
Fundamentalismus - 27. Januar
2006
Wie die christliche Doomsday-Szene
den Wahlsieg der Hamas einschätzt
Der Wahlsieg der radikalen
Hamas und der militante Messianismus Mahmoud Ahmadinedschads haben Amerikas
christlichen Apokalyptikern erneut einen Aufschwung verliehen. Sie sehen
durch beide Ereignisse den eschatologischen Prozess bestätigt, der im Jahre
1948 mit der Gründung Israels begann. Hal Lindsey, Autor des Bestsellers
„The late planet earth“, prophezeit in einem Statement zum Hamas-Sieg,
abgeleitet aus Bibelzitaten, es werde in den nächsten Jahren eine
islamische Großarmee unter der Führung Russlands und Persiens (Irans) gegen
Israel antreten und das Land beinahe einer totalen Zerstörung aussetzen.
Dann erscheine in letzter Minute Jesus Christus als übermächtiger Feldherr,
um nach der Armageddon-Schlacht die Juden vor der völligen Vernichtung zu
retten. Nicht erwähnt wird in diesem Statement die Prophezeiung, dass die
Kinder Israels, soweit sie überlebt haben, zum Christentum konvertieren
müssen oder, sollten sie sich weigern, getötet werden.
Gott, so mehrere
Protagonisten der Christlichen Rechten, habe sich an Ariel Scharon gerächt,
weil er entgegen dem göttlichen Willen die road map für den Frieden
unterstützte. „Zwei Ereignisse änderten die gesamte politische Landschaft
in Israel, ja in der gesamten Welt. Zuerst hatte Ariel Scharon seinen
tragischen Schlaganfall und dann wurde die Hamas an die Macht gewählt
….“ schreibt Hal Lindsey. Es sei
allein Benjamin Netanjahu, der die Israelis durch diese prekäre
Endzeit-Phase hindurch führen könne. „Ich glaube Gott wird die Ereignisse
so gruppieren, dass ‚Bibi’ Netanjahu gewählt wird.“ – meint Lindsey.
Islamischer
Fundamentalismus – 23. Januar 2006
Irans neue „messianische
Gesellschaft“
Was alles müssen wir tun, damit der Mahdi früher
erscheint?
Mit erstaunlicher
Schnelligkeit und unerwartetem Erfolg konnte Mahmoud Ahmadinedschad das
messianisch-apokalyptische Weltbild des Ayatollah Khomeini in Irans
„zweiter Revolution“ revitalisieren. „Die Leute wollen zu den Werten der
Revolution zurückkehren.“ sagte er im November 2005 und der arabische
Fernsehsenders al-Jazeera
kommentierte: „Ahmadinedschad ist dabei, eine neue islamische Revolution zu
verbreiten“.
Die Beschäftigung mit dem 12. Imam-Mahdi (Mahdaviat) beherrscht heute erneut das kulturelle Klima des
Irans. „Das Mahdaviat ist ein
Code für die Revolution, ja es ist der Geist der Revolution. Es ist ein
Identitätscode, und ich denke dieser Glaube ist dabei zu wachsen.“ –
erklärte Masoud Poursayed-Aghale, Leiter des 2004 gegründeten Bright Future Instituts in Qom, in
einem Interview. Das Institut hat
sich zur Aufgabe gemacht, über die Imam-Mahdi-Theologie in einer von ihm
betriebenen Nachrichtenagentur zu berichten: „Da gibt es eine Kluft zwischen
uns und der populären Medien. Wir begannen mit der Idee einer
Messias-News-Agency, weil wir davon überzeugt waren, dass wir eine News
Agency benötigen, um Seine Nachrichten zu verbreiten.“ Man möchte dazu
beitragen, „eine ideale Gesellschaft zu vollenden, wie sie sich der Mahdi
wünscht.“ – „Der Imam des kommenden Zeitalters wird den Sieg davon tragen,
und die ganze Welt wird ihn unterstützen, mit Ausnahme von einigen Regimes
und Regierungen, die rassistisch sind, wie zum Beispiel die Zionisten.“ – versichert
Poursayed-Aghaie.
Vom Bright Future Institut wurde eine Hotline im Internet
eingerichtet, um über die Zeichen Auskunft zu geben, welche das Erscheinen
des schiitischen Erlösers annoncieren. „Die Zeit [von dessen Ankunft] steht
noch nicht fest, aber die Bedingungen sind schon genauer genannt. Es gibt
ein Sprichwort: Wenn die Studenten bereit sind, dann erscheint der
Meister.“ – ist auf der Homepage des Instituts zu lesen. Ein Mitarbeiter,
Morteza Rabaninejad, beantwortet über die Messias-Hotline täglich fünf
Anrufe und 10 Briefe: „Was alles müssen wir tun, damit der Mahdi früher
erscheint als allgemein angenommen?“ – fragte einer der Korrespondenten.
Bescheidenheit und Askese
waren die beiden Aushängeschilder, die Khomeini bei der verarmten iranischen
Bevölkerung gut ankommen ließen. Auch hierin folgt Ahmadinedschad, Sohn
eines armen Schmiedes, seinem großen Vorbild, wenn auch ohne Turban und
Priestergewand. Er fährt einen Peugeot 1977, lebte als Bürgermeister
Teherans in einer Arbeiterwohnung, kleidet sich mit abgetragenen Anzügen
und verabscheut Krawatten: „Herr Ahmadinedschad ist der einzige Präsident
in 28 Jahren der die Parole ausgab, Gerechtigkeit zu schaffen, indem er
sagte, dass er einer von uns ist, aus demselben Holz geschnitten. Mit Stolz
beruft er sich auf den Namen Gottes, und darüber hinaus betet er immer für
das Erscheinen des Mahdis.“ – sagte ein Mann von der Strasse in Qom.
Aber nicht nur im Volk
sondern auch unter der klerikalen Intelligenzija des Landes wird die
Beschäftigung mit dem Madaviyat
zur Mode. Die „Reformer“, die unter Kathami für einen „Dialog der Kulturen“
eintraten, sind out und die
sogenannten „Prinzipientreuen“, die Khomeinis Vision einer islamischen
Weltrevolution folgen, sind in.
So erklärte Hassan Abbasi, ein prominenter Theoretiker, dass die Idee von
einer „messianischen Gesellschaft“ seit dem Beginn der iranischen
Revolution noch nie so aktuell und attraktiv gewesen sei wie heute.
„Endlich können jetzt die Führungskräfte des Systems verjüngt werden und
die Gesellschaft kann sich zukünftig weg von der Zivilgesellschaft in
Richtung einer messianischen Gesellschaft bewegen. Nicht mehr
humanistischen Parolen soll gefolgt werden, sondern Parolen, die sich am
Willen Gottes orientieren. Die Menschen sollen sich nicht mehr am
amerikanischen Lebensstil orientieren, sondern an göttlichen Prinzipien.“ -
meint Abbasi und gibt bekannt, die „Prinzipientreuen“ hätten die Macht im
Staat schon voll in ihren Händen: „Sie sind überall – in der Regierung, im Majless [Islamisches Parlament], in
den Räten, im Wächterrat und in der Justiz. […] Daher bin ich voller
Hoffnung, dass mit Hilfe der neuen Regierung die Gesellschaft sich in
Richtung einer messianischen Gesellschaft entwickeln kann.“ Amir Mohebian,
Chefredakteur der konservativen Zeitung Resalat,
empfiehlt deswegen eine kompromisslose Politik der Härte: „Ich glaube der
Mahdi wird in zwei, drei oder vier Jahren kommen, weshalb sollte ich denn
nachgiebig bleiben? Jetzt ist es an der Zeit stark dazustehen und hart zu
sein.“ Es gibt auch Gegenstimmen: Groß-Ayatollah Hossein Ali Motazari zum
Beispiel kritisiert die Regierung, sie missbrauche den Mahdi Kult für ihre
politischen Interessen. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass das
Messiasfieber die ganze iranische Gesellschaft entzündet hat.
Komparative
Studien zum Fundamentalismus – 22. Januar 2006
Beide glauben, dass Gott ihnen sagt,
was zu tun ist
Mahmoud Ahmadinedschad und die Christliche Rechte
Mit Aufmerksamkeit haben christliche
Fundamentalisten die apokalyptisch-messianischen Bekenntnisse und
Selbstdarstellungen des iranischen Präsidenten registriert und dann
kommentiert. Die Rolle des Anti-Christen, die Saddam Hussein seit dem
ersten Irak-Krieg (1991) für die Christliche Rechte Amerikas spielen
musste, wird jetzt auf Ahmadinedschad übertragen. Das Internet ist voll mit
aus dem Alten und Neuen Testament begründeten
„Nachweisen“, der iranische Präsident sei der Agent des Teufels. Hal
Lindsey, eine der Galionsfiguren des amerikanischen Doomsday-Glaubens,
sieht wieder einmal die Bibelprophezeiungen bestätigt. Insbesondere die
Forderung Ahmadinedschads „Israel von der Landkarte auszuradieren“, gibt
ihm eine Königsrolle im apokalyptischen Welttheaters, das nach der Imagination
islamischer, christlicher und jüdischer Fundamentalisten seine
Hauptbühne im Nahen Osten,
insbesondere in Israel und Jerusalem hat.
Umgekehrt werden in allen
islamischen Ländern die religionspolitischen Äußerungen der Christlichen
Rechten zum iranischen Präsidenten sehr genau wahrgenommen. Deswegen sieht
auch Ahmadinedschad sein Verhältnis zu den USA als die Konkurrenz zweier
sich ausschließender messianischer Glaubensbekenntnisse. Sein höchstes Ziel
sei, „Amerika herauszufordern, das selber versucht, sich als die letzte
Rettung des menschlichen Wesens hervorzuheben.“ – sagt Hamidreza Taraghi,
Chef der konservativen Islamic
Coalition Party, von seinem Staatschef und fährt fort, die USA wollten,
„sich selbst als der Mahdi [muslimische Messias] herauszustellen“. Der
amerikanische Präsident hatte vor drei Jahren durch seinen religiös
gefärbten Jargon die Büchse der Pandora geöffnet, aus der jetzt die
Ungeheuer potentieller Religionskriege herausflattern: „Bush sprach: ‚Gott
sagte mir Afghanistan und den Irak anzugreifen’ Die Mentalität von Herrn
Bush und Herrn Amadinejad ist die selbe – beide glauben, dass Gott ihnen
sagt, was zu tun ist.“ – meint Taraghi.
Jüdischer
Fundamentalismus – 08. Januar 2006
Er stellte sich gegen Gott
Ariel Scharons Schlaganfall – ein Triumph
für die Christliche und Jüdische Rechte
Man mag zu Ariel Scharon
stehen wie man will, feststeht, dass er durch den von ihm beschlossenen
Abzug aus dem Gaza-Streifen, durch seine grundsätzliche Kritik an dem
apokalyptischen Fanatismus der jüdischen Siedlerbewegung und durch seine
Spaltung der Likud Partei neue Akzente in der Nah-Ost-Politik gesetzt hat.
Anfang Oktober 2004 wandte er sich in der Knesset direkt an die radikale
Settler-Organisation Gush-Emunim
mit den Worten: „Ihr seid wunderbare Pioniere, Erbauer Israels, Siedler auf
dürftigem Boden, im Regen und im Winter, durch alle Schwierigkeiten
hindurch. Aber ihr habt unter euch einen messianischen Komplex entwickelt.“
Damit hatte Scharon den eschatologischen Kern des jüdischen
Fundamentalismus in Frage gestellt, der durch die endgültige und gewaltsame
Vertreibung der Palästinenser und durch die volle israelische Souveränität
über die Westbank die Ankunft eines militanten Messiah beschleunigen will.
In all den Jahren vorher ist
es jedoch der Likud Chef selber gewesen, der die endzeitliche aus der Bibel
abgeleitete Territorialpolitik der Siedler finanziell und rhetorisch
großzügig unterstützte und sich so die Stimmen der Jüdischen Rechten
sicherte. Nachdem er sich, sei es unter dem Druck der Amerikaner oder sei
es aus eigener Einsicht, an der Road
Map für den Frieden zu orientieren begann, verloren die Settler ihr
Vertrauen in den Mann, den sie noch vor zwei Jahren als ihren mächtigsten Fürsprecher
geradezu vergöttert hatten. „Es ist die Zerschlagung eines lebenslangen
Traumes. Es ist der Zusammenbruch einer Welt, die sie in ihren Herzen, in
ihrem Bewusstsein und in ihrem Leben aufgebaut haben.“ – schildert Ehud Olmert, Scharons unmittelbarer
Nachfolger, die Gefühle der Siedler.
Jedenfalls wird die Krankheit
Scharons von jüdischen und christlichen Fundamentalisten jetzt als
göttliche Strafe an einem „Verräter“ angesehen, der den gewagten Versuch
unternommen hatte, die eschatologischen Pläne Gottes für den Nahen Osten zu
durchkreuzen. „Wir beten nicht für diese bösartige Person.“ – sagte Baruch
Marzel, Chef der National Jewish
Front – „Er stellte sich gegen Gott. Er stellte sich gegen die Bibel.
Er betrog sein eigenes Land. […] Dieser Mann hat dem israelischen Volk in
den letzten fünf Jahren viel Schaden zugefügt.“ In der jüdischen Siedlung
Kfar Tapuah brach eine Gruppe radikaler Aktivisten in Freudentänze aus, als
sie von der schweren Krankheit Scharons hörten. „Es gibt noch einen Richter
in dieser Welt.“ – sagte Ben Gvir, einer von ihnen.
Auch eine andere frühere
Bewunderin, die Christliche Rechte in den USA, zeigt sich erleichtert über
Scharons Schicksalsschlag. „Er hat Gottes Land aufgeteilt und ich würde
meinen Protest gegenüber jedem Premierminister Israels zu Ausdruck bringen,
der eine ähnliche Richtung einschlägt, um die EU, die Vereinten Nationen
und Vereinigten Staaten von Amerika zu beschwichtigen.“ - erklärte Pat
Robertson, der Medien-Mogul des mächtigen Fundamentalisten-Senders CBN -
„Gott sagt, dieses Land gehört mir. Du lässt mich besser allein.“ Eine ähnliche Meinung vertritt der
Erfolgsautor Hal Lindsey, der mit seinen Doomsday-Büchern ebenso wie sein
Kollege Tim LaHaye wesentlich dazu beigetragen hat, dass 50 % aller Amerikaner
mehr oder weniger daran glauben, die Letzten Tage der Menschheit seien
hereingebrochen. Lindsey berichtet, während des Abzugs aus dem
Gaza-Streifen hätten Hunderttausende von Juden und Christen ihre Gebete zu
Gott geschickt, um ihn zu einer Intervention zu bewegen. „Es scheint so“ –
schreibt er unter Bezugnahme auf Scharons tödliche Krankheit – „dass diese
Gebete auf dramatische Art und Weise beantwortet wurden.“
Jedenfalls kann Benjamin
Netanjahu, der jetzige Chef von Likud, mit seinem Hardliner Programm und
seiner Ablehnung der Road Map auf
volle Unterstützung der Christlichen Rechten rechnen. Er wird dort groß als
der Nachfolger von Scharon gehandelt: „Mr. Netanjahu hat das klarste und
umfassendste Verständnis von den Absichten des radikalen Islams und wie
dieser zu behandeln ist.“ – erklärte Lindsey.
Islamischer
Fundamentalismus - 8 . Januar 2006
„Schandfleck Israel“
Ahmadinedschads Judenhass ist ein
Element seines militanten Messianismus
Mahmoud Amedinejad leugnet
den Holocaust an den Juden und verlangt, dass Israel von der Landkarte
verschwindet. Dass diese Forderung mit seinem messianisch-endzeitlichen
Weltbild von der Rückkehr des Imam-Mahdis in einem Sinnzusammenhang steht,
darüber ist in der Mainstream-Presse nicht berichtet worden. Als
apokalyptische Begründung der Judenvernichtung wird von sunnitischen und
schiitischen Islamisten unter anderem die wortwörtliche Interpretation
eines Prophetenspruchs Mohammeds (Hadith)
hergenommen. Er trägt den Titel „Der Gharqad Baum“ und besagt, dass
der Endzeit (der „Stunde“,
wie sie im Koran genannt wird)
unmittelbar die Vernichtung der Juden vorausgeht. „Die Stunde wird nicht
kommen bevor die Muslime die Juden bekämpfen, bis sich die Juden hinter
Bäumen und Felsen verstecken und die Bäume und Felsen sagen werden: ‚Oh ihr
Muslime, Ihr Diener Gottes, hier sind die Juden, kommt und tötet sie!’ –
mit Ausnahme des Gharqad Baumes,
denn er ist der Baum der Juden!“ – heißt es dort. Das Verhängnisvolle
an diesem Satz ist, dass er die Ausrottung der Juden sozusagen als conditio
sine qua non für das Erscheinen des islamischen Erlösers, des Mahdis
oder Imam-Mahdis, macht.
Der Nah-Ost-Konflikt wird so mit der Autorität eines Prophetenwortes
in den messianischen Endzeit-Strudel hineingezogen. Eine Islamisierung der
gesamten Region ohne den Staat Israel gilt deswegen bei sunnitischen und
schiitischen Fundamentalisten als die erste Stufe auf dem Weg zu einer
muslimischen Weltherrschaft. Deswegen sind auch die iranischen
Ayatollahs so auf die Heilige Stadt Jerusalem fixiert. Schon zwei Jahre
nach seiner Machtübernahme forderte Sayyed Ruhollah Khomeini (1900 – 1989)
in einer Predigt (1981) die jährliche Observanz eines weltweiten „Jerusalem
Tages“, (Day of al-Quds) als
Feiertag des liturgischen Kalender (am dritten Freitag des heiligen
Fastenmonats Ramadan).
Am al-Ouds Tag des Jahres
2005 sprach Mahmoud Ahmadinedschad auf einer Konferenz mit dem Titel „Eine
Welt ohne Zionismus“. Er gab sich zuversichtlich, dass „eines Tages die
Mitte der islamischen Welt von dem Schandfleck Israel gesäubert sein wird.“
– „Auch wer unter dem Druck der Hegemonialmächte oder aufgrund eines
falschen Verständnisses der Sachlage das zionistische Regime anerkennt,
wird im Feuer der unversöhnlichen Wut der Umma [Gemeinschaft der Muslime] verbrennen.“ – sagte der
Präsident.
Lamaistischer
Fundamentalismus - 5. Januar
2006
Die Familie der dämonischen Schlangen
Der XIV. Dalai Lama zelebriert ein Doomsday-Ritual
Vom 5 Januar 2006 führt der
XIV. Dalai Lama 13 Tage lang im indischen Amaravati das sogenannte Kalachakra-Tantra-Ritual zum 30. Mal
durch. Dabei handelt es sich um eine Einweihungszeremonie, die einen zutiefst
endzeitlichen Charakter aufweist. Alle Elemente der „apokalyptischen
Matrix“, die wir bei den monotheistischen Religionen finden, gibt es auch
im Kalachakra Tantra: Die Vision
vom katastrophalen Untergang der bestehenden schlechten Welt als Bedingung
für eine neue paradiesische Weltordnung (das Shambhala Reich); ein
grausamer Krieg zwischen dem Reich des Guten und dem Reich des Bösen; ein
aggressiver Militanter Messias (Rudra Chakrin); ein verteufelter Gegner
(der buddhistische „Anti-Christ“); eine „Armageddon-Schlacht“ mit Millionen
von Toten; den Einsatz vom Massenvernichtungswaffen; die Errichtung einer
weltweiten Buddhokratie (anstelle einem christlichen, islamischen oder
jüdischen Gottesstaates) unter der absoluten Herrschaft des Shambhala-Königs.
Das Kalachakra-Tantra ist
mitnichten ein Friedensritual, wie es vom Dalai Lama und seinen Anhängern
propagiert wird, sondern ein apokalyptisches Kriegsritual. Alle Teilnehmer
an dieser Zeremonie sollen dereinst als Shambhala-Krieger wiedergeboren
werden, um in der Endschlacht gegen die Bösen zu kämpfen.
Als Gegner des
Buddhismus nennt der Text explizit die "Führer" der drei monotheistischen Religionen
(Judentum, Christentum, Islam): „Adam, Henoch, Abraham, Moses, Jesus,
der im weißen Gewand [Mani], Mohammed und Mathani [der Mahdi]“.
Das Kalachakra-Tantra bezeichnet sie als „die Familie der
dämonischen Schlangen“. (Shri Kalachakra I. 154) Insbesondere
beschwört das Kalachakra-Tantra einen globalen Krieg zwischen der
islamischen und buddhistischen Welt. Der Original-Text spricht davon, dass
das „machtvolle, gnadenlose Idol der Barbaren, die dämonische
Inkarnation“ in Mecca lebt.(Shri
Kalachakra I. 154) Von den Hauptgegnern des kommenden Shambhala-Königs,
Rudra Chakrin („zorniger Raddreher“) erfahren wir, dass sie mleccha
heißen, das bedeutet sowohl „Barbaren“, als auch die „Einwohner
Mekkas“. Ein weiterer Kalachakra
Kommentar spricht von Rudra Chakrin als dem „Töter der Mlecchas“. Schon in
unseren Tagen finden, kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen, Kriege
zwischen Muslimen und Buddhisten statt, die teilweise von beiden Seiten
unter endzeitlichen Argumenten geführt werden.
Das apokalyptische Muster mit seinen Untergangsvisionen,
letzten Schlachten zwischen Gut und Böse, einem Militanten Messias usw. kennt
der frühe Buddhismus (ab 500 v. Chr.) nicht. Es verbreitet sich erst mit dem Mahayana Buddhismus (ab 200 v.
Chr.), wird dann vom Vajrayana
Buddhismus übernommen (400 n. Chr.) und schließlich im Kalachakra-Tantra (10. n. Chr.)
ausformuliert und mit dem Ritualwesen verbunden. Das Doomsday-Tantra ist zu
einem zentralen Glaubenselement der lamaistischen Kultur geworden, die aus
diesen und weiteren Gründen eine radikale fundamentalistische Ausrichtung
aufweist.
Im Unterschied zu den monotheistischen Apokalypsen findet im Kalachakra-Tantra der Weltuntergang
auf vier verschiedenen Ebenen statt. Einmal auf der makrokosmischen als
Vernichtung des gesamten Universums; dann auf der mikrokosmischen Ebene als
Destruktion des Energiekörpers des Adepten, der die inneren Yoga-Praktiken
des Tantras durchführt. Drittens auf der ästhetisch-symbolischen Ebene
durch die Zerstörung des Kalachakra Sand Mandalas, welches den Kosmos
symbolisiert, und zuletzt auf der politischen Ebene durch den sogenannten
Shambhala-Endzeit-Krieg. Wir haben
es hier mit einer inszenierten Apokalypse zu tun, die nicht von „Gott“
geschickt wird, sondern die durch magische Techniken und Riten simuliert
wird. Ausführlich sind wir auf die verschiedenen Aspekte der lamaistischen
Apokalypse in unserem Buch Der
Schatten des Dalai Lama – Sexualität, Magie und Politik im tibetischen
Buddhismus eingegangen. Besonders detailliert haben wir auch die Rolle
der Frau und der Sexualität in diesem Doomsday-Kult behandelt.
Christlicher Fundamentalismus
- 5. Januar 2006
Die Darwin Debatte
Sie wollen in Amerika einen Gottesstaat errichten
Hinter der zurzeit in USA
ausgebrochenen Debatte zwischen Darwinisten und Anhängern des Intelligent
Design (Siehe Spiegel Titel Nr. 52/24.12.05)
verbirgt sich mehr als eine Kontroverse über die Frage, ob der Mensch von
den Primaten abstammt oder nicht. Sie ist nur die sichtbarste Spitze eines
Kulturkampfes, der schon seit Jahren in den USA ausgefochten wird. In
diesem stehen die „Christliche Rechte“ auf der einen Seite und der
„säkulare Humanismus“ auf der anderen. Dabei geht es beiden um mehr als um
die Evolutionstheorie. Es bekämpfen sich in diesem Streit Demokratie und
Theokratie, Wissenschaft und Bibel, Realpolitik und politische Theologie.
Der aggressive Kern des
Intelligent Design vertritt eine apokalyptisch-messianische Weltsicht, die
als Dispensationalismus bekannt
ist und die weniger auf den Anfang des Lebens als auf dessen Ende blickt.
Beides, Anfang und Ende, ist – ihrer Meinung nach - von der Hand Gottes
bewirkt. Doch das „Finale“ in dem aus der Bibel abgeleiteten Intelligent
Design wird für das Gros der Menschen schrecklich sein, so schrecklich wie
es in der Offenbarung des Johannes
vorausgesagt ist. Daniel Dennet, engagiertester Sprecher der Darwin-Zunft,
fasst deswegen in einem Spiegel-Interview die Intentionen seiner Gegner mit
den folgenden zwei Sätzen zusammen: „Sie wollen in Amerika einen
Gottesstaat errichten. Es ist erschreckend, dass viele von ihnen überzeugt
sind, das Jüngste Gericht stehe bevor.“
Schon im Jahre 1974 hatte der
Doomsday-Autor Tim LaHaye, der wohl einflussreichste Hintergrundspieler der
Christlichen Rechten in Amerika, gegen den Darwinismus Front gemacht und
ihn als „die Plattform, auf der Sozialismus, Kommunismus, Humanismus,
Determinismus und die Eine-Weltheorie aufbauen“ bezeichnet. Vor gut einem
Jahr leitete LaHaye seine Darwin-Kritik aus der Offenbarung des Johannes ab. Dort ist in 16: 13 zu lesen: „Was
war die große Lüge, mit der die unreinen Geister die ganze Welt hinters
Licht führten?“ LaHaye kommentiert: „Es ist die Lüge der Evolution, in der
es darum geht, dass die Menschen sich langsam entwickelt haben und das alle
Geschöpfe gleich sind. So kann Satan sich einreden, dass er Gott gleich ist.
In unserem Buch [gemeint ist der Band 11 von LaHayes Endzeit-Thriller-Serie
Left Behind] konnten wir so
unseren Lesern vermitteln, dass die Evolutionstheorie eine gefährliche
religiöse Irrlehre ist. Sie wird in den letzten Tagen viel Menschen von
Jesus abbringen.“
Als sich jüngst in der
kleinen Stadt Dover (Pennsylvania) der School Board für die Evolutionslehre
und gegen den Intelligent Design entschied, drohte Pat Robertson,
Medienmogul der Christlichen Rechten, mit Unheil: „Ich möchte den guten
Einwohnern von Dover sagen, wenn in eurer Gegend ein Desaster geschieht,
wendet euch nicht Gott zu. Ihr habt ihn gerade aus eurer Stadt
herausgejagt. […] Gott ist tolerant und liebenswürdig, aber wir können
nicht für immer unseren Finger in sein Auge stecken. […] Sollte es in
Zukunft Probleme in Dover geben, dann empfehle ich euch, Darwin anzurufen.
Vielleicht kann er euch helfen.“ Pat Robertson hatte im Sommer Schlagzeilen
mit der Forderung gemacht, die US Regierung solle den Präsidenten
Venezuelas, Hugo Chavez, ermorden lassen.
Islamischer
Fundamentalismus – 3. Januar 2006
Umstrahlt von grünem Licht
Der Messias-Komplex
des iranischen Präsidenten
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